Nein, am 12. Mai eines jeden Jahres wird nicht der „Tag der Pflege“ begangen, wie man in vielen Medienberichten zu lesen oder hören bekam, sondern der International Nurses Day, der Tag der (beruflich) Pflegenden. Der Tag soll an den Geburtstag von Florence Nightingale, der Pionierin der modernen Krankenpflege, erinnern. Auch der Bundestag hat das aufgegriffen: »Die teilweise schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen nach Ansicht von Fachpolitikern nachhaltig verbessert werden. In einer Debatte über die Pflegeversorgung machten Redner am Donnerstag, 12. Mai 2022, im Bundestag auf die Diskrepanz zwischen der großen Fachkräftelücke einerseits und der zunehmenden Zahl an Pflegefällen sowie dem schwierigen Arbeitsalltag der Pflegekräfte andererseits aufmerksam«, so der Bericht des Parlaments unter der wieder einmal verheißungsvollen Überschrift Der Pflegeberuf soll attraktiver werden. Aber es soll hier gar nicht um die deutsche Debatte gehen, sondern der Blick geht in das Nachbarland Österreich.
Österreich
Sozialhilfe in Österreich: Eine Hilfe, die „langsamer“ und „weniger effizient“ ist? Ein Gesetz, das vor Hilfe abschottet?
Österreich wird seit einiger Zeit regiert von einer „türkis-grünen“ Bundesregierung. Davon hatte man in unserem Nachbarland eine „türkis-blaue“ Regierung (also eine Koalition aus ÖVP und FPÖ), damals noch unter Führung des seit Ende des vergangenen Jahres privatisierten Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP). Über eines der Prestigeprojekte der damaligen Koalition wird so berichtet: »Nach ausgiebigen Klagen über „Zuwanderung in das Sozialsystem“ und angeblich arbeitsfeindlich hohe Leistungen ersetzten ÖVP und FPÖ die bestehende Mindestsicherung 2019 durch ein neues Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. Die Koalition drehte dabei das Prinzip um: Statt Mindeststandards gelten nun Höchstlimits … Der Verfassungsgerichtshof hob zwar zwei umstrittene Vorschriften – mit der Kinderzahl sinkende Leistungen, Kopplung an Sprachkenntnisse – auf, doch einige Verschärfungen blieben. Bei der notwendigen Umsetzung in eigene Gesetze genießen die Bundesländer allerdings einen gewissen Spielraum – und wie stark die neuen Vorgaben eine Verschlechterung bedeuten, hängt auch von der früheren jeweiligen Regelung ab. Sechs Länder haben ein Sozialhilfegesetz beschlossen, Tirol, Wien und das Burgenland sind säumig.«
Was würde es kosten, Sozialleistungen armutsfest zu machen? In Österreich hat man eine Rechnung versucht
In aller Regelmäßigkeit – man denke hier beispielsweise an die alljährlichen Armutsberichte des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (vgl. dazu zuletzt aus dem Dezember des vergangenen Jahres Armut in der Pandemie. Der Paritätische Armutsbericht 2021) – werden die „Armutsgefährdungsquoten“, so nennen das die Statistiker in der offiziellen Terminologie, veröffentlicht und mehr oder weniger hitzig diskutiert. Man kann das auch alles nachlesen und sich die Daten bei der Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik besorgen. Mit denen kann man dann solche Abbildungen produzieren:

➞ Weiterführende Informationen zur Neuregelung des Mikrozensus ab 2020
Dem liegt seit vielen Jahren ein relativer Einkommensarmutsbegriff und eine daraus abgeleitete Definition von „Armutsgefährdungschwellen“ zugrunde, den sich nicht irgendwelche Einzelpersonen ausgedacht haben, sondern auf die man sich international verständigt hat. Wenn man weniger hat als die Schwellenbeträge, dann gilt man als von Armut bedroht. Am Beispiel einer alleinstehenden Person waren das 2019 in Westdeutschland 1.100 Euro, in Ostdeutschland (mit Berlin) 986 Euro – pro Monat. Wenn man also für alles weniger als diese Beträge zur Verfügung hatte, also für Lebenshaltung, Wohnen, Teilhabe usw., dann galt man als „armutsgefährdet“.
Von Österreich lernen? Die Förderung der Weiterbildung durch eine Bildungs(teil)zeit als eines der arbeitsmarktpolitischen Vorhaben der Ampel-Koalition
Seit vielen Jahren wurde und wird von Arbeitsmarktexperten darauf hingewiesen, dass wir deutlich mehr Weiterbildung brauchen, gerade für die „Risikogruppen“ des Arbeitsmarktes, gemessen an deren Risiko, erwerbsarbeitslos zu werden. Von denen rutschen dann zahlreiche Menschen in einen Langzeitbezug ab. Hinzu kommen die vielen, die mit Verweis auf ihre (angeblich) fehlende Qualifikation im Niedriglohnsektor einbetoniert sind. Und viele Jahre lang wurde mit Blick auf die Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne eine Fehlstellung der Qualifizierungspoilitik dergestalt beklagt, dass man zwar zahlreiche kurze (und billige) und nicht selten auch mehr als fragwürdige, kontraproduktive Maßnahmen gefördert hat, aber bei den Angeboten, die über einen längeren Zeitraum laufen und die zu einem anerkannten Berufsabschluss führen (können), permanent auf der Bremse stand.
Vor diesem Hintergrund muss anerkannt werden, dass es im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP gerade hinsichtlich einer besseren Förderung von Weiterbildung zahlreiche Vorhabensbekundungen gibt, die viele Kritikpunkte der vergangenen Jahre aufzugreifen versuchen.
Jede Art der Hilfe zur Selbsttötung zu verbieten sei verfassungswidrig, so ein Urteil aus dem Jahr 2020. Nun wurde in Österreich ein „Sterbeverfügungsgesetz“ ins Leben gerufen
Deutschland und Österreich sind in Teilen sehr unterschiedliche Länder, aber es gibt auch interessante Parallelen. So bei dem höchst umstrittenen Thema Sterbehilfe und konkret der Suizidassistenz. Im Februar 2020 hat das deutsche Bundesverfassungsgericht eine dieser wegweisenden Entscheidungen gefällt, die wie ein Fallbeil wirken. Unter der unmissverständlichen Überschrift Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig wird über BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15 berichtet: »Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.«
Der Bundestag muss nun für eine gesetzliche Neuregelung der Suizidassistenz sorgen, allerdings tun sich die Abgeordneten erkennbar schwer. In einigen Wochen werden zwei Jahre seit dem BVerfG-Urteil vergangen sein, ohne dass eine gesetzgeberische Lösung auf der Zielgeraden zu finden wäre.
Anders die Situation in Österreich.