Zu den rentenpolitischen Akten gelegt. Vom Pech (der Frauen), rententechnisch zur falschen Zeit am falschen Ort gelebt zu haben

Am 8. März eines jeden Jahres wird der Internationale Frauentag begangen. Es sollen an dieser Stelle gar nicht die überaus interessanten geschichtlichen Hintergründe, wie es zu diesem Weltfrauentag, Frauenkampftag, Internationaler Frauenkampftag oder Frauentag (so einige der Bezeichnungen für den heutigen Tag) gekommen ist, beleuchtet werden. Obgleich das für sich genommen höchst aufschlussreich sein kann. Mit dem für viele Menschen ganz anders gelagerten „Muttertag“ wurde das in Verbindung mit sozialpolitisch relevanten Themen in diesem Blog schon in zwei Beiträgen gemacht (vgl. dazu Vom (eigentlich frauenbewegten) „Muttertag“ diesseits und jenseits des Blumenhandels bis hin zu einem (vergifteten) Lobgesang auf die unbezahlte Hausarbeit vom 11. Mai 2014 sowie Diesseits und jenseits des „Muttertages“. Von glücklichen Müttern und armen Kindern vom 10. Mai 2015).

Wir werden auch heute an vielen Stellen berechtigte Hinweise bekommen zur problematischen Lage vieler Frauen, die ihre Ursachen in den vielgestaltigen Formen der Diskriminierung haben, mit denen man im gesellschaftlichen Leben konfrontiert wird. Aus sozialpolitischer Sicht besonders relevant ist die immer wieder vorgetragene Klage über eine erhebliche Schlechterstellung von Frauen in unserem Alterssicherungssystem und zu Recht wird auch heute der Hinweis gegeben werden müssen, dass Frauen von der leider zunehmenden Altersarmut in besonderem Maße betroffen sind und sein werden. Das hat wie immer mehrere Ursachen, die man als systembedingt bezeichnen muss, auch wenn sie als individuelle Probleme der Betroffenen daherkommen.

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Wie 40.000 Anwälte vom Gesetzgeber vor dem drohenden Abstieg in die Unterwelt der gewöhnlichen Rentenversicherungspflicht bewahrt wurden und sich ganz legal der Solidargemeinschaft entziehen dürfen

In der Sozialpolitik ist es häufig so, dass etwas begonnen, aber nicht zu Ende geführt wird. Oder das man etwas auf die lange Bank schiebt, obgleich man etwas tun müsste und es, wenn man denn wollte, auch tun könnte. Und nicht wirklich überraschend trifft das häufig die Menschen, für die der soziale Schutz eigentlich am dringlichsten ist. Ein aktuelles Beispiel dafür wäre die eigentlich notwendige Anhebung der Regelleistungen im Hartz IV-System aufgrund der Tatsache, dass neue Daten vorliegen und die Reaktion der Politik, erst einmal in Ruhe rechnen zu wollen und die Entscheidung auf das kommende Jahr zu vertagen (siehe hierzu den Beitrag Zahlen können geduldig sein. Hartz IV ist nach den vorliegenden Daten zu niedrig, doch bei den eigentlich notwendigen Konsequenzen sollen sich die Betroffenen – gedulden vom 30. November 2015).

In anderen Bereichen hingegen kann man ganz schnelles Handeln beobachten – vor allem dann, wenn man Faktoren wie Macht und Einfluss und Artikulationsfähigkeit berücksichtigt, also Eigenschaften, die der großen Gruppe der Hartz IV-Empfänger in der politischen Arena fehlen, nicht hingegen anderen Gruppen. Beispielsweise Juristen, in diesem Fall eine ganz spezielle Gruppe, deren nunmehr auch amtlich besiegelter Name man sich merken muss: Syndikusanwälte. Also Anwälte, die nicht so arbeiten, wie man das normalerweise von Rechtsanwälten gewohnt ist, als Freiberufler oder als Angestellte in großen selbständigen Kanzleien. Sondern die angestellt sind in „normalen“ Unternehmen und Verbänden. Und nach der eigentlich herrschenden Logik in unserem sozialen Sicherungssystem sind angestellte Arbeitnehmer rentenversicherungspflichtig und per Gesetz Mitglied in der umlagefinanzierten Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Eigentlich wäre das so.

Das hat auch das Bundessozialgericht (BSG) so gesehen und in einem Urteil dahingehend entschieden. Am 3. April des Jahres 2014 kam diese Botschaft aus Kassel: Kein Befreiungsanspruch abhängig beschäftigter „Syndikusanwälte“ von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Deutsche Rentenversicherung hatte argumentiert, dass die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis mit einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber generell keine befreiungsfähige Rechtsanwaltstätigkeit sei. Dem hatte sich das BSG angeschlossen. Vgl. dazu den Beitrag Wie „gewöhnliche“ Arbeitnehmer in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen? Von der Sonnenseite berufsständischer Versorgungswerke in das Schattenreich der „Staatsrente“? Aufruhr (nicht nur) bei den Anwälten vom 15. April 2014. Das hat eine Menge Aufruhr in den betroffenen Kreisen produziert. Und wir sprechen hier nicht von einigen wenigen Personen: Der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) geht von rund 40.000 Syndikus-Anwälten in Deutschland aus. Die sowie deren Arbeitgeber liefen – erfolgreich – Sturm gegen die Entscheidung des BSG und die sich konsequenterweise am Horizont abzeichnende Rentenversicherungspflicht in der GRV.

Nun muss man wissen, dass es den Betroffenen nicht darum ging, als freischwebende Künstler ohne Absicherung dazustehen, sondern sie wollten schlichtweg nicht in der „Holzklasse“ des Alterssicherungssystems, also die GRV, zwangsversichert werden, sondern sich in das berufsständische Versorgungswerk der Anwälte begeben dürfen, wo (bislang) aufgrund der von der normalen Umlagefinanzierung abweichenden Funktionslogik deutlich höhere Renten gezahlt werden. Allerdings auf Kosten der Solidargemeinschaft der „normalen“ Rentenversicherten, denn diese (potenziellen) Beitragszahler mit in der Regel guten bis sehr guten Einkommen separieren sich ja auf Dauer in einem kleinen, aber feinen eigenen Alterssicherungssystem – wie wir das auch von anderen Freiberuflern kennen, beispielsweise Ärzte oder Architekten. Immerhin gibt es in Deutschland 89 berufsständische Versorgungswerke mit 900.000 Mitgliedern, die als von der normalen GRV befreit sind.

Und man muss in Erinnerung rufen, dass eine Umsetzung der damaligen Entscheidung des BSG möglicherweise enorme Auswirkungen gehabt hätte auf andere Berufsgruppen, die sich auch bislang der GRV entziehen können: Auch Steuerberater einer Bank oder Apotheker oder Ärzte im Pharmaunternehmen hätten von der Entscheidung betroffen sein können – und darin liegt eine grundsätzliche Brisanz des Urteils. Möglicherweise hätte das Urteil auch auf angestellte Anwälte in Anwaltskanzleien oder Ärzte im Krankenhaus ausgestrahlt. Gefahr im Verzug also.

Flugs wurde der parlamentarische Raum aktiviert, die möglichen Folgen des Urteils zu verhindern. Und bereits im Sommer des vergangenen Jahres konnte „Erfolg“ vermeldet werden, siehe hierzu den Beitrag Syndikusanwälte: Flucht auf die doppelte Sonnenseite. Raus aus der Rentenversicherung für das niedere Volk, aber auch aus der Haftung der richtigen Freiberufler vom 11. Juli 2015.

»Und die Parlamentarier ließen sich nicht lange bitten, wer will es sich schon mit zehntausenden Juristen verscherzen, die zudem noch für viele Unternehmen arbeiten. Und so kann berichtet werden, dass sich der Bundestag in erster Lesung zu einem Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bekannt hat, nach dem sich diese Juristen künftig wieder von der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenkasse befreien lassen können.«

Wie so oft bei solchen nur scheinbar einfachen Dingen – man will hinsichtlich der Rentenversicherungspflicht nicht als „normaler“ Arbeitnehmer, sondern als Freiberufler behandelt werden, um die damit verbundenen Vorteile genießen zu können – bringt eine Lösung ein neues Problem hervor. Es wäre ja nun wirklich nur logisch, wenn man annimmt, dass die Einstufung als Freiberufler, um an die Vorteilströge zu kommen, die damit verbunden sind, in der Folge auch dazu führt, dass man dann in anderen Bereichen wie ein Freiberufler behandelt wird, also beispielsweise bei den Haftungsregeln. Die sind aber wesentlich strenger bei den Freiberuflern als bei Angestellten eines Unternehmens und so bekamen die, die gerade erfolgreich die Gleichstellung mit den Freiberuflern auf die gesetzgeberische Schiene gesetzt haben, eine Schnappatmung angesichts der damit verbundenen Folgen vor allem für die Arbeitgeber. Und wir wurden Zeuge einer beeindruckenden Pirouette, von der Joachim Jahn in seinem Artikel Syndikusanwälte fürchten strenge Haftung berichtet: »Bislang haben Syndikusanwälte für eine möglichst weitgehende Gleichstellung mit niedergelassen Rechtsberatern gekämpft. Nun wollen sie plötzlich doch keine „richtigen“ Anwälte sein.«

Hinsichtlich der Befreiung von der Pflicht zur Teilnahme an der plebejischen Rentenversicherung der normalen Arbeitnehmer möchte man mit den niedergelassenen Rechtsanwälten gleichgestellt werden, aber bei den aus diesem Status abgeleiteten Haftungsverpflichtungen möchte man das genaue Gegenteil, dass man also wieder als stinknormaler Arbeitnehmer behandelt wird. Alles klar? So etwas erfasst der Volksmund mit der Formulierung: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
Selbst Jahn schreibt bewundernd-distanziert von der Chuzpe nach dem Motto: Frechheit siegt:

