Sie wächst und wird weiter wachsen – die Altersarmut. Neue bedrückende Zahlen am Anfang einer bitteren Wegstrecke

Fast genau eine halbe Million Menschen sind es, die in den Statistiken auftauchen als Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Ältere nach SGB XII, also dem „Hartz IV“ eigener Art für ältere Menschen. Die Bundesstatistiker erfüllen ihre Berichtspflicht ordnungsgemäß mit einem Tabellenwerk und einer knappen Pressemitteilung dazu: 2013: Zahl der Empfänger/-innen von Grund­sicherung ab 65 Jah­ren um 7,4 % gestiegen. Ergänzend kann man den Zahlenangaben zu den Älteren noch entnehmen: »Neben den rund 499.000 Empfängerinnen und Empfängern von Grundsicherung im Alter ab 65 Jahren gab es am Jahresende 2013 deutschlandweit rund 463.000 Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung wegen dauerhafter Erwerbsminderung im Alter von 18 bis unter 65 Jahren. Damit bezogen am Jahresende 2013 rund 962.000 volljährige Menschen in Deutschland Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.« Diese fast eine Millionen Menschen, die sich im SGB XII befinden, müssen also noch zu den derzeit 6.012.781 Menschen hinzugezählt werden, die aktuell Leistungen aus dem eigentlichen „Hartz IV“-System beziehen, also dem SGB II.

Die Abbildung zeigt den Anstieg der Empfänger-Zahlen in der Grundsicherung für Ältere seit 2003. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich die Zahl der älteren Grundsicherungsempfänger schlichtweg verdoppelt. Und man muss an dieser Stelle sogleich anfügen: Es handelt sich hier um die Älteren, die auch tatsächlich Leistungen beziehen – wenn es um das Thema Altersarmut geht, dann müsste man natürlich noch die älteren Menschen hinzuzählen, die eigentlich Anspruch hätten auf die Grundsicherungsleistungen, diese aber aus ganz unterschiedlichen Gründen faktisch nicht in Anspruch nehmen. Dabei handelt es sich um keine kleine Gruppe.

Es geht hierbei um das Problem der „verdeckten Armut“. Die Verteilungsforscherin Irene Becker hat dazu 2012 einen Beitrag publiziert, in dem sie die Ergebnisse einer Untersuchung vorgestellt hat, die der Frage nachgegangen ist, wie sich die verdeckte Armut unter Älteren seit der 2003 erfolgten Einführung der „Grundsicherung im Alter“ entwickelt hat (vgl. Irene Becker: Finanzielle Mindestsicherung und Bedürftigkeit im Alter. In: Zeitschrift für Sozialreform, Heft 2, 2012, S. 123-148). Man muss hier erinnern: Das „Grundsicherungsgesetz“ (für Ältere wie auch für dauerhaft Erwerbsgeminderte, 2005 dann in das SGB XII übernommen) muss als ein Antwortversuch verstanden werden auf den lange vorher beklagten Tatbestand der erheblichen „verdeckten Armut“ unter den älteren Menschen. Bereits in den 1990er-Jahren war nach den damals vorliegenden empirischen Studien deutlich geworden:

»Auf jeden Sozialhilfeempfänger könnte ein Sozialhilfeberechtigter kommen, der seine Ansprüche nicht einlöst. Und unter Älteren war die verdeckte Armut besonders verbreitet. Deshalb wurde 2003 die „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ eingeführt. Sozialhilfeempfänger im Rentenalter brauchen nun in der Regel nicht mehr zu fürchten, dass das Amt sich das Geld bei ihren Kindern zurückholen könnte. Und die Rentenversicherung wurde verpflichtet, Kleinrentner auf ihren potenziellen Grundsicherungsanspruch aufmerksam zu machen«, so die Erläuterungen in einem Artikel über die Ergebnisse der Untersuchung von Irene Becker.

Ihre damaligen Berechnungen beruhen auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für das Jahr 2007. Aus den Zahlen der repräsentativen Befragung ergibt sich: Von gut einer Million Menschen ab 65 Jahren, denen damals Grundsicherung zustand, bezogen nur 340.000 tatsächlich Leistungen. Die „Quote der Nichtinanspruchnahme“, so der technische Begriff für die Dunkelziffer der Armut, betrug 68 Prozent (vgl. auch die Abbildung „Verdeckte Armut oft bei Älteren“).

