Ein flächendeckender Tarifvertrag für die stationäre und ambulante Altenpflege? Es ist und bleibt kompliziert

Manche Dinge lassen sich leichter formulieren als in die Wirklichkeit bringen. So findet man im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2018 diese schlanke Absichtserklärung:

»Wir wollen die Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif stärken. Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir dafür sorgen, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen. Wir wollen angemessene Löhne und gute Arbeitsbedingungen in der Altenpflege. Dafür schaffen wir die gesetzlichen Voraussetzungen.«

Wie so oft im Leben hört und liest sich das einfacher als es dann in der Praxis ist. Die Altenpflege heute ist ein mehr als vermintes Gelände für die Absicht, eine flächendeckende Tarifbindung erreichen zu können. Dies hat mehrere Gründe. Einer die wichtigsten Aspekte dabei ist die Tatsache, dass es gar keinen auch nur annähernd relevanten Tarif in diesem Bereich gibt. Das wiederum resultiert zum einen aus der Trägerschaft der ambulanten und stationären Altenpflege.

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Winter is Coming. In der Pflege. Von einem weiter abkühlenden CARE Klima-Index und anderen Mangellagen

In der Online-Ausgabe der BILD am 1. Juli 2018 hieß es: Drei Minister leisten den Pflege-Schwur. Die Ziele: mehr Pfleger, bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne. Daraufhin waren wir aber wirklich guter Hoffnung. Wenn die sogar schon schwören …

Und sie haben sich doch nun wirklich auch ins Zeug gelegt. Da hat man die 8.000 neuen Stellen (nicht lebende Pflegekräfte, das wäre was anderes) für die mehr als 14.000 Pflegeheime mal eben auf 13.000 angehoben, man hat eine Konzertierte Aktion Pflege eingesetzt, die uns in den kommenden Monaten endlich einen Weg aus dem Pflegenotstand weisen wird. Und was machen die Pflegekräfte? Sie nölen weiter rum, ja, sogar noch mehr als vorher. Was für eine Undankbarkeit gegenüber den Politikern, die sich da so ins Geschirr einspannen lassen, um der Pflege, vor allem der Altenpflege, endlich wirksam zu helfen.

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Scheinselbständig, nicht scheinselbständig … Pflegekräfte als Honorarkräfte und eine uneinheitliche Rechtsprechung

Also in der Pflege und bei der Beschäftigung von Pflegekräfte geht ja einiges durcheinander. Das werden viele denken, wenn sie mit solchen Informationen versorgt werden: »In Brandenburg arbeiten offenbar immer mehr Pflegekräfte als selbstständige Freiberufler oder bei Zeitarbeitsfirmen. Und in immer mehr Alten- und Pflegeheimen kommen Leiharbeiter zum Einsatz«, kann man beispielsweise diesem Artikel mit Blick auf Brandenburg entnehmen: Immer mehr Leiharbeiter in der Pflege. Und nicht wenige werden von solchen Meldungen überrascht sein, wenn man an das übliche Image der Leiharbeit denkt: »Keine Nachtschichten mehr, kein Einspringen am Wochenende, beste Bezahlung – mit paradiesischen Arbeitsbedingungen werben Leiharbeitsfirmen um Altenpflegekräfte. Die profitieren dabei vom Fachkräftemangel« so Tina Friedrich und Jan Wiese in ihrem Beitrag Leiharbeit in der Altenpflege boomt: Pflegekräfte auf Pump. Speziell zu der Entwicklung einer zunehmenden Zahl an Leiharbeitskräften in der Pflege, vor allem in der Altenpflege, vgl. bereits diesen Beitrag vom 5. Juli 2018: Schlechte Leiharbeit, gute Leiharbeit? Von Leiharbeitern bei Daimler und in der Pflege. Und (schein)selbständige Pflegekräfte werden gerichtlich erneut ausgebremst.

Und auch die gibt es neben den Leiharbeitern in der Pflege: Honorarkräfte. Freiberufliche Pflegekräfte, die sich als Selbstständige an Einrichtungen verkaufen und dafür ein Honorar bekommen. Und das kann durchaus üppig ausfallen, je nach Personalnot der Krankenhäuser und Pflegeheime. Aber ist das überhaupt zulässig, als „selbständige“ Pflegekraft inmitten eines Teams von anderen, abhängig beschäftigten Pflegekräften und anderen Berufsgruppen in einer Einrichtung zu arbeiten? Sind das nicht „scheinselbständige“ Kräfte?

