Jede Art der Hilfe zur Selbsttötung zu verbieten sei verfassungswidrig, so ein Urteil aus dem Jahr 2020. Nun wurde in Österreich ein „Sterbeverfügungsgesetz“ ins Leben gerufen

Deutschland und Österreich sind in Teilen sehr unterschiedliche Länder, aber es gibt auch interessante Parallelen. So bei dem höchst umstrittenen Thema Sterbehilfe und konkret der Suizidassistenz. Im Februar 2020 hat das deutsche Bundesverfassungsgericht eine dieser wegweisenden Entscheidungen gefällt, die wie ein Fallbeil wirken. Unter der unmissverständlichen Überschrift Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig wird über BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15 berichtet: »Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.«

Der Bundestag muss nun für eine gesetzliche Neuregelung der Suizidassistenz sorgen, allerdings tun sich die Abgeordneten erkennbar schwer. In einigen Wochen werden zwei Jahre seit dem BVerfG-Urteil vergangen sein, ohne dass eine gesetzgeberische Lösung auf der Zielgeraden zu finden wäre.

Anders die Situation in Österreich.

Ebenfalls im Jahr 2020, konkret am 11. Dezember, meldete sich der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) unter der Überschrift Es ist verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten zu Wort. Der VfGH hat auf Antrag mehrerer Betroffener, darunter zweier Schwerkranker, jene Bestimmung aufgehoben, die die Hilfeleistung zum Selbstmord unter Strafe stellt. »Die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet“ in § 78 des Strafgesetzbuches ist verfassungswidrig. Sie verstößt gegen das Recht auf Selbstbestimmung, weil dieser Tatbestand jede Art der Hilfeleistung unter allen Umständen verbietet. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2021 in Kraft.« Das ebenfalls im § 78 StGB normierte „Verleiten“ zum Suizid ist hingegen nicht verfassungswidrig. Wenn der Gesetzgeber nicht bis zum Ende des Jahres 2021 eine gesetzliche Neuregelung verabschiedet hat, wäre ab 1. Januar 2022 die Beihilfe zum Suizid ohne jede Einschränkung erlaubt.

➔ Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) geht von dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung aus. »Dieses Recht auf freie Selbstbestimmung umfasst das Recht auf die Gestaltung des Lebens ebenso wie das Recht auf ein menschenwürdiges Sterben. Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasst auch das Recht des Suizidwilligen, die Hilfe eines dazu bereiten Dritten in Anspruch zu nehmen. Das Verbot der Selbsttötung mit Hilfe eines Dritten kann einen besonders intensiven Eingriff in das Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung darstellen. Beruht die Entscheidung zur Selbsttötung auf der freien Selbstbestimmung des Betroffenen, so ist dies vom Gesetzgeber zu respektieren. Aus grundrechtlicher Sicht macht es keinen Unterschied, ob der Patient im Rahmen seiner Behandlungshoheit oder der Patientenverfügung in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes lebensverlängernde oder lebenserhaltende medizinische Maßnahmen ablehnt oder ob ein Suizident mit Hilfe eines Dritten in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes sein Leben beenden will. Entscheidend ist vielmehr in jedem Fall, dass die jeweilige Entscheidung auf der Grundlage einer freien Selbstbestimmung getroffen wird.«
Die Hervorhebung der autonomen Entscheidungsmöglichkeit für den einzelnen Menschen durchzieht auch die Parallelentscheidung aus 2020 seitens des BVerfG (in einer übrigens sehr weitreichenden Fassung). Aber man schottet sich nicht ab gegenüber den möglichen Risiken oder gar Gefahren: »Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, dass die freie Selbstbestimmung auch durch vielfältige soziale und ökonomische Umstände beeinflusst wird. Dementsprechend hat der Gesetzgeber zur Verhinderung von Missbrauch Maßnahmen vorzusehen, damit die betroffene Person ihre Entscheidung zur Selbsttötung nicht unter dem Einfluss Dritter fasst.«