Nun haben sich die Verhältnisse – möglicherweise – seit damals geändert. Wir wissen darüber aber nichts genaues und es ist durchaus plausibel, immer noch von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer auszugehen, gerade bei den älteren Menschen, bei denen beispielsweise Scham-Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Auf alle Fälle sollte nicht vergessen werden, dass die – auch jetzt wieder – in der öffentlichen Wahrnehmung stehende Zahl an Grundsicherungsempfängern bei den Älteren nur als eine Untergrenze anzusehen ist.

Zurück zu den aktuellen Daten. Die Berichterstattung greift die Zahlen auf und ordnet sie ein in das Thema wachsende Altersarmut: Die Alten werden immer ärmer, so Thomas Öchsner in der Süddeutschen Zeitung oder Altersarmut nimmt in Deutschland zu. Öchsner schreibt zu den (möglichen) Gründen: »Für die wachsende Menge der hilfebedürftigen alten Menschen gibt es mehrere Gründe: Einerseits nimmt die Zahl der Alten schlicht zu – und damit auch die Gruppe derjenigen, deren Einkünfte nicht zur Deckung des Existenzminimums reichen. Zudem haben Frauen in Westdeutschland häufig nur Anspruch auf eine Mini-Rente, weil sie zu wenig gearbeitet und verdient haben. Auch reichen bei vielen der sogenannten etwa 1,6 Millionen Erwerbsminderungsrentner, die wegen einer Krankheit vorzeitig mit dem Arbeiten aufhören mussten, die eingezahlten Beiträge für eine auskömmliche Rente nicht aus.«

Der entscheidende Punkt aber ist: Wenn wir die Systeme so weiterlaufen lassen, wie sie mittlerweile aufgestellt sind, dann wird es in den vor uns liegenden Jahren nicht nur einen weiteren Anstieg der Altersarmut aus den bereits ins Feld geführten Gründen geben, sondern auch Menschen, die unter alten Bedingungen eine Rente bekommen hätten, die oberhalb des Grundsicherungssystems liegt, werden unter diese Schwelle rutschen. Das ist nun von vielen und an vielen Stellen und schon seit längerem nachgewiesen worden (vgl. dazu nur beispielhaft für das vergangene Jahr den Blog-Beitrag Altersarmut?! Von einer „Tabelle der Schande“ über halbe Wahrheiten bis hin zu einer Sau, die durch das Rentendorf getrieben wird vom 11.06.2013 oder auch Altersarmut von unten und von denen, die früher mal oben gewesen wäre vom 08.07.2013). Zur Debatte über die vor uns liegende Entwicklung vgl. auch die Übersichtsarbeit Zukünftige Altersarmut vom DIW.

Weil der Riester-Mensch durchschnittlich hundert Jahre alt wird und weil er die FAZ liest, kann er sicher glauben, dass sie sicher ist, die (Riester)-Rente

Ein erster und flüchtiger Blick auf die Statistik über die private Altersvorsorge, die man beim Bundesarbeitsministerium abrufen kann, scheint eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte zu erzählen. Mit Stichtag 30. Juni 2014 wurden fast genau 16 Mio. Riester-Verträge gezählt. Die Versicherer liegen mit knapp 10,9 Mio. Policen unangefochten auf dem ersten Platz. Gefolgt von den Fondsgesellschaften mit gut 3 Mio. Verträgen. Nahezu 1,3 Mio. Menschen  wohnriestern und gut 800.000 Riester-Verträge konnten Banken und Sparkassen an die Vorsorgeenthusiasten bringen. Wie immer im Leben ist es lohnend, einen genaueren Blick auf das Zahlenwerk zu werfen, denn dann entdeckt man, dass das scheinbare Erfolgsmodell liebevoll formuliert schwächelt, man kann auch sagen, dass es an die Wand gefahren ist, denn seit dem Jahr 2011 ist klar erkennbar, dass die Zahl der neuen Verträge stagniert und die Wachstumsgeschichte vorbei ist: Im Jahr 2007 wurden mit fast 2,1 Mio. Policen die meisten Riester-Verträge neu abgeschlossen. Im Jahr 2013 hingegen haben sich nur noch 453.000 Menschen neu für das „Riestern“ entschieden und unter Berücksichtigung der Vertragsabgänge kann man erkennen, dass sich bei der Zahl der Verträge seit 2011 nichts mehr bewegt. Das ist natürlich schlecht für die vielen finanzindustriellen Intermediäre, die an dieser umfangreichen staatlichen Subventionierung (mit)verdienen und dann ist es auch mal wieder Zeit, die schwächelnden Produkte aus der Riester-Welt publizistisch zu stärken.

