Nicht mehr Geld, sondern mehr Leute: Der unbefristete Pflegestreik an der Charité in Berlin wird ausgesetzt. Eckpunkte für eine zukünftige Personalausstattung vereinbart

Irgendwie häufen sich die positiven Nachrichten von der Streikfront im Lande: Zuerst haben die Flugbegleiter der Lufthansa mit ihrer Spartengewerkschaft UFO (Unabhängige Flugbegleiter Organisation. Gewerkschaft des Kabinenpersonals) nach einer Streikandrohung ab Juli zwischenzeitlich wieder die Verhandlungen mit ihrem Unternehmen aufgenommen, dann kamen heute die Lokführer mit ihrer Gewerkschaft GDL auf die Tagesordnung, die sich mit der Deutschen Bahn seit Wochen in einem Schlichtungsverfahren befanden: Schlichtung zwischen GDL und Bahn erfolgreich. Es wird keine weiteren Streiks bei der Bahn geben. Und zur Abrundung des Tages wird aus Berlin gemeldet: Charité-Streik vorerst ausgesetzt: »Zehn Tage lang legten Krankenschwestern und -pfleger an der Charité die Arbeit nieder. Nun haben die Klinik und Verdi sich auf Eckpunkte zum künftigen Personalschlüssel geeinigt: Sie sollen die Grundlage für den künftigen Tarifvertrag werden.« Und um den Tagesbericht zu komplettieren: Nachdem in den vergangenen Tagen kaum bis gar nicht in den Medien berichtet wurde über den ersten unbefristeten Pflegestreik, gab es heute auf Twitter eine Riesenwelle an Tweets mit dem Hashtag #Plegestreik, mit vielen Beiträgen, in denen die mediale Nicht-Ausleuchtung dieser Arbeitskampfmaßnahme beklagt wurde (dazu auch den Blog-Beitrag Pflegestreik! Ist da was? Nicht nur mediale Resonanzschwächen. Die Streikenden an der Charité in Berlin könnten in die GDL-Falle getrieben werden vom 27.06.2015. Aber auch hier scheint jetzt Entspannung angesagt: ver.di und Charité einigen sich auf Eckpunktepapier zu einem Tarifvertrag Gesundheit und Demographie – Streik wird ausgesetzt, so ist eine Pressemitteilung der „Aktion für Patientensicherheit“ überschrieben.

Der Mitteilung kann man die Umrisse des folgenden Ergebnisses entnehmen:

»ver.di und Charité haben sich darüber verständigt Regelungen zur Reduzierung der Arbeitsbelastung in allen Arbeitsbereichen festzulegen.
Der Tarifvertrag soll einen Maßnahmenkatalog enthalten, mit dem belastende Arbeitssituationen abgestellt werden sollen. Es werden für alle Berufsgruppen Kriterien definiert, an Hand derer Belastungen identifiziert werden.
Für die Intensivstationen und die Kinderklinik soll eine Quote festgelegt werden. Auch für die Normalpflege sollen Mindestbesetzungsstandards gelten.
Wenn Belastungssituation durch die Beschäftigten angezeigt und die Personalmindeststandards unterschritten werden, soll die Charité tarifvertraglich verpflichtet werden Maßnahmen zur Entlastung einzuleiten. Hierzu gehören ausdrücklich auch Einschränkungen des Arbeitsvolumens.«

Dem Papier zufolge soll etwa eine Schwester auf der Intensivstation nur noch zwei statt im Schnitt vier Patienten betreuen müssen.

Offensichtlich hat der Streik seine Wirkung nicht verfehlt: Seit dem 22. Juni waren täglich hunderte Mitarbeiter in den Arbeitskampf getreten, weil sie mehr Personal in der Pflege forderten. Laut ver.di gab es allein im ersten Halbjahr 2015 rund 800 „Gefährdungsanzeigen“ durch Schwestern und Pfleger. Um die 1.000 Betten – rund ein Drittel – blieben durch den Streik leer, täglich fielen 200 Operationen aus. Das hat der Charité sicher sehr weh getan.

Man muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der unbefristet angesetzte Pflegestreik an der Berliner Charité sicher eine enorme Bedeutung hat und man später vielleicht einmal von einer wichtigen Initialzündung für die Pflegeberufe sprechen wird. Aber die Ausgangslage für die Streikenden war und ist mehr als schwierig, denn auch wenn das eigene Unternehmen, also die Charité, von dem Arbeitskampf wirtschaftlich hart getroffen wurde durch die damit verbundenen Einnahmeausfälle, so muss doch auch gesehen werden, dass es sich um eine isolierte Aktion in einem zugegeben sehr großen Klinikkonzern gehandelt hat, der aber nicht wirklich die gesamte oder zumindest große Teile der Krankenhauslandschaft berührt, denn die anderen Kliniken waren weiter am Netz.

Insofern sind die Pflegekräfte mit einem nicht nur vergleichbaren, sondern angesichts der Bedeutung des Gutes Gesundheit bzw. Krankenversorgung sogar weitaus komplexeren Problem konfrontiert, mit dem sich bereits die streikenden Erzieher/innen in den kommunalen Kindertageseinrichtungen auseinandersetzen mussten: Die unmittelbaren Streikfolgen treffen erst einmal Dritte, weniger also die Arbeitgeber selbst als denn die „Kunden“ oder Patienten. Und die kann man nach einer bestimmten Dauer gut in Stellung bringen gegen die Arbeitskampfmaßnahmen. Letztendlich ist die Empfehlung der Schlichter im Kita-Streik auch so zu lesen, dass die Gewerkschaftsspitze jetzt so schnell wie möglich aus der selbst produzierten Nummer wieder herauskommen will, weil man gemerkt hat, dass die kommunalen Arbeitgeber hier durchaus sehr lange „toter Mann“ spielen können – nur hat man nicht damit gerechnet, dass die Basis dem mehr als enttäuschenden Schlichterspruch nicht wirklich folgen möchte (vgl. dazu den Blog-Beitrag Wenn man irgendwo reingeht, sollte man vorher wissen, wie man wieder rauskommt. Das Schlichtungsergebnis im Tarifstreit der Sozial- und Erziehungsdienste – ein echtes Dilemma für die Gewerkschaften vom 24.06.2015).

Die heute verkündete Basis für ein Aussetzen des Streiks ist zudem sehr wackelig: »Vorstandschef Karl Max Einhäupl erklärte, dass die Charité jetzt Wege finden muss, das zusätzliche Personal zu finanzieren … Mit ver.di sei man einig , dass die Politik grundsätzlich eine Verbesserung der Personalausstattung in Krankenhäusern erreichen müsse«, kann man dem Artikel Charité: Pflege-Streik wird ausgesetzt entnehmen. Man müsse nun die Frage beantworten, wie die Klinik die personelle Aufstockung finanzieren könne, sagte Charité-Chef Karl Max Einhäupl, da das Finanzierungssystem dies nicht hergebe. Der Charité-Vorstand geht gegenüber Krankenkassen und Senat quasi in Vorleistung. Das ist tatsächlich ein veritables Problem, denn das bestehende Vergütungssystem von Fallpauschalen auf Basis von DRGs sieht eine solche Abweichung nach oben für ein einzelnes Krankenhaus – anders als zu Zeiten von krankenhausindividuell vereinbarten tagesgleichen Pflegesätzen, wo das grundsätzlich möglich gewesen wäre – nicht vor. Insofern ist der Verweis auf „die“ Politik in diesem Fall nicht von der Hand zu weisen.