➞ Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dem Gesetzgeber vergleichbare Hinweise für eine Neuregelung mit auf den Weg gegeben: »Die Anerkennung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben versagt dem Gesetzgeber demnach nicht, allgemeine Suizidprävention zu betreiben und insbesondere krankheitsbedingten Selbsttötungswünschen durch Ausbau und Stärkung palliativmedizinischer Behandlungsangebote entgegenzuwirken. Er muss auch denjenigen Gefahren für die Autonomie und das Leben entgegentreten, die in den gegenwärtigen und absehbaren realen Lebensverhältnissen begründet liegen und eine Entscheidung des Einzelnen für die Selbsttötung und gegen das Leben beeinflussen können. Dieser sozialpolitischen Verpflichtung darf der Gesetzgeber sich aber nicht dadurch entziehen, dass er das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Selbstbestimmung außer Kraft setzt. Dem Einzelnen muss die Freiheit verbleiben, auf die Erhaltung des Lebens zielende Angebote auszuschlagen und eine seinem Verständnis von der Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz entspringende Entscheidung, das eigene Leben mit Hilfe Dritter zu beenden, umzusetzen. Ein gegen die Autonomie gerichteter Lebensschutz widerspricht dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft, in der die Würde des Menschen im Mittelpunkt der Werteordnung steht, und die sich damit zur Achtung und zum Schutz der freien menschlichen Persönlichkeit als oberstem Wert ihrer Verfassung verpflichtet.«
Das deutsche Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber ziemlich konkrete, den Gestaltungsspielraum begrenzende Orientierungspunkte für eine mögliche Neuregelung ins Stammbuch geschrieben: Aus der Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB mit dem Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Sterbehilfe »folgt nicht, dass der Gesetzgeber die Suizidhilfe nicht regulieren darf. Eine solche Regelung muss sich aber an der Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen ausrichten, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten. Zum Schutz der Selbstbestimmung über das eigene Leben steht dem Gesetzgeber in Bezug auf organisierte Suizidhilfe ein breites Spektrum an Möglichkeiten offen. Sie reichen von prozeduralen Sicherungsmechanismen, etwa gesetzlich festgeschriebener Aufklärungs- und Wartepflichten, über Erlaubnisvorbehalte, die die Zuverlässigkeit von Suizidhilfeangeboten sichern, bis zu Verboten besonders gefahrträchtiger Erscheinungsformen der Suizidhilfe. Diese können auch im Strafrecht verankert oder jedenfalls durch strafrechtliche Sanktionierung von Verstößen abgesichert werden. Das Recht auf Selbsttötung verbietet es aber, die Zulässigkeit einer Hilfe zur Selbsttötung materiellen Kriterien zu unterwerfen, sie etwa vom Vorliegen einer unheilbaren Krankheit abhängig zu machen. Dennoch können je nach Lebenssituation unterschiedliche Anforderungen an den Nachweis der Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit eines Selbsttötungswillens gestellt werden. Allerdings muss dem Recht des Einzelnen, aufgrund freier Entscheidung mit Unterstützung Dritter aus dem Leben zu scheiden, auch faktisch hinreichender Raum zur Entfaltung und Umsetzung belassen werden. Das erfordert nicht nur eine konsistente Ausgestaltung des Berufsrechts der Ärzte und der Apotheker, sondern möglicherweise auch Anpassungen des Betäubungsmittelrechts. Dies schließt nicht aus, die im Bereich des Arzneimittel- und des Betäubungsmittelrechts verankerten Elemente des Verbraucher- und des Missbrauchsschutzes aufrechtzuerhalten und in ein Schutzkonzept zur Suizidhilfe einzubinden.« (Quelle: Bundesverfassungsgericht: Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig, 26.02.2020).

Am 17. Dezember 2021 berichtet Florian Staeck in der „Ärzte Zeitung“ unter der Überschrift Österreichisches Parlament stimmt Gesetz zur Suizidassistenz zu: »Der österreichische Nationalrat hat am Donnerstagabend nach einer emotionalen Debatte das Sterbeverfügungsgesetz verabschiedet. Es regelt ab Anfang 2022 erstmals, unter welchen Umständen ein erwachsener Bürger in Österreich ein tödlich wirkendes Medikament aus der Apotheke beziehen kann, um sich selbst zu töten. Die Ausgangssituation und die Diskussion im Nachbarland weisen viele Parallelen zu Deutschland auf.«

Was genau regelt das neue Gesetz?

»Das Gesetz … sieht ein zweistufiges Aufklärungs- und Beratungsmodell vor: Zwei Ärzte müssen sich unabhängig voneinander von der Entscheidungsfähigkeit und dem freien Willensentschluss des Suizidwilligen überzeugen. Gibt es daran Zweifel, müssen sie ein psychiatrisches oder klinisch-psychologisches Gutachten einholen. Einer dieser Ärzte muss Palliativmediziner sein. Gegenstand der Beratung muss zwingend die Aufklärung über Behandlungsalternativen und palliativmedizinische Angebote sein. Der Mediziner, der über Alternativen informiert, muss zudem bestätigen, dass der Suizidwillige entweder an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit leidet, deren Folgen die Person „in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen“. Dabei muss die Erkrankung von einem „nicht anders abwendbaren Leidenszustand“ begleitet sein.«

