Kein Auslaufmodell auf dem Arbeitsmarkt: Helfertätigkeiten. Eine Studie beleuchtet die regional unterschiedliche Beschäftigungsentwicklung in Deutschland

Wer kennt sie nicht, die Vorhersagen, dass die Un- und Angelernten auf dem Arbeitsmarkt in schwere See geraten, dass sie durch die Digitalisierung – von der die Hochqualifizierten profitieren (sollen) – überflüssig, wegautomatisiert und eingespart werden. Dabei werden ältere Semester darauf hinweisen, dass das nun wahrlich keine neue Perspektive darstellt, man denke nur an die zahlreichen Rationalisierungswellen, die wir seit den 1970er Jahren vor allem in der Industrie gesehen haben. So viele Jobs für Un- und Angelernte sind seitdem weggefallen, also hier bei uns in Deutschland, sie wurden tatsächlich Opfer des technischen Fortschritts oder aber die sogenannte Einfacharbeit wurde verlagert in andere, in Billiglohnländer. Und auch die Verlagerung dieser Jobs vor allem in den asiatischen Raum ist nun wahrlich kein neues Phänomen, es seit hier nur an die in den 1970er Jahren geführte sozialwissenschaftliche Forschung über eine „Neue internationale Arbeitsteilung“ erinnert, die sehr genau beobachtet hat, was mit den damals hunderttausenden Jobs in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie passiert ist. Für die historisch Interessierten und für die, denen bewusst ist, dass viele Debatten schon einmal geführt wurden, vgl. beispielsweise Folker Fröbel, Jürgen Heinrichs und Otto Kreye (1978): Die neue internationale Arbeitsteilung: Ursachen, Erscheinungsformen, Auswirkungen. Darin beispielsweise dieser Satz – wohlgemerkt aus dem Jahr 1978: »Im Mittelpunkt stehen … gegenwärtig die Auswirkungen der
Einführung elektronischer Geräte und Verfahren in zahlreichen Sektoren von Wirtschaft und Verwaltung.« Das damalige Anliegen der Autoren aus dem Max-Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg war es, die Auswirkungen von Produktionsverlagerungen ins Ausland unter die Lupe zu nehmen und deren Wechselwirkungen mit der vor über 40 Jahren bereits geführten aufgeregten Debatte über massive Arbeitsplatzverluste durch die technische Entwicklung zu untersuchen. .

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Neues aus der Lieferbotengesellschaft: Die Gorillas Worker wollen einen Betriebsrat und bekommen Hilfestellung vom Arbeitsgericht. Und in eine Branche mit Fragezeichen fließen weiter Milliarden-Wettbeträge von Investoren

Eine herbe Niederlage kommt oftmals in staubtrockenen Worten daher: »Das Arbeitsgericht Berlin hat den Antrag der Arbeitgeberin auf Abbruch der Betriebsratswahl bei einem Fahrradlieferdienst … zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, ein Abbruch der Wahl durch Erlass einer einstweiligen Verfügung sei nur ausnahmsweise möglich, wenn ganz erhebliche Fehler feststellbar seien, die zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führen würden … Aufgrund der hier von Arbeitgeberseite vorgetragenen Fehler gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit«, so das Arbeitsgericht Berlin in einer Mitteilung unter der Überschrift Kein Abbruch der Betriebsratswahl, die am 17.11.2021 veröffentlicht wurde.

Um welche Arbeitgeberin es sich hier handelt? Es geht um Gorillas, ein 2020 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Berlin, das einen Lieferdienst für Lebensmittel und andere Supermarktwaren in Großstädten betreibt. Dazu gehören eine Online-Bestellplattform, kleine Auslieferungslager in zentralen Lagen und Fahrradkuriere. Die sollen in Berlin sicherstellen, dass der bestellte Einkauf in zehn Minuten an der Haustür des Kunden ist. Und es geht um die Fahrradkuriere, die „Rider“, sowie die „Picker“ in den Lagern, denn die haben in den vergangenen Monaten auf sich aufmerksam gemacht mit „wilden Streikaktionen“ und der Absicht, einen Betriebsrat zu gründen (vgl. dazu bereits den Beitrag Wenn dein starkes Rad es will, stehen viele Rider still. Die Wiederauferstehung „wilder Streiks“ und dann auch noch beim Lebensmittel-Lieferdienst „Gorillas“? vom 12. Juni 2021). Gorillas beschäftigt derzeit etwa 2.000 Mit­ar­bei­te­r allein in Berlin, 75 Prozent davon sind Fah­re­r oder Lagermitarbeiter. Über genaue Zahlen, auch über Berlin hinaus, schweigt das Unternehmen. Anfang Oktober hatte Gorillas laut Angaben der Gewerkschaft Verdi 350 Rider entlassen. Als Begründung wurden seitens des Unternehmens die „unangekündigten wilden Streiks“ genannt.

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Großbritannien: Der Markt regelt das (nicht). Personalvermittler für Pflegekräfte treiben ihre Preise für den Verleih von Pflegekräften nach oben

Der eine oder andere wird sich daran erinnern – noch vor dem Ausbruch der Corona-Krise gab es hier bei uns in Deutschland eine Debatte über die sich ausbreitende Leiharbeit in der Pflege. Kliniken und Pflegeheime berichteten, dass sie zunehmend darauf angewiesen seien, Personallücken über Zeit- bzw. Leiharbeit zu füllen. Und zugleich gab es zahlreiche Berichte, dass Pflegekräfte bewusst in die Leiharbeit abgewandert sind, weil sie dort – entgegen dem üblichen Image der Branche – bessere Arbeitsbedingungen für sich selbst finden, also was sowohl die Bezahlung, wie auch die Dienstzeiten angeht. Zugleich standen und stehen die Betreiber von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vor dem Problem, dass die Kosten für die Leiharbeitskräfte ganz erheblich sind, denn die Verleiher lassen sich das einschließlich ihrer Gewinne entsprechend bezahlen. Die Debatte im Herbst 2019 und Anfang 2020 mündete dann in Forderungen an den und aus dem politischen Raum, Leiharbeit in der Pflege zu verbieten.

➔ Wer die damalige Diskussion nachvollziehen möchte, dem seien die Beiträge „Gute Leiharbeit“? Zur medialen und tatsächlichen Bedeutung der Leiharbeit in der Kranken- und Altenpflege vom 23.09.2021, Ein Teil der Pflegekräfte „flieht“ in die Leiharbeit, Betreiber von Kliniken und Pflegeheimen sind sauer und die Berliner Gesundheitssenatorin will Leiharbeit in der Pflege verbieten? Ein Lehrstück vom 01.11.2019 sowie Aus der mal nicht eindeutigen Welt der Leiharbeit. In der Pflege. Oder: Wenn ausnahmsweise Arbeitgeber vor Leiharbeitern geschützt werden sollen vom 23.01.2020 empfohlen.

Aus einem Verbot der Leiharbeit in der Pflege ist – wie bereits damals vorausgesagt – nichts geworden. Und man kann sich gut vorstellen, dass die Belastungen und Verwerfungen durch die Corona-Pandemie den Trend in die Leiharbeit sogar noch vorangetrieben haben.

Aber nicht nur bei uns ist das und die damit verbundenen Probleme ein Thema. Auch auf der Insel, in Großbritannien, wird darüber intensiv diskutiert.

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