Auch noch ein Streikrecht für Beamte? Nicht mit dem Bundesverfassungsgericht. Ein Blick hinter die Fassaden eines Stammtischaufreger-Themas

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mal wieder Klartext gesprochen: Streikverbot für Beamte verfassungsgemäß, so kurz und eindeutig ist eine Pressmitteilung des höchsten Gerichtes unseres Landes überschrieben. Und das Streikverbot sei auch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.

Bevor wir uns die Details der höchstrichterlichen Entscheidung anschauen – man kann sich die Reaktionen vieler Menschen auf diese Nachricht vorstellen: Jetzt wollen „die“ Beamten mit ihren betonsicheren Arbeitsplätzen, ihrer Sonderbehandlung mit Beihilfe und privater Krankenversicherung sowie im Fall der Erkrankung der garantierten Weiterzahlung der Bezüge, ihren gepamperten Pensionen, um nur einige der Vorzüge des Beamtendaseins in den Raum zu stellen, auch noch streiken dürfen. Geht’s noch? Da wird die Entscheidung des BVerfG mit großer Zustimmung zur Kenntnis genommen. Vor allem, wenn man auch noch erfährt, dass es vier Lehrer waren, die sich bis nach Karlsruhe vorgekämpft haben. Na klar, die Lehrer, das sind die mit dem vielen Urlaub. Da war doch  mal ein mittlerweile gewesener Bundeskanzler, der sich zu diesem Analyseergebnis über die Lehrer hat hinreißen lassen: „Ihr wißt doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“.

Nun haben die meisten von uns einige oder zuweilen auch überwiegend traumatische, zumindest aber frustrierende Erfahrungen mit dem Lehrkörper unserer Schulen machen müssen, so dass die zugespitzt vorgetragene Stammtisch-Position bei vielen auf einen entsprechenden Resonanzboden stoßen wird. Aber davon sollte man sich natürlich bei einer nüchternen Analyse nicht leiten lassen. Schon eher von dem für den einen oder anderen erstaunlichen Befund, dass die Hardcore-Vertreter des deutschen Berufsbeamtentums die Botschaft aus Karlsruhe gleichsam begeistert aufgenommen haben: „Mit seiner Entscheidung hat das oberste deutsche Gericht unsere Rechtsauffassung zum Beamtenstatus einhundertprozentig bestätigt“, so wird kein geringerer als der Bundesvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (dbb), Ulrich Silberbach, von seiner eigenen Organisation zitiert.

Aber müssten die nicht eigentlich zerknirscht sein, denn der dbb verhandelt doch über die Besoldung der Beamten wie andere Gewerkschaften über die Löhne und Gehälter? Wäre da das Druckmittel eines Arbeitskampfes nicht eine anstrebenswerte Angelegenheit? 

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Bildungsforschung: Auf dem Gymnasium abstürzende Einser-Schüler durch einen „falschen Familienhintergrund“ und der potenzielle Segen kleinerer Klassen in der Grundschule

Immer wieder ist das ein Thema: die ausgeprägte soziale Selektivität des deutschen Schulsystems (wobei die Verwendung des Begriffs System und dann noch angesichts des föderalen Flickenteppichs des Singulars ein doppelter Euphemismus ist). Anders ausgedrückt: Gerade in Deutschland hat der familiale Hintergrund der Kinder und Jugendlichen einen sehr großen Stellenwert. Zugespitzt formuliert behaupten einige: Auf das Elternhaus kommt es an – und damit auch: Die Bildungsinstitutionen schaffen es nicht, die unterschiedlichen Startbedingungen auch nur annähernd auszugleichen. Nicht wenige würden sicher so weit gehen zu sagen, dass manche Bildungsinstitutionen sogar die Scherenentwicklung zwischen unten und oben aktiv mit vorantreiben (vgl. dazu auch mit Blick auf das Hochschulsystem den Beitrag Soziale Selektivität der Hochschulen: Beim „Bildungstrichter“ kommen von denen, die oben reinkommen, unten teilweise nur ganz wenige raus. Und man muss sich hier unten als oben denken vom 13. Mai 2018).

Wenn die Polizei osteuropäische Lkw-Fahrer mit Flugblättern von der Gewerkschaft versorgt, dann muss es schlimm bestellt sein. Aber es geht noch schlimmer bei der Beschaffung von Arbeitskräftematerial

Über die teilweise nur noch als skandalös und menschenunwürdig zu bezeichnenden Zustände, unter denen viele Lkw-Fahrer vor allem aus Osteuropa auf den Straßen ihr Dasein fristen müssen, wird immer wieder in den Medien berichtet. Auch in diesem Blog, so beispielsweise am 30. Juli 2017 unter der Überschrift Von wegen Trucker-Mythos. Die Lkw-Fahrer als letztes Glied einer hoch problematischen Verwertungskette. Und es sind nicht nur die großen Brummis – viele Bürger bekommen tagtäglich unmittelbar Kontakt mit den angeheuerten Hilfstruppen aus osteuropäischen Ländern, mit denen die Paketdienste versuchen, die stetig wachsenden auszuliefernden Mengen zu bewältigen.
Das passiert natürlich deshalb, weil die billigen Arbeitskräfte ein wesentlicher Kostenfaktor in den Geschäftsmodellen der Speditionen und Paketdienste darstellen. Aber halt, wird der eine oder andere an dieser Stelle einwenden: Es gibt doch seit 2015 den gesetzlichen Mindestlohn und der sollte doch nun wirklich die schlimmsten Lohndumping-Exzesse verhindern. Und wurde nicht erst vor kurzem die frühe Botschaft vermittelt, dass die EU mit einer neuen Entsenderichtlinie der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft Einhalt gebieten will? Dazu der Beitrag Umrisse eines Europas, das schützt und den Arbeitnehmern nicht die kalte Schulter zeigt? Ein Blick auf die sozialpolitischen Ambitionen der EU-Kommission für die europäische Ebene vom 16. März 2018. Aber der eine oder andere wird sich auch daran erinnern: Die bewusst Vergessenen: Die Lkw-Fahrer bleiben bei der Reform des EU-Entsenderechts auf der Strecke vom 26. Oktober 2017.

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