Wachstumsmarkt Cyberkriminalität – nicht nur ein Wirtschaftsthema. Zur sozialpolitischen Bedeutung von Cyberangriffen

Es gibt so viele Dinge, die wir alle in unserem Alltag für derart selbstverständlich halten, dass keiner auch nur eine Sekunde darüber nachdenkt. Beispielsweise dass man Licht hat, wenn man in der eigenen Wohnung den entsprechenden Schalter drückt. Oder dass beim Einkauf im Supermarkt die Kassiererin die Kasse öffnet, wenn man mit Bargeld bezahlt. Die völlige Selbstverständlichkeit wird einem erst dann als ein fragiles Konstrukt bewusst, wenn man auf einmal kein Licht mehr bekommt – oder wenn sich die Kassen in Supermärkten der Öffnung verweigern und einfach zu bleiben. Nichts geht mehr auf einmal.

Supermarkt-Kassen, die sich nicht mehr öffnen lassen, das ist nun keineswegs ein theoretisches Hirngespinst, sondern Millionen Schweden mussten genau diese Erfahrung machen. »Ein Hackerangriff auf US-Firmennetzwerke hat Auswirkungen bis nach Europa. Bei einer von Schwedens größten Supermarktketten funktionieren die Kassen nicht«, wurde Anfang Juli 2021 gemeldet: Cyberattacke trifft 800 Filialen einer schwedischen Supermarktkette. „Einer unserer Subunternehmer war Ziel eines digitalen Angriffs, und deshalb funktionieren unsere Kassen nicht mehr“, teilte Coop Schweden mit. Der Konzern hoffe, das Problem schnell in den Griff zu bekommen und die Filialen wieder öffnen zu können. Coop ist eine der größten Supermarktketten des Landes.

Aber es waren nicht nur Filialen einer Supermarkt-Kette betroffen: »In Schweden berichteten auch die staatlichen Eisenbahnen und eine Apothekenkette von Störungen. Verteidigungsminister Peter Hultqvist sprach von einem sehr gefährlichen Angriff. „In einer anderen geopolitischen Lage könnten uns staatliche Akteure auf diese Weise angreifen, um die Gesellschaft lahmzulegen und Chaos anzurichten“, sagte Hultqvist im Fernsehen.«

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Don’t be evil, Google. Zur Gründung einer Gewerkschaft beim Google-Mutterkonzern Alphabet

Sergei Brin und Larry Page haben am 4. September 1998 Google als Unternehmen ins Leben gerufen. Die Geschäftsidee des Start-Ups, das in den ersten Wochen in einer Garage im Silicon Valley residierte, war clever: Neben den Suchtreffern gibt es kleine Werbeanzeigen, die thematisch zur Suche passen. Den Preis für die beste Anzeigenposition regelt ein automatisches Bieterverfahren. Damit ließ sich nicht nur schnell, sondern auch viel Geld verdienen. Doch die Google-Gründer wollten sich von der Konkurrenz aus IBM, Microsoft oder Apple unterscheiden. Man wollte die Welt verbessern. Das inoffizielle Firmenmotto: Nicht böse sein – „Don’t be evil“. Der Slogan richtete sich nicht nur an die Kunden, sondern vor allem an die eigenen Mitarbeiter – das haben die Gründer auch beim Börsengang betont. Sie seien bereit, auch auf Gewinne zu verzichten (vgl. dazu den Beitrag „Don’t be evil“ von Marcus Schuler). Was daraus geworden ist, wissen wir alle: Aus dem ehemaligen Start-Up ist ein milliardenschwerer Konzern geworden, der seit Jahren angesichts seiner krakenhaften Expansion mit einer damit einhergehenden enormen Konzentration globalen Marktmacht zunehmend kritisch beobachtet wird. Und wie auch Apple mal in den Anfangstagen mit dem Image des kreativen und irgendwelchen besseren Motiven verpflichteten Außenseiters gegen den damaligen Riesen IBM werbewirksam zu Felde gezogen ist (vgl. die berühmte Super Bowl-Werbung von Apple im Jahr 1984), hat sich auch Google zu einem „klassischen“ und mit allen harten Bandagen kämpfenden gewinnmaximierenden Konzern transformiert.

Das gilt auch für den Umgang mit den eigenen Leuten, wobei man gerade am Beispiel von Google die maximale Ambivalenz der neuen Giganten der Digitalökonomie als Arbeitgeber studieren kann: Auf der einen Seite gilt das Unternehmen als einer der beliebtesten Arbeitgeber, von einem der im Vergleich zu anderen Unternehmen und Branchen überschaubaren wenigen Jobs haben viele geträumt und tun es auch heute noch angesichts vieler Rahmenbedingungen für den einzelnen Mitarbeiter (allerdings gab es schon vor Jahren immer wieder kritische Berichte: »Lässig, kauzig, ein großer Abenteuerspielplatz: Internetgigant Google pflegt ein besonderes Image und lockt damit viele Bewerber. Doch Einsteiger sind verblüffend schnell wieder draußen. Fungiert die Firma bloß als Drehtür?« so die Fragestellung in dem Artikel Rein, raus, tschüs aus dem Jahre 2013). Auf der anderen Seite zeigt Google eben auch die Merkmale, die wir von anderen Vertretern wie Amazon & Co. kennen: Mitbestimmung über Betriebsräte oder gar Verhandlungen mit Gewerkschaften? Das ist bzw. wäre Teufelszeug. Das kommt nicht in die US-amerikanische Tüte.

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Das „Digitale-Versorgung-Gesetz“ soll nicht nur „Gesundheits-Apps“ auf Kosten der Krankenkassen bringen. Sondern auch eine anzapfbare Mega-Datenbank mit sensiblen Daten aller gesetzlich Versicherten

Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich auf den Digitalisierungszug gesetzt und will das Gesundheitswesen entsprechend modernisieren. Das verschafft ihm bei vielen ein irgendwie „modernes“ Image, deshalb muss ja heutzutage auch überall irgendwas mit dieser Digitalisierung draufstehen. Zum anderen aber, seien wir realistisch, geht es im Haifischbecken Gesundheitswesen immer auch und nicht selten ausschließlich um Geld, sehr viel Geld. Und im Kontext Digitalisierung erscheinen die Umrisse neuer Geschäftsmodelle und – wenn man schnell genug ist – die Aussicht auf mögliche Profite, die weit über dem liegen können, was „normale“ Unternehmen so erreichen.

Dafür hat der umtriebige Minister ein eigenes Gesetzgebungsverfahren angestoßen und den Entwurf eines Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) in die parlamentarische See geworfen (vgl. dazu Bundestags-Drucksache 19/13438 vom 23.09.2019 sowie die Änderungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 19(14)106.1 vom 10.10.2019).

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