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Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen und Bundesfreiwillige als Budgetbremse für die Rentner? Ein Exkurs über die faktische Kraft der Statistik in der realen Sozialpolitik

Preisfrage: Kann jemand erklären, wie es diejenigen, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderung arbeiten oder die als Bundesfreiwillige gute Dinge zu tun versuchen, schaffen, den 20 Millionen Rentenbeziehern in Deutschland ihre Vorfreude auf den Sommer 2015, in dem die nächste Rentenerhöhung ansteht, zu verderben?

Geht nicht, weil das nichts miteinander zu tun hat?

Dann kennt man nicht wirklich die Tiefen, besser Untiefen der letztendlich nur historisch zu verstehenden Sozialpolitik. Wir haben es zugleich mit einem Lehrbuchbeispiel zu tun, an dem man studieren kann, wie die Dinge alle miteinander verklebt sind. Oder vielleicht hat man schlichtweg auch keine Zeit, sich über solche Zusammenhänge Gedanken machen zu können, denn man geht einem Zweitjob neben seinem eigentlichen Normaljob nach, sicher, weil man so gerne arbeitet – oder? Schauen wir einmal genauer hin, auf beide Sachverhalte.

Die 20 Millionen Rentner in Deutschland müssen sich 2015 mit einer deutlich niedrigeren Rentenerhöhung begnügen als zunächst erwartet. Dies ist auf eine Korrektur der Beschäftigtenstatistik zurückzuführen, die wiederum die Höhe der Rentenanpassung beeinflusst, berichtet Thomas Öchsner in seinem Artikel Rentenerhöhung fällt niedriger aus als erwartet. Nach Angaben von Rentenexperten müsse man davon ausgehen, dass durch diesen statistischen Einmaleffekt der Aufschlag bei den Renten im nächsten Jahr um etwa einen Prozentpunkt niedriger ausfallen wird. Wobei man die an sich erst einmal eher verharmlosend daherkommende Nachricht von einem Prozentpunkt auch so gelesen werden kann bzw. muss:

»Angenommen die Rentenerhöhung würde im Westen und Osten zwei Prozent betragen, käme nur ein Aufschlag von einem Prozent heraus. Bei einer Rente von 1000 Euro würde das Plus also statt 20 Euro nur zehn Euro betragen.«

Wie nun kann es zu einer Halbierung der eigentlich anstehenden Rentenerhöhung – die bescheiden genug ausfällt – kommen? Öchsner führt dazu aus:

»Die Bundesagentur für Arbeit hatte weitgehend unbemerkt zum 30. Juni 2013 drei große Gruppen in die Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten neu aufgenommen. Dazu zählen knapp 300.000 Menschen mit einer Behinderung, die zum Beispiel in Werkstätten arbeiten. Hinzu kommen mehr als 30.000 Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder etwa Berufsbildungswerken beschäftigt sind, sowie knapp 80.000 meist junge Leute, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst leisten. Dabei handelt es sich überwiegend um Beschäftigte aus dem Niedriglohnbereich – und das schlägt sich in der nächsten und übernächsten Rentenanpassung nieder.« (Nur eine korrigierende Anmerkung: Die Änderung hat nicht im vergangenen Jahr stattgefunden, sondern erst in diesem, also 2014).

