Was könnte man machen gegen die abnehmende Tarifbindung? Zur möglichen Bedeutung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen

In regelmäßigen Abständen wird – auch hier – über eine abnehmende Tarifbindung berichtet. Mitte der 90er Jahre waren in Westdeutschland noch 70 Prozent der Beschäftigten Unternehmen beschäftigt, die der Tarifbindung unterlagen – im vergangenen Jahr 2020 ist dieser Anteil auf 45 Prozent gesunken (40 Prozent, wenn man nur die Privatwirtschaft betrachtet), in Ostdeutschland waren es sogar nur noch 32 Prozent (bzw. 24 Prozent in der Privatwirtschaft). So einige aktuelle Zahlen aus dem Beitrag Fortgeschriebene Schwindsucht: Die Tarifbindung in Deutschland nimmt weiter ab und die Kernzone des dualen Systems mit Betriebsrat und Tarifvertrag schrumpft, der hier am 20. Mai 2021 veröffentlicht wurde.

Natürlich stellt sich in diesem Kontext die Frage, was man gegen diese Entwicklung machen könnte (wenn man denn daran ein Interesse hat). Welche Möglichkeiten zur Stärkung der Tarifbindung der Unternehmen in Deutschland geeignet sind, ist unter Sachverständigen umstritten. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages deutlich, die am 7. Juni 2021 stattgefunden hat.

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„24-Stunden-Betreuung“: Von einer unlösbaren Gleichung aus den Untiefen der deutschen Pflegepolitik bis hin zu einer scheinbaren Lösung aus Österreich

Die Reaktionen auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu den Betreuungskräften aus Osteuropa (vgl. dazu ausführlicher die Besprechung der Entscheidung in dem Beitrag Aus der Schattenwelt des deutschen Pflegesystems: Die un-mögliