Die Untiefen der großen kleinen Zahlen: Von mickrigen Renten, einer falschen Gleichsetzung mit Altersarmut sowie zugleich deren beharrliche Leugnung

Es ist ja nun wirklich eine Binsenweisheit, dass man bei Statistiken verdammt aufpassen muss. Gerade auch deshalb, weil sie gerne von den einen oder anderen für ihr jeweiligen Zwecke genutzt oder vernebelt werden. Besonders gefährlich wird es, wenn mit Durchschnittswerten gearbeitet wird. Ein Beispiel: »Dem Alterssicherungsbericht der Regierung zufolge lag das durchschnittliche Netto-Gesamteinkommen für Ehepaare im Jahr 2016 bei 2.543 Euro. Alleinstehende Männer über 64 kamen auf 1.614, alleinstehende Frauen auf 1.420 Euro.« Also wirklich, wird der eine oder andere denken, den Senioren geht es doch sehr gut, als Rentnerpaar netto mehr als 2.500 Euro im Monat – da kann man das Leben ordentlich genießen und das erklärt uns dann die vielen älteren Menschen auf den Kreuzfahrtschiffen dieser Welt. Nun sind aber solche Zahlen fragwürdig bzw. sogar kontraproduktiv, wenn man die Streuung der einzelnen tatsächlichen Einkommenswerte um diesen Mittelwert nicht kennt oder diese stark ausgeprägt ist. Genau das ist aber bei den Haushaltseinkommen der Fall, was auch erklärt, warum Millionen Rentner beim Lesen dieser Werte sicher mehr als erstaunt reagieren, wie weit weg davon doch ihr verfügbares Einkommen ist. Während einige andere über 2.500 Euro pro Monat und dann auch noch für zwei Personen nur müde lachen können.

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Die bisher mindestens Zweidrittel- und am Ende 50-Prozent-Gesellschaft: Erwerbsbiografien in Deutschland und ein Teil der Rentenfrage

Jedes Jahr veröffentlichen Krankenkassen ihre Gesundheitsberichte, oftmals mit einem wechselnden Schwerpunktthema. So auch die Techniker Krankenkasse. Deren Gesundheitsreport 2018 steht in diesem Jahr unter der Überschrift „Fit oder fertig? Erwerbsbiografien in Deutschland“. Dabei geht es beispielsweise um solche Fragen: Wie häufig und warum unterbrechen die Beschäftigten in den verschiedenen Altersgruppen und Beschäftigungsverhältnissen ihre Berufstätigkeit oder scheiden sogar ganz aus dem Erwerbsleben aus? Durch erwünschte Pausen wie Studium oder Elternzeit? Oder eher unfreiwillig durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit? Jens Baas, der Vorstandsvorsitzende der TK, bilanziert in seinem Vorwort: »Die gute Nachricht ist: Zwei Drittel der Erwerbspersonen waren im Untersuchungszeitraum von Anfang 2013 bis Ende 2017 durchgängig beschäftigt.« Und mit Blick auf die vorgelegten Daten kann man ergänzen: Von den 35 bis 60-Jährigen waren es sogar mehr als 80 Prozent.

Nun kann es für Unterbrechungen im Erwerbsleben unterschiedliche Gründe geben, beispielsweise ein begrenzter Ausstieg wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit mit anschließender Rückkehr auf den Arbeitsplatz. Oder aber eine Unterbrechung wegen Arbeitslosigkeit (mit einem Anteil von gut 15 Prozent war Arbeitslosigkeit der mit Abstand häufigste Grund für eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit) oder eine Erwerbsunfähigkeit – was natürlich aus sozialpolitischer Sicht besonders bedeutsame und mit Folgeproblemen versehene Ereignisse im Lebenslauf sind.

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Die Rentenfrage als Lackmustest? Die AfD und ihre weiter ungeklärte sozialpolitische Ausrichtung

»Die neoliberale Ideologie, die von allen Altparteien getragen wird und Staaten zu Wurmfortsätzen global agierender Konzerne gemacht hat, entzieht den Volkswirtschaften dringend benötigtes Investitionskapital und senkt in den westlichen Industrienationen die Löhne zugunsten der Kapitalrendite. Die Folgen für den Sozialstaat und die Renten sind verheerend.« Und er führt weiter aus: Die gesetzliche Rentenversicherung sei zugunsten von privaten Versicherungen und Banken ausgehöhlt worden. CDU und SPD haben mit der Ausweitung der Leiharbeit Niedriglöhne auf breiter Front etabliert und das Lohngefüge zugunsten der Kapitalrendite gedrückt. Und die private Vorsorge war ein Irrweg.