Darüber wurde auf der Facebook-Seite von „Aktuelle Sozialpolitik“ Anfang September kritisch berichtet: »Man muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese zusätzlich rund 400.000 Personen als sozialversicherungspflichtig beschäftigt gelten, nicht nur irgendwie als erwerbstätig, was ja auch Selbständige, geringfügig Beschäftigte oder Beamte sind. Also irgendwie „richtige“ Arbeitnehmer. Nun wird der eine oder die andere fragen, huch, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten oder Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst – sind die wirklich „normal“ beschäftigt?« Eine gute und überaus berechtigte Frage. Denn Beschäftigte in den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) bekommen bekanntlich gar kein „normales“ Entgelt, sondern eine Art Taschengeld und es darf an dieser Stelle nur darauf verwiesen werden, dass es derzeit eine Debatte über die Frage gibt, ob nicht auch diese Beschäftigten Anspruch haben auf den gesetzlichen Mindestlohn (vgl. weiterführend die aktuelle Publikation von Caroline Richter und Alexander Bendel: Zwischen Entgelt und Geltung: Zur Problematik von Lohnsystemen in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, August 2014). Und auch die „Buftdis“, also die im Bundesfreiwilligendienst Tätigen bekommen ja nur ein Handgeld für das, was sie da machen.

Auch der DGB hatte sich Anfang September kritisch zu Wort gemeldet mit einer Pressemitteilung unter der Überschrift Geänderte BA-Statistik: Plötzlich 414.000 Beschäftigte mehr: »Ohne die zusätzlichen Personengruppen wäre nach dem neuen Konzept die sozialversicherte Beschäftigung absolut sogar um 67.000 Personen gesunken. Nun aber wird das Beschäftigungsniveau rein rechnerisch um 347.000 Personen höher ausfallen.« Wie praktisch. Wichtig ist der methodische Einwand des DGB gegen diese statistische „Korrektur“ der Beschäftigtenzahlen:

»Umgangssprachlich wird der Begriff der sozialversichert Beschäftigten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verwendet, die gegen Lohn oder Gehalt am regulären Arbeitsmarkt tätig sind. Das trifft auf viele Menschen in den neu erfassten Personengruppen aber nicht zu. Teilweise werden künftig auch nicht erwerbsfähige Personen mitgerechnet.

So wie bei den jetzt erstmals einbezogenen Menschen mit Behinderung in Behinderten-Werkstätten. Sie können in der Regel (noch) nicht auf dem regulären Arbeitsmarkt tätig sein und erhalten neben einem sehr geringen Einkommen meist Sozialhilfe. Die hier tätigen Menschen mit Behinderung stehen in der Regel in keinem Arbeitsverhältnis. Der Verdienst in den Werkstätten ist gering und liegt im Schnitt unter 200 Euro pro Monat.

Auch bei den Freiwilligendiensten FSJ, FÖJ und BFD handelt es sich um keine klassische Beschäftigung für Lohn und Gehalt. Beim Bundesfreiwilligendienst wird beispielsweise nur eine Art „Taschengeld“ gezahlt – und zwar maximal sechs Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung. Das sind aktuell 357 Euro im Westen und 300 Euro im Osten.«

Die damalige Kritik auch in meinem Blog-Beitrag auf der Facebook-Seite von „Aktuelle Sozialpolitik“ bezog sich vor allem auf die methodische Begründung für die Korrektur seitens der BA (vgl. hierzu die Erläuterungen im Monatsbericht der BA auf der Seite 10) und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Arbeitsmarktstatistik im engeren Sinne – die nun thematisierten Folgen für die Rentenpolitik hatte ich noch gar nicht auf dem Schirm. In den zutreffenden Worten des DGB:

»Die Bundesagentur für Arbeit begründet die Änderungen unter anderem mit einer Annäherung an die statistischen Erhebungen der Internatioanlen Arbeitsorgansiation ILO und deren „Erwerbstätigenkonzept“. Mit diesem statistischen Modell werden aber alle Erwerbstätigen erfasst, ganz gleich in welchem Umfang sie arbeiten. Auch Menschen, die nur eine Stunde pro Woche arbeiten oder für ihre Tätigkeit nur Sachleistungen erhalten, fallen unter die ILO-Definition.«

Ein „wunderbarer“ Ansatz, um am Ende das Problem der Arbeitslosigkeit nicht nur zu halbieren, wie es ein Peter Hartz mal in Aussicht gestellt hat, sondern sukzessive ganz zu beseitigen. Also statistisch gesehen, so meine damalige Kommentierung.