Hannes Heine hat in seinem Artikel Der Streik an der Charité wird ausgesetzt einen weiteren wunden Punkt angesprochen: Für die Pflegekräfte ist das Aussetzen des Streiks ein Erfolg: Es soll mehr Personal geben. Aber: »Nächstes Problem: Woher soll es kommen? … Selbst wenn man die einst als Maximalzahl diskutierten 600 Zusatzpflegekräfte wollte – der Arbeitsmarkt gebe sie derzeit nicht her.«

Diese Punkte werden sicher alle in den kommenden Wochen und Monaten diskutiert. Zuerst einmal sollte man sich freuen, dass der erste unbefristete Pflegestreik nicht zu einem Desaster geführt hat. Und man sollte wahrscheinlich auch nicht unterschätzen, dass das erhebliche Auswirkungen haben kann auf die Bereitschaft der Pflegekräfte, sich zu organisieren und in der Zukunft auch einen wesentlich breiter angelegten Arbeitskampf zu wagen.

Der Mindestlohn mal wieder. Er wirkt vor sich hin und Andrea Nahles korrigiert ein paar Stellschrauben im Getriebe

»Wirtschaft und Arbeitsmarkt sind kräftig und schultern den Mindestlohn ohne Mühe. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist weiter gut. Die Zahlen aus Nürnberg zeichnen ein stabiles und robustes Bild: Die Arbeitslosigkeit liegt deutlich unter dem Vorjahreswert. Auch die Zahl der Aufstocker lag im Februar deutlich unter der des Vorjahresmonats. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist nach vorläufigen Angaben im April im Vergleich zum Vorjahresmonat um über eine halbe Million angestiegen.« Von wem das wohl kommt? Richtig, ein O-Ton von der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) anlässlich der Kommentierung der Arbeitsmarktzahlen für Juni 2015. Und dabei ging es nicht nur um das erneute Rekordtief bei den offiziellen Arbeitslosenzahlen, sondern der 30. Juni markiert auch die ersten sechs Monate des gesetzlichen Mindestlohns für alle mit Ausnahmen. Ein schönes Datum, um eine erste Bilanzierung vorzulegen, was denn auch vom Bundesmindestlohnministerium gemacht wurde: Bestandsaufnahme Einführung des allgemeinen Mindestlohnes in Deutschland Juni 2015. So technokratisch-lieblos haben die Beamten der Frau Ministerin ihre Wahrnehmung überschrieben. Sie kommen nicht wirklich überraschend zu einer rundum positiven Bewertung. Also könnte man meinen, gut ist, nächstes Thema. Dann aber überraschte die Ministerin mit der Ankündigung, einige Korrekturen am Regelwerk vorzunehmen – sogleich wurde gemeldet: Nahles entschärft Mindestlohn-Regeln oder Nahles lockert Mindestlohn – ein bisschen. Offensichtlich meint die Ministerin, irgendwie reagieren zu müssen auf die permanenten Nörgeleien seitens der Union und von Wirtschaftsfunktionären an dem „Bürokratiemonster“ Mindestlohn. Dabei gibt es nachvollziehbare Korrekturen, aber auch wieder neue Regelungen, die doch entlasten sollen, aber im Ergebnis wieder mal zur Komplexitätssteigerung beitragen werden.

Das zentrale Entgegenkommen der Ministerin: Sie hat angekündigt, die Dokumentationspflicht bei der Arbeitszeit verringern zu wollen. Aufzeichnungspflichten bei der Beschäftigung von Ehepartnern, Kindern und Eltern des Arbeitgebers sollen entfallen.

Bei der Auftraggeberhaftung sicherte Nahles eine gemeinsame Klarstellung von Arbeits- und Finanzministerium bei der Zollverwaltung zu. Damit werde in den meisten Fällen einer Beauftragung eines anderen Unternehmens klargestellt, dass im Hinblick auf den Mindestlohn keine Haftung seitens des Auftraggebers bestehe.

So weit, so nachvollziehbar. Jetzt wird es aber ein wenig komplizierter, denn die Ministerin hat eine weitere „Entlastung“ im Koffer:

»Derzeit müssen Arbeitgeber in neun für Schwarzarbeit besonders anfälligen Branchen bis zu einer Gehaltsgrenze von 2.958 Euro brutto genau dokumentieren, wie viele Stunden ihre Angestellten für diese Summe gearbeitet haben. Betroffen davon sind zum Beispiel Baugewerbe, Gaststätten oder Schausteller«, kann man der Meldung Nahles entschärft Mindestlohn-Regeln entnehmen. Der eine oder andere wird sich fragen, wie man denn auf diese krumme Summe von 2.958 Euro brutto pro Monat kommt. Um mit dem Mindestlohn 2.958 Euro zu verdienen, müsse man im Monat an 29 Tagen zwölf Stunden lang arbeiten – das sei gar nicht möglich, so die Kritiker dieser Lohngrenze. Die Gegenargumentation der Bundesmindestlohnministerin geht dann so: Bei Saisonarbeitern oder Beschäftigten mit stark schwankenden Arbeitszeiten seien solche Arbeitsbelastungen durchaus vorstellbar. Nun ist sie an dieser Stelle bereit, eine Absenkung des Schwellenwerts zu akzeptieren, aber die neue Regelung erhöht den Komplexitätsgrad ein ordentliches Stück:

  • Künftig soll diese Grenze bei 2.000 Euro liegen, allerdings nur, wenn das Arbeitsverhältnis schon länger besteht und der Lohn in den vergangenen zwölf Monaten regelmäßig bezahlt wurde.
  • Zugleich bleibt die Lohngrenze von 2.958 Euro weiter erhalten, denn die Absenkung auf 2.000 Euro gilt ja nur dann, wenn die genannte Bedingung erfüllt ist. Für Saisonbeschäftigte und Minijobber im gewerblichen Bereich bleibe die Aufzeichnungspflicht jedoch bis zur Einkommensschwelle von 2.958 Euro unverändert bestehen.

Da fragt sich auch der dem Mindestlohn sehr zugeneigte Leser vielleicht: Warum jetzt 2.000 Euro? Ist das empirisch ermittelt worden oder hat man gewürfelt? Oder hat man die Zahl genommen, weil sie so schön rund ist? Und wenn man das irgendwie erklärt bekommt, bleibt eine weitere Frage mit Ratlosigkeitspotenzial, denn die Absenkung gilt ja nur, »wenn das Arbeitsverhältnis schon länger besteht und der Lohn in den vergangenen zwölf Monaten regelmäßig bezahlt wurde.« Ja wie? Was genau ist denn „schon länger besteht“? Geht’s noch präziser? Oder ist das dann aus dem zweiten Teil abzuleiten, wo von den vergangenen zwölf Monaten die Rede ist. Also zwölf Monate. Warum nicht 11 oder 10 oder 9? Hat man da gewürfelt?

