„Pflegereform“ light: Zum Versuch, einen kleinen Deckel auf den Kochtopf zu setzen. Änderungen für die Pflegebedürftigen durch das GVWG zum 1. Januar 2022

Bei vielen Menschen gibt es eine absolut verständliche Sehnsucht nach guten Nachrichten, nicht nur in diesen sowieso belastenden coronalen Zeiten, in denen man nach gut zwei Jahren nicht nur kein Licht am Ende des Tunnels erkennen kann, sondern den Tunnel selbst aus den Augen verloren hat.

Und gerade, wenn es um die Langzeit- bzw. Altenpflege geht, dominieren nicht erst seit der Corona-Pandemie die negativen Schlagzeilen. Es mangelt hier offensichtlich an vielen und allem und dann wird man auch noch mit ständigen Kostensteigerungen konfrontiert. Besonders die Situation der vielen Menschen, die in Pflegeheimen untergebracht sind, wird dabei immer wieder mit Angst machenden Botschaften beschrieben: Immer größer werden die Beträge, die man als „Eigenanteile“ zuzahlen muss, um dann nicht selten mit einer fragwürdigen, zuweilen katastrophal schlechten Versorgung konfrontiert zu werden. Und die große Mehrheit der Pflegebedürftigen, die zu Hause lebt und versorgt werden muss, kann in vielen Regionen froh sein, wenn es überhaupt irgendeinen ambulanten Pflegedienst gibt, der noch bereit und in der Lage ist, ein- oder zweimal am Tag vorbeizukommen.

Da ist man dankbar, wenn aus den heiligen Hallen des Bundesgesundheitsministeriums hoffnungsvolle Botschaften unter das Volk gebracht werden, so wie diese hier: „Entlastung für Pflegebedürftige bei den Eigenanteilen“ wurde für den Jahresbeginn 2022 versprochen und tatsächlich auch eingehalten. Und auch für diejenigen, die auf ambulante Pflege angewiesen sind, soll und gibt es mehr Geld. Das hört sich doch endlich mal gut an, also schauen wir genauer hin.

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Bis 2040 fehlen in Deutschland angeblich hunderttausende Pflegeheimplätze. Wirklich?

Britta Beeger kommt in der FAZ gleich nach der Überschrift – Deutschland fehlen hunderttausende Pflegeheimplätze bis 2040 – zum eigentlichen Anliegen, das transportiert werden soll: »In Deutschland fehlen nicht nur Pflegekräfte, sondern auch Heimplätze. Ohne privates Kapital geht es nicht, sagen Forscher – sie plädieren für eine weniger strikte Regulierung.« Sie bezieht sich auf den neuen Pflegeheim-Rating-Report, der alle zwei Jahre erstellt wird. Darin wird damit gerechnet, »dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen von aktuell rund 4,1 Millionen auf 4,9 Millionen im Jahr 2030 und sogar 5,6 Millionen im Jahr 2040 steigen wird. Dementsprechend würden bis 2040 weitere 322.000 stationäre Pflegeplätze benötigt, schreiben sie. Heute leben rund 820.000 Menschen in einer solchen Einrichtung.«

Die erforderlichen Investitionen beziffern die Autoren auf bis zu 125 Milliarden Euro. Öffentliches oder freigemeinnütziges Kapital allein werde dafür nicht ausreichen und im Pflegeheim-Rating-Report wird dafür plädiert, »den streng regulierten Markt für private Investoren attraktiver zu machen.« „Ohne privates Kapital wird es kaum möglich sein, ein ausreichend großes Angebot zu schaffen“, wird Ingo Kolodziej vom RWI zitiert. Es werde jedoch nur bereitgestellt, wenn es „risikogerecht verzinst“ werde, sprich: wenn sich die Investition lohnt.

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Der Pflegenotstand in Deutschland wird nach neuen Hochrechnungen brisanter als bislang angenommen

Bis zum Jahr 2030 sollen bei konservativen Annahmen mehr als 180.000 Pflegekräfte fehlen, auch weil es mit dann insgesamt rund sechs Millionen Pflegebedürftigen über eine Million Betroffene mehr geben wird als bisher angenommen. Das geht aus dem aktuellen Pflegereport der BARMER hervor – der sich auf die Alten- bzw. Langzeitpflege bezieht. Die Pflege in den Krankenhäusern ist hier nicht berücksichtigt.

Heinz Rothgang und Rolf Müller (2021): BARMER Pflegereport 2021. Wirkungen der Pflegereformen und Zukunftstrends. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse Band 32, Berlin: BARMER, 2021

Wie aus dem BARMER-Pflegereport weiter hervorgeht, werden in weniger als zehn Jahren knapp drei Millionen Pflegebedürftige ausschließlich von ihren Angehörigen gepflegt und damit rund 630.000 mehr als im Jahr 2020. Zudem wird es insgesamt eine Million Menschen vollstationär und 1,17 Millionen durch ambulante Pflegedienste versorgte Menschen geben. Dies entspricht einem Anstieg um gut 200.000 Betroffene (+26 Prozent) in Pflegeheimen und 165.000 Personen, die ambulant versorgt werden (+16 Prozent). 

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