Nun aber zurück zum deutschen Rentner und seiner Vorfreude auf die nächste Rentenerhöhung, die durch diese statistische Rumfummelei arg strapaziert wird. Wie läuft hier der Übertragungsmechanismus? Dazu schreibt Öchsner in seinem Artikel:

»Wie kräftig eine Rentenerhöhung ausfällt, hängt maßgeblich davon ab, wie sich die Löhne und Gehälter pro Arbeitnehmer nach den sogenannten Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR-Löhne) im Vergleich zum Vorjahr verändert haben. Den Ausschlag für 2015 gibt dabei der Vergleich der Einkommen von 2014 zu 2013. Da 2014 diese Geringverdiener neu in der Statistik hinzukommen, verringert dies den Lohnfaktor in der Rentenformel, was sich im Geldbeutel der 20 Millionen Ruheständler zunächst negativ bemerkbar macht.«

Bevor jetzt aber die Wutwelle zu pulsieren beginnt, muss man auch den folgenden Absatz zur Kenntnis nehmen: »2016 kehrt sich dies jedoch um. Die Rentenerhöhung wird dann entsprechend höher ausfallen, so dass unterm Strich die Rentner durch die statistischen Einmaleffekte nach den zwei Jahren weder besser noch schlechter gestellt sind.« Es sei denn, dass die Zahl der Niedriglöhner weiter ansteigt, in anderen Gruppen, wofür es in der Vergangenheit ja durchaus Beispiele gegeben hat. Wer sich wirklich für das Minenfeld der Berechnung der jährlichen Rentenanpassung interessiert, dem sei hier mein Blog-Beitrag Ein bescheiden gemachter Schluck aus der Pulle – wie die Rentenerhöhung 2014 berechnet wird. Zugleich ein Lehrstück für moderne „Formel-Sozialpolitik“ aus dem Juli 2014 empfohlen.

Fazit: Der Ärger für die Rentner ist berechtigt, aber auf ein „verlorenes Jahr“ begrenzt, wenn denn die optimistische Variante der nachträgliche Korrektur 2016 auch eintritt. Der eigentliche und weiterhin zu kritisierende Effekt der Korrektur der Beschäftigtenstatistik liegt darin, dass die Zahl der „normalen“, sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, was ja auch immer ein Qualitätsmerkmal darstellt, verwässert wird.

Aber bleiben wir beim Thema Arbeitsmarkt. Und werfen wir noch einen Blick auf eine ganz besondere Gruppe von Jobs. Den Zweitjobs.

»Nach aktuellen Zahlen der Bundesregierung ergänzten im vergangenen Jahr rund 2,35 Millionen Menschen ihren sozialversicherungspflichtigen Hauptberuf durch einen abgabenfreien Minijob. Das sind fast doppelt so viele wie vor zehn Jahren«, berichtet Rainer Woratschka in seinem Artikel Zahl der Minijobber hat sich verdoppelt, wobei er – ganz korrekt formuliert – nicht alle Minijobber meint bzw. meinen kann, sondern diejenigen, die das neben einem anderen Job ausüben, also nicht die Gruppe der ausschließlich geringfügig Beschäftigten.

Doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren – darunter mag es Menschen geben, die gerne arbeiten, die vielleicht – aus welchen Gründen – möglichst spät nach Hause kommen wollen. Aber das wird eine überschaubare Gruppe sein. Daneben wird es eine Menge Menschen geben, die auf einen Zuverdienst angewiesen sind, weil sie in ihrem Hauptjob zu wenig Geld verdienen. Wobei das eben nicht nur ganz arme „working poor“ sein müssen, sondern auch viele heutige „Normalverdiener“ brauchen einen Zweitjob, um sich beispielsweise einmal im Jahr einen halbwegs ordentlichen Urlaub leisten zu können. Darüber wissen wir empirisch noch zu wenig bis gar nichts. Aber dass die Verdoppelung der Zweitjobs überwiegend auf arbeitssüchtige Menschen zurückzuführen ist, das glaubt doch wirklich keiner ernsthaft, außer, er oder sie muss es aus beruflichen Gründen so verkaufen.