Sterbehilfe: „Regelungslücken“ in Deutschland bei einer Ausdifferenzierung von Suizidhelfer-Strukturen, die ihren Preis haben. Und in Österreich soll der assistierte Suizid ab 2022 geregelt sein

Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht eine dieser wegweisenden Entscheidungen gefällt, die wie ein Fallbeil wirken. Unter der unmissverständlichen Überschrift Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig wird über BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15 berichtet:

»Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.«

Über diese Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts wurde hier detailliert am 26. Februar 2020 informiert: Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist verfassungswidrig, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Zur Ambivalenz der Ängste vor dem Morgen. Der rechtspolitische Kern des Urteils aus dem vergangenen Jahr: Das in § 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verstößt gegen das Grundgesetz und ist nichtig, weil es die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert.

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Österreich: Altbekanntes. Weniger Geld und mehr Druck für Arbeitslose an und unter der Armutsgrenze

Man kennt das seit vielen vielen Jahren in Deutschland. In einer wellenförmigen Bewegung wird immer wieder ein bewusst-unbewusstes Narrativ aufgerufen: Viele Arbeitslose sind schlichtweg selbst schuld an ihrer Situation, weil sie sich „drücken“, weil sie sich eingerichtet haben in den „großzügigen“ Transferzahlungen, weil es ihnen „zu gut“ gehen würde. Die Individualisierung, Personalisierung und Moralisierung von Arbeitslosigkeit hat sich seit den 1990er Jahren flächendeckend durchgesetzt und ist in vielen Köpfen tief verankert. Und man instrumentalisiert dann gerne das Reden vom „Missbrauch“ und der Verweigerung des Zumutbaren in den Situationen, in denen man Leistungen kürzen will. Was man ja irgendwie rechtfertigen muss.

In Österreich läuft derzeit eine vergleichbare Welle ab. »Die ÖVP drängt in der Regierung auf eine „Reform“ des Arbeitslosengeldes. Jobsuchende sollen noch mehr unter Druck sein und jeden – noch so schlechten – Job annehmen müssen.« Das, was Patricia Huber in ihrem Artikel Weniger Geld und mehr Härte: Kurz will Arbeitslose noch mehr unter Druck setzen aus dem Alpenland berichtet, kommt uns in Deutschland mehr als bekannt vor.

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„24-Stunden-Betreuung“: Von einer unlösbaren Gleichung aus den Untiefen der deutschen Pflegepolitik bis hin zu einer scheinbaren Lösung aus Österreich

Die Reaktionen auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu den Betreuungskräften aus Osteuropa (vgl. dazu ausführlicher die Besprechung der Entscheidung in dem Beitrag Aus der Schattenwelt des deutschen Pflegesystems: Die un-mögliche „24-Stunden-Betreuung“ als Geschäftsmodell ist beim Bundesarbeitsgericht aufgelaufen vom 24. Juni 2021) streuen zwischen Panik bis hin zu einer Fortsetzung der bisher dominanten Form der Nicht-Auseinandersetzung nach dem Modell der drei Affen (nichts sehen, nichts hören und vor allem nichts sagen). Die angesprochene Panik wird dann auch in der Begriffswahl deutlich erkennbar, so beispielsweise in dem Statement des Sozialverbands VdK Deutschland, deren Präsidentin Vera Bentele mit diesen Worten zitiert wird: „Es droht das Armageddon der häuslichen Pflege“. Darin findet man diese Aussage, die man einfach mal sacken lassen muss: »Rund-um-die-Uhr Pflege ist nur noch mit Mindestlohn legal. Für die allermeisten wird sie damit unbezahlbar.« Auch sehr aufschlussreich ist ein Interview mit dem Pflegeexperten Claus Fussek, der bekannt dafür ist, dass er auf Missstände in der Pflege skandalisierend hinzuweisen versucht: »Das ist ein Schock für viele, die Angehörige zu Hause pflegen«, so ist das Gespräch mit ihm überschrieben. Das insofern eine besondere Authentizität bekommt, als dass er sich selbst als Nutzer dieser zuweilen als „3. Säule“ des deutschen Pflegesystems bezeichneten Betreuungsform geoutet hat.

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Die Subunternehmen im „System Amazon“ und der Ruf nach einer „Bändigung“ des Online-Handelsgiganten

In Deutschland kaufen viele Menschen bei Amazon ein, gerade in den zurückliegenden Monaten und derzeit boomt der Online-Versandhändler ohne Ende – der Umsatz von Amazon alleine ist im ersten Halbjahr 2020 global um 40 Prozent gestiegen.

Man kann ohne Umschweife sagen: Amazon ist einer der ganz großen „Pandemie-Gewinner“. Dazu bereits dieser Beitrag aus dem Frühjahr 2020: Vera Demary (2020): Onlinehandel: Warum Corona Amazon weiter stärkt. IW-Kurzbericht 32/2020, Köln: Institut der deutschen Wirtschaft (IW), 30. März 2020.

Und nicht nur der Umsatz dieses Giganten wächst und wächst – auch die Zahl der Beschäftigten: »In a year plagued by widespread layoffs, Amazon is bucking the trend. As of October, the company added 427,300 employees, increasing its workforce to 1.2 million … This year, Amazon added roughly 1,400 people a day. Currently listed as the world’s fifth largest employer in the Fortune 500, Amazon’s historic levels of hiring are likely to move it up to third. Walmart, the largest employer, currently employs 2.2 million workers. At Amazon’s current pace of hiring, it would be able to take the title in two years.« Das berichtet Amanda Shendruk in ihrem Artikel Amazon is leapfrogging the world’s largest employers.

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Ihr Fachkräfte kommet, aber möglichst günstig? Das Beispiel Österreich

Am 1. März ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Deutschland in Kraft getreten. Es »schafft den Rahmen für eine gezielte und gesteigerte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern. Ziel ist, dass diejenigen Fachkräfte zu uns kommen können, die unsere Unternehmen vor dem Hintergrund des großen Personalbedarfs und leerer Bewerbermärkte dringend benötigen«, so das Bundesinnenministerium. Nun leben wir bekanntlich nicht auf einer Insel, sondern um uns herum gibt es zahlreiche andere Länder, die ebenfalls gerne Fachkräfte aus anderen Ländern hätten. Beispielsweise unsere Nachbarn in Österreich.

Und wie sich die Meldungen gleichen: »Der Fachkräftemangel entpuppe sich zusehends als Wachstumshemmnis, 88 Prozent der Betriebe spürten die Knappheit an Personal … 40 Prozent der Unternehmen beklagen demnach bereits Umsatzeinbußen, weil sie offene Stellen nicht besetzen können.« Das hätte auch in einem Artikel über Deutschland stehen können, bezieht sich aber auf Österreich. Die Zahlen wurden von der österreichischen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) zitiert. Und dagegen muss man was machen: »Die Regierung will den Fachkräftemangel in Österreich lindern und hat dazu ein paar Maßnahmen ventiliert, um den Zuzug von Personen aus Drittstaaten in den heimischen Arbeitsmarkt zu erleichtern.«

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