»Eine bemerkenswerte Argumentation, weil die Syndizi sonst gerade mit der „Einheit der Anwaltschaft“ argumentieren, wenn sie die Befreiung von der Rentenpflicht fordern. Zumal sie am liebsten auch noch die Erlaubnis bekämen, für ihren eigenen Arbeitgeber vor Gericht aufzutreten, und vor einer Beschlagnahme ihrer Akten geschützt wären. Beide Rechte stehen nur externen Kanzleien zu, weil die Politik bloß diese für unabhängig genug hält.«

Dass die einschlägigen Verbände und Unternehmen in diese Richtung getrommelt haben, verwundert nicht, denn würden die Haftungsregeln der Freiberufler auf die Syndikusanwälte übertragen werden, dann kämen auf die Arbeitgeber deutlich höhere Kosten für die notwendige Versicherung ihrer Beschäftigten zu und möglicherweise auch Personalrekrutierungsprobleme, denn angesichts der rechtlichen Risiken könnte der eine oder andere Jurist vor einer solchen Tätigkeit zurückschrecken.

Wie sieht es denn nun aus – hinsichtlich der aus sozialpolitischer Sicht hier besonderes interessierenden Ausnahmeregelung von der Rentenversicherungspflicht und damit der Beteiligung an der großen Solidargemeinschaft der GRV?

Bereits zum 1. Januar 2016 ist das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte in Kraft getreten. Wichtigster Punkt: Unternehmens- und Verbandsjuristen, die bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber tätig sind (so genannte Syndizi), sollen sich auf Dauer von der Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) zugunsten einer Mitgliedschaft in einem Anwaltsversorgungswerk befreien lassen können. Geschafft.

Der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) hat auf seiner Seite dazu auf diesen Beitrag verlinkt, dessen Überschrift Bände spricht: Syndizi, vom ungeliebten Kind zum anerkannten Familienmitglied.

In der Fachzeitschrift Soziale Sicherheit, Heft 1/2016, S. 4, hat Oliver Kahlert, Richter am Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, diesen Beitrag veröffentlicht: „Unsolidarische Sonderregelung für Syndikusanwälte: Befreiung von der Rentenversicherungspflicht“. Darin führt er mit Blick auf die neue gesetzliche Regelungen aus:

»Auf gebündelten Druck … hat der Gesetzgeber nun einen neuen Typus »Anwalt« geschaffen: den »Syndikusanwalt«. Dieser soll – zu Lasten der GRV – Pflichtmitglied der Anwaltsversorgungswerke werden. Eine Begründung dafür, warum sich rund 40.000 meist gut verdienende, abhängig beschäftigte Syndizi nicht mehr in der GRV versichern sollen, liefert der Gesetzgeber nicht. Dies fiele auch schwer, zumal in der Mehrzahl der Fälle die betroffenen Tätigkeiten ebenso gut von nicht befreiungsberechtigten Nicht(voll)juristen ausgeübt werden (können). Dass mit der Neuregelung eine Mitte der 1990er Jahre mühsam errichtete »Friedensgrenze« zwischen den Versorgungswerken aller freien Berufe und der GRV überschritten wurde, wird ebenfalls verschwiegen. Schon mehren sich die Rufe, dass auch Ärzte, Pharmazeuten oder Architekten von der Versicherungspflicht in der GRV befreit werden müssten, wenn sie zwar nicht als solche tätig sind, aber etwa als angestellte Medizinjournalisten, Pharmareferenten oder Gebäudemanager arbeiten. Das wäre ein weiterer Dammbruch zum finanziellen Ausbluten der GRV.«

Sozialpolitisch ist das höchst unsystematisch, problematisch und schlichtweg ungerecht. Hier wurde was gezimmert zugunsten einer einflussreichen Gruppe, was sich auch daran zeigt, dass das neue „Berufsbild“ völlig unsystematisch daherkommt. Dazu Kahlert:

»Offensichtich sieht der Gesetzgeber aber in den Syndizi gar keine »richtigen« Anwälte. Das wird am Ausschluss fast aller Anwaltsrechte deutlich. So dürfen Syndizi nicht alle Rechtsuchenden vertreten, sondern nur ihren Arbeitgeber, und selbst dies in den meisten Gerichtsverfahren mit Anwaltszwang nicht. Dabei gehört dies zum ureigensten Anwaltsrecht.«

Ach ja – es wird den Leser, der bis jetzt durchgehalten hat, nicht überraschen, dass auch die Haftungsfrage gelöst wurde. „Natürlich“ im Sinne der Betroffenen. Auch das bringt Kahlert in seinem Beitrag auf den schmerzhaften Punkt:

»Im Gegenzug treffen die Syndizi allerdings praktisch auch keine Anwaltspflichten, nicht einmal die Pflicht zum Abschluss der obligatorischen Berufshaftpflichtversicherung. Diese Verpflichtung war im ursprünglichen Gesetzentwurf noch vorgesehen, wurde dann aber wieder gestrichen. Die Begründung: Syndizi seien bei der Haftung nicht anders zu behandeln als alle anderen Arbeitnehmer auch. Und warum gilt dieses Gleichbehandlungsgebot mit allen Arbeitnehmern nicht auch für die Versicherungspflicht in der GRV?«

Ach, man würde sich wünschen, dass andere Gruppen in unserer Gesellschaft eine solche Schlagkraft hätten, die Regelwerke zu ihren Gunsten zu ändern.

Riester in Rente und endlich eine „faire private Altersvorsorge“? Die „Deutschland-Rente“ schafft es immerhin schon in den Bundestag

Es ist sicherlich keine Übertreibung, wenn man feststellt: Die Visionen und Versprechungen, die Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre mit der staatlich geförderten kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge den Menschen in Aussicht gestellt wurden, haben sich für die meisten in Luft aufgelöst. Und zahlreiche Bürger haben schmerzhafte Erfahrungen machen müssen mit ihrem Vertrauensvorschuss, den sie der Riester-Rente gegeben haben, ausgehend von der Annahme, dass das doch eine seriöse Sache sein muss, denn der Staat unterstützt das und pampert einen sogar mit Zuschüssen aus Steuermitteln. Das würde er doch nicht machen, wenn das nicht in Ordnung ist. Weit gefehlt. Maschmeyer & Co. waren (und sind) die Gewinner des Paradigmenwechsels, den man auch so beschreiben kann: »Zu Beginn des Jahrhunderts beschloss die rot-grüne Bundesregierung eine drastische Absenkung des Rentenniveaus. Bis Anfang der 2030er Jahre wird der allgemeine Leistungsstandard der gesetzlichen Rente demnach um rund 20 Prozent sinken. Staatlich geförderte betriebliche Altersversorgung sowie private Altersvorsorge sollen die im Solidarsystem politisch aufgerissene Sicherungslücke schließen.« (Johannes Steffen, Für eine Rente mit Niveau. Zum Diskurs um das Niveau der Renten und das Rentenniveau, Berlin, August 2015).

Mittlerweile sind wir schlauer, dass das bei vielen Betroffenen nicht der Fall sein wird. Nun könnte man auf den durchaus naheliegenden Gedanken kommen, den ganzen Prozess wieder in eine andere (richtige) Richtung zu drehen und die umlagefinanzierte Alterssicherung wieder auszubauen. Gewerkschaften wie die IG Metall oder ver.di planen für dieses Jahr entsprechende Rentenkampagnen, was aber ein eigenes Thema wäre. Oder aber man versucht, auf der Grundlage der mittlerweile vorliegenden zahlreichen Kritikpunkte einen neuen Vorstoß in die Welt der kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge – und genau das versucht man unter dem Begriff „Deutschland-Rente“ zu leisten.

Was soll diese „Deutschland-Rente“ sein? Man kann es technisch zu beschreiben versuchen (was gleich geleistet wird), man kann aber auch darauf hinweisen, dass es sich (auch) um ein (potenzielles) politisches Gemeinschaftsprojekt einer bislang erst rudimentär etablierten politischen Konstellation – nämlich schwarz-grün – handelt, denn der Vorschlag kommt aus Hessen, von den hessischen Landesministern Tarek Al-Wazir (Grüne), Stefan Grüttner und Thomas Schäfer (beide CDU).

Am Tag vor dem Heiligen Abend wurde die Idee unter die Weihnachtsbäume der Bundesbürger gelegt – mittels eines Gastbeitrags der Minister in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die FAZ berichtete darüber unter der Überschrift CDU und Grüne schlagen „Deutschland-Rente“ vor.
„Wir schlagen eine einfache, sichere und günstige zusätzliche Altersvorsorge vor: die Deutschland-Rente, ein Standardprodukt für jedermann. Sie wird zum Selbstkostenpreis von einem zentralen Rentenfonds verwaltet, damit das Geld, das Bürger für ihre zusätzliche Altersvorsorge beiseite legen, sicher vor überteuerten Angeboten ist. Sie sorgt für Orientierung in einem unübersichtlichen Markt, schafft Vertrauen und hilft vor allem, der Altersarmut vorzubeugen. Der Staat organisiert sie und steht dafür mit seinem guten Namen: Daher nennen wir sie die Deutschland-Rente“, so werden die drei von der FAZ zitiert. Und ganz offensichtlich greifen sie eine mittlerweile weit verbreitete Kritik und Ablehnung der Riester-Rentenprodukte der staatlich subventionierten Versicherungswirtschaft auf: Die „zum Teil völlig überteuerten Riester-Produkte“ verunsicherten viele Bürger, kritisieren die Minister. „Wir brauchen für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nicht selbst aktiv werden wollen, ein einfaches, kostengünstiges und transparentes Standardprodukt, das der Staat organisiert.“ Da werden viele erst einmal zustimmend nicken.

Natürlich kann man sich die Vorschläge der drei Minister auch im Original anschauen, sie haben ein Positionspapier dazu ins Netz gestellt: Die Deutschland-Rente – Staat soll zentralen Rentenfonds organisieren. Vorschlag für einfache und sichere zusätzliche Altersvorsorge

In diesem Papier wird der Grundgedanke des neuen Instruments so beschrieben:

»Arbeitgeber führen die Beiträge für das Standardprodukt an die Deutsche Rentenversicherung ab, ähnlich wie die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Einzahlung erfolgt daher unbürokratisch auf bereits etabliertem Weg. Die Anlage der eingezahlten Beiträge obliegt dann dem Deutschlandfonds, einem eigenständigen zentralen Rentenfonds, der ohne eigenes Gewinninteresse auf Selbstkostenbasis arbeitet und geschützt vor politischem Zugriff ist. Das kapitalgedeckte Standardprodukt kann im Wege der betrieblichen und privaten Altersvorsorge angespart werden und wäre damit grundsätzlich auch für die Riester-Förderung zulagenfähig. Mit einem solchen Standardprodukt fallen Komplexität und hohe Verwaltungskosten vor allem für kleine Unternehmen weg. Gleichzeitig können Arbeitnehmer bei dem zentralen Rentenfonds darauf vertrauen, dass sie keinen überteuerten Angeboten aufsitzen werden. Natürlich verbleibt den Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die freie Entscheidung, ob sie betriebliche oder private Altersvorsorge über den Deutschlandfonds oder über andere Anbieter durchführen wollen.«

Zugleich will man einen weiteren Paradigmenwechsel en passant miterlerdigen, denn das bisherige „Opt-in“ soll durch ein „Opt-out“ ersetzt werden. Anders gesagt: Arbeitnehmer betreiben betriebliche bzw. private Altersvorsorge, sofern sie gegenüber dem Arbeitgeber nicht aktiv widersprechen. Wollen sie das nicht, müssen sie aktiv werden und sich entsprechend verabschieden, heute haben wir die umgekehrte Situation, dass die Einzelnen selbst tätig werden müssen, um eine entsprechende Vorsorge zu leisten, vor allem bei der privaten Altersvorsorge.

Das ist ja auch einer der vielen gewichtigen Kritikpunkte, dass die Rentenkürzungen im wichtigsten System der Alterssicherung, also der Gesetzlichen Rentenversicherung, ausnahmslose für alle und ohne Einschränkungen gilt, während die versprochene Kompensation der dadurch aufgerissenen Budgetlöcher im Ruhestand durch eine private Altersvorsorge lediglich freiwillig ausgestaltet worden ist – mit der empirisch beobachtbaren Folge, dass die mittleren und höheren Einkommen (von denen viele auch so gespart hätten, also ohne eine staatliche Subventionierung) die Förderung „mitnehmen“, während gerade die, die eine zusätzliche Alterssicherungsleistung benötigen, weil ihre normale Rente wegen niedriger Einkommen und/oder Arbeitslosigkeitsphasen in der individuellen Erwerbsbiografie sehr gering ausfallen wird, so dass sie auf die Kompensation besonders angewiesen wären, die sie aber nicht bekommen werden, weil sie in einem nur sehr geringem Umfang geriestert haben. Zugleich sind das dann auch noch die Menschen, die unterdurchschnittlich bis gar nicht von betrieblicher Altersvorsorge profitieren können.

Mit dem Wechsel zum „Opt-out“-Modell verbinden die drei Minister eine Menge Hoffnung:

»Andere Länder erreichen mit dem „Opt-out“ einen Verbreitungsgrad von etwa 90 Prozent. Auch in Deutschland können wir auf diesen „sanften“ Zwang nicht verzichten, wenn wir ernsthaft Altersarmut bekämpfen wollen.«

Ganz offensichtlich will man hier – Stichwort „sanfter“ Zwang – auf das durchaus umstrittene verhaltensökonomisch fundierte Instrument des „Nudging“ zurückgreifen (vgl. hierzu beispielsweise Nico Kuhlmann: Der sanfte staatliche Schubs in die „richtige“ Richtung).

»In der Deutschlandrente soll der Arbeitgeber – zusätzlich zum Pflichtbeitrag – einen Teil des Lohnes aller Beschäftigten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Mit den Geldern der Mitarbeiter wird ein Kapitalstock für die Altersvorsorge aufbaut. Man könnte auch von einer „gesetzlichen Betriebsrente“ sprechen«, so die Formulierung von Mirco Wenig in seinem Artikel Deutschlandrente – Auf halber Strecke zwischen Norwegen und Nahles.

Norwegen? Wieso Norwegen? In dem Papier der hessischen Minister bezieht man sich explizit auf dieses Land:

»Der zentrale Rentenfonds setzt auf ein breit gestreutes Anlageportfolio, zum Beispiel mit einem höheren Aktienanteil als viele derzeitige Altersvorsorgeprodukte. Der sehr langfristige Anlagehorizont und die Möglichkeiten einer starken Streuung aufgrund der Größe des Deutschlandfonds verringern die Anlagerisiken erheblich und sorgen gleichzeitig für höhere Renditen. Die Erfahrungen von großen Staatsfonds aus anderen Ländern bestätigen dies. So kommt der norwegische Staatsfonds seit seiner Gründung im Jahr 1997 auf eine durchschnittliche Rendite von über 5 Prozent. Durch einen höheren Aktienanteil könnte gleichzeitig mehr Kapital für den Aktienmarkt und Börsengänge junger Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um Wachstum und Innovationen zu finanzieren.«

Mit Rendite-Angaben ist das ja immer so eine Sache, deshalb muss man da vorsichtig sein. So kommt Mirco Wenig in seinem Artikel zu einer anderen Größenordnung, erläutert zugleich aber auch eine der Besonderheiten: Nach seinen Angaben hat der norwegische »Pensionsfonds Oljefondet, der zwischen 1998 und 2012 eine jährliche Rendite von durchschnittlich 3,14 Prozent (abgeworfen). Es gibt Kapital-Anlagen, mit denen man mehr Rendite erwirtschaften kann, doch der norwegische Fonds hat sich auch hohen sozialen Standards verpflichtet. Das Aufsicht führende Finanzministerium verbietet etwa Investments in Firmen, die Nuklearwaffen, Landminen oder Streubomben produzieren. Unternehmen, die schwere Umweltschäden verursachen oder Menschenrechte verletzen, können nicht auf Geld aus dem Fonds hoffen. Auch mit Lebensmitteln wird nicht spekuliert.«

Der norwegische Staatsfonds ist der größte der Welt und hat ein Volumen von deutlich mehr als 800 Milliarden Dollar, die angelegt werden (müssen). Die Mittel stammen vor allem – das wäre ein wichtiger Unterschied – aus den Öleinnahmen des kleinen Landes ( das – und die Dimensionen mal klar zu machen) mit 5 Millionen Einwohnern weniger Menschen beherbergt als der Großraum Berlin-Brandenburg).

Natürlich ist auch und gerade eine derart gewaltige Kapitalsammel- und -anlagestelle von den Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten, vor allem der seit Jahren anhaltenden Niedrigstzinsphase massiv betroffen. Von daher überrascht es nicht, wenn man nicht nur teilweise erhebliche Wertminderungen verbuchen muss, sondern auch die Klage hört, man finde nicht genug rentierliche Anlagemöglichkeiten.

Ein Teil der Kritiker setzen an dieser Stelle an, beispielsweise Heiner Flassbeck in seinem Blog-Beitrag Riester-Rente gescheitert, nun ein Staatsfonds, aber immer die gleiche Konfusion. So verweist er beispielsweise au die »Frage, in welchen Papieren der Staat das Geld der Bürger anlegen soll. Alle halbwegs sichereren Fonds der Welt investieren zu einem erheblichen Teil in Staatsanleihen. Dann nimmt der deutsche Staat Geld von seinen Bürgern und gibt es an sich selbst zurück. Warum kann der Bürger dann nicht gleich Staatsanleihen kaufen, um vorzusorgen? Soll der Staat vielleicht in Aktien spekulieren? Hat man gehört, dass Beamte des Finanzministeriums besonders gut sind beim Zocken mit hoch riskanten Papieren? Oder soll unser Staat Staatsanleihen anderer Staaten aufkaufen? Das würde darauf hinauslaufen, dass Deutschland andere Staaten direkt finanziert? Das ist bisher selbst dann abgelehnt worden, wenn es um europäische Krisenstaaten ging, an deren Rettung wir selbst großes Interesse haben.« Und er legt einen weiteren grundsätzlich problematischen Aspekt nach, in dem er ausführt, »dass es derzeit auf der ganzen Welt, in Deutschland aber ganz besonders, offensichtlich schon viel zu viel Sparkapital gibt, das Anlage sucht, aber keine Schuldner findet. Was man daran leicht erkennen kann, dass sich die langfristigen Zinsen überall ganz nahe bei Null befinden, was übrigens auch den staatlichen norwegischen Fonds in arge Schwierigkeiten bringt. Deutschland hat ausweislich seiner Leistungsbilanzsalden derzeit einen Sparüberschuss von 250 Milliarden Euro jährlich (unser Leistungsbilanzüberschuss), der nur dadurch existieren kann, dass bisher andere Länder (die Staaten oder die Privaten dort) bereit waren, sich jedes Jahr neu in dieser Größenordnung zu verschulden.« Vgl. zu seiner Argumentation auch das Interview mit ihm „Dann wird der Zins noch nuller als null“.

Aber der Vorschlag der drei Minister zu den Grundlinien einer „Deutschland-Rente“ adressiert weitere, für die rentenpolitische Diskussion wichtige grundsätzliche System-Stellschrauben, an denen gedreht werden soll. So schreiben sie in ihrem Positionspapier:

»Das Standardprodukt könnte als reine Beitragszusage ausgestaltet werden („pay and forget“). Die Arbeitgeber müssten dann nicht mehr nach vielen Jahrzehnten mit Haftungsrisiken rechnen. Daneben ist es auch wichtig darüber nachzudenken, ob man betriebliche und private Altersvorsorge in der Zukunft nicht bzw. nur noch zum Teil auf die Grundsicherung im Alter anrechnet.«

