Der Gesetzgeber hat keine Lust (mehr). Das Mindestlohngesetz, die nicht vorhandenen Ausnahme-Langzeitarbeitslosen und Flüchtlinge im Anerkennungspraktikum

Es ist ruhiger geworden um den gesetzlichen Mindestlohn. Die Kritiker schmollen ob der nicht-eingetretenen Vorhersagen und heben hin und wieder das Bein, um deutlich zu machen, dass der Mindestlohn trotzdem von schlechten Eltern ist und dass die schlimmen Folgen irgendwann mal in der Zukunft zu Tage treten könnten. Zum 1. Januar 2017 ist der Betrag von 8,50 Euro auf 8,84 Euro pro Stunde brutto angehoben worden – und damit ist erst einmal Ruhe, bis die Mindestlohn-Kommission erneut beratschlagen darf. Natürlich ist es immer so, dass im Verlauf der Zeit mit Blick auf das zugrundeliegende Gesetzeswerk an der einen oder anderen Stelle Anpassungsbedarfe erkennbar werden, die man dann normalerweise im Gesetzgebungsverfahren aufgreift und das Gesetz anpasst. Und derzeit sind zwei Baustellen erkennbar, die aber partout umschifft werden (sollen).

Das sind beispielsweise – immer wieder – „die“ Langzeitarbeitslosen, für die der Gesetzgeber bei der Normierung des Mindestlohngesetzes aus polit-kosmetischen Gründen und gegen die Empfehlungen der meisten Sachverständigen, die nicht interessengebunden sind, für die ersten sechs Monate eine Ausnahmeregelung von der (eigentlich für alle) geltenden Lohnuntergrenze in das Mindestlohngesetz geschrieben hat (§ 22 Abs. 4 MiLoG). Dort heißt es: »Für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch waren, gilt der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht.« Hört sich eindeutiger an, als es ist.

Nun wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren von Experten darauf hingewiesen, dass diese Sonderregelung nicht nur inhaltlich mehr als fragwürdig ist, sondern wenn man ein wenig Ahnung hat von der Praxis war jedem klar, dass das kaum Relevanz entfalten wird in der wirklichen Wirklichkeit. So ist es denn auch gekommen. Der bereits aufgerufene Paragraf 22 Absatz 4 MiLoG enthält noch eine Ergänzung, die man angesichts der massiven Kritik schon bei der Entstehung der Norm mit aufgenommen hat: »Die Bundesregierung hat den gesetzgebenden Körperschaften zum 1. Juni 2016 darüber zu berichten, inwieweit die Regelung nach Satz 1 die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gefördert hat, und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob diese Regelung fortbestehen soll.«

Und dieser Bericht liegt nun vor (vgl. dazu Mindestlohn: Kabinett beschließt Bericht zur Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose vom 8. Februar 2017) – mit einer nicht erstaunlichen Erkenntnis und zugleich einer erstaunlichen Schlussfolgerung: Bericht und Einschätzung der Bundesregierung zur Regelung für Langzeitarbeitslose nach § 22 Absatz 4 Satz 2 des Mindestlohngesetzes, so ist der lediglich zwei Seiten umfassende Bericht überschrieben. Wir erfahren, dass die Bundesregierung die Regelung zur Ausnahme der Geltung des Mindestlohns für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat evaluieren lassen. Und der Befund?

»Die Analysen des IAB zeigen, dass die Ausnahmeregelung nur in sehr wenigen Fällen auch tatsächlich angewandt wird.«

So weit, so erwartbar. Was aber sind die Schlussfolgerungen der Bundesregierung? Die folgende Chuzpe muss man erst mal sacken lassen:

»Aus Sicht der Bundesregierung gibt es damit unter den bestehenden Rahmenbedingungen weder zwingende Gründe für eine Beibehaltung der Regelung noch zwingende Gründe für eine Abschaffung. Angesichts der Unsicherheiten über die weiteren Entwicklungen der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in den kommenden Jahren hält es die Bundesregierung jedoch für sinnvoll, Arbeitgebern weiterhin Anreize zu geben, Langzeitarbeitslosen einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Bundesregierung empfiehlt daher, zum jetzigen Zeitpunkt keine gesetzlichen Änderungen vorzunehmen. Nach Auffassung der Bundesregierung soll die weitere Entwicklung jedoch beobachtet und gegebenenfalls eine erneute Evaluation unter veränderten Bedingungen durchgeführt werden.«

Na klasse. Das Instrument wird wie vorhergesagt nicht genutzt, es ist ein mehr als begründungspflichtiger Fremdkörper in der Architektur einer allgemeinen gesetzlichen Lohnuntergrenze, die Evaluierung hat eindeutige Befunde gebracht – aber der Gesetzgeber lässt alles so, wie es ist und stellt eine nächste Evaluierung des toten Pferdes in Aussicht.

Man könnte das jetzt als eine unverschämte Arbeitsverweigerung des Gesetzgebers brandmarken, wenn da nicht noch eine weitere Fallkonstellation wäre, die möglicherweise erklärt, warum das Mindestlohngesetz als solches nicht angepackt werden soll – die auch immer wieder ins Feld geführten Flüchtlinge. Mit Blick auf diese Personengruppe gibt es seit 2015, als so viele Flüchtlinge zu uns gekommen sind, immer wieder die Forderung nach ihrer Herausnahme aus dem Geltungsbereich des gesetzlichen Mindestlohns, für einige Hardcore-Vertreter generell, für andere wenigstens analog zur Sonderregelung bei den Langzeitarbeitslosen (vgl. dazu beispielsweise den Beitrag Es tut doch gar nicht weh … Gewerkschaften zwischenbilanzieren den – natürlich erfolgreichen – Mindestlohn und die Gegenseite greift auf Flüchtlinge zurück, um es noch mal zu versuchen vom 25. September 2015).

Dieses Ansinnen wurde in der Vergangenheit selbst aus dem Arbeitgeber-Lager zu Recht zurückgewiesen, auch deshalb, weil man keinen fatalen Unterbietungswettbewerb aufmachen wollte mit möglicherweise heftigen Reaktionen auf Seiten der einheimischen Bevölkerung vor allem in den unteren Lohngruppen, die von der (potenziellen) Konkurrenz dann eventuell ganz real getroffen werden.
Aber auch an dieser Front hat sich die Debatte eigentlich beruhigt, um jetzt an einer ganz speziellen Stelle wieder aufzuploppen.

Es geht um Praktika. Da wird dem einen oder anderen einfallen – da war doch was mit Praktika und dem Mindestlohn. Genau, nur in einem eng definierten Rahmen sind die von der Gültigkeit des Mindestlohns ausgenommen (worden) – und das mit diesem gestaltenden Anspruch der damaligen und Noch-Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), der von Thomas Öchsner in seinem Artikel  Ausnahme für Flüchtlinge so beschrieben wird:

„Ich will das Modell der Generation Praktikum beenden“, sagte sie damals. Mit Kettenpraktika von Hochschulabsolventen sollte nach dem Startschuss für den Mindestlohn Anfang 2015 endlich Schluss sein. Und so kam es dann auch: Praktikanten sind vom Mindestlohn nur dann ausgenommen, wenn es sich um Pflichtpraktika von bis zu drei Monaten während eines Studiums handelt, oder um Pflichtpraktika innerhalb einer schulischen, betrieblichen oder universitären Ausbildung. Der Mindestlohn, betonte Nahles stets, dürfe „kein Schweizer Käse“, der Ausnahmefall nicht zur Norm werden.

Schaut man in das Gesetz, dann findet man die entsprechende Regelung in dem bereits im anderen Zusammenhang aufgerufenen § 22 MiLoG, konkret im Absatz 1. Dort wird explizit und abschließend (weil nicht mit den üblichen Formulierungen wie „insbesondere“ als exemplarisch für einen weiteren Anwendungsbereich gekennzeichnet) aufgelistet, in welchen vier Fallkonstellationen der Mindestlohn nicht angewendet werden muss:

1. ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten,
2. ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten,
3. ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat, oder
4. an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 des Berufsbildungsgesetzes teilnehmen.

Nun gibt es mit Blick (nicht nur) auf Flüchtlinge, sondern generell bei Zuwanderern das Problem, dass im Kontext der Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse hier in Deutschland zuweilen ein Anerkennungspraktikum absolviert werden muss, also eine bestimmte Zeit der beruflichen Tätigkeit in einem Betrieb, bevor man die Gleichwertigkeit ihres Abschlusses und damit deren Verwendbarkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt feststellen kann. Das ist insgesamt ein kompliziertes Feld, weiterführende Informationen kann man beispielsweise dieser Website entnehmen: Anerkennung in Deutschland. Das Informationsportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.