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Pflege-Comeback als Hoffnungsträger im Pflegenotstandsland? Über ein wichtiges Thema und 48 Prozent aus 21 tiefenbefragten Menschen + 50 Sonstige

Eines hat die Debatte über den Pflegenotstand bewirkt – es ist überall angekommen, dass uns vorne und hinten Pflegekräfte fehlen, in allen Bereichen des Pflegesystems. Zugleich wird der Mangel zunehmen müssen, denn der Bedarf an Pflegekräften ist ein dynamisches Ziel, man denke nur an die parallel steigende Nachfrage nach pflegerischen Leistungen aufgrund der demografischen Entwicklung. Und es wird immer deutlicher, dass es in Deutschland nicht nur zu wenig Pflegekräfte gibt, auch der „Nachschub“ kann bei weitem nicht den Bedarf decken. Das führt dann zu solchen, fast schon als Mobilisierungsaufrufe des letzten Aufgebots daherkommende Meldungen: Spahn will Pflegeausbildung im Ausland aufbauen. Vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat der Herr Minister neun Mio. Euro bekommen. Die will er im Ausland investieren: »Mit dem Geld könnten Kooperationspartner für Pflegeschulen im Ausland gefunden werden. Die künftigen Fachkräfte sollten in ihrem Heimatland bereits Deutsch lernen … Als mögliche Länder für eine solche Kooperation nannte er den Kosovo, Mazedonien, die Philippinen und Kuba.«

Und der Herr Minister bekommt kirchlichen Beistand: Es brauche eine verstärkte Ausbildung in Nicht-EU-Ländern, um dem Pflegenotstand zu begegnen, so wird der Präsident des evangelischen Wohlfahrtsverbandes Diakonie, Ulrich Lilie, zitiert:  „Es führt kein Weg daran vorbei, selbst zu qualifizieren, in Afrika, Fernost oder in Osteuropa.“ Als Träger von Ausbildungsinitiativen kann sich Lilie neben staatlichen Stellen auch NGOs oder diakonische Einrichtungen vorstellen.

Nun könnte man natürlich auf die Idee kommen, im eigenen Land genauer hinzuschauen, wo hier noch Möglichkeiten sind, Pflegekräfte zu mobilisieren – und angesichts der zahlreichen Berichte über einen Ausstieg von Pflegekräften aus ihrem Beruf, bei Twitter mit dem eigenen Hashtag #pflexit versehen, liegt der Gedanke nahe, dass die Rückkehr dieser bereits ausgebildeten Kräfte eine bedeutsame Quelle beim Kampf gegen den Personalmangel wäre bzw. sein könnte. 

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Nehmen, was kommt? Von 13.000 neuen Stellen für die Pflegeheime, den fehlenden Fachkräften und einem gesetzgeberisch freigegebenen Notnagel Hilfskräfte

»Wir wollen das Vertrauen der Pflegekräfte durch Sofortmaßnahmen zurückgewinnen und den Alltag der Pflegekräfte schnellstmöglich besser machen. Deshalb sorgen wir mit dem Sofortprogramm Pflege für mehr Personal, eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege. Stationäre Einrichtungen und Krankenhäuser erhalten finanzielle Anreize, um mehr Pflegekräfte einzustellen und auszubilden: Jede zusätzliche Pflegekraft in Krankenhäusern wird finanziert. In der stationären Altenpflege sorgen wir für 13.000 neue Stellen.« So kann man es auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums lesen unter dem Punkt „3. Stellen schaffen (Sofortprogramm Pflege)“ bei den Erläuterungen, wie man sich die Pflegestrategie der Bundesregierung vorstellen soll.

Immerhin waren es anfangs nur 8.000 zusätzliche Stellen, die man den Pflegeheimen in Aussicht stellen wollte – und nach zahlreichen Unmutsäußerungen hat man dann die Zahl auf 13.000 erhöht, was trotzdem angesichts der Tatsache, dass wir deutlich über 13.000 stationäre Pflegeeinrichtungen in Deutschland haben, weiterhin als berühmter Tropfen auf den heißen Stein charakterisiert wurde. Unabhängig davon, dass der tatsächliche Bedarf an zusätzlichen Stellen vor allem im Altenpflegebereich deutlich größer ist, wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass doch bereits heute zigtausende offene Stellen von den Pflegeheimen gemeldet und offensichtlich nicht oder nur nach langem Suchen besetzbar sind (nach Angaben des im Frühjahr vom Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung veröffentlichten Pflege-Thermometer 2018 muss man von 17.000 nicht-besetzten offenen Stellen nur in den Pflegeheimen ausgehen, davon mindestens 14.000 Stellen für Pflegefachkräfte. Zur Deckung würde es ca. 25.000 zusätzlicher qualifizierter Personen bedürfen, da der Teilzeitanteil in der Pflege weiterhin hoch ist). Wie soll das dann mit den 13.000 neuen zusätzlichen Stellen funktionieren?

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