Wenigstens den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Plattform-Dach? Die (verwässerte) EU-Richtlinie über Plattform-Arbeit kommt – auch gegen die FDP-Blockade aus Deutschland

»Die EU-Kommission will über digitale Plattformen Beschäftigte sozial absichern und Arbeitsbedingungen verbessern. Der richtige Ansatz lässt für die Praxis noch viele Fragen offen«, so Tatjana Ellerbrock in ihrem Beitrag EU-Kom­mis­sion will Platt­form­ar­beit regu­lieren, der im Januar 2022 veröffentlicht wurde. »Mit ihrem am 9. Dezember 2021 veröffentlichten Richtlinienvorschlag will die EU-Kommission durch das Setzen von europäischen Mindeststandards die Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten verbessern. Denn für die Bestimmung des arbeitsrechtlichen Status von Plattformarbeitenden hält das geltende Recht bisher keine klare Antwort bereit. Diskussionsthema ist insbesondere die Frage, ob diese Personen Arbeitnehmende oder Selbstständige sind.«Nach deutschem Recht, konkret § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), ist Arbeitnehmer, wer weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit erbringt. Nach dieser allgemeinen Definition ist eine Einordnung jedoch nicht immer unproblematisch, da Abgrenzungskriterien fehlen.

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Bessere Arbeitsbedingungen in der Plattformökonomie – eine mögliche Regelung auf der europäischen Ebene „von Deutschland“ blockiert?

Die Bundesregierung besteht bekanntlich aus drei Parteien, die sich in einer „Ampel-Koalition“ zusammengeschlossen haben: SPD, Grüne – und FDP. Während sich Sozialdemokraten und Grüne in vielen gerade sozialpolitisch relevanten Fragen durchaus nahe stehen, vertritt die FDP oftmals davon abweichende Positionen und die Liberalen tun sich erkennbar schwer mit so manchem Vorhaben der beiden anderen Partner. Das reicht dann bis hin zu einer versuchten Positionierung der FDP-Politik als Gegengewicht zu den beiden „linken“ Parteien im eigenen Regierungsbündnis, wie das der FDP-Chef, der amtierende Bundesfinanzminister Christian Lindner, auch öffentlich vorträgt.

Eine solche Vorbemerkung erscheint wichtig, um solche viele erst einmal irritierende Meldungen einordnen zu können: »Verhandlungen in der Europäischen Union über bessere Arbeitsbedingungen von Beschäftigten bei Onlineplattformen wie Lieferando, Uber oder Gorillas sind vorerst gescheitert. Offenbar konnte sich die Bundesregierung nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Hätte Berlin dem Vorhaben zugestimmt, hätte es nach Informationen von EU-Diplomaten eine ausreichende Mehrheit dafür gegeben«, kann man diesem Bericht entnehmen: EU-Regeln für Dienste wie Lieferando: Bessere Arbeitsbedingungen blockiert. Und direkt unter der Überschrift werden wir darüber informiert: »Alle EU-Staaten waren bereit – nur die Bundesregierung wegen des FDP-Widerstands nicht: Die Verhandlungen über bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte von Onlineplattformen sind gescheitert – zumindest vorerst.« Was ist da los?

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„Uber-Nurses“? In Kalifornien könnte die App-basierte Personalvermittlung von „selbstständigen“ Pflegekräften Wirklichkeit werden

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an diese Volksabstimmung im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien: Parallel zur Wahl des Präsidenten im November 2020 haben die Kalifornier auch über die Zukunft von Uber und Co. abgestimmt. Das Ergebnis: Sie müssen ihre Fahrer weiterhin nicht fest anstellen. »Die Fahrdienstanbieter Uber und Lyft sowie die Lieferdienste Doordash und Postmates haben im Rahmen einer Volksabstimmung im US-Bundesstaat Kalifornien ein Gesetz gekippt, das Fahrern auf ihren Plattformen den Status von Mitarbeitern zusprach«, berichtete Jana Kugoth unter der Überschrift Uber und Co. müssen Fahrer nicht anstellen. 58 Prozent hatten sich dafür ausgesprochen, die Fahrer als Selbstständige zu behandeln, knapp 42 Prozent waren dagegen. »Die Signalwirkung dieser Abstimmung dürfte weit über die Grenzen des Bundesstaates hinausgehen.«

Die „Proposition 22“ war die von Konzernen vorangetriebene und finanzierte Reaktion auf ein bereits in Kraft getretenes Gesetz. Darin verpflichtete die kalifornische Regierung die Unternehmen dazu, die auf der Plattform registrierten unabhängigen Auftragnehmer regulär anzustellen. Sie sollten damit den Anspruch auf Zusatzleistungen wie Urlaub und Arbeitslosenversicherung bekommen. Das Ergebnis des Referendums zugunsten der Plattformbetreiber war speziell in Kalifornien überraschend – die dort eigentlich dominierenden Demokraten hatten sich vor der Abstimmung klar gegen Uber, Lyft und die anderen Anbietern gestellt. Ein Gericht des Bundesstaates hat dann später das Abstimmungsergebnis für verfassungswidrig erklärt, wogegen die Konzerne, die hinter der „Prop 22“ stehen, Berufung eingelegt haben.

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