Sanktionen im SGB II: Es dürfen doch nur maximal 30 Prozent gekürzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Hat es nicht

Im Kontext der vom Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigten (Wieder)Einführung von 100 Prozent-Sanktionen (unter Ausklammerung der Kosten für die Unterkunft, die davon unberührt bleiben sollen) im nunmehr zum Bürgergeld umbenannten Hartz IV-System wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass doch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Sanktionierung von maximal 30 Prozent für zulässig erklärt habe. Dem ist aber nicht so – der vollständige Entzug von Leistungen wurde auch vom höchsten deutschen Gericht als Möglichkeit in den politisch gestaltbar Raum gestellt. Man muss das hier angesprochen Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 des BVerfG zu Sanktionen im Sozialrecht nur genau lesen.

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Statistisch hat die Nicht-Sanktionierung in der Grundsicherung gewirkt, so neue Berechnungen

Es liegen Monate der von vielen interessierten Seiten vorangetriebenen und medial enorm verstärkten Debatten über die (angeblich) schädlichen Wirkungen des neuen Bürgergeldes auf die Bereitschaft, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, hinter uns. Mit mehr oder meistens weniger seriösen Berechnungsversuchen wurde aufzuzeigen versucht, dass es sich nicht lohnen würde, aus dem Bürgergeld-Bezug auszusteigen, um eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Die Verhandlung dieser Diskussionen und Kampagnen sind ein eigenes Thema.

Da ist aber noch ein anderes, ebenfalls hochgradig emotionalisierendes Thema, das mit Hartz IV und dem Bürgergeld verbunden war und ist: die Sanktionen, also der teilweise bis hin zu einem vollständigen Entzug von Leistungen der Grundsicherung. Und man wird damit rechnen müssen, dass die Sanktionierung von Bürgergeldempfängern demnächst wieder in Berlin auf die Tagesordnung gesetzt wird, denn ein Teil der Planungen der amtierenden Bundesregierung den Bundeshaushalt 2024 nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 beinhalten „Sparbeiträge“ der Bundesagentur für Arbeit und darunter, neben einem Griff in die Beitragskasse der Arbeitslosenversicherung, auch rechnerisch unterstellte Einsparungen, die dadurch realisiert werden sollen, dass man „Totalverweigerer“ im Bürgergeldbezug härter anpacken will, so der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Wer … sich allen Angeboten verweigert, muss mit härteren Konsequenzen rechnen. Die Sanktions­möglichkeiten gegen Totalverweigerer werden wir daher verschärfen“, kann man dem Bericht Arbeitsminister Heil verteidigt Haushaltskompromiss entnehmen.

Auch vor diesem Hintergrund sind neue Ausführungen des Arbeitsmarktforschers Enzo Weber interessant und relevant, der sich mit der Frage beschäftigt hat, was Menschen möglicherweise länger in der Arbeitslosigkeit hält.

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Das Renten-Wunder! Der Demografie-Kollaps bleibt aus! Ist jetzt doch alles gut bei der Rentenversicherung?

Da werden sich nicht wenige BILD-Zeitungsleser die Augen gerieben haben: In den typisch ganz großen Buchstaben hat ihnen die Zeitung, die ansonsten gerne auf den apokalyptischen Wellen reitet, vor allem wenn es um Soziales geht, eine solche Schlagzeile etwas verfrüht in die vor die Tür gestellten Nikolaus-Schuhe gesteckt: Renten-Überraschung! Und wenige Zeilen später dann sogar im Fettdruck: Das Renten-Wunder! Was ist passiert?

Die BILD-Leser werden mit Hammer-Nachrichten versorgt, die bei nicht wenigen das vorher in vielen Jahren einzementierte Weltbild des ganz bald in sich zusammenbrechenden Renten-Gebäudes schwer erschüttern muss: »Mega-Rentenerhöhungen, gigantische Rücklagen, stabiler Beitrag – die Rente entwickelt sich viel besser als Experten und Regierung in den vergangenen Jahren schwarzgemalt haben! Und jetzt? Zeichnet sich auch noch ab, dass der prognostizierte Demografie-Kollaps ausbleibt!« Da ist doch nun wirklich nach den langen Jahren des Kaputt-Redens der gesetzlichen Rente ein rentenpolitisches Halleluja fällig. Oder?

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