Geht „die“ Lebenserwartung zurück? Der Abstand der Lebenserwartung zwischen Deutschland und anderen Ländern in Westeuropa wird größer

Immer wieder wird „die“ steigende Lebenserwartung aufgerufen, wenn es um sozialpolitisch hoch relevante Weichenstellungen geht, beispielsweise eine (weitere) Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, weil „wir“ ja alle älter werden. Manche Forderungen zielen darauf ab, dass das Renteneintrittsalter (ohne Abschläge) automatisch gekoppelt werden soll an „den“ Anstieg der Lebenserwartung – was aber voraussetzt, dass es einen einheitlichen Anstieg der Lebenserwartung gibt. Was nicht der Fall ist, denn die Unterschiede zwischen bestimmten Gruppen der Gesellschaft sind erheblich. Vgl. dazu zuletzt die Präsentation neuer Forschungsergebnisse in dem Beitrag Was und wie viel hast Du (nicht) und wo wohnst Du (nicht)? Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf. Bei der Lebenserwartung. Und dabei mit einem besonderen Blick auf die regionale Ebene vom 3. Mai 2024 in diesem Blog.

Vor diesem Hintergrund ist es dann schon doppelt bedenklich, wenn gemeldet wird, dass sogar „die“ Lebenserwartung zurückgehen würde und das auch noch „erheblich“. Vgl. dazu als ein Beispiel den Beitrag Lebenserwartung in Deutschland geht weiter erheblich zurück. »Deutschland gehört in Westeuropa zu den Schlusslichtern bei der Lebenserwartung und verliert weiter an Anschluss.« Dabei wird Bezug genommen auf eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschun (BiB), die gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für demografische Forschung durchgeführt wurde. »Untersucht wurde die Sterblichkeitsentwicklung in 14 EU-Ländern über mehrere Jahrzehnte hinweg.«

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Was und wie viel hast Du (nicht) und wo wohnst Du (nicht)? Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf. Bei der Lebenserwartung. Und dabei mit einem besonderen Blick auf die regionale Ebene

Ärmere Menschen sterben früher, teilweise Jahre früher als Menschen, die in wohlhabenden Verhältnissen leben können. Dass das so ist, wird seit langem nicht nur behauptet, sondern immer wieder auch mit Daten belegt. Und die Feststellung, dass es erhebliche Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Arm und Reich gibt, ist sozialpolitisch von fundamentaler und zugleich höchst aktueller Bedeutung – man denke hier an das Narrativ, dass „wir“ alle älter werden und dann kann (und muss) man doch die Altersgrenze für den Rentenbezug ohne Abschläge für „uns“ alle über die derzeit schrittweise scharfgestellten 67 Jahre anheben. Also ein wenig länger arbeiten, weil „wir“ doch gleichzeitig auch länger leben.

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Nicht nur das Verhalten der einzelnen Menschen, sondern auch die Verhältnisse – und von denen einige ganz besonders: Zur regionalen Streuung des statistisch zu erwartenden Lebens

„Die“ Lebenserwartung und ihre Entwicklung ist nicht nur für uns alle höchst relevant und interessant, sondern sie spielt in der sozialpolitischen Diskussion an mehreren Stellen eine bedeutsame Rolle. Man denke hier nur an die Debatte über eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters. Nicht nur bei der bereits vollzogenen schrittweisen Anhebung auf 67 Jahre (diese Grenze gilt dann nicht zufälligerweise voll zum ersten Mal für den Jahrgang 1964, den geburtenstärksten Jahrgang und damit die Frontrunner der Baby-Boomer) wurde immer wieder auf die ansteigende Lebenserwartung hingewiesen, sondern auch aktuell bedienen sich die Apologeten einer weiteren „unvermeidlichen“ Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters der für viele auf den ersten Blick auch nachvollziehbaren Argumentationsfigur, dass wenn wir alle ein paar Jahre länger leben werden, dann muss man auch das Renteneintrittsalter nach oben anheben.