Zu der aktuellen Problematik im Zusammenhang mit dem Mindestlohn schreibt Thomas Öchsner in seinem Artikel:

»Es geht dabei um Flüchtlinge und Zuwanderer, die sich für die Anerkennung ihres ausländischen Berufsabschlusses in Deutschland nachqualifizieren. In diesen Fällen soll für sie ebenfalls kein Mindestlohn gelten. Muss ein Geflüchteter mit einem Ausbildungsberuf noch praktische Kenntnisse in einem Betrieb erwerben, damit sein ausländischer Abschluss als gleichwertig gilt, sei dies wie ein Pflichtpraktikum zu werten – also gibt es keine 8,84 Euro die Stunde. So steht es in einem gemeinsamen Papier der drei Bundesministerien für Arbeit, Finanzen und Bildung.«

Nun kann man mit guten Gründen für diesen speziellen Bereich tatsächlich Argumente ins Feld führen, die bei einer Beschäftigung von Flüchtlingen und anderen Zuwanderern in einem der Anerkennung ihres Berufsabschlusses dienenden Praktikum für die Nicht-Anwendung des Mindestlohns sprechen. Vor allem, wenn man ansonsten davon ausgehen muss, dass viele Unternehmen ansonsten auf das Angebot solcher Plätze verzichten würden, was wiederum fatal wäre für eine Integrationsperspektive, denn auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind nun mal Berufsabschlüsse von zentraler Bedeutung.

Die Bundesregierung will also mit dem erwähnten „Papier“ die Rechtslage klarstellen, ohne dies ausdrücklich in das Mindestlohngesetz aufzunehmen. Man will den Hinweis auf die Mindestlohnfreiheit bei Anerkennungspraktika lediglich als „Bestandteil des Informationsangebots der Bundesregierung“ kommunizieren.

Und da gibt es jetzt Probleme. Zum einen haben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages mit Datum 17. Januar 2017 eine Stellungnahme verfasst unter der Überschrift Mindestlohnfreiheit von Anpassungspraktika nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz. Öchsner fasst den zentralen Befund aus dem Gutachten so zusammen: »Qualifizierungen, die im Rahmen der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen anfallen, seien „nach Wortlaut und Systematik nicht von der Ausnahmeregelung für Pflichtpraktika erfasst“. Diese Ausnahmeregelung ließe sich zwar im Prinzip auf die notwendigen Praktika und Kurse bei solchen Nachqualifizierungen übertragen. Der Wille des Gesetzgebers lasse sich aber „aus der Gesetzesgenese nicht zweifelsfrei ableiten“.«
In dem Gutachten selbst findet man auf S. 11 eine zusammenfassende Bewertung und einen an sich praktikablen Lösungsvorschlag:

»Betriebliche Phasen der Anpassungsqualifikationen im Kontext der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse können grundsätzlich als Praktika im Sinne der Definition des § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG angesehen werden. Sie sind nach Wortlaut und Systematik nicht von der Ausnahmeregelung für Pflichtpraktika nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG erfasst. Der Wille des Gesetzgebers lässt sich aus der Gesetzesgenese nicht zweifelsfrei ableiten. Jedoch sind sie den in der der Ausnahmeregelung ausdrücklich erwähnten Pflichtpraktika im Hinblick auf ihren Zweck, die Interessenlage der Beteiligten und ihre fehlende Missbrauchsanfälligkeit wesentlich gleich gelagert, so dass Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung für deren Einbeziehung in § 22 Abs. 1 Satz Nr. 1 MiLoG im Wege der Analogie sprechen, wie sie in dem vorliegenden Entwurf der gemeinsamen Auslegung der Exekutive vorgeschlagen wird.«

Also gut, wird der eine oder andere an dieser Stelle für sich bilanzieren, dann fügt der Gesetzgeber eben in den genannten § 22 Absatz 1 neben den bereits verankerten vier Fallkonstellationen einen fünften Punkt ein und gut ist. So könnte das laufen, so müsste das laufen.

Aber: Das Bundesarbeitsministerium verweigert sich diesem nachvollziehbaren und gebotenen Ansinnen. Dazu Thomas Öchsner das BMAS zitierend:

»Es sei überhaupt nicht nötig, das Mindestlohngesetz deswegen zu erweitern, sagte eine Sprecherin. Eine vermeintlich klarstellende Regelung würde zwangsläufig neue Auslegungsfragen für andere Formen von Praktika und Qualifizierungszeiten aufwerfen, „die nicht im Gesetz explizit genannt werden“. Dies würde „nicht zu einem Mehr an Rechtssicherheit führen“.«

Warum zieren die sich so? Brigitte Pothmer, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, hat eine naheliegende Vermutung und spricht die auch aus: Sie glaubt, dass sich hinter diesem Nein des Ministeriums ein anderer Grund verbirgt: Nahles wolle das Gesetz nicht anfassen, „weil sie befürchtet, dass die Union diese Gelegenheit nutzen würde, um den Mindestlohn auszuhöhlen“.

Das wäre mit Blick auf die mehr als fragile Mechanik der Großen Koalition, die ja bereits in die Lähmungsphase angesichts des anlaufenden Bundestagswahlkampfs eingetreten ist, durchaus nachvollziehbar, wenn auch frustrierend. Denn damit droht der Sache, um die es im Interesse einer möglichst gelingenden Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und anderen Zuwanderern gehen sollte, eine große, möglicherweise existenzielle Gefahr – nämlich der Zustand einer bewusst in Kauf genommenen Rechtsunsicherheit für die Unternehmen, die im Ergebnis dazu führen kann und wird, dass diese nicht oder in einem viel zu geringem Umfang die dringend benötigten Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Und dass das eben keine theoretische Gefahr ist, kann man dem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags auch entnehmen. Dort heißt es wohlformuliert, aber mit klarer Ansage auf Seite 11:

»In Anbetracht des Umstandes, dass der Auffassung der Exekutive insoweit keine Bindungswirkung gegenüber der unabhängigen Arbeitsgerichtsbarkeit zukommt, kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass diese Auslegung von der Rechtsprechung geteilt wird. Im Sinne der Rechtssicherheit wäre daher eine ausdrückliche Aufnahme der Anpassungspraktika in das MiLoG durch eine entsprechende Gesetzesänderung einer Erstreckung der Ausnahmenregelung im Wege der Analogie vorzuziehen.«

Und da glaubt man, dass vor diesem Hintergrund Unternehmen bereitwillig genügend Anerkennungspraktika zur Verfügung stellen werden? Es wäre absolut nachvollziehbar, wenn sie einen Teufel tun.

Fazit: Weil die zuständige Bundesarbeitsministerin (institutionengoistisch im Gefüge der auslaufenden Großen Koalition durchaus nachvollziehbar) keine Lust hat, den zugeschnürten Sack Mindestlohngesetz an einer bestimmten Stelle wieder aufzumachen, weil sie befürchtet, dann erneut mit einem Hornissenschwarm an weiteren Ausnahmeforderungen konfrontiert zu werden, wird so getan, als könne man über die Kommunikation des „Informationsangebots der Bundesregierung“ eine rechtlich bindende Wirkung entfalten, was nachweisbar falsch ist – und was die betroffenen Betriebe in ein unlösbares Dilemma stürzt, das sie dann völlig rational mit Verweigerung beantworten werden müssen.

Das aber wäre mit Blick auf die sowieso schon nicht einfache und an vielen Stellen hakende Arbeitsmarktintegration von Menschen, die nach Deutschland gekommen sind und von denen viele hier auch bleiben wollen oder werden müssen, ein katastrophales Ergebnis. Die Bundesregierung hat nicht das Recht, aufgrund ihrer (parteipolitischen) Selbst-Blockade einen so wichtigen Änderungsbedarf (der übrigens aufgrund seiner Kleinteiligkeit gesetzgeberisch rasch erledigt werden kann, wenn man denn will) einfach liegen zu lassen. Auch hier wieder würde man die Verantwortlichen gerne in Haftung nehmen können für die sicher eintretenden Schäden.

Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen: „Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor“. Doch, die gibt es – und sie bestätigen die Skepsis gegenüber den „Nirwana-Arbeitsgelegenheiten“

Ein wichtiges Instrumentarium für die parlamentarische Opposition ist das Fragerecht, beispielsweise in Form von kleinen Anfragen an die Bundesregierung. Und die muss die umfänglich und ohne Vorhalten von Informationen beantworten.

Nun würde die Regierung gerne manche Dinge, die ihr nicht in den Kram passen, gerne zurückhalten oder darauf verweisen, man verfüge über keine Informationen. Was aber nicht in Ordnung und ein unakzeptabler Verstoß gegen die parlamentarischen Sitten wäre. Vielleicht aber lässt man auch Anfragen beantworten von Referenten, die möglicherweise weniger durch Qualifikation, sondern aufgrund des richtigen Parteibuchs ausgesucht worden sind – auch das kann erklären helfen, ist aber ebenfalls nicht in Ordnung, denn wenigstens der Fachbeamtenapparat eines Ministeriums sollte funktionieren.