»Nach einer Bedenkzeit von zwölf Wochen kann der Betroffene entweder bei einem Notar oder bei einer Patientenvertretung eine sogenannte Sterbeverfügung erstellen lassen. Das tödliche Präparat kann dann in eigens gelisteten Apotheken bezogen werden. Der eigentliche Vollzug der Selbsttötung soll „in einem privaten Rahmen“ erfolgen und ist praktisch ungeregelt.«

Warum das? »Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass die Suizidassistenz auf Seiten des Staates institutionalisiert wird. Ebenso soll vermieden werden, die Überwachung der Selbsttötung auf Ärzte oder auf professionelle „Suizidassistenten“ zu übertragen, heißt es zur Begründung.«

Kritische Stimmen zum Sterbeverfügungsgesetz

Den Verbänden blieb nur drei Wochen Zeit, um zum Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Mehr als 138 Stellungnahmen und Änderungsvorschläge seien eingegangen, darunter vom Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) in Wien. »Die Wissenschaftler kritisieren allein schon die Sprachverwendung im Gesetz harsch. Darin ist von „sterbewilligen Personen“ die Rede. Dies sei „sprachverschleiernd und irreführend“ – nicht jeder Sterbewillige sei auch suizidwillig, heißt es in der Stellungnahme. Dass das Gesetz nicht auf terminal Kranke beschränkt wird, hält das IMABE für einen gravierenden Fehler. „Hier handelt es sich um eine gefährliche Aufweichung, die der ursprünglichen Intention des Gesetzesentwurfs diametral entgegensteht“, heißt es. Damit werde einer „Alters- und Behindertendiskriminierung Vorschub geleistet, die inakzeptabel ist“. Die Beschränkung auf eine terminale Krankheitsphase wäre „ein wichtiger Schutz vor Missbrauch“ gewesen«, berichtet Florian Staeck. Vgl. dazu auch IMABE: Neues Gesetz: Österreich erlaubt ab 2022 Unterstützung bei Suiziden: »Kein gutes Signal: Gesetz zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung wurde noch nicht beschlossen.«

»Es ist zweifellos ein unzulängliches Gesetz, das am Donnerstag im Nationalrat beschlossen wurde, um das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zur Sterbehilfe umzusetzen«, kommentiert Eric Frey unter der Überschrift Die Sterbehilfedebatte ist erst am Anfang und ergänzt: »Das neue Gesetz hat viele Lücken, ermöglicht aber bessere Lösungen in der Zukunft.« Neben den grundsätzlichen Bedenken – dass beispielsweise Menschen von ihren Angehörigen zum Suizid gedrängt werden oder zu dessen Zeitpunkt sich nicht mehr ganz frei dazu entscheiden können – werden auch solche Hinweise gegeben:

»Zahlreiche Fachleute zweifeln, ob sich die komplexen bürokratischen Regelungen, die von Sterbewilligen verlangt werden, in der Praxis überhaupt umsetzen lassen. Wo wird man Mediziner finden, die einem sowohl eine ausreichend schwere Krankheit als auch den freien Willen zum Sterben attestieren? Werden die Kosten für diesen Prozess so hoch sein, das es sich nur Wohlhabende leisten können? Und wie können sich angesichts der vielen offenen Fragen sowohl die beteiligten Ärzte als auch die Sterbehelfer sicher sein, dass sie am Ende straffrei bleiben? … Außerdem stellt sich die brisante Frage, wie der Staat die missbräuchliche Verwendung des tödlichen Präparats vermeiden kann, wenn es einmal aus der Apotheke abgeholt wurde und dann vielleicht monatelang in der Wohnung der Sterbewilligen liegt. Denn für seinen Einsatz gibt es keine zeitliche Frist.«

Frey verweist auf ein grundsätzliches Dilemma: »Jedes Sterbehilfegesetz bleibt ein Kompromiss, der nie alle Seiten zufriedenstellen kann. Die österreichische Lösung ist für die Gegner des assistierten Suizids ein ethischer Dammbruch und geht gleichzeitig den Befürwortern nicht weit genug. Letztere kritisieren vor allem, dass eine aktive Tötung auf Verlangen strafbar bleibt und daher Menschen, die selbst nicht mehr in der Lage sind, das Sterbemittel einzunehmen, zum Weiterleben verdammt sind.«

Doch das entspricht der expliziten Forderung der Verfassungsrichter, die ein recht enges Korsett für die Liberalisierung der Sterbehilfe geschnürt haben. »Für einen raschen Wechsel von einem rigorosen Verbot zu einer Freigabe nach belgischem oder niederländischem Vorbild fehlt in Österreich der gesellschaftliche Konsens. Bei diesem heiklen juristischen und ethischen Problem muss sich das Land allmählich vortasten. Und dafür bietet das Gesetz bei all seinen Lücken eine brauchbare Grundlage.«