Das nun wieder berührt in erheblichem Maße zwei große Baustellen, die wir in Deutschland mit Blick auf die zweite und dritte Säule haben – also zum einen die geforderte Nicht- bzw. nur Teil-Anrechnung der Einkünfte aus betrieblicher und privater Altersvorsorge im Grundsicherungssystem, denn das ist ein ganz wunder Punkt gerade für die Menschen mit geringen Einkommen, die wissen oder ahnen, dass ihnen diese Einkünfte im Alter nichts nutzen werden, sofern sie aufstockende Grundsicherungsleistungen beziehen müssen, sowie zum anderen die Attraktivitätssteigerung der betrieblichen Altersvorsorge für viele Betriebe durch den vorgeschlagenen Weg („pay and forget“). Zugleich wäre das natürlich ein massiver Wettbewerbsnachteil für die bestehenden Anbieter aus dem finanz-industriellen Komplex und für viele würde sich in diesem Bereich die Existenzfrage stellen (und dieses Geschäftsfeld erledigen). Gert G.Wagner, der Vorsitzende des Sozialbeirats der Bundesregierung, stellt genau auf diesen Punkt ab, wenn er in seiner Kommentierung „Deutschland-Rente“ und Rentenniveau schreibt:

»Pfiffig am Hessen-Vorschlag ist auch, dass er für Arbeitgeber attraktiv sein kann: Beiträge zur Deutschland-Rente könnten als reine Beitragszusage („pay and forget“) komplizierte betriebliche Vorsorgesysteme und jahrzehntelange Haftungsrisiken ersetzen.«

Vor der hier skizzierten Kulisse nicht wirklich überraschend ist der sich überall formierende Widerstand aus den Reihen der Finanzindustrie, die natürlich erkennen, dass ihnen hier möglicherweise bislang sehr ertragreiche Claims streitig gemacht werden. Dazu nur als ein Beispiel und ebenfalls nicht überraschend die heftige Ablehnung des ehemaligen IG Metall-Funktionärs, Bundesarbeitsministers und Sozialdemokrat Walter Riester – bezeichnenderweise auf einer Veranstaltung der Versicherungsgruppe „die Bayerische“ in Heidelberg: »Den jüngsten Vorschlägen einer „Deutschland-Rente“ erteilt der frühere Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) eine Absage: „Das einzig Neue daran ist der Name … Die Idee selbst ist uralt und wurde bereits in der Vergangenheit als nicht praxisgerecht verworfen.“« (Walter Riester kritisiert Deutschlandrente). Der ehemalige Minister tingelt ja seit Jahren auf der Payroll der Banken und Versicherungen durch die Lande und wirbt für die „public private partnership“ zugunsten der Finanzindustrie. Das man dort erkannt hat, dass das so lukrative Abgreifen staatlicher Zuschüssen und des Sparkapitals der Arbeitnehmer mittlerweile erheblich in Gefahr ist, weil immer mehr Menschen erkannt haben, dass es sich hier um ein sehr einseitiges Geschäftsmodell handelt, kann man auch daran erkennen, dass sich als Lobby-Versuch die Initiative „pro Riester“ (www.proriester.de) gebildet hat.

Auch aus einer ganz anderen politischen Perspektive wird der Vorschlag heftig kritisiert, vgl. hierzu beispielhaft die Kommentierung Warum die „D-Rente“ wohl ein Rohrkrepierer wird von Nils Röper,  seines Zeichens politischer Ökonom am „Department of Politics and International Relations“ der University of Oxford, der sich vor allem mit der behaupteten Bekämpfung der Altersarmut beschäftigt. Er ist da mehr als kritisch:

»Nach aktuellem Forschungsstand widersprechen die Bekämpfung von Altersarmut und kapitalgedeckte Lösungen einander. Diejenigen, die für eine zusätzliche Altersvorsorge infrage kommen, sind zumeist nicht von Altersarmut bedroht.
Gefährdete können sich hingegen eine Zusatzrente oft nicht leisten. Zudem sind sie häufig in Branchen beschäftigt, in denen Arbeitgeber voraussichtlich überproportional aus der D-Rente herausoptieren. Ähnlich wie die Riester-Rente würde die D-Rente Altersarmut kaum lindern und tendenziell Einkommensungleichheit im Alter verstärken.«

Weitaus interessanter und für die sozialpolitische Diskussion in Deutschland relevanter ist dieser Hinweis von Mirco Wenig auf eine (mögliche) Kollision mit den bislang aus dem Hause der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bekannt gewordenen Überlegungen über eine Reform der Betriebsrenten, die auf den ersten Blick ebenfalls in Richtung einer staatlichen Betriebsrente hinauslaufen:

»Andrea Nahles will Pensionskassen und -fonds zwischen den Tarifpartnern aushandeln lassen und bei Versorgungswerken ansiedeln. Das gibt auch den Arbeitnehmern und Gewerkschaften als klassischer SPD-Wählerklientel Verhandlungsmacht darüber, wie diese Fonds ausgestaltet sein sollen. Das Ministerium von Nahles schlägt vor, das Betriebsrenten-Gesetz um einen neuen § 17 zu erweitern, der neuartige Versorgungswerke zwischen den Tarifparteien ermöglichen soll. Es würde ein Flickenteppich verschiedener Einrichtungen entstehen, abhängig nach Branchen: etwa ein Versorgungswerk für Chemiearbeiter und eines für die Metallindustrie. Entgegen dem Nahles-Modell sieht die jetzt vorgeschlagene „Deutschlandrente“ einen großen staatlichen Topf vor, der auch zentral verwaltet würde.«