Nun ist bekanntlich alles ungleich verteilt im Leben. Vermögen, Einkommen, Liebe – und eben auch „die“ Lebenserwartung. Denn „die“ gibt es nicht, alle Berichte mit dem Bild, dass „wir drei oder vier Jahre länger leben werden“, bedienen sich an einem Durchschnittswert, der aber zuweilen mit spitzen Fingern anzufassen ist – vor allem dann, wenn die Streuung der Einzelwerte um den statistischen Durchschnitt erheblich ist. Und so ist das gerade bei „der“ Lebenserwartung, die es gar nicht gibt, sondern wenn, dann sehr unterschiedliche Lebenserwartungsentwicklungen. Die wiederum von sehr persönlichen Faktoren abhängen (wie jemand gelebt oder sein Leben verlebt hat), aber eben auch von zahlreichen strukturellen Einflussfaktoren, also wo jemand in welchen Verhältnisse und wie lange leben musste oder konnte

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Tödliche Ungleichheit: Männlich, arbeitslos, zwischen 30 und 59 Jahre alt. Dann ist das Sterberisiko acht Mal höher als das von Männern am oberen Ende

Viele kennen die Jubelmeldungen über eine stetig steigende Lebenserwartung. Und weil wir angeblich alle immer älter werden, kommen sofort interessierte Kreise ans Tageslicht, die uns verkaufen wollen, dass vor diesem Hintergrund einer weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters zum einen unumgänglich sei, zum anderen aber auch unproblematisch, siehe gleichzeitig die steigende Lebenserwartung. Das wurde und muss äußerst kritisch bewertet werden, denn hier wird wie so oft mit Durchschnittswerten operiert, die möglicherweise mehr verdecken als sie uns weiterhelfen. Denn schaut man sich beispielsweise die Streuung der Lebenserwartungswerte an, dann wird schnell erkennbar, dass es eine erhebliche und zugleich sozial höchst selektive Spannbreite gibt. Vereinfacht gesagt: Arm stirbt (deutlich) früher und Wohlstand bzw. Reichtum führen natürlich nicht für alle, aber eben für viele auf der (materiellen) Sonnenseite des Lebens zu einem deutlich längeren Leben.

»Diese Grafik zeigt das Sterberisiko unter den Einflussfaktoren Einkommensniveau und Bildungsstand für Männer und Frauen in Ost- und Westdeutschland. Dabei ergeben sich 20 unterschiedliche Einkommens- und Bildungsgruppen, die alle zum Referenzwert 1, der Gruppe mit der höchsten Bildung und dem höchsten Einkommen ins Verhältnis gesetzt werden. In Ostdeutschland zählen 14 Prozent der Männer zur Gruppe mit dem niedrigsten Einkommen und der niedrigsten Bildung. Im Vergleich zur Gruppe Männer mit dem höchsten Einkommen und der höchsten Bildung, haben sie ein achtfaches Risiko zu sterben.« Quelle: MPIDR, 08.10.2019

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„Wir“ werden (nicht alle) immer älter. Über den Zusammenhang von steigender Lebenserwartung, zunehmender Einkommensungleichheit schon vor der Rente und Altersarmut

Die steigende Lebenserwartung sei „eine Erfolgsgeschichte“, so ist beispielsweise ein Interview des Deutschlandfunks mit dem Demografie-Forscher Roland Rau überschrieben, der an der Universität Rostock lehrt und Fellow am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist. Der Forscher untersucht in einer aktuellen Studie, wo die Menschen in Deutschland am längsten leben. »Seit Mitte des 19. Jahrhunderts steigt die Lebenserwartung in den meisten Ländern der Erde. Die Menschen lebten länger …, weil Herzkreislauferkrankungen zurückgingen. Aber auch Einkommen, Bildungsstand und Lebensweise spielten eine große Rolle«, so werden einige seiner Aussagen zusammengefasst.

Bekanntlich lohnt es sich bei solchen großen Entwicklungen, genauer hinzuschauen – und hier wurde schon oft darauf hingewiesen, dass Durchschnitte zuweilen mehr verdecken als sie uns helfen. Denn im Durchschnitt ist es absolut so, dass die Menschen immer länger leben – und damit auch länger Renten beziehen können, was dann regelmäßig als gleichsam zwangsläufige Ableitung zu der Forderung führt, auf dem Weg einer weiteren Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters fortzufahren.

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