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU), wird mit der kritischen Anmerkung zitiert, durch die Einführung einer weiteren Gehaltsschwelle werde das Gesetz für Arbeitgeber und Kontrollbehörden noch komplizierter. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Insgesamt erscheint das nicht wirklich durchdacht, offensichtlich will Andrea Nahles den Mindestlohnkritikern in der Union und in den Wirtschaftsverbänden irgendwie entgegenkommen. Die legen aber gleich nach und stellen weitere „Entlastungsforderungen“.

Und natürlich – das eigentliche Problem für viele Unternehmen, beispielsweise aus dem Gaststättenbereich – wird erneut nicht angesprochen. Denn das eigentliche Problem sind weniger die 8,50 Euro, sondern dass durch die Mindestlohnkontrollen zwar kein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz festgestellt wird, sehr wohl aber ein anderer Rechtsverstoß: Die Umgehung bzw. Nicht-Beachtung des Arbeitszeitgesetzes mit den dort normierten Regelungen Höchstarbeitszeiten betreffend.

Wem das alles zu trocken ist, dem sei hier die folgende Reportage zum Anschauen empfohlen:

Das Mindestlohn-Experiment: Eine erste Bilanz (29.06.2015, 22.00 – 22.45 Uhr, WDR-Fernsehen)
Der Mindestlohn gilt – flächendeckend, unbegrenzt. Das jedenfalls behauptet die Politik. Wir ziehen eine erste Bilanz des größten sozialpolitischen Experiments seit den Hartz-Reformen.
Unsere ReporterInnen besuchen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, aber auch Gewerkschaften und Behörden. Und: Wir begleiten einen Arbeitssuchenden auf seiner Bewerbungstour durch Nordrhein-Westfalen. Der gelernte Koch nimmt jeden Job an, den er kriegen kann. Egal, ob als Kurierfahrer, Reinigungskraft oder Tankstellen-Aushilfe. Wer zahlt den Mindestlohn? Wer zahlt ihn nicht? Denn genau darum geht es.

Ganz weg, ein wenig weg, so lassen, wie es ist oder noch härter auch für die Älteren. Sanktionen im Hartz IV-System vor dem Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestages

Eines der am heftigsten umstrittenen Themen im Grundsicherungssystem sind die Sanktionen. Für die einen ein Ding der Unmöglichkeit, dass man das Existenzminimum weiter beschneidet bis hin zu einer „Totalsanktionierung“. Von Totalsanktionen waren im vergangenen Jahr 7.500 Hartz-IV-Bezieher betroffen, davon knapp 4.000 unter 25 Jahren. Die andere Seite sieht in den Sanktionen ein notwendiges Element, mit dem der notwendige Druck aufgebaut werden kann, sich regelkonform im Sinne des Grundsicherungssystems zu verhalten. Diese Lagerbildung mit einigen Grautönen dazwischen wurde erneut deutlich bei einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages im Kontext der Forderungen nach einer generellen Abschaffung der Sanktionen durch die Fraktion Die Linke (18/3549, 18/1115) sowie seitens der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nach einem Sanktionsmoratorium, außerdem sollen die Kürzungen künftig auf höchstens zehn Prozent des Regelsatzes begrenzet werden (18/1963).

Mehr als eine Million Sanktionen wurden im vergangenen Jahr gegen Hartz-IV-Bezieher verhängt – weil sie einen Termin im Jobcenter versäumten, eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme verweigerten oder einen angebotenen Job ablehnten – wobei man darauf hinweisen muss, dass der größte Anteil der verhängten Sanktionen – also Leistungskürzungen – auf den Tatbestand eines Meldeversäumnisses zurückzuführen ist, nicht etwa auf die Ablehnung eines Stellenangebots. Und auch die Verweigerung einer Maßnahme kann ja durchaus – wie Praktiker wissen – nicht nur in einer allgemeinen Unlust des Leistungsbeziehers begründet sein, sondern durchaus auch in dem, was als „Maßnahme“ gemacht werden soll.

Wie dem auch sein: »Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales … sprach sich eine Mehrheit der geladenen Experten für die Beibehaltung von Sanktionsmöglichkeiten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) aus. Vertreter aus dem Bereich der Wirtschaft nannten das System der Sanktionen ausgewogen. Auch Landkreistag und Städtetag sprachen sich – ebenso wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gegen eine generelle Abschaffung oder ein Moratorium der Sanktionen aus«, berichtet der Pressedienst des Bundestages in seinem Bericht Streit um SGB II-Sanktionen. Es gab aber auch davon abweichende Stellungnahmen.

Eine klare Ablehnung der Sanktionsregelungen kam von der Diakonie Deutschland. In deren Stellungnahme zur Anhörung heißt es mehr als deutlich:

»Das Grundrecht auf ein soziokulturelles Existenzminimum darf nicht beschnitten werden. Sanktionen führen zunehmend in existenzgefährdende Armut und Wohnungslosigkeit. Zudem gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg für positive Effekte von Sanktionen auf die Leistungsberechtigten. Daher setzt sich die Diakonie Deutschland für die Abschaffung von Sanktionen im SGB II, eine Verringerung von Sanktionsinstrumenten und bessere Hilfen für Langzeitarbeitslose ein. Jede Begrenzung der bisherigen Sanktionspraxis ist bereits ein wichtiger Fortschritt im Vergleich zu einer Situation, in der sämtliche existenzsichernden Leistungen gestrichen werden können und Menschen in existenzbedrohliche Not geraten. Die Diakonie Deutschland begrüßt den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 26. Mai dieses Jahres, das Bundesverfassungsgericht zur Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit von Sanktionen anzurufen.«

Soweit wie die evangelische Konkurrenz wollte die katholische Seite, vertreten durch die Caritas, dann nicht gehen. Die Caritas fokussiert neben partiellen Abmilderungen bestehender allgemeiner Sanktionsregelungen vor allem auf die besondere Situation der jungen Menschen unter 25, für die es im SGB II ein verschärftes Sanktionsregime gibt: Diese verschärften Sanktionen für Jugendliche seien nicht vertretbar. Sie könnten durchaus kontraproduktiv wirken, wenn etwa durch einen Verlust der Wohnung die Jugendlichen in kriminelle Bereiche abrutschen. In ihrer Stellungnahme schreibt die Caritas unter Nummer 1 der Forderungen: »Die Sonderregelungen für Jugendliche sind noch in dieser Legislaturperiode abzuschaffen. Zu scharfe Sanktionierung wirkt bei Jugendlichen kontraproduktiv. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein Teil der Jugendlichen bei scharfer Sanktionierung das Vertrauen zu den Jobcentern verliert. Der Kontakt zu ihnen geht verloren und sie „verabschieden“ sich aus der Förderung. Eine Basis für wirksame Zusammenarbeit mit jungen Menschen besteht nicht mehr.«