Weitaus weniger versöhnlich ist die Kommentierung von Peter Kampits, stellvertretender Vorsitzender der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt. Dessen Beitrag ist so überschrieben: Der Spießrutenlauf zur Sterbehilfe: »Das neue Sterbeverfügungsgesetz soll Betroffenen ein Sterben in Würde ermöglichen. Aus ethischer Sicht ist es jedoch nur unzulänglich umgesetzt worden und wohl bald wieder ein Fall für den Verfassungsgerichtshof.«

»Nach langem Zögern hat die Politik einen Gesetzesentwurf eingereicht, der durchaus von der bisherigen Taktik des Verschleppens, der Lustlosigkeit, Einseitigkeit und Unsachlichkeit geprägt ist.« Mitverantwortlich dafür sei auch die „Überzahl von Vertretern konservativer und kirchlicher Organisationen“ beim Dialogforum, das die Regierung im Vorfeld eingerichtet hatte.

Kampits kritisiert, dass »völlig auf die Möglichkeit verzichtet (wurde), auch den Paragrafen 77, der die Tötung auf Verlangen unter Strafe stellt, in die Debatte miteinzubeziehen, weil das Urteil des VfGH die Anfechtung dieses Paragrafen aus formalen Gründen nicht behandelt hatte. Dabei wird von ethischer Seite immer häufiger darauf hingewiesen, dass der Unterschied zwischen assistiertem Suizid und Tötung auf Verlangen eine Grauzone darstellt, die auch die palliative oder terminale Sedierung mitumfasst.«

Kampits stört sich wie viele andere auch an der »Bezeichnung „Sterbeverfügung“, die offenbar in Anlehnung an die „Patientenverfügung“ gewählt wurde, inhaltlich aber etwas völlig anderes meint. Prinzipiell wäre im Sinne der Beachtung des Grundrechtes auf Freiheit und Autonomie der vorgeschlagene Begriff „Freitod-Erklärung“ vorzuziehen gewesen.«

kritisiert wird, dass die »Einschränkung der Straffreiheit auf eine schwere beziehungsweise auf eine in absehbarer Zeit zum Tod führende Krankheit problematisch (sei), da sie unter anderem Multimorbidität und daraus resultierendes, existenzielles Leiden nicht berücksichtigt. Überhaupt bezieht sich die Vorlage auf einen überaus schwammigen Krankheitsbegriff, der offenbar Krankheit immer noch als „Funktionsstörung“ versteht und letztlich dazu führt, dass es dem zur Begutachtung herangezogenen Arzt kaum möglich sein wird, die eingeforderten Prognosen bezüglich einer Todesfolge zu stellen. Dies bedeutet sowohl für den Betroffenen als auch für den Arzt eine erhebliche prinzipielle Gefahr, wiederum mit dem Strafrecht in Konflikt zu geraten.«

Und Kampits thematisiert offen eine schwierige Grauzone: »Auffällig ist auch, dass die Rolle der Ärzte ausschließlich im Aufklären und Begutachten bestehen soll. In den Beneluxstaaten wird – selbstverständlich auf freiwilliger Basis – die Hilfeleistung zum Suizid mehrheitlich von den Hausärzten geleistet, vor allem dann, wenn der Betroffene aus Krankheitsgründen nicht (mehr) in der Lage ist, das entsprechende Mittel selbst einzunehmen. Im österreichischen Entwurf muss der Sterbewillige freiwillig und bewusst die letztkausale Handlung selbst setzen. Damit wird der Sterbewille von all jenen, die physisch nicht (mehr) in der Lage sind, das todbringende Präparat selbst einzunehmen, völlig missachtet. Dies mag juristisch gerechtfertigt sein, aus ethischer Sicht ist es eine äußerst bedenkliche Diskriminierung. Dadurch kann es zu einer vorgezogenen Beendigung des Lebens kommen, um die Selbsttötung auf jeden Fall noch durchführen zu können.«

Man sieht: Fragen über Fragen hinsichtlich der letzten Frage.

Man darf gespannt sein, was nun – wann? – im deutschen Parlament produziert wird, denn die Österreicher haben „ihr“ Verfassungsgerichtsurteil nun in einem wie auch immer bewerteten Gesetz verarbeitet. Das vorher ergangene Urteil des Bundesverfassungsgericht hingegen hängt noch in der gesetzgeberischen Luft. Man kann davon ausgehen, dass ein Teil der deutschen Parlamentarier versucht sein wird, vom österreichischen Gesetzestext abzuschreiben.