Eine Rente für die wenigen, die noch da sind. Und ein Sozialrichter, der keinen Preis bekommt, sondern einen zahlen soll

„Haben Sie in einem der Ziffer 4 Punkt 1 angegebenen Ghettos gearbeitet? Zeitraum von bis, Monat Jahr, Arbeitsstelle, Arbeitgeber, Art der Arbeit.“

„Als hätte ich damals Tagebuch geführt von jedem Tag, was ich gemacht habe. Ich wusste nicht, ob ich am nächsten Tag noch am Leben sein werde. Und das schickt man alten Menschen, die keine Ahnung haben, was sie sagen sollen, was das bedeutet. Die sind auf Hilfe angewiesen, um aufs Klo zu gehen – wie sollen die mit so einem Formular fertig werden?!“

(Kurt Einhorn aus Düsseldorf. Mit zwölf hatte Einhorn im Ghetto Mogilev in Transnistrien Leichen zum Ghettofriedhof mit einer Schubkarre gefahren und ab und zu in einer Fabrik ausgeholfen. Für diese Arbeit hatte er theoretisch Anspruch auf eine Ghettorente. Dafür musste er einen langen Fragebogen ausfüllen. Ähnlich wie Kurt Einhorn verzweifelten viele Holocaustüberlebende an den Formularen. Fast alle ihre Anträge wurden von der deutschen Rentenversicherung abgelehnt. Nur wer beweisen konnte, ohne Bewachung und freiwillig im Ghetto gearbeitet zu haben und Geld dafür bekommen zu haben, wurde von der Rentenversicherung als Ghettoarbeiter anerkannt.)*

Wenn es um „die“ Rente geht, dann spielen die Geschichten ganz überwiegend in der Gegenwart, oftmals garniert mit einem alarmistischen Unterton in Richtung Zukunft. „Rente mir 63“ (für einige), „Mütterrente“ (eigentlich für alle, aber mit einem bösen Erwachen für manche) oder aktuell die Debatte über eine mehr als euphemistisch „Lebensleistungsrente“ genannte Aufstockung niedrigster Renten. Hin und wieder muss bzw. sollte man aber den Blick zurück richten, um grundsätzliche Probleme zu verstehen, so den Paradigmenwechsel in der deutschen Rentenpolitik durch die Entscheidungen der damaligen rot-grünen Bundesregierung um die Jahrtausendwende mit der erheblichen Absenkung des Rentenniveaus und korrespondierend der Einführung einer staatlich subventionierten kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge (vgl. dazu beispielsweise nur den Beitrag Die letzten Zuckungen der Riester-Rente und die Zerstörung der Illusion eines schönen kapitalgedeckten Lebens im Alter, wenn es viele machen (wollen/sollen/müssen) und nicht nur einige vom 2. April 2016).

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Soll man oder soll man nicht? Und wenn ja, wie? Zur aktuellen Debatte über eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge. Nicht nur in Deutschland

Die neue Verlautbarung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hinsichtlich einer „Sprachlernpflicht“ für Flüchtlinge wurde in diesem Blog bereits hinlänglich gewürdigt und angesichts der Realitäten auf der Angebotsseite wie auch vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Rechtslage hinsichtlich seiner Sinnhaftigkeit mehr als bezweifelt (vgl. dazu den Beitrag Die Annäherung an die Wahrheit liegt zwischen (rhetorischer) schwarzer Pädagogik und (naiver) „Wird schon werden“-Philosophie. Die Forderung nach einer Sprachlernpflicht für Flüchtlinge und die Wirklichkeit der „Schweizer Käse“-Angebote vom 28.03.2016). Aber in dem, was der Minister spätestens im Mai als ein „Integrationsgesetz“ vorlegen will, geht es nicht nur um eine sanktionsbewährte Verpflichtung der Flüchtlinge, die deutsche Sprache zu lernen. Heribert Prantl drückt das in seinem Kommentar Ohne Elan, ohne Mut von oben aus betrachtet so aus: »Das geplante Integrationsgesetz des Innenministers Thomas de Maizière ist ein trauriges Gesetz. Es ist ein Gesetz ohne Elan, ohne Mut, ohne Tatkraft – und ohne auch nur einen Hauch von Vision … Statt an der Größe der Aufgabe orientiert sich der Innenminister offenbar an der Wehrdisziplinarordnung, in der es um Aufsicht, Buße, Verweis, Arrest und Vollstreckung geht. De Maizières Integrationsgesetz diszipliniert und sanktioniert.«

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Die Annäherung an die Wahrheit liegt zwischen (rhetorischer) schwarzer Pädagogik und (naiver) „Wird schon werden“-Philosophie. Die Forderung nach einer Sprachlernpflicht für Flüchtlinge und die Wirklichkeit der „Schweizer Käse“-Angebote

Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wollte offensichtlich mal wieder in die Presse kommen und dabei viel Zustimmung einsammeln. Also muss eine simple Botschaft her, die bei „den Leuten“ auf fruchtbaren Boden fällt. Herausgekommen ist dann beispielsweise so eine Schlagzeile: De Maizière: Nur wer Deutsch lernt, darf auf Dauer bleiben. »Innenminister Thomas de Maizière will künftig schärfer gegen Flüchtlinge durchgreifen, die Integrationsangebote ausschlagen. Die bisher geltende Rechtslage müsse entsprechend geändert werden … Spätestens im Mai werde er ein Integrationsgesetz vorlegen.« Gut gebrüllt, könnte man an dieser Stelle ausrufen.

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