Eine lange Vorrede, um auf diesen konkreten Fall zu kommen: Bereits am 12. Juni 2016 wurde hier gepostet: „Nirwana-Arbeitsgelegenheiten“ zwischen Asylbewerberleistungsgesetz und SGB II. Eine dritte Dimension der „Ein-Euro-Jobs“ und die dann auch noch 20 Cent günstiger? Darin wurde im Kontext des damals in der Niederkunft befindlichen Integrationsgesetzes das Bundesarbeitsministerium zitiert: »Zusätzliche 100.000 Arbeitsgelegenheiten für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ermöglichen erste Einblicke in den deutschen Arbeitsmarkt.« 100.000 „Ein-Euro-Jobs“ (in diesem Fall aber sogar noch reduziert auf 80 Cent) nur für Asylbewerber zwischen Ankommen und Anerkennung als Asylberechtigte (dann sind sie nämlich im Hartz IV-System)? Das hat schon quantitativ überrascht.

Und nicht nur hinsichtlich der geplanten Größenordnung (die mehr als ambitioniert daherkam, wenn man berücksichtigt, dass es im ganzen Hartz IV-System bundesweit nur noch knapp über 80.000 Arbeitsgelegenheiten, so heißen die „Ein-Euro-Jobs“ richtigerweise, gibt). Sondern auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung. Damals wurde der Zweifel so formuliert:

»Das nun überrascht den einen oder anderen, vor allem aber den sachkundigen Beobachter der arbeitsmarktpolitischen Landschaft, denn die „Arbeitsgelegenheiten“ – im SGB II die letztendlich einzige verbliebene Form der öffentlich geförderten Beschäftigung – haben von ihrer Anlage bzw. ihrem vom Gesetzgeber gewollten Zuschnitt nun eher nicht die Aufgabe, dem deutschen Arbeitsmarkt irgendwie nahezukommen, sondern aufgrund der förderrechtlichen Anforderungen (vgl. hierzu § 16d SGB II, nach dessen Absatz 1 erwerbsfähige Leistungsberechtigte in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden können, »wenn die darin verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind.«) müssen sie sogar möglichst weit weg sein von dem, was in der „normalen“ Wirklichkeit des Arbeitsmarktes passiert, damit sie nicht gegen die Wettbewerbsneutralität (§ 16d Abs. 4 SGB II) verstoßen.«

Und weiter:

»Das grundlegende Problem der neuen, geplanten 100.000 „Bundes-AGH-Teilnehmer“ ist nun, dass die
a) für eine Klientel geplant werden, die es eigentlich nicht oder zumindest immer weniger geben wird und
b) dass mit der Durchführung nicht die Kommunen bzw. die Jobcenter (also die zuständigen Institutionen für die heute schon bestehenden AGHs) beauftragt werden sollen, sondern die Bundesagentur für Arbeit (BA) soll das machen.«

Vor diesem konzeptionellen Hintergrund der Arbeitsgelegenheiten ist die Erwartung des BMAS, die geplanten 100.000 Plätze würden „erste Einblicke in den deutschen Arbeitsmarkt“ ermöglichen, nur als weltfremd zu bezeichnen.
Die neuen Arbeitsgelegenheiten eigener Art, wie sie mit dem Integrationsgesetz geplant und der Öffentlichkeit lauthals verkündet wurden, machen überhaupt keinen Sinn. Da werden 100.000 Plätze geplant, die man eigentlich nicht oder nur mit einer sehr kleinen Zahl besetzen kann. Darauf wurde bereits in diesen beiden Blog-Beiträgen kritisch hingewiesen: Die Bundesarbeitsministerin fordert „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge. Aber welche? Und warum eigentlich sie? Fragen, die man stellen sollte vom 13. Februar 2016 sowie Die Bundesarbeitsministerin macht es schon wieder: „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge ankündigen, die noch nicht im Hartz IV-System sind. Was soll das? vom 23. März 2016.

Sage also keiner, man wäre nicht gewarnt gewesen.

Nun hat in der Zwischenzeit, nachdem das Programm angelaufen ist, die grüne Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer eine Anfrage zur Umsetzung dieses ambitionierten Vorhabens an die Bundesregierung gestellt. Und sie hat eine Antwort bekommen:

Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen – Aktueller Stand, Probleme, Perspektiven. Antwort der Bundesregierung, BT-Drucksache 18/11039 vom 31.01.2017

Und was die Abgeordnete da serviert bekommen hat, findet sich in solchen Schlagzeilen wieder: Kaum Interesse an Ein-Euro-Jobs für Asylbewerber, schreibt beispielsweise Dietrich Creutzburg in der Online-Ausgabe der FAZ: »300 Millionen Euro lässt sich der Bund sein neues Förderprogramm kosten. Doch das läuft schleppend an.« So kann man das sagen.

Seit August 2016 wurden von Ländern und Kommunen nur 18.959 Plätze beantragt; genehmigt und damit grundsätzlich verfügbar waren bis Mitte Januar 13.000 Plätze, wird aus der Antwort der Bundesregierung zitiert. Und weiter erfahren wir: Wie viele Asylbewerber tatsächlich schon einen solchen Ein-Euro-Job angetreten haben, ist indes unklar. Und die Verursacherin wird dann so zitiert:

»Für die Abgeordnete Brigitte Pothmer, Arbeitsmarktfachfrau der Grünen, zeigt die Bilanz, dass das Programm von vornherein schlecht durchdacht gewesen sei. Nahles habe „offensichtlich voll am Bedarf vorbeigeplant“. Ärgerlich sei, dass es nicht einmal eine Statistik über die Zahl der Teilnehmer oder gar deren Nationalität gebe. Pothmer rät dazu, das Programm am besten einzustellen. Statt dafür jährlich 300 Millionen Euro „zu blockieren, sollte Ministerin Nahles die nicht benötigten Mittel sinnvoller in Sprachkurse, Qualifizierungen und betriebliche Maßnahmen investieren“, forderte sie.«

Genauer hat sich O-Ton Arbeitsmarkt die Antwort angeschaut und die Befunde in diesem Artikel veröffentlicht: Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen: „Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor“. Dort findet man diesen Hinweis:

»Wie viele der beantragten Plätze auch tatsächlich an Flüchtlinge vergeben wurden, dazu schweigt die Bundesregierung. Sie habe „keine Erkenntnisse dazu, wie viele Asylsuchende bisher eine Flüchtlingsintegrationsmaßnahme begonnen haben. Derartige teilnehmerbezogene Daten werden von der Bundesagentur für Arbeit (BA), die das Arbeitsmarktprogramm „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ im Auftrag der Bundesregierung durchführt, nicht erfasst.«

Das überrascht dann doch, denn O-Ton Arbeitsmarkt hat schon im November letzten Jahres eine Auswertung der BA auch über die bisher besetzten Plätze erhalten. Bundesweit waren zu diesem Zeitpunkt rund 4.400 von etwa 12.000 beantragten Plätzen besetzt, bei deutlichen Unterschieden zwischen den Bundesländern. Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten im November die Hälfte ihrer eingeplanten Stellen besetzt, Thüringen erreichte 43 Prozent, Nordrhein-Westfalen 39 Prozent und Bayern 34. Die übrigen Länder hatten erst (teils deutlich) weniger als ein Drittel der beantragten Stellen besetzt, Bremen und Berlin konnten noch keine der beantragten Stellen besetzen.
Auf Nachfrage bei der BA erklärt diese dementsprechend auch, dass sie sehr wohl Informationen über die besetzten Plätze habe. Diese Daten seien in der Auswertung für die kleine Anfrage enthalten. Rund 12.500 der 13.000 genehmigten Plätze seien besetzt. Warum die Bundesregierung diese Informationen in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage nicht nutzt, ist fraglich.
Und dass das Programm vor sich hinstottert, kann man auch erklären, wenn man genau hinschaut, wie das in dem Beitrag auf O-Ton Arbeitsmarkt gemacht wurde:
Die Zielgruppe der Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen mit einer maximalen Dauer von sechs Monaten sind Volljährige mit guter Bleibeperspektive, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist. Die FIM sind damit „Warte-Ein-Euro-Jobs“ für die Zeit zwischen Antrag und endgültigem Bescheid und damit für einen Zeitraum, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMAF) immer mehr verkürzen soll und will.

