Die Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmer in Deutschland werden immer kürzer. Oder doch nicht?

Gerade im „Jobwunderland“ Deutschland ist ein differenzierter Blick nicht nur auf die eine große Zahl an Irgendwie-Beschäftigten wichtig, sondern auf die Art und Weise, wie die Menschen beschäftigt sind, unter welchen Bedingungen und für welche Löhne bzw. Einkommen sie arbeiten gehen (müssen). Dabei wird man immer wieder mit der These konfrontiert, dass die Zahl der „prekär“ Beschäftigten trotz (?) der guten allgemeinen Arbeitsmarktentwicklung zugenommen hat, dass immer mehr Arbeitnehmer von schlechten Arbeitsbedingungen betroffen sind. Und es gibt ja durchaus eine Menge Beispiele gerade aus den Branchen, in denen die Arbeitskräftenachfrage steigt, wo neue Jobs geschaffen werden, die darauf hindeuten, dass es für Millionen Arbeitnehmer düster aussieht.

In diese kritische Diskussionslinie passen dann solche Meldungen: Beschäftigungsverhältnisse zunehmend kürzer: »Die Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmer in Deutschland werden immer kürzer.« Grundlage dafür ist die Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) auf eine Anfrage der Linken-Politikerin Sabine Zimmermann im Deutschen Bundestag. 

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Ausbeutung als risikoloses Geschäftsmodell. Von Menschen, ihren Rechten und Arbeitsmigranten

Zuerst der Blick von ganz oben: Weltweit leben nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 164 Millionen Arbeitsmigranten in fremden Ländern. Ihre Zahl sei zwischen 2013 und 2017 um neun Prozent gestiegen, berichtete die Organisation, die im Auftrag der Vereinten Nationen soziale Gerechtigkeit und die Rechte von Arbeitnehmern fördern soll. Das und mehr kann man diesem Artikel entnehmen: Zahl der Arbeitsmigranten steigt auf 164 Millionen. Nun gibt es solche und andere: Dazu gehören Saisonarbeiter, die etwa als Erntehelfer Geld verdienen, Fachkräfte wie Pflegepersonal oder IT-Spezialisten, aber auch Flüchtlinge sowie Menschen, die sich illegal in Gastländern aufhalten, werden von der ILO mitgezählt Vgl. ausführlicher dazu ILO Global Estimates on International Migrant Workers. Results and Methodology, 2018). Darunter sind Arbeitsmigranten, denen es materiell gut geht, die gerade wegen der höheren Löhne und anderer Arbeitsbedingungen in ein anderes Land gegangen sind oder dort Geschäfte machen. Aber unter den vielen anderen gibt es zahlreiche Ausbeutungsfälle.

Das klingt immer so abstrakt. An dieser Stelle kann man beispielsweise eine Reportage von Hannes Lintschnig und Stefan Schultz empfehlen, die der Ausbeutung ein Gesicht und eine Geschichte und Gefühle gibt: Verloren in Europa: »Als Bulgariens Wirtschaft abstürzt, zieht Stanimir Panow nach Hamburg-Wilhelmsburg. Er hofft auf ein besseres Leben, doch er landet auf dem sogenannten Arbeiterstrich – in einem System der Ausbeutung, von dem deutsche Verbraucher massiv profitieren.«

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Von „Totenschiffen auf den Straßen“ und dem schmutzigen Geschäft mit den Lkw-Fahrern aus Osteuropa

Über die wirklich miesen Arbeitsbedingungen, unter denen viele Lkw-Fahrer in unserem Land unterwegs sind, wurde hier schon oft berichtet (vgl. nur als ein Beispiel Von wegen Trucker-Mythos. Die Lkw-Fahrer als letztes Glied einer hoch problematischen Verwertungskette vom 31. Juli 2017). In der Anmoderation einer Dokumentation des Bayerischen Fernsehens (Verstopfte Straßen, leere Gleise – Ärgernis Güterverkehr), die im Jahr 2017 ausgestrahlt wurde, konnte man diese Beschreibung finden:

»Sie sind monatelang am Stück unterwegs, schlafen in der Fahrerkabine, kochen an Parkplätzen auf Gaskochern – und verdienen weit weniger als den Mindestlohn, teilweise gerade einmal ein paar Euro am Tag. Die Kennzeichen ihrer Lastwägen verraten: Immer mehr Lkw-Fahrer kommen aus der Slowakei, Polen, Ungarn oder Rumänien. Doch die meiste Zeit sind sie auf deutschen Straßen unterwegs und unterliegen, falls sie das Land nicht nur passieren, deutschem Recht. Wie etwa der Einhaltung des Mindestlohns. Eigentlich. Doch was schert das die Speditionen, für die sie arbeiten? Die deutschen Bußgelder werden von den Auftraggebern in Kauf genommen, ja teilweise sogar schon einkalkuliert. Die Strafen in Deutschland sind niedrig und die Kontrollen auf deutschen Straßen selten. Illegale Zustände also – mitten auf deutschen Autobahnen und Raststätten.«

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Der Arbeitsschutz zwischen Staatsversagen und „Vision Zero“

Das sind harte Vorwürfe: Deutschland gehöre beim Arbeitsschutz zu den Schlusslichtern in Europa. Das habe der Sachverständigen-Ausschuss des Europarates festgestellt, der in allen Ländern die Einhaltung der sozialen Standards überprüft: „2014 hat der Sachverständigen-Ausschuss zum ersten Mal festgestellt, dass Deutschland im Arbeitsschutz nicht mehr den vorgeschriebenen Standard erreicht. Und wir haben uns eingereiht bei Bulgarien und Ungarn. Und das ist allerdings in Deutschland wenig zur Kenntnis genommen worden.“ So ein O-Ton von Wolfhard Kohrte von der Universität Halle-Wittenberg. Er sieht darin ein Staatsversagen.

Es geht hier im wahrsten Sinne des Wortes um Leben oder Tod, denn der Arbeitsschutz hat auch die Aufgabe, tödliche Arbeitsunfälle zu vermeiden. Deutschlandweit kommen durchschnittlich an jedem Arbeitstag zwei Menschen bei Betriebsunfällen ums Leben. Ihre Zahl ist 2017 gegenüber dem Vorjahr um sechs Prozent gestiegen. Und das muss auch vor diesem Hintergrund gesehen werden: In allen Bundesländern – die für den Arbeitsschutz zuständig sind – wurden bei den Arbeitsschutzbehörden massiv Stellen abgebaut. Folge: Von Jahr zu Jahr finden weniger Betriebskontrollen statt. Seit Mitte der 1990er Jahre ging die Zahl um zwei Drittel zurück, obwohl es immer mehr Betriebe und Vorschriften gibt.

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Über den Wolken darf die Freiheit nicht grenzenlos sein. Ryanair als Lufthansa 4.0 und allererste Umrisse international koordinierter Arbeitskämpfe

Viele werden sich noch erinnern an die zahlreichen Pilotenstreiks bei der Lufthansa. Nach langen Auseinandersetzungen wurde dann ein Burgfrieden geschlossen zwischen der Pilotengewerkschaft Cockpit und der Lufthansa. Während der Streikaktionen wurden die Piloten des ehemaligen Staatsmonopolisten Lufthansa in vielen Medien als raffgierige und überversorgte Spitzenverdiener dargestellt, die nur ihre goldenen Pfründe sichern wollen und dafür alle anderen mit ihren Arbeitsniederlegungen belästigen. Dass dem nicht wirklich so war, konnte man differenzierten Beiträgen entnehmen (vgl. dazu beispielsweise Über den Wolken geht es weniger um grenzenlose Freiheit, als um Gehälter, Altersversorgung und Sparprogramme. Wie unten auf dem Boden. Zur Arbeitsniederlegung der Lufthansa-Piloten vom 1. April 2014).

Und schon damals wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass wenn, dann die Beschäftigten bei Ryanair allen Grund hätten, die Arbeit niederzulegen angesichts der im Vergleich mehr als miesen Arbeitsbedingungen nicht nur für die Flugbegleiter, sondern auch für die meisten Piloten. Aber bei denen werde ja nicht gestreikt. Und der irische Billigflieger konnte seine gewaltige Expansion in Europa ungestört fortsetzen. Wobei man nur lange genug das Feuer brennen lassen muss, das man in der eigenen Hütte gelegt hat – und wenn dann die Marktverhältnisse „günstig“ sind für die Seite der Arbeitnehmer, dann ändert sich das gewohnte Bild in rasanter Geschwindigkeit. 2018 war das der Fall, für Ryanair. Und darüber hinaus.

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