Und wer hat das gesagt? Spontan würde man das irgendwelchen Linken zuschreiben, wenn da nicht für die aufmerksamen Leser das Wort „Altparteien“ wäre. Denn das verwenden derzeit ganz andere Kräfte. Beispielsweise die AfD. Und so überrascht es auch nicht (mehr), wenn hier die Auflösung für die Urheberschaft geliefert wird: Björn Höcke war es. Der Frontmann des radikal-rechten Flügels der AfD. Das Zitat ist einem Interview entnommen, das Ende November 2017 unter der bezeichnenden Überschrift „Das sind die Frontverläufe unserer Zeit“ veröffentlicht wurde. Heck und sein Anhang sind nicht im Nebulös-Allgemeinen stehen geblieben, sondern sie haben an einer ganz eigenen sozialpolitischen Profilierung der AfD gearbeitet. 

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Hinter den Kulissen geht es wie so oft kleinkrämerisch zu: Von den Betroffenen eines Terroranschlags und den Mühlen der Bürokratie

Am 19. Dezember 2016  wurden bei einem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt zwölf Menschen getötet und etwa 70 weitere teilweise schwer verletzt. Das Attentat von Anis Amri  auf dem Berliner Breitscheidplatz war der bislang schwerste islamistische Anschlag in Deutschland. Verletzte, Hinterbliebene und Rettungskräfte kämpfen noch heute mit den Folgen.

Als eine Folge des Attentats wurde nicht nur Stück für Stück erfahrbar, welche vielfältigen Probleme in den einzelnen Sicherheitsapparaten den Alltag bestimmen, so dass man letztendlich nicht das verhindert hat, was man hätte verhindern können. Wieder einmal wurden wir konfrontiert mit dieser weit verbreiteten Mischung aus Nicht-Zuständigkeiten und Nicht-Verantwortung. Und von anderer interessierter Seite wurde dieser Anschlag ausgeschlachtet als ein weiterer Mosaikstein in der Rhetorik der Gefahren, die mit angeblich „den“ Flüchtlingen verbunden sind. Zuweilen kann man sich mit Blick auf dieses extreme Lager nicht des Eindrucks erwehren, dass es hier eine Art „klammheimliche Freude“ an jedem neuen Anschlag gibt, weil man dann die Ängste und Bedrohungsszenarien weiter mit Stoff befüllen kann.

Aber was ist eigentlich mit den Opfern und ihren Hinterbliebenen? Und den Beteiligten, die geholfen haben an diesem Tag? Wer hat sich eigentlich um die und wie gekümmert? Man könnte naiv annehmen, dass ihnen die volle Fürsorge der Gesellschaft und der Politik sicher ist, allein schon deshalb, weil jeder von uns ja zufälligerweise auch in diese Situation hätte kommen können. Um die wird sich „der“ Staat sicher mitfühlend und aufmerksam gekümmert haben. Könnte man denken. Ist aber nicht so. Ganz im Gegenteil.

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Wenn eine Ausgleichsrente für die letzten Opfer des Holocaust in die Anrechnungsmaschinerie des Hartz IV-Systems gerät, hilft nicht einmal das Bundessozialgericht. Ganz im Gegenteil

Immer wieder wird man mit dem Vorwurf konfrontiert, dass das deutsche Sozialrecht zu großzügig sei bzw. vor allem von den Sozialrichtern so ausgelegt werde zugunsten der Leistungsbezieher und dass man – so die Empfehlung – doch genauer hinschauen sollte und Leistungen auch verweigern müsse, wenn denn da noch was anderes bei den Betroffenen zu holen ist. Nun werden sich viele Menschen, die in den weiten Welten der Sozialgesetzbücher unterwegs sein müssen, für solche Aussagen bedanken und darauf hinweisen, dass in vielen Bereichen nicht bewilligt oder andere Mittel angerechnet werden, bis es kracht. Gerade die Hartz IV-Empfänger wissen ein Lied von Einkommensanrechnungen und Leistungskürzungen zu singen.

Und erneut werden wir Zeugen der Unerbittlichkeit der Vorschriften, denen es egal ist, wer an ihnen abprallt. Diesmal geht es um Menschen, die als Überlebende die von Deutschland ans Tageslicht geholte Hölle auf Erden hinter sich haben, also um die Opfer des Holocaust. Es werden immer weniger, die noch dazu gehören und die eigentlich – sollte man meinen – wenigstens am Ende ihres Lebens halbwegs ordentlich behandelt werden von dem Staat, der die juristische und moralische Nachfolge dessen angetreten hat, was als „Drittes Reich“ nicht nur semantisch verklärt wird.

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