Dennoch – immerhin hat es die Idee der „Deutschland-Rente“ nun schon in den Bundestag geschafft. Also ein wenig, in Form eins Antrags der grünen Bundestagsfraktion:
„Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen-System“, so ist der Antrag der Grünen (Bundestags-Drucksache 18/7371 vom 27.01.2016) überschrieben worden. In diesem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, »ein einfaches und kostengünstiges Basisprodukt in Form eines Pensionsfonds als Standardweg der kapitalgedeckten Altersvorsorge einzuführen, bei dem Ein- sowie Auszahlungsweg staatlich organisiert werden und der Staat die Rahmenbedingungen für die Anlage festlegt« (S. 2).

Allerdings finde man in dem Papier auch Hinweise, dass es Handlungsbedarf in der eigentlich relevanten Säule der Alterssicherung gibt und man den nicht vergessen möchte: »Neben den in diesem Antrag geforderten Reformen zur dritten Säule ist es daher an der Zeit, neu über Beitragssatz und Rentenniveau zu diskutieren und die gesetzliche Rentenversicherung in ihrer Funktion als wesentlicher Säule zu stärken.«

Auch ansonsten dem linken Spektrum zuzurechnende Grüne können dem Projekt „Deutschland-Rente“ einiges abgewinnen. Hierzu als Beispiel die Anmerkungen des grünen Bundestagsabegordneten Wolfgang Strengmann-Kuhn auf seiner Facebook-Seite:

»Die ‪‎Deutschlandrente‬, die von drei hessischen Ministern vorgeschlagen wird ist nur ein Teil der Lösung, aber ein richtiger und guter Vorschlag.‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬‬
Richtig an der Argumentation in dem Papier ist, dass die bestehende Riesterrente gescheitert ist und auch die betriebliche Alterssicherung nicht ausreicht, um die Lücke, die die durch das absinkende Rentenniveau entsteht, zu schließen. Ein öffentlich organisiertes kapitalgedecktes Standardprodukt als Ergänzung (!) der gesetzlichen Rentenversicherung ist deswegen genau der richtige Vorschlag. Falsch an der Argumentation ist, dass es dabei um Bekämpfung der Altersarmut geht, vielmehr geht es um einen Beitrag zur Lebensstandardsicherung (!) im Alter. Altersarmut und die Basis der Lebensstandardsicherung muss staatlich – und zwar am Besten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung – organisiert werden. Dazu sind zwei grundlegende Reformen der Rentenversicherung notwendig: erstens die Weiterentwicklung zu einer Bürgerversicherung: a) aus Gerechtigkeitsgründen und b) um die Finanzierung und damit auch das Rentenniveau zu stabilisieren und zweitens die Einführung einer Garantierente als Minimum innerhalb (!) der Rentenversicherung. Ohne diese beiden Maßnahmen wäre auch die Deutschlandrente auf Sand gebaut. Wichtig ist, dass die Deutschlandrente dabei nicht auf die Garantierente angerechnet wird, damit sich die Vorsorge tatsächlich für Alle lohnt. Auch das wird in dem Papier angesprochen: „Daneben ist es auch wichtig darüber nachzudenken, ob man betriebliche und private Altersvorsorge in der Zukunft nicht bzw. nur noch zum Teil auf die Grundsicherung im Alter anrechnet“.
Fazit: Der Dreiklang aus Bürgerversicherung für die Rente, einer Garantierente innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung und einer Deutschlandrente, die nicht auf die Garantierente angerechnet wird, als Ergänzung, ist geeignet, um unser Rentensystem insgesamt zukunftsfest zu machen.« (Quelle: https://www.facebook.com/wolfgang.strengmannkuhn/posts/538947752948965,  28.12.2015)

Die Diskussion wird weitergehen und entscheidend sind die Grundfragen einer zukünftigen Rentenpolitik, die dabei (wieder) aufgerufen werden müssen. Also welche grundsätzliche Konfiguration soll das Alterssicherungssystem insgesamt haben. Wie stark sollen die zweite und dritte Säule sein (und vor allem welche Funktion kann man von ihnen erwarten – hier ist der Hinweis von Strengen-Kuhn auf die Unterschiede zwischen Bekämpfung der Altersarmut versus Lebensstandardsicherung zutreffend)? Soll die umlagefinanzierte Säule, also die Gesetzliche Rentenversicherung wieder gestärkt werden, gerade mit Blick auf das hier erreichbare Rentenniveau und das Niveau der Renten (was unterschiedliche Tatbestände sind)? Brauchen wir den Schritt hin zu einer wirklichen Erwerbstätigenversicherung oder gar die Abkehr von der lohnbezogenen Finanzierung in Richtung auf eine wertschöpfungsbasierte Finanzierung?