Genau das könnte einer der Gründe für das zurückhaltende Interesse sein. Unter den Ländern, die bisher keine oder nur wenige FIM besetzt beziehungsweise beantragt haben, sind auch die Länder mit den kürzesten Bearbeitungsdauern wie das Saarland und Sachsen-Anhalt. Hier könnte es sich schlicht nicht lohnen, einem Flüchtling mit guter Bleibeperspektive eine FIM anzubieten. Anerkannten Flüchtlingen stehen im Übrigen alle regulären arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen offen, darunter auch die herkömmlichen Ein-Euro-Jobs.
Und zum Abschluss sei an das erinnert, was in diesem Blog bereits im Juni 2016 als Empfehlung ausgesprochen wurde:
»Eigentlich liegt ein grundlegender Lösungsansatz auf der Hand, der aber noch nicht einmal diskutiert wird. Am Ende landen die meisten Flüchtlinge alle im Hartz IV-System, also im Rechtskreis des SGB II, außer sie können sich als anerkannte Asylbewerber auf dem Arbeitsmarkt alleine finanzieren, was einigen, sicher in den nächsten Jahren aber nicht vielen gelingen wird. Warum also nicht die Jobcenter von Anfang an für die arbeitsmarktliche Betreuung und Begleitung der Flüchtlinge zuständig machen? Das wäre konsequent und man vermeidet die zahlreichen Probleme, die sich allein aus dem Rechtskreiswechsel und der heute schon vorhandenen und nun auch noch auszubauenden Teil-Zuständigkeit der BA mit ihren Arbeitsagenturen ergeben.
Wenn man das verbinden würde mit einer radikalen Instrumentenreform im SGB II, die es den Jobcentern endlich ermöglichen würde, das sinnvolle Arsenal an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen flexibel und ohne die hypertrophierten förderrechtlichen Begrenzungen und den vielen hyperkomplexen Sonderprogrammen für extrem selektiv definierte „Zielgruppen“, die wir heute haben, umzusetzen, dann wäre eine deutliche Verbesserung erreichbar.«
Daran hat sich nichts geändert. Und leider wird in diesem Bereich ja auch nie jemand in Haftung genommen für den offensichtlichen Unsinn, den man verzapft hat. Und man kann noch nicht einmal sagen, man habe das ja nicht ahnen können.

Flüchtlinge: Konturen der Festung Europa, zugleich die Unwahrscheinlichkeit einer europäischen Lösung und die kommenden Lager jenseits des Mittelmeers

Die ganze Welt und vor allem die Berichterstattung ist gefangen von den sich überschlagenden Ereignissen in den USA. Die ersten Maßnahmen des neuen Präsidenten Donald Trump verheißen tatsächlich den Versuch einer Umsetzung seiner Wahlversprechen auf Kosten „der anderen“ – darunter auch von Menschen, die in den USA Zuflucht suchen wollen. Die sollen draußen bleiben (müssen). Ob das nun über eine Mauer an der mexikanischen Grenze oder aber über ein kollektives Einreiseverbot für Menschen mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit erreicht werden soll – die Botschaft bleibt die gleiche: Abschottung. Grenzziehung. Ausschluss. Und immer wieder verweist der neue Präsident auf die angeblich schrecklichen Zustände, die in Europa herrschen sollen wegen der vielen Flüchtlinge.

Dabei wird in Europa die Empörung über die USA selbst als heuchlerisch bezeichnet: Europas unsichtbare Mauer, so ist der Kommentar von Doris Akrap überschrieben: Donald Trump »könnte, wenn er wollte, ja mal nachfragen, wie die EU ihre unsichtbare Mauer an der Mittelmeerküste eigentlich nennt – und wie viele Flüchtlinge die EU dieses Jahr schon im Mittelmeer hat absaufen lassen.«

Und sie erinnert an zwei der zahlreichen – ihrer Meinung nach bizarren – Vorschläge des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU): »Aufnahmelager in Afrika nach türkischem Vorbild und die kostenlose Rückführung von im Mittelmeer aufgegriffenen Flüchtlingen nach Afrika, wo sie in Ruhe einen Asylantrag stellen können sollen.«

Ob bizarr oder nicht – genau in diese Richtung bewegt sich zumindest konzeptionell der große schwere Tanker EU. Marcel Leubecher berichtet darüber in seinem Artikel Die Festung Europa nimmt Konturen an:

»Langsam, aber sicher werden die Pläne zum Schutz der europäischen Außengrenzen konkret. Schon in der kommenden Woche könnten die EU-Regierungschefs auf dem Sondertreffen in Maltas Hauptstadt Valletta das Ende der aktuellen Hauptflüchtlingsroute Libyen–Italien einläuten. Mit mehr als 100 Millionen Euro sollen die Südgrenzen des Bürgerkriegsstaates Richtung Zentralafrika abgeriegelt werden, die Vereinten Nationen sollen die Versorgung für Migranten innerhalb Libyens aufstocken.«

Der Bundesinnenminister  Thomas de Maizière (CDU) wird deutlich: Ziel müsse es dann sein, „dass Flüchtlinge gar nicht erst nach Europa gebracht werden, sondern zurückgebracht werden in sichere Orte“. Von diesen sicheren Lagern außerhalb der EU könnten dann „die Schutzbedürftigen – und nur die Schutzbedürftigen – nach Europa“, geholt werden.

Dieser (angestrebte) Paradigmenwechsel scheint auch in anderen europäischen Staaten auf fruchtbaren Boden zu stoßen, so wird der österreichische Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) dahingehend zitiert, er wolle durchsetzen, »dass Asylanträge nicht in Österreich, sondern in Asyl- und Migrationszentren im Niger, in Usbekistan oder Jordanien gestellt werden. Außerdem möchte er eine EU-weite Obergrenze zur Aufnahme dieser Flüchtlinge festlegen.«

Die Südeuropäer wollen die Dublin-Vereinbarung, wonach Migranten dort Asyl beantragen müssen, wo sie nach Europa einreisen, kippen. Zu dieser Vereinbarung (die Flüchtlingsfrage wurde europaweit 1990 im Dubliner Übereinkommen geregelt und 2003 durch die Dublin-Verordnung abgelöst) und ihren Problemen vgl. beispielsweise den Artikel In Europa angekommen – und dann? bereits vom 22.04.2015, also vor der Öffnung der deutschen Grenzen im Herbst 2015. Die Dublin-Vereinbarung hatte (und hat) zwei grundsätzliche Probleme – ein logisches und ein ganz praktisches:

  • Durch die Regelung, dass die Flüchtlinge dort ihren Asylantrag stellen müssen, wo sie EU-Boden betreten haben (und falls sie weiter in das EU-Innere vorstoßen, von dort wieder in das Aufnahmeland zurückgeschickt werden können), überlässt man einige wenige Grenzstaaten der EU, vor allem Griechenland und Italien, die Hauptlast der Flüchtlingszuwanderung. Das wäre nur dann nicht der Fall, wenn es ein wie auch immer geregeltes System der Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten geben würden, so dass man die Menschen, die in den Frontstaaten gestrandet sind, idealerweise gleichmäßig verteilen könnte über den ganzen EU-Raum. Diese Regelung aber gab es nicht und sie gibt es auch heute nicht. 
  • Diese Einseitigkeit wurde in der Vergangenheit dadurch „gelöst“, dass die Aufnahmeländer eine irreguläre Weiter-Migration in die anderen EU-Staaten gefördert haben, in dem sie die Menschen haben ziehen lassen. Die Flüchtlinge wurden also gleichsam „durchgereicht“. Das nun ist seit den turbulenten Ereignisse im Gefolge der Grenzöffnung in Deutschland im Herbst 2015 nicht mehr möglich auf einer der beiden Hauptrouten, also von Griechenland aus über den Balkan weiter nach Österreich, Deutschland oder nach Schweden. Diese Route ist bekanntlich abgeriegelt oder zumindest doch weitgehend geschlossen werden. So dass die betroffenen Menschen in Griechenland hängen bleiben. Wie so oft ist alles auch eine Frage der Quantitäten – wenn, wie das seit 2015 offensichtlich der Fall geworden ist, zu viele Flüchtlinge kommen und an einige wenige EU-Staaten weitergereicht werden, dann ist klar, dass das über kurz oder lang nicht gut geht, sondern in den betreffenden Ländern zu Abschottungsversuchen führen muss.

Um wenigstens den menschlichen „Nachschub“ nach Griechenland verringern zu können, hat die EU bekanntlich einen Deal mit der Türkei geschlossen, der allerdings äußerst fragil ist und unter die Mühlsteine der Ereignisse in der Türkei nach dem angeblichen Putschversuch sowie des vor unseren Augen ablaufenden Umbaus des Landes zu einer Autokratie zu geraten droht.

So ist in den Monaten des vergangenen Jahres nur noch die Mittelmeerroute nach Italien geblieben. Und die „funktioniert“ – wenn auch auf Kosten von mehreren tausend Toten, die den Versuch, Italien zu erreichen, nicht geschafft haben. Im vergangenen Jahr haben es mehr als 180.000 Flüchtlinge geschafft, nach Italien zu gelangen. »Anders als in früheren Jahren bleiben aber inzwischen viele von ihnen dort, weswegen das Land 2016 nach Deutschland die meisten Asylanträge und -entscheidungen verzeichnete«, so Marcel Leubecher in seinem Artikel.

Von der rechtlichen Möglichkeit, über sichere Drittstaaten – Deutschland ist ausschließlich von solchen umgeben – einreisende Ausländer an der Grenze abzuweisen, macht die Bundesrepublik nur ausnahmsweise Gebrauch. Aber das kann und soll sich ändern, weil man ansonsten zu Recht davon ausgehen muss, dass viele der Flüchtlinge innerhalb der EU in die Länder (weiter)ziehen werden, in denen es ihnen besser ergeht als in den ärmeren Südstaaten.

Damit verlagert man aber das Problem, wie bereits erwähnt, in die letzten Außenposten der EU, also Griechenland und Italien vor allem, (wieder) zurück. Was dann dort die Stimmung nach unten treiben wird (gegen die Flüchtlinge), denn die südeuropäischen Staaten leiden ja immer noch unter den Folgen der „Euro-Krise“ und sie verfügen nicht einmal für die eigene Bevölkerung über ausreichende soziale Sicherungssysteme. Vor diesem Hintergrund sind sie gezwungen, so lange wie irgendwie möglich einen Teil der Flüchtlinge in andere EU-Staaten zu „exportieren“. Wenn die sich aber immer stärker oder gar vollständig weigern, das Spiel mitzuspielen, dann kollabiert das System insgesamt.

Vor diesem Hintergrund scheinen die Bemühungen auf der EU-Ebene, soweit sie in den Medien beschrieben werden, durchaus rational. »Die EU arbeitet derzeit allerdings an Plänen, das Asylhopping zu beenden, indem sie die nationalen Standards und Systeme angleicht. Derzeit weichen Anerkennungsquoten, Chancen auf Einbürgerung und Sozialleistungen stark voneinander ab«, so Marcel Leubecher.

Dazu passt dann dieser Hinweis auf den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): Er brachte »eine Angleichung der Sozialstandards in der Europäischen Union (EU) ins Gespräch – unter anderem auch, um eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge unter den EU-Staaten zu erleichtern. „Wir haben bei den sozialen Leistungen viel höhere Standards als die meisten europäischen Länder. Deswegen wollen so viele nach Deutschland“ …  dann müssen wir gucken, ob wir mit den anderen EU-Ländern auf einen gemeinsamen, einheitlichen Sozialstandard kommen. Bisher ist das in Deutschland ein Tabu“, sagte Schäuble.«

Schäuble will hier allerdings als Tabu-Brecher fungieren – die damit verbundene mögliche Dimension der Konsequenzen erscheinen allerdings auslegungsbedürftig: Wenn man die Logik zu Ende denkt, die nur angedeutet wird, dann müsste das bedeuten, dass die Flüchtlinge nicht mehr die Leistungen in der Höhe bekommen, die sie derzeit in Deutschland erhalten – oder aber nicht mehr die niedrigen (oder gar keine) Leistungen wie in anderen EU-Staaten. Nun ist es praktisch gesehen kaum wahrscheinlich, dass man Flüchtlinge, die in Rumänien leben müssen, deutlich höhere Leistungen zusprechen wird, nur um das Gefälle zu Deutschland oder anderen reichen Ländern in der EU zu verringern. Also bliebe nur die Option, dass es Schäuble um eine deutliche Absenkung der Leistungen für Flüchtlinge in Ländern wie Deutschland geht. Wie aber soll das wirklich funktionieren? Das erscheint doch alles mehr als wackelig konzipiert zu sein.

Letztendlich aber wäre das schon der zweite oder dritte Schritt vor dem eigentlich ausstehenden ersten Schritt – also ein System zu finden, die Flüchtlinge über welchen Verteilungsschlüssel auch immer über alle EU-Mitgliedsstaaten zu verteilen, um eine Überlastung einiger weniger Länder zu vermeiden. Das wird ja nicht erst seit kurzem diskutiert und eingefordert – aber bislang nicht ansatzweise, auch nicht für kleine Kontingente, umgesetzt worden. Man denke an dieser Stelle an den vehementen Widerstand der osteuropäischen EU-Länder, die sich jeglicher Umverteilung der Flüchtlinge verweigern und das mit Sicherheit auch in der vor uns liegenden Zeit machen werden. Die EU müsste also bei diesen Verweigerern die Daumenschrauben anlegen, beispielsweise bei der Mittelverteilung. Dass sie das tun würde, kann man zum jetzigen Zeitpunkt mit ganz großer Sicherheit verneinen, auch dadurch bedingt, dass sich die EU und deren Kommission derzeit in einer substanziellen Infragestellung befinden, wofür der Brexit nur ein Mosaikstein darstellt.

Vor diesem Hintergrund muss man zu dem Prüfergebnis kommen, dass es derzeit und absehbar nur sehr geringe Chancen für eine europäische Lösung geben kann. Wenn das aber so ist, dann muss man auch angesichts der vielen Menschen, die ihr Glück über das Mittelmeer versuchen wollen, bei der Abwehr zusätzlicher Flüchtlinge ansetzen und möglichst verhindern, dass die überhaupt die Überfahrt nach Europa wagen und – wenn sie in Not geraten – von Rettungsschiffen aufgesammelt und nach Italien gebracht werden, womit sie am ersten Ziel angekommen sind.

An dieser Stelle muss sich eine brutale Mechanik entfalten. Bildlich gesprochen muss man die Zugbrücke richtig hochziehen und nicht nur wie bislang „halb“. Praktisch würde das bedeuten, dass die Menschen, die man im Mittelmeer aufgegriffen hat, konsequent vom europäischen Boden ferngehalten werden müssen. Man muss sie also wieder zurückschieben nach Afrika. Insofern ist die angesprochene Lager-Idee in Libyen die derzeit absehbar realistische Variante für das, was vor uns liegt.

Wenn man diesen Gedankengang mitgegangen ist (und das sei hier deutlich herausgestellt: unabhängig davon, wie man diese Entwicklung bewertet) – dann wird man mit den Niederungen der Wirklichkeit in den angedachten Frontstaaten außerhalb der EU und von uns aus betrachtet jenseits des Mittelmeers konfrontiert. Denn die Lager würden in Ländern errichtet und betrieben werden, die weit weg sind von jeden Maßstäben einer humanitären Gestaltung dieser „Wartehallen“ vor der Festung Europa.

Nehmen wir als Beispiel diesen Artikel: Auswärtiges Amt sieht „KZ-ähnliche Verhältnisse“. Und wo genau sehen die das? In Libyen, dem wichtigsten Stopp-Land in der angesprochenen Strategie. Während die EU einen Flüchtlingspakt mit Libyen berät, kritisieren deutsche Diplomaten »die Menschenrechtslage in dem Land laut einem Medienbericht scharf: Exekutionen und Aussetzungen in der Wüste zählten zum Alltag.« Die deutsche Botschaft in Nigers Hauptstadt Niamey habe von „allerschwersten, systematischen Menschenrechtsverletzungen“ berichtet, die in den zahlreichen Privatgefängnissen stattfinden würden:

»Schlepper und Migranten würden in solchen Privatgefängnissen häufig eingesperrt. „Exekutionen nicht zahlungsfähiger Migranten, Folter, Vergewaltigungen, Erpressungen sowie Aussetzungen in der Wüste sind dort an der Tagesordnung“ … „Augenzeugen sprachen von exakt fünf Erschießungen wöchentlich in einem Gefängnis – mit Ankündigung und jeweils freitags, um Raum für Neuankömmlinge zu schaffen, das heißt den menschlichen ,Durchsatz‘ und damit den Profit der Betreiber zu erhöhen.“«

Das ist nicht nur auf Libyen begrenzt, sondern man wird damit auch in den anderen Ländern in Afrika konfrontiert, die man benutzen müsste, um die Abwehr-Strategie erfolgreich werden zu lassen. Für eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem, was da zwischen der EU und afrikanischen Staaten am Entstehen ist, vgl. auch diese Arbeit:

Florian Koch (2017): Zuckerbrot und Peitsche? Der neue Takt in der EU-Migrationspolitik gegenüber Afrika, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, Januar 2017

Auf der anderen Seite: Was für Alternativen bieten sich denn den Verantwortlichen – nicht nur, aber auch – angesichts des multimorbiden Gebildes EU derzeit, wenn es das Ziel sein soll, die Zuwanderung der Flüchtlinge zu reduzieren oder gar einen Massenexodus armer Afrikaner zu verhindern?

Und selbst wenn man davon ausgehen kann und muss, dass die EU die am Horizont immer deutlicher erkennbar Lager-Bildung in Nordafrika damit garnieren muss, dass es das im Doppel mit einem „geregelten Verfahren“ zur legalen Einreise in die EU geben wird – auch ein „geregeltes Verfahren“ steht a) vor dem Selektions- und b) vor dem Mengenproblem, denn die innere Verfasstheit der meisten europäischen Länder würde eine die Grenzen überschaubarer Flüchtlingszahlen übersteigende offene Zuwanderung hilfebedürftiger Menschen nach Europa gar nicht zulassen aufgrund der entsprechend daraus resultierenden Reaktionen auf Seiten der Inländer.

Es ist so ein fürchterliches Dilemma.

Reale Ausformungen der Programmitis in der Arbeitsmarktpolitik. Die einen haben sehr viele Plätze, aber keine Teilnehmer, die anderen wenige Plätze, aber die fast alle in Hamburg

Es ist wirklich ein Kreuz mit diesen Modell-, Sonder- und sonstigen Programmen in der Arbeitsmarktpolitik. Für alles und jeden werden irgendwelche Programme aufgelegt, nicht selten zur Aktivitätssimulation seitens der politisch Verantwortlichen, da die Voraussetzungen für die Ansprüche der Mittel aus den Programmen derart anspruchsvoll bzw. lebensfern sind, dass man Mühe haben muss, überhaupt lebende Teilnehmer gewinnen zu können (vgl. dazu auch grundsätzlich die Beiträge Die fortschreitende Programmitis in der Arbeitsmarktpolitik und ein sich selbst verkomplizierendes Förderrecht im SGB II vom 28. Juni 2016 sowie Programmitis als Krankheitsbild in der Arbeitsmarktpolitik: Wenn das „Wir tun was“ für die Langzeitarbeitslosen verloren geht im hyperkomplexen Raum der Sonderprogramme, die in der Realität scheitern müssen vom 12. März 2016). Leider muss hier nun von der unendlich daherkommenden Fortsetzungsgeschichte dieser wahrhaft pathologischen Entwicklung der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland berichtet werden.

Nehmen wir als erstes Beispiel die Flüchtlinge. Als sich alles um dieses Thema gedreht hat, musste die Politik Tatkräftigkeit signalisieren. Also hat die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ein gewaltiges Programm aufgelegt, um die frohe Botschaft unter die Leute zu bringen: Wir beschäftigen die. Dann wird es allerdings bei genauerem Hinsehen schon komplizierter. Denn bei „die“ geht es um die Flüchtlinge im Niemandsland zwischen einerseits da und andererseits noch nicht anerkannt sein. Denn solange „die“ noch nicht als Asylberechtigte bestätigt oder mit subsidiären Schutz ausgestattet sind, fallen sie in die Obhut der Kommunen und des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Nun gibt es im  im § 5 Asylbewerberleistungsgesetz einen Paragrafen, der die Überschrift trägt: Arbeitsgelegenheiten. Also das an sich gleiche Instrument, das man im SGB II (für das die Bundesarbeitsministerin zuständig ist) unter dem Paragrafen 16 d SGB II finden kann, umgangssprachlich auch als „Ein-Euro-Jobs“ bezeichnet. Nur müssen die Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von den Kommunen bzw. den Ländern finanziert werden, während die „normalen“ Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II aus Bundesmitteln bedient werden. Man ahnt schon mit etwas Erfahrung, wohin das geführt hat. Der Bund nimmt den Kommunen den Finanzierungsanteil ab, allerdings geht man nicht den für den einen oder anderen naheliegenden Weg und gibt den Kommunen einfach die Kohle und sagt: Macht mal. Sondern man kreiert eben ein Sonderprogramm. Und das nennt man dann „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ (FIM). Und davon wurden mal eben 100.000 Plätze in Aussicht gestellt. Man muss diese Zahl „nur“ für Flüchtlinge auch vor dem Hintergrund sehen und bewerten, dass derzeit etwas über 80.000 Ein-Euro-Jobber aus der Grundgesamtheit aller Hartz IV-Empfänger in Deutschland unterwegs sind – also sollte für die Gruppe der Flüchtlinge eine mehr als ansehnliche Zahl an Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Die ja auch noch eingerichtet, betreut und begleitet werden müssen.

Ein grundlegendes Problem dieser 100.000 „Bundes-AGH-Teilnehmer“ ist nun, dass die
a) für eine Klientel geplant werden müssen, die es eigentlich nicht oder zumindest immer weniger geben wird (aufgrund der Beschleunigung der Anerkennungsverfahren beim BAMF) und
b) dass mit der Durchführung nicht die Kommunen bzw. die Jobcenter (also die zuständigen Institutionen für die heute schon bestehenden AGHs) beauftragt werden sollen, sondern die Bundesagentur für Arbeit (BA) soll das machen. Darauf wurde frühzeitig aufmerksam gemacht.

Egal, das Programm wurde auf die Schiene gesetzt – aber manchmal führen Schienen eben auch in die Irre. Der Bundestag hat das „Arbeitsmarktprogramm Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ zum 1. August 2016 beschlossen. Und wie sieht es an der Front aus? So, wie man es erwarten musste – tote Hose. Andreas Hammer berichtet:

„Im November 2016 waren rund 4.400 der geplanten 100.000 FIM (4,4%) besetzt“.

Die Insider wird der – nun ja – nicht wirklich überzeugende Stand der Umsetzung nicht überraschen: Schon frühzeitig wurde auf die Fragwürdigkeit des ganzen Ansatzes hingewiesen, beispielsweise in diesen Beiträgen: „Nirwana-Arbeitsgelegenheiten“ zwischen Asylbewerberleistungsgesetz und SGB II. Eine dritte Dimension der „Ein-Euro-Jobs“ und die dann auch noch 20 Cent günstiger? vom 12. Juni 2016 sowie am 23. Dezember 2016: „80-Cent-Jobs“ für Flüchtlinge – billiger geht’s nun wirklich nicht. Und dennoch: Sie werden kaum genutzt.

Und noch ein zweites Beispiel aus den Untiefen der arbeitsmarktpolitischen Prorammitis wird uns in diesen Tagen gemeldet: Job-Programm: Zu viele Plätze für Hamburg?, so die noch höfliche Betitelung.

Auch hier geht es – neben grundsätzlich zulässiger Infragestellung des Ansatzes an sich – um ein Verteilungsproblem. Konkret geht es um das neue Modellprogramm STAFFEL – das steht für „Soziale Teilhabe durch Arbeit für junge erwachsene Flüchtlinge und erwerbsfähige Leistungsberechtigte“. Das Bundesarbeitsministerium teilte uns dazu im Juli des vergangenen Jahres mit:

»Ziel des Programms „Staffel“ ist die Förderung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen für junge anerkannte Flüchtlinge sowie junge erwerbsfähige Leistungsberechtigte im SGB II, die auf Grund ihrer individuellen Vermittlungshemmnisse erst an die Anforderung des allgemeinen Arbeits- und Ausbildungsmarkes herangeführt werden müssen. Das Bundesprogramm soll dazu beitragen, das mit- und voneinander Lernen beider Zielgruppen zu stärken.«

Das hört sich doch gut an. Aber der bereits erwähnte Bericht des NDR – Job-Programm: Zu viele Plätze für Hamburg? – klärt uns dahingehend auf: »Das Programm mit dem Namen STAFFEL soll mit 21 Millionen Euro vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales Projekte in ganz Deutschland fördern. Die Idee für das Programm hatten zwei Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete. Bei der Vergabe gingen 75 Prozent der Plätze nach Hamburg. Kritiker glauben nicht an einen Zufall.«
Die Initiatoren des Projekts im SPD-geführten Arbeitsministerium in Berlin waren die beiden Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Matthias Bartke und Johannes Kahrs.

Und vor diesem Hintergrund werden wir Zeugen einer wundersamen Beglückung:

»Der erfahrene Geschäftsführer eines Hamburger Beschäftigungsträgers, Peter Bakker, selbst SPD-Mitglied, schloss sich dafür mit einem anderen Hamburger Träger in der neuen Tochtergesellschaft FIT zusammen, besorgte zusätzliche Förderzusagen der Hamburger Sozialbehörde, beantragte 400 Plätze. „Wir waren nachher ein bisschen überrascht, dass wir die kompletten 400 Plätze bekommen, weil in der Praxis eher runtergestaffelt wird und man nicht alles das bekommt, was man haben möchte“, erklärt Bakker. Ein kleinerer Hamburger Bewerber bekam die Zusage für 20 Förderplätze. Damit gingen 75 Prozent aller Plätze nach Hamburg, 67 weitere Träger aus ganz Deutschland gingen dagegen leer aus. Der Grund dafür: Das Ministerium vergab die Mittel nach Antragseingang. Sprich: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.«

Die Genossen in Hamburg haben das Programm selbst initiiert. Und dann seien 70 Prozent der Plätze nach Hamburg gegangen – „an einen Träger, der sehr SPD nah ist und den es vorher gar nicht gab, sondern ja sozusagen seine Einrichtung für dieses Programm erst noch mal gegründet hat. Ich finde, dass ist doch ein bisschen sehr viel Zufall“, so wird die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Brigitte Pothmer, zitiert.

Der Geschäftsführer der eigens für das neue Programm gegründeten Tochtergesellschaft FIT, Peter Bakker, beteuert, keinen Wettbewerbsvorteil bei der Initiative der Hamburger Politiker gehabt zu haben: „Wir haben davon erfahren, wie alle anderen auch, als dieses Programm am 6. Juni veröffentlicht worden ist.“

Das kann man bezweifeln:

»Bemerkenswert ist, dass der Gesellschaftsvertrag für FIT laut Handelsregister schon am 31. Mai unterschrieben worden ist – also sechs Tage vor der Ausschreibung und nur auf eine vage Ankündigung des Programms im April hin.«

Vielleicht werden wir hier erneut Zeugen der Hinterzimmergeschäfte, die es schon immer gegeben hat. Auf alle Fälle ist das alles entnervend vor dem Hintergrund, dass wir endlich eine umfassende Aufräumaktion im hyperkomplexen SGB II-Förderrecht im Sinne einer positiven Deregulierung bräuchten. Das wird seit Jahren zu Recht gefordert – und von den Verantwortlichen in der Politik mit Arbeitsverweigerung beantwortet. Man spielt dann lieber mit Modell-, Sonder- und sonstigen Programmen.

Die Flüchtlinge und ihre (nicht nur) volkswirtschaftlichen Wirkungen. Die „könnten“ positiv sein. Unter Umständen

Im Gefolge der viele Flüchtlinge, die im Herbst des Jahres 2015 bis Anfang 2016 nach Deutschland gekommen sind, gab es auch eine Diskussion über die volkswirtschaftlichen Aspekte – angesichts der für viele Bürger erkennbar hohen Kosten war und ist eine Auseinandersetzung mit den ebenfalls vorhandenen „Erträgen“ auch von gesellschaftspolitischer Bedeutung (vgl. bereits frühzeitig den Beitrag Die Flüchtlinge in der Bruttowelt der Kostenrechner und das – wie so oft vergessene – Netto vom 1. Februar 2016). Nun ist neues Material zu den hier aufgerufenen Fragen veröffentlicht worden. »Die Flüchtlinge haben einen positiven Effekt auf die deutsche Konjunktur. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Demnach erhöht die jüngste Zuwanderung das Bruttoinlandsprodukt bis 2020 um insgesamt rund 90 Milliarden Euro. Der Effekt auf das Pro-Kopf-Einkommen ist vorerst negativ«, berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unter der Überschrift: Integration schafft Wachstum. Und aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird mit Hinweis auf eine gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erstellte Studie unter der Überschrift Investitionen in die Integration von Geflüchteten lohnen sich gemeldet: »Mehr staatliche Unterstützung beim Deutschlernen und weitere Investitionen in die Bildung von Geflüchteten verbessern nicht nur deren Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, sondern lohnen sich langfristig auch für die öffentlichen Haushalte.« Das hört sich doch alles ganz positiv an, was besonders motiviert, einen genaueren Blick auf die Studien und ihre Argumentation zu werfen.

Das IW bilanziert die erwarteten Auswirkungen in einer Studie so:

»In den Jahren 2015 und 2016 sind etwa 1,2 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Die kurz- bis mittelfristigen Effekte der Flüchtlingsaufnahme auf die wirtschaftliche Entwicklung werden anhand eines makroökonometrischen Modells geschätzt. Auf der einen Seite sind die Effekte auf das Pro-Kopf-Einkommen und die fiskalische Bilanz leicht negativ. Auch die Erwerbslosigkeit wird durch die Flüchtlingsmigration ansteigen. Auf der anderen Seite steigern die höheren Staatsausgaben verbunden mit einer zunehmenden Anzahl erwerbstätiger Flüchtlinge das Wirtschaftswachstum. Die kumulierte Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland kann sich im Zeitraum 2016 bis 2020 auf bis zu 95 Milliarden Euro belaufen. Der Effekt hängt dabei entscheidend von der Arbeitsmarktintegration und der Bildungspolitik ab.« (Tobias Hentze und Galina Kolev (2016): Gesamtwirtschaftliche Effekte der Flüchtlingsmigration in Deutschland, in: IW-Trends, Heft 4/2016, S. 59)

Ein sicher ganz entscheidender Satz ist dieser: „Wie stark die simulierten Effekte tatsächlich ausfallen, wird maßgeblich davon abhängen, wie gut die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt“, wird Tobias Hentze vom IW zitiert.

Es ist mehr als naheliegend, dass man gesichert davon ausgehen muss, dass die Frage, ob und wann und natürlich auch in welche konkreten Jobs ein Teil der Flüchtlinge integriert werden kann, von entscheidender Bedeutung ist für die Abschätzung sowohl der Kosten wie auch der Nutzen, die mit den flüchtlingsinduzierten Aufwendungen verbunden sind. Wobei man sich davor hüten muss, alles auf die Arbeitsmarkt-Frage zu reduzieren bzw. zu fokussieren, denn ein nicht geringer Teil der Flüchtlinge wird altersbedingt (noch) nicht arbeiten können und auch viele Mütter werden dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können bzw. das nicht wollen oder auch nicht dürfen, weil ihnen aus welchen Gründen auch immer der Zugang zur Erwerbsarbeit innerhalb des Familienverbunds nicht ermöglicht wird. Daraus wird dann aber auch – zusätzlich zu einer möglicherweise lange dauernden Integration von erwerbsfähigen Flüchtlingen aufgrund von Aufnahmehemmnissen des deutschen Arbeitsmarktes – eine sehr lange Hilfebedürftigkeit und damit verbunden Angewiesenheit auf Transferleistungen aus dem Grundsicherungssystem resultieren. Damit das nicht falsch verstanden wird an dieser Stelle – auch diese Aufwendungen dürfen nicht nur als Kosten verstanden werden, sondern sie müssen in einer ordentlichen Rückflussrechnung sowie fiskalisch wie auch darüber hinaus volkswirtschaftlich einer Nettobetrachtung unterworfen werden.

Aus der Vielzahl der möglichen und im jeweiligen Modell zu operationalisierenden Annahmen ergibt sich eine erhebliche Unsicherheit, die einen davor zurückschrecken lassen sollte, genau daherkommende Werte in den Raum zu stellen, die sich rechnerisch ergeben, aber eben nur unter Berücksichtigung aller getroffenen Annahmen.

Dazu nur ein Beispiel aus der IW-Studie:

»Im Jahr 2016 stehen annahmegemäß im Jahresdurchschnitt knapp 290.000 Personen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, hiervon findet jeder Fünfte eine Beschäftigung … Aufgrund des gesetzlichen Mindestlohns wird vereinfachend davon ausgegangen, dass jeder erwerbstätige Flüchtling von staatlichen Transferzahlungen unabhängig ist. Bei den Familien wird dabei implizit unterstellt, dass der erwerbstätige Vater zwar keine Transfers erhält, für die Frau und Kinder dagegen staatliche Ausgaben im Rahmen der Flüchtlingshilfe anfallen, beispielsweise für die Weiterbildung und den Schulbesuch. Zwar werden Kinder von erwerbstätigen Migranten nicht primär vom Staat versorgt, allerdings kommen im Bildungssystem Ausgaben auf den Staat zu.« (Hentze/Kolev 2016: 65 f.)

Das ist zwar alles sehr sympathisch, aber allein die beiden zentralen Annahmen in diesem Absatz können mit einem großen Fragezeichen versehen werden: Wird es wirklich gelingen, dass jeder fünfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Flüchtling eine Beschäftigung finden wird? Aber selbst, wenn wir das mal akzeptieren – die Annahme, dass die Erwerbseinkommen, die von den meisten Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt erzielt werden können, ausreichen werden, um die Familien aus dem (aufstockenden) Hartz IV-Bezug zu holen, erscheint doch vorsichtig formuliert mehr als optimistisch.

Man muss fairerweise anfügen, dass das IW das durchaus sieht, an anderer Stelle findet man dann diesen Passus: Bei Gültigkeit der Annahmen »muss der Staat im Jahr 2016 rund 18 Milliarden Euro im Zusammenhang mit der Flüchtlingsmigration aufwenden. Dieser Betrag steigt unter Berücksichtigung des in der Simulation ab 2017 einsetzenden Familiennachzugs bis zum Jahr 2020 auf rund 29 Milliarden Euro … Im Wesentlichen liegt dies an den steigenden Sozialausgaben für die nicht erwerbstätigen Flüchtlinge. Zum einen nimmt die durchschnittliche Anzahl der nicht erwerbstätigen Flüchtlinge Jahr für Jahr zu. Zum anderen muss der voraussichtlich ansteigende Familiennachzug, der zu weiteren Ausgaben des Staates führt, hinzugerechnet werden.« (Hentze/Kolev 2016: 67).

Parallel zu dem, was das IW publiziert hat, gibt es eine weitere neue Studie zum Thema – und auch hier werden wir mit einer positiven Grundbotschaft versorgt: Investitionen in die Integration von Geflüchteten lohnen sich, so hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit eine Mitteilung über eine neue Studie, die gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erstellt worden ist, überschrieben:

»Mehr staatliche Unterstützung beim Deutschlernen und weitere Investitionen in die Bildung von Geflüchteten verbessern nicht nur deren Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, sondern lohnen sich langfristig auch für die öffentlichen Haushalte … Zusätzliche Investitionen von 3,3 Milliarden Euro in Sprachkenntnisse und Bildung der 2015 zugewanderten Flüchtlinge können die fiskalischen Kosten bis zum Jahr 2030 um elf Milliarden Euro reduzieren.«

Ganz offensichtlich ist man hier davon ausgegangen, was passieren könnte, wenn man mehr tun würde: »Bei ihren Berechnungen sind die Forscher davon ausgegangen, dass durch verstärkte öffentliche Investitionen in Integrations- und Sprachkurse der Anteil der Geflüchteten mit guten oder sehr guten deutschen Sprachkenntnissen zehn Jahre nach dem Zuzug um 20 Prozentpunkte von 46 auf 66 Prozent erhöht werden kann. Ein solches Niveau werde von anderen Migrantengruppen auch erreicht. Zudem nehmen die Forscher an, dass durch zusätzliche Investitionen in die Allgemein- und Berufsbildung Geflüchteter der Anteil der Personen, die in Deutschland einen beruflichen Abschluss erwerben, um ebenfalls 20 Prozentpunkte von 13 auf 33 Prozent erhöht werden kann.«

Es handelt sich um diese Studie:

Stefan Bach et al. (2017): Fiskalische und gesamtwirtschaftliche Effekte: Investitionen in die Integration der Flüchtlinge lohnen sich. IAB-Kurzbericht 02/2017, Nürnberg 2017

Auf dort findet man eine fundierte Beschreibung der notwendigerweise zu treffenden Annahmen für die Berechnungen der volkswirtschaftlichen Effekte – und zugleich einen Eindruck, wie unsicher viele der zu beziffernden Bereiche sind.

Sozial- und wirtschaftspolitisch besonders relevant aber sind diese Erkenntnisse, die von den Studienautoren besonders hervorgehoben werden: „In der Vergangenheit haben der Erwerb eines deutschen Bildungsabschlusses und das Erreichen von guten oder sehr guten Deutschkenntnissen die Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Flüchtlingen jeweils um rund 20 Prozentpunkte und die Verdienste jeweils um rund 20 Prozent erhöht“.

»Daher sei es sinnvoll, die Investitionen in den Spracherwerb und den Erwerb zusätzlicher Bildungsabschlüsse zu beschleunigen und den Kreis der Anspruchsberechtigten zu erweitern, so die Arbeitsmarktforscher. Mit der Öffnung der Integrationskurse für Asylbewerber, die aus Herkunftsländern mit guter Bleibeperspektive stammen, wurde zwar bereits ein wichtiger Schritt für die Investitionen in die Sprachkenntnisse von Geflüchteten gemacht. „Allerdings bleiben große Gruppen weiterhin bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens ausgeschlossen, obwohl auch von ihnen ein erheblicher Teil länger in Deutschland bleiben wird“, schreiben die Forscher. Vor dem Hintergrund der hohen Erträge sollte daher beispielsweise überdacht werden, ob die Integrationskurse nicht von vornherein für alle Asylbewerber, und nicht nur für Asylbewerber aus Ländern mit einer hohen Anerkennungswahrscheinlichkeit, geöffnet werden.«

Damit sind wir bei einem letztendlich höchst politischen Punkt angekommen, der aber enorme volkswirtschaftliche Folgewirkungen hat. Immer noch wird die überaus heterogene Gruppe der Flüchtlinge selektiert und kategorisiert entlang der alten ausländerrechtlichen Scheidelinie „Hierbleiben dürfen – Weggehen müssen“. Nur dass sie in der Realität – man denke hier an die vielen Geduldeten – schon immer eine eher theoretische war und ist. Und volkswirtschaftlich wie auch gesellschaftspolitisch ist sie kontraproduktiv hoch x.

Tatsächlich – und von vielen Praktikern schon seit Jahren gefordert – hätte man „mit Kanonen auf Spatzen“ schießen sollen, also einen weitreichenden Arbeitsmarktzugang, aber auch eine Einbeziehung in die Sprachförderung, von Anfang an für alle – auch für die, die irgendwann einmal zurück müssen. Denn es macht keinen Sinn, die Betroffenen aufgrund einer Statusentscheidung, die aber oftmals nicht zur Konsequenz der Rückkehr führt, auszuschließen von Erwerbsarbeit oder Sprach- und Integrationskursen, die im wahrsten Sinne des Wortes konfliktverhindernd oder -reduzierend wirken könnten. Und wenn die Leute temporär einen Job finden, dann ist das ökonomisch (und menschlich) im Regelfall immer besser als sie monate- und teilweise jahrelang in einer Blase des Nichtstun und der Exklusion zu halten und sich immer nur dann aufzuregen, wenn sie sich aus dieser Blase entfernen. Und gesellschaftlichen Stress machen.

Und bei allem Respekt für die Fleißarbeiten der Wissenschaftler in den hier skizzierten Studien – wie sieht es denn draußen aus? Viele bemühen sich vor Ort und immer wieder gibt es einzelne Erfolge zu vermelden (und jeder für sich ist eine gute Sache). Aber greifen wir einen Punkt heraus, der durchaus anschlussfähig ist an die Alltagswahrnehmung vieler Menschen, die einen Blick haben auf die Flüchtlinge. Die oftmals monatelang in einer Vakuum der Nicht-Arbeit und des Wartens auf die Möglichkeit, überhaupt einen Asylantrag stellen zu können oder auf dessen Bearbeitung und Entscheidung, eingebunden sind. Die tagsüber umherlaufen, die gespendeten Fahrräder dazu verwenden, von A nach B nach A nach B zu kommen, sich langweilen, frustriert oder aggressiv werden in diesen Blasen, in denen sie sich befinden (müssen).

Natürlich wäre es sinnvoll und hilfreich, wenn man den Betroffenen Beschäftigungen anbieten kann. Idealerweise nicht irgendwelche, sondern wertschöpfende Arbeit. Von der bekanntlich so viel unerledigt auf der Straße liegt. Und irgendwann ist das auch oben angekommen, also in Berlin, man hat dann versucht, damit umzugehen wie immer: Das Anliegen in die vorhandene Instrumentenlandschaft zu pressen und über die – egal ob sie passen – eine Lösung zu offerieren. Grundsätzlich gab und gibt es die Option einer raschen öffentlich organisierten Beschäftigung der Asylbewerber ja schon lange. Arbeitsgelegenheiten nach dem § 5 Asylbewerberleistungsgesetz. Statt da unkonventionell und schnell anzusetzen, den in diesem Fall zuständigen Kommunen schnell die erforderliche finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen und da, wo es Not tut, auch die personelle durch Arbeitsagenturen und Jobcenter, hat Berlin gekreißt und einen neuen Paragrafen geboren – den § 5a AsylbLG. Deutlich länger als der eigentlich relevante § 5 AsylbLG insgesamt. „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“, so hat man das, was man da geschaffen hat, getauft. Das wurde hier bereits mehrfach kritisiert, so beispielsweise in dem Beitrag „Nirwana-Arbeitsgelegenheiten“ zwischen Asylbewerberleistungsgesetz und SGB II. Eine dritte Dimension der „Ein-Euro-Jobs“ und die dann auch noch 20 Cent günstiger? vom 12. Juni 2016 oder – die Kritik leider bestätigend – „80-Cent-Jobs“ für Flüchtlinge – billiger geht’s nun wirklich nicht. Und dennoch: Sie werden kaum genutzt vom 23. Dezember 2016.

Tonnenideologie trifft auf Wirklichkeit. 100.000 Arbeitsgelegenheiten nur für Flüchtlinge im Niemandsland zwischen Ankommen und Asylbescheid sollten geschaffen werden (und damit mehr als für alle Hartz IV-Empfänger in Deutschland an Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung stehen). Und die Bilanz? Im November 2016 waren rund 4.400 der geplanten 100.000 FIM (4,4%) besetzt.

Die praktischen Folgen sind desaströs – weiterhin sind die meisten Flüchtlinge ohne irgendeine Beschäftigung, mit allen Folgen, die damit verbunden sind. Dabei wissen wir genug über die Auswirkungen der Untätigkeit und des Nur-Warten-Müssens. Die Folgekosten werden gewaltig sein. Und dass eine frühzeitige Beschäftigung in Verbindung mit Sprachlernangeboten in und um die Arbeit herum die höchsten Wirksamkeitswerte hat, sei hier nur angemerkt, leuchtet aber sich den meisten auch sofort ein.

Vor diesem Hintergrund ist dann auch eine solche akademisch und fast schon devot formulierte Forderung aus der IAB/DIW-Studie von Bedeutung:

»Vor dem Hintergrund der hohen Erträge und vergleichsweise geringen Kosten sollte überdacht werden, ob die Integrationskurse nicht von vornherein für alle Asylbewerber, und nicht nur für solche mit guter Bleibeperspektive, geöffnet werden.« (Bach et al. 2017: 11)

Das sollte nicht überdacht werden, man hätte es schon längst ändern müssen. Es ist auch keine neue Forderung, sie wurde in der Vergangenheit immer wieder vorgetragen.