Diese Ausführungen haben offensichtlich Stefan von Borstel, der als einer der wenigen über die Anhörung berichtet hat, offensichtlich zu seiner fragend ausgestalteten Überschrift inspiriert: Führen Hartz-IV-Sanktionen zu Straftaten?  Seine Wahrnehmung aus der Anhörung: »Viele Experten plädierten aber für eine Entschärfung der Sanktionen – insbesondere für Arbeitslose unter 25 Jahren. Gerade bei Jugendlichen könnten harte Sanktionen dazu führen, dass sie sich vollständig zurückzögen und in die Kriminalität abtauchten, um sich das Lebensnotwendigste zu besorgen. Nach einer aktuellen Studie sind rund 20.000 junge Menschen komplett aus der Betreuung von Jobcenter oder Jugendamt herausgefallen. Über ihren Verbleib weiß man nichts.« Dazu auch der Blog-Beitrag Durch alle Netze gefallen, vergessen und jetzt ein wenig angeleuchtet: Der Blick auf die „entkoppelten Jugendlichen“ vom 11.06.2015.

Von mehreren Seiten wurde auch diese Forderung vertreten: Die Gelder für die Unterkunft sollten im Sanktionsfall nicht gekürzt werden, damit die Hartz-IV-Empfänger nicht auch noch ihre Wohnung verlieren und in die Obdachlosigkeit abrutschten, so Sozialverbände, Kommunen und Bundesagentur für Arbeit.

Irgendwo in der Mitte hat sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verortet. »Für eine stärkere Gewichtung des Förderns im System des „Forderns und Förderns“ sprach sich der Vertreter des DGB aus. Die Eingliederungsvereinbarungen müssten individueller als bisher auf den Einzelnen zugeschnitten seien. Außerdem sollten Leistungskürzungen nach Ansicht des DGB auf maximal 30 Prozent beschränkt werden«, berichtet der Pressedienst des Bundestages.

Erwartbar anders die Position der Arbeitgeber, auch hinsichtlich der Forderung nach einer Abschwächung des rigiden Sanktionsregimes für die Unter-25-Jährigen. Dazu der Pressedienst des Deutschen Bundestages in seinem Bericht über die Anhörung:

»Aus Sicht der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) sind die „großen Erfolge“ bei der Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt auch auf die Sanktionen zurückzuführen. Diese seien ein Kernelement des Prinzips von „Fördern und Fordern“, hieß es von der BDA ebenso wie vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Die Regelung, wonach Unter-25-Jährige härtere Sanktionen befürchten müssen als Über-25-Jährige, ist nach Meinung der Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft angemessen. Auch die BDA vertrat die Ansicht, dass diese Sanktionen zu einer stärkeren Kooperation der Arbeitssuchenden mit den Jobcentern führen würden. Von einer Abschwächung solle daher abgesehen werden, sagte die BDA-Vertreterin.«

Aber wer jetzt denkt, die Arbeitgeber gerieren sich am radikalsten hinsichtlich der Sanktionsfrage, der hat nicht mit den kommunalen Spitzenverbänden gerechnet – ein echtes Trauerspiel, wenn man bedenkt, dass in deren Beritt auch die Jugendhilfe fällt und man einfach mal mit seinen eigenen Leuten vor Ort hätte sprechen müssen, wie denn so die harten Sanktionen „wirken“ bei den jungen Menschen:

»Sowohl der Deutsche Städtetag als auch der Deutsche Landkreistag kritisierten die unterschiedliche Behandlung von jungen und älteren Arbeitslosen. Schon im Interesse der Verwaltungsvereinfachung sollten künftig auch für die Älteren die strengeren Regelungen der Unter-25-Jährigen gelten, forderte die Vertreterin des Städtetages. BDA und ZDH schlossen sich der Forderung an.«

Also nicht die härteren Regelungen für die Jugendlichen runter fahren, sondern die für die Erwachsenen entsprechend nach oben anpassen. Das kann man beim besten Willen nur durch eine funktionärsbedingte erhebliche Eintrübung der Sicht auf die Realitäten vor Ort erklären.

Alle schriftlichen Stellungnahmen wurden in der Ausschussdrucksache 18(11)394 veröffentlicht.

Nichts Neues, alte Positionierungen werden hier aufgewärmt, vgl. dazu beispielsweise nur den Blog-Beitrag Das große Durcheinander auf der Hartz IV-Baustelle.  Sanktionen verschärfen oder ganz abschaffen, mit (noch) mehr Pauschalen das administrative Schreckgespenst Einzelfallgerechtigkeit verjagen oder den „harten Kern“ der Langzeitarbeitslosen aus dem SGB II in das SGB XII „outsourcen“? vom 19.06.2014, also vor genau einem Jahr.

So wird das nichts, wenn einem an der entscheidenden Grundsatzfrage gelegen ist: Sanktionen im Grundsicherungssystem ja oder nein? Diese Grundsatzfrage berührt ein zentrales Konstruktionsprinzip des auf dem SGB II basierenden Grundsicherungssystems: Es handelt sich um ein „nicht-bedingungsloses Grundeinkommen“, zumindest für nicht wenige unter den Hartz IV-Empfänger, für die der Leistungsbezug nicht nur eine überschaubare transitorische Lebensphase ist. Das ist unvermeidlich: Würde man, wie das die Linke fordert, generell alle Sanktionen abschaffen, dann wäre das ein erheblicher Schritt in Richtung auf ein „bedingungsloses Grundeinkommen“. Tragende Säulen der bestehenden Hartz IV-Architektur würden zusammenbrechen, deshalb auch der Widerstand der Arbeitgeber, aber auch – so die These hier – die vorsichtige Positionierung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) irgendwo zwischen Baum und Borke.

Einen weiterführenden Schritt wird es wohl erst geben, wenn sich das Bundesverfassungsgericht der Grundsatzfrage annimmt bzw. annehmen muss, gibt es nun doch den Vorlagenbeschluss S 15 AS 5157/14 des Sozialgerichts Gotha an das Bundesverfassungsgericht, in dem explizit die Verfassungswidrigkeit der Sanktionsregelung postuliert und eben zur Prüfung vorgelegt wird. Dazu auch ausführlicher der Blog-Beitrag: Hartz IV: Sind 40% von 100% trotzdem noch eigentlich 100% eines „menschenwürdigen Existenzminimums“? Ob die Sanktionen im SGB II gegen die Verfassung verstoßen, muss nun ganz oben entschieden werden.
Wir werden uns noch gedulden müssen in dieser Angelegenheit.

Nachtrag (03.07.2015):
Eine Teilnehmerin an der Anhörung des Ausschusses hat mich per Mail darauf hingewiesen, dass eine Aussage, die dem Artikel des Pressedienstes des Bundestags entnommen und hier zitiert wurde, nicht stimmen könne – hinsichtlich der verschärften Sanktionen für die Unter-25-Jährigen.
Offensichtlich ist den Verfassern des Beitrags in einer ersten Version – aus der ich zitiert habe – ein Fehler unterlaufen. Die Passage, die ich dieser ersten Variante entnommen und in meinem Beitrag (s.o.) zitiert habe, ging so:


»Sowohl der Deutsche Städtetag als auch der Deutsche Landkreistag kritisierten die unterschiedliche Behandlung von jungen und älteren Arbeitslosen. Schon im Interesse der Verwaltungsvereinfachung sollten künftig auch für die Älteren die strengeren Regelungen der Unter-25-Jährigen gelten, forderte die Vertreterin des Städtetages. BDA und ZDH schlossen sich der Forderung an.«


Wenn man die gleiche Quelle jetzt anschaut, dann findet man diese (inhaltlich richtige) Variante:


»Sowohl der Deutsche Städtetag als auch der Deutsche Landkreistag kritisierten die unterschiedliche Behandlung von jungen und älteren Arbeitslosen. Schon im Interesse der Verwaltungsvereinfachung sollten künftig auch für die Jüngeren die Regelungen der Über-25-Jährigen gelten, forderte die Vertreterin des Städtetages.«


Damit wäre klar gestellt, dass die kommunalen Spitzenverbände keineswegs eine Übertragung des schärferen Sanktionsregimes auf die älteren Hartz IV-Empfänger fordern, sondern umgekehrt eine „Abschwächung“ für die Jüngeren befürworten. Man hätte sich vom Pressedienst des Bundestages allerdings gewünscht, dass er auf die zwischenzeitlich offensichtlich vorgenommene Korrektur wenigstens in Form einer Fußnote offenlegt, so muss man den Eindruck bekommen, dass die jetzt vorhandene Formulierung von Anfang an so da drin stand. Dem war nicht so.

Wie der Mindestlohn mit der altehrwürdigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterlaufen wird. Und warum es trotz Mindestlohn immer mehr deutschen Spargel gibt

Es ist schon deutlich ruhiger geworden um das Thema Mindestlohn, vor allem hinsichtlich der anfangs gerne von den Medien aufgegriffenen apokalyptischen Ausblicke in eine Welt der Beschäftigungsverluste. Aber man sollte sich dieser die Medienlandschaft leider weitgehend dominierenden Themenhopperei nicht anschließen, sondern konnsequent weiter beobachten, was auf dem Arbeitsmarkt passiert oder eben nicht passiert.

Wie Arbeitgeber den Mindestlohn umgehen – eine solche Fragestellung war einige Wochen nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes zum 1. Januar 2015 überaus beliebt und von großem Interesse für die Medien. Dabei konnte und musste man darauf hinweisen, dass wir schon seit vielen Jahren zahlreichen Versuche und reale Ausformungen der Umgehung kennen, denn in bestimmten Branchen gibt es schon seit längerem so genannte Branchen-Mindestlöhne. Der Bau wäre so ein Bereich, aber auch die Gebäudereinigung oder die Altenpflege. Und im Bau ist der Mindestlohn nicht nur deutlich höher als der neue gesetzliche Mindestlohn, sondern hier sind wir seit eh und je konfrontiert mit einer teilweise ganz erheblichen kriminellen Energie, was das Unterlaufen solcher Standards angeht, nur um noch billiger anbieten zu können bzw. noch höhere Renditen abzuschöpfen.

Mit Tricks versuchen Arbeitgeber, Mindestlohn und Sozialabgaben zu umgehen. Ein beliebtes Mittel ist die Gründung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Ihre Zahl soll seit Einführung des Mindestlohns verstärkt gestiegen sein, so Thomas Öchsner in seinem Artikel Wie der Mindestlohn unterlaufen wird. »Sie arbeiten auf Baustellen, als Ausbeiner in Schlachthöfen oder als Lkw-Fahrer. So, wie sie dabei ihr Geld verdienen, sind sie eigentlich Arbeitnehmer. Auf dem Papier sind sie aber als Selbständige etikettiert.« Es geht also um Scheinselbständige. Für den Auftraggeber, der in Wirklichkeit Arbeitgeber ist, handelt es sich um eine überaus angenehme Konstellation: Er muss keine Sozialabgaben abführen, er muss keinen Kündigungsschutz beachten. Und er muss sich auch keinen Kopf machen über die Einhaltung gesetzlicher oder branchenspezifischer Mindestlohnregelungen, denn die gelten für Selbständige ja nicht.
Und die Zahl an Scheinselbständigen, die sich in sogenannten Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) verbergen, scheint offensichtlich immer beliebter zu werden, auch und gerade vor dem Hintergrund einer angestrebten Vermeidung der Einhaltung von Mindestlohnbestimmungen. Das ist schon bemerkenswert, handelt es sich doch bei der GbR um ein echtes Traditionsstück in der deutschen Rechts- und Unternehmenslandschaft. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (auch als BGB-Gesellschaft bezeichnet) ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei Gesellschaftern (natürlichen oder juristischen Personen), die sich durch einen Gesellschaftsvertrag gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern (§ 705 BGB). Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die ursprüngliche und einfachste Form und damit die Mutter oder der Vater der Personengesellschaft.

Das kennen wir gerade aus dem Baubereich (aber auch beispielsweise aus den Untiefen der deutschen Fleischwirtschaft) schon seit vielen Jahren: Normalerweise treten vermeintliche Selbständige, die häufig aus den neuen EU-Mitgliedstaaten in Osteuropa kommen, als Einzelunternehmer auf. Dazu melden sie sich in Deutschland als Gewerbetreibende an. Nun wird dem einen oder der anderen an dieser Stelle sofort die Frage kommen, wie die denn das schaffen, so ganz ohne Sprachkenntnisse und ohne den rechtlichen Hintergrund, oftmals auch ohne einen festen Wohnsitz hier in Deutschland. Öchsner dazu in seinem Artikel: „Nicht selten werden sie bei der Anmeldung zu Gewerbetreibenden von deutschen Auftraggebern unterstützt, die von den günstigen Arbeitsleistungen profitieren möchten“, heißt es bei der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft. Es überrascht an dieser Stelle nicht wirklich, dass sich organisierte Strukturen mit Vermittlern und/oder Rechtsanwälten und Steuerbüros herausgebildet haben, die die Formalitäten der Firmengründung übernehmen als auch die Verbindungen zu deutschen Auftraggebern herstellen.

In dieser eigenen Welt, die auf Betrug angelegt ist, nutzt man de GbR als Hülle, wenn mehrere dieser „Einzelunternehmer“ sich zusammenschließen wollen bzw. müssen, um darüber ihre Scheinselbständigkeit zu verschleiern. Was dabei rauskommt? »Dann sind alle Mitarbeiter Gesellschafter, keiner Arbeitnehmer, und einer ist in Wahrheit der Chef.«
Es sind in der Regel ausländische Arbeitnehmer, oft aus Bulgarien oder Rumänien, die unter diese Hülle getrieben werden.

Aus den Reihen des Zolls werden Stimmen laut, die einen Anstieg der GbR-Gründungen seit Einführung des Mindestlohnes meinen erkennen zu können, einen statistischen Nachweis gibt es hier nicht und der wäre nicht nur allgemein nötig, sondern auch branchenspezifisch, denn im Baubereich gab es ja schon lange vor dem 1. Januar dieses Jahres einen, zudem höheren branchenspezifischen Mindestlohn. Öchsner dazu: »Angaben des Statistischen Bundesamtes zeigen nur, dass die Zahl solcher Gesellschaften seit der EU-Osterweiterung 2004 schrittweise auf mehr als 200.000 zugenommen hat.« Aber darunter können und werden auch viele ganz normale GbRs sein.
„Das Problem für die Ermittler dabei ist, herauszufinden, ob hinter einer solchen Gesellschaft kriminelle Machenschaften stecken“, so Martin Schinke, Vorsitzender bei der Bezirksgruppe Zoll der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der von Öchsner zitiert wird. „Da reicht die Kontrolle der Ausweise auf der Baustelle eben nicht. Da sind Ermittlungen der Hintergründe notwendig, und dafür fehlt leider oft die nötige Zeit.“
Die bösen Kontrollen, gegen die die Mindestlohn-Gegner in den vergangenen Wochen Amok gelaufen sind, nachdem sich bislang ihre Horrorprognosen über Massen an Arbeitslosen durch die gesetzliche Lohnuntergrenze nicht bewahrheitet haben.
Zu den apokalyptischen Reitern in der Mindestlohndebatte gehören auch die Funktionäre aus dem Bereich der Landwirtschaft, die ein großes Wehgeklage angestimmt haben, nach dem der deutsche Spargel nun wirklich keine Zukunft mehr haben wird, denn das mit dem Mindestlohn werde den deutschen Spargelbauern den Todesstoß versetzen, auch wenn es sogar einen abgesenkten Mindestlohn gibt für die Saisonarbeiter und auch Kost und Logis angerechnet werden kann.
Vor diesem Hintergrund muss man hellhörig werden, wenn man in der Print-Ausgabe der FAZ vom 24.06.2015 dem Artikel „Der Spargel wird immer deutscher“ die Information entnehmen kann: 80 Prozent der verkauften Stangen kommen heute aus heimischer Produktion. Seit dem Jahr 2000 hat sich die heimische Fläche für Spargel knapp verdoppelt, die Menge legte sogar noch etwas stärker zu, berichtet das Statistische Bundesamt. Man sei mit dem Absatz zufrieden. Aber natürlich darf der Mindestlohn trotzdem nicht fehlen, auch wenn man ihn nicht unmittelbar für irgendwelchen negativen Entwicklungen haftbar machen kann. Und die Äußerungen aus der Verbandslandschaft sind bezeichnend:

»Neue Vorzeichen und einen möglichen Preistreiber für das Gemüse gibt es mit dem Mindestlohn. Dabei sind den Spargelbauern vor allem bürokratische Vorgaben und Dokumentationspflichten ein Ärgernis. „Das ist in der Hektik der Ernte ein Problem“, sagt der im Bauernverband für Sozialpolitik zuständige Geschäftsführer Burkhard Möller. Zudem wollten viele Saisonkräfte mehr arbeiten, dürfen es wegen der Grenzen und strikter Aufzeichnungspflichten aber nicht. „Das stößt bei den Arbeitnehmern auf viel Kritik und Unverständnis“, sagt Möller.
Ein anderes Problem sei die Pflicht, den Lohn spätestens Ende des nächsten Monats auszuzahlen. Denn viele ausländische Helfer wollten am liebsten am Einsatzende Bargeld, da sie hier kein Konto haben.«

Auch an dieser Stelle muss erneut der Hinweis darauf gegeben werden, dass man sich hier nicht wirklich über die Höhe des Mindestlohnes aufregt und auch nicht über das Mindestlohngesetz an sich, sondern weil mit der Dokumentationspflicht die Arbeitszeiten betreffend ein Fundamentalproblem mit dem Arbeitszeitgesetz offenbar wird, ein Problem, das wir beispielsweise auch im Bereich Hotel und Gaststätten beobachten müssen. 
Bleibt die frohe Botschaft: Auf im kommenden Jahr wird es ganz viel deutschen Spargel geben, wenn man denn das Zeug mag.

Pflegestreik! Ist da was? Nicht nur mediale Resonanzschwächen. Die Streikenden an der Charité in Berlin könnten in die GDL-Falle getrieben werden

Eine zugegeben sehr zugespitzte Zusammenfassung der jüngeren deutschen Streikgeschichte könnte so aufgebaut sein:

Streik der Lufhansa-Piloten? Die wollen sich doch nur ihren Ruhestand weiter vergolden lassen und die Passagiere hängen am Boden fest.

Lokführer-Streik? Ein größenwahnsinnig gewordener sächsischer Möchtegern-Arbeiterführer nimmt Millionen Bahnkunden in tagelange Geiselhaft und vergewaltigt unser Grundrecht auf Mobilität.

Kita-Streik? Auch wenn man grundsätzlich schon irgendwie Verständnis hat – aber unbefristete Streikaktionen? Die armen Kinder und ihre Eltern werden zu bedauernswerten Opfern des Streiks der Erzieher/innen, während die Arbeitgeber irgendwie auf Tauchstation waren und aus dem Blickfeld der Berichterstattung verschwunden sind.

Pflegestreik? Äh, wie bitte? Nächstes Thema.

Es ist schon mehr als auffällig, wie gedämpft die Berichterstattung über den unbefristeten Streik des Pflegepersonals an der Berliner Charité abläuft. Dabei ist dieser Arbeitskampf so irritierend anders als das, was man ansonsten so vorgesetzt bekommt: Die Pflegekräfte wagen mit einem Streik einen Schritt, vor dem bislang zurückgeschreckt wurde, denn sie haben sogar noch weitaus heftiger als die Erzieher/innen in den Kitas ein strukturelles Streikproblem: Sie legen nicht die Produktion von irgendwelchen Sachen eines Unternehmens lahm oder blockieren die Dienstleistung eines anderen (wie beispielsweise beim gerade laufenden Streik der Brief- und Paketzusteller der Deutschen Post), sondern von ihrer Nicht-Arbeit werden zuallerst einmal (potenzielle) Patienten getroffen, bei denen beispielsweise eine vorgesehene OP verschoben werden muss oder gar ausfällt. Was aber bei diesem Streik noch weitaus wichtiger ist – er hat seine ganz eigene „moralische Ökonomie“, denn die Streikenden fordern nicht (scheinbar) egoistisch mehr Geld, sondern sie wollen mehr Personal erkämpfen, weil sie sich überlastet fühlen und es oftmals auch sind. Und das müsste doch auch im Interesse der (potenziellen) Patienten sein. Gab es nicht in den letzten Jahren immer wieder Berichte über die mehr als kritische Personalsituation in den deutschen Krankenhäusern, mit denen letztendlich auch existenzielle Gefahren für die Patienten verbunden sein können? Das müssten doch alles Ingredienzien sein für eine breite Sympathiewelle den streikenden Pflegekräften gegenüber. Doch die derzeitige Lage ist eine andere, man kann es drehen und wenden, wie man will. Und demnächst könnte den Pflegekräften an der Charité ein perfide inszenierter „GDL- oder Weselsky-Effekt“ ins Haus stehen – im Hintergrund vorangetrieben von der Gegenseite.

Beim Lokführer-Streik war es überaus erfolgreich gelungen, große Teile der Bevölkerung gegen die Gewerkschaft GDL aufzubringen und eine grandiose negative Personalisierung in Gestalt des Herrn Weselsky aufzubauen. Das ist nicht von alleine gekommen, sondern der Vorstand des in Bundesbesitz befindlichen Unternehmens Deutsche Bahn hatte sich dafür professioneller Hilfe bedient. Darüber hat Werner Rügemer im März dieses Jahres in seinem Beitrag DB im GdL-Streik: „Bewusst eine Sackgasse herbeiführen“ berichtet. Und dabei spielt ein bestimmter Name eine wichtige Rolle:

»Wenn der Bahn-Vorstand mit Gewerkschaften verhandelt, ist Werner Bayreuther dabei. Er ist Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister (Agv-MoVe). Er gehört aber auch zum Team des Schranner Negotiation Institute (SNI) in Zürich.«

Das muss man jetzt erst einmal sortieren: Werner Bayreuther war Richter für Arbeitsrechter. Er ist aus dieser Position ausgeschieden, um eine andere Karriere zu beginnen. »Er baute für den privatisierten Bahn-Konzern den eigenen Arbeitgeberverband auf, in dem die zahlreichen Tochter-Holdings Mitglied sind: DB Schenker, DB Regio, DB Netz usw.« Es handelt sich um den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister (Agv MoVe), dessen Hauptgeschäftsführer er ist. Zugleich ist er verwandelt mit dem Schranner Negotiations Institute (SNI) in Zürich. Jetzt wird es richtig bunt. Werner Rügemer schreibt zum SNI:

»Das SNI arbeitet weltweit im Auftrag von Unternehmen und Regierungen, nach dem Motto „Wenn Verhandlungen schwierig werden“. Die Berater sind allgegenwärtig, bleiben aber unsichtbar: „Wir unterstützen Sie im Hintergrund vor, während und nach Ihren Verhandlungen.“
SNI versteht sich nicht als Schlichter. Der Kunde soll am Ende als „Sieger“ und die andere Seite als „Verlierer“ dastehen: „Mit unserer Unterstützung werden Sie Verhandlungssieger.“ Intern heißt es „Es gibt bei Verhandlungen keine win-win-Situation“.«

Offensichtlich handelt es sich um ein überaus buntscheckig zusammengesetztes Beratungsunternehmen für Konzerne und Regierungen: »SNI preist seinen Trainer Leo Martin so an: Er war „10 Jahre lang für einen großen deutschen Nachrichtendienst im Einsatz.“ Sein Spezialgebiet war das Anwerben und Führen von V-Leuten … Zum SNI-Angebot gehören auch „Verhandlungstaktiken von Polizei und FBI“. Der langjährige Chef der Münchener Mordkommission Josef Wilfing ist ebenso dabei wie Gary Noesner vom FBI. SNI-Chef Matthias Schranner präsentiert sich als ehemaliger Verhandlungsführer der Polizei bei Geiselnahmen und Banküberfällen«, so Rügemer in seinem Artikel.

Wer Interesse an einer direkten Konfrontation mit dem SNI-Chef und seiner Denke hat, der sei auf diese Gesprächssendung des Bayerischen Rundfunks mit ihm hingewiesen: Matthias Schranner, Verhandlungsexperte (19.03.2015).

Werner Rügemer zählt die SNI mit Sitz in Zürich zur Dienstleistungsbranche „Union Busting“. Union Busting heißt „Gewerkschaften zerstören“. Diese Tätigkeit ist in den USA als professionelle Dienstleistungsbranche etabliert. Sie besteht aus Anwälten, Detektiven, Psychologen, Management-Trainern, Lobbyisten, gelben Gewerkschaften, die mit der Unternehmensleitung zusammenarbeiten.

»Das Schranner Negotiations Institute SNI gehört ebenso zur Branche wie Arbeitsrechts-Anwälte, die grundsätzlich nur die Arbeitgeberseite vertreten. In Deutschland sind das etwa die Rambo-Anwälte der Kanzleien Helmut Naujoks und Schreiner + Partner, aber auch die diskreten Anwälte von US-Kanzleien wie Freshfields und Hogan Lovells. Als Staranwalt für die Verhinderung von Streiks in Deutschland gilt Thomas Ubber von der Kanzlei Allen & Overy: Er vertrat Fraport gegen die Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) und die Lufthansa gegen die Vereinigung Cockpit (VC). Der Bahn-Konzern beauftragt ihn jedesmal gegen die GdL wie zuletzt im November 2014.«

Übrigens – das SNI überlässt nichts dem Zufall, man hat für alle Perspektiven geeignete Fachkräfte an Bord: Auch »Stefan Schneider (gehört) zum SNI-Team. Schneider war lange Jahre Betriebsrat bei Daimler und Verhandlungsführer der IG Metall. Danach wechselte er die Seite und stieg zum Personalleiter auf. Jetzt ist er als selbständiger Manager-Berater tätig. Seine Qualifikation: Er „kennt die Motivlage von Betriebsräten und Gewerkschaften“.«

Und zu dieser illustren Runde gehört nach Rügemer eben auch Werner Bayreuther: Auf der Website des SNI wird Bayreuther angepriesen: „Er hat die Deutsche Bahn in der Verhandlung mit der GdL beraten und aktiv unterstützt.“ Und der eine oder andere wird gewisse Analogien zur jüngeren Streikgeschichte herstellen können, wenn man beispielsweise die folgende Beschreibung der SNI-Methodik liest:

»Eine strategisch angelegte Verhandlung hat nach SNI-Prinzipien auch das mögliche Ziel, den Gegenüber „bewusst in eine Sackgasse“ zu manövrieren. Zum Beispiel: Man macht einige Zugeständnisse, der Streik wird abgebrochen, aber die eigentlichen Verhandlungen stehen noch aus. Nach zwei Monaten, wenn die Verhandlungen wieder beginnen, wird die frühere Vereinbarung widerrufen. Die Gewerkschaft muss überlegen, ob sie neu streiken soll.«

Nun wird der eine oder die andere sagen, gut, interessant, schlimme Sache für die Arbeitnehmer, wenn sie bzw. deren Repräsentanten es mit dieser Liga zu tun bekommen, aber was hat das nun mit dem Pflegestreik an der Charité zu tun? Man wird sehen – die Welt ist klein.
Dazu werfen wir einen Blick in diesen Artikel: Charité-Streik: Ein Mann für gewisse Verhandlungen. Dort finden wir den folgenden Passus:

»Schon lange verhandeln die Vertreter von ver.di über die dringend notwendige Einstellung von Personal an der Charité. Ihnen gegenüber sitzen Leute wie der ärztliche Direktor Prof. Ulrich Frei, zuvor Arzt für Innere Medizin. Doch geleitet werden die Verhandlungen von einem Mann, der nie in einem Krankenhaus gearbeitet hat: Der Charité-Vorstand hat als Verhandlungsführer für viel Geld den früheren Richter Werner Bayreuther angeworben.«

Da ist er wieder. Und die Verfasser des Artikels erkennen sehr wohl, welchen Zusammenhang es geben könnte zwischen Bayreuthers Rolle beim GDL-Streik und der möglicherweise von ihm erhofften Dienstleistung seitens der Unternehmensleitung der Charité:

»Im Konflikt mit der GDL benutzte die Deutsche Bahn unter Bayreuthers Verhandlungsführung im Dezember 2014 einen besonders miesen Trick: Sie veröffentlichte eine Erklärung, in der sie das Recht der GDL anerkannte, für alle Arbeitnehmergruppen Tarifverträge abzuschließen. Genau das war monatelang eine zentrale Forderung der GDL. Die Gewerkschaft will die Erfolge, die sie für Lokführer erstreikt hatte, auch für Zugbegleiter und andere erreichen. Doch das Zugeständnis war gar keines: Eine einseitig abgegebene Erklärung ist juristisch kein Vertrag zwischen beiden Tarifparteien und damit rechtlich bedeutungslos. Während die Beschäftigten ihren Sieg feierten, bereiteten Bayreuther und die Deutsche Bahn ihre nächsten Schritte vor: Ab Januar nahmen sie sämtliche Punkte ihrer Erklärung Schritt für Schritt zurück und sprachen der GDL wieder das Recht ab, Tarifverträge für Zugbegleiter auszuhandeln. Als die Gewerkschaft schließlich erneut streikte, behauptete die Deutsche Bahn wiederum, sie hätte schon große Zugeständnisse gemacht und die GDL streike nur, weil ihr Vorsitzender Claus Weselsky ein eingebildeter Wichtigtuer sei.«

Nun muss man eigentlich nur noch eins und eins addieren, um eine mögliche Strategie des Unternehmens zu erkennen: Auf einmal sind die Repräsentanten, vor allem der Vorstandvorsitzende der Charité, Karl Max Einhäupl, überall, wo sich ihnen die Gelegenheit bietet, unterwegs mit dem besorgten Hinweis auf das gefährdete „Patientenwohl“ und dass die Streikenden das jetzt elementar gefährden würden (wobei dann gerne „vergessen“ wird, dass diese Positionierungen in den vergangenen Jahren bei den vielen Überlastungsanzeigen der eigenen Beschäftigten „natürlich“ nicht zu vernehmen waren). Die Bevölkerung muss gegen den Streik aufgebracht werden und dabei muss die „Schuldfrage“ einseitig an die Streikenden zugewiesen werden. Man kann sich eine Adaption des GDL-Musters gut vorstellen, „leider“ fehlt den Strategen hier noch so eine „mediengängige“ Anti-Figur wie Weselsky.

Man muss an dieser Stelle wieder einmal darauf hinweisen, dass es sich die Pflegekräfte wahrlich nicht leicht gemacht haben, bevor sie in den Arbeitskampf gegangen sind. Die Gewerkschaft Verdi hat seit mehr als zweieinhalb Jahren mit der Klinikleitung über eine Mindestbesetzung verhandelt, die die Gewerkschaft in einem Tarifvertrag festhalten will. Kein Ergebnis. Und aus dem jetzt vorgetragenen Argument mit einer Gefährdung des „Patientenwohls“ wird ein Schuh. So schreibt Claudia Wrobel in ihrem Artikel unter der bezeichnenden Überschrift Patientengefährdung:

»Die Pflegekräfte sehen durch den schlechten Personalschlüssel und den hohen Einsatz von Leiharbeitern die Standards nicht mehr eingehalten und deshalb die Sicherheit der Patienten gefährdet. Deshalb verhandelt ver.di seit mehr als zweieinhalb Jahren mit der Klinikleitung über eine Mindestbesetzung, die die Gewerkschaft in einem Tarifvertrag festhalten will. Unter anderem fordern sie, dass nachts auf jeder Station mindestens zwei Kollegen Dienst tun und für Intensivstationen einen Betreuungsschlüssel von einer Fachkraft für zwei Patienten. Damit orientiert sich ver.di an Empfehlungen der Fachgesellschaften. Außerdem möchte die Gewerkschaft verbindliche Verfahren zum Erfassen von Überlastungssituationen.«

Das nun sind keine wie auch immer geartete revolutionäre Forderungen, sondern im Grunde fordern die Streikenden hier die Einhaltung einer Schutzgrenze nach unten – und die hätte, wenn es denn wirklich um „Patientenwohl“ gehen würde, schon längst von Klinik wie auch verantwortlicher Politik sichergestellt werden müssen. Offensichtlich versuchen die Streikenden, ein Systemversagen zu kompensieren. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen.

Dazu past dann beispielsweise eine solche Meldung aus der Berliner Zeitung vom 27.06.2015: Patientenschützer kritisieren Sparkurs in der Krankenpflege: »An Berliner Krankenhäusern wird nach Einschätzung von Patientenschützern immer mehr auf Kosten des Pflegepersonals gespart. Zwischen Ärzten und Pflegern habe sich ein Missverhältnis entwickelt: Von 1991 bis 2013 stieg die Zahl der Ärzte an Kliniken um 14 Prozent. Dagegen gab es bei den Pflegern im gleichen Zeitraum einen Rückgang um rund ein Drittel. Dabei lägen inzwischen mehr alte und pflegebedürftige Menschen auf den Stationen … Der Pfleger-Schwund von rund 19.700 auf 12.900 Kräfte ist in Berlin … so ausgeprägt wie in keinem anderen Bundesland. Ein deutschlandweit verbindlicher Personalschlüssel würde diese Entwicklung stoppen, so die Stiftung. Solche festen Quoten will die Gewerkschaft Verdi mit dem Streik an der Charité durchsetzen.« Vgl. dazu auch Statistik: Krise in Kliniken ist hausgemacht – bundesweiter Personalschlüssel nötig, dort kann man die Übersicht über alle Bundesländer als Datei abrufen.

Aber was sind schon Fakten – wir werden möglicherweise bald schon gewisse Elemente der SNI-Methoden zu sehen, hören und lesen bekommen. Und wenn man nicht aufpasst, werden die Pflegekräfte auf die GDL-Rutschbahn geschoben. Das muss verhindert werden, nicht nur im Interesse der Streikenden, sondern auch der (potenziellen) Patienten. Dafür braucht es Solidarität mit dem Pflegepersonal, das sich traut, nicht mehr nur zu schlucken und zu funktionieren, bis sich die Folgen der strukturellen Überbelastung als individuelle Schicksale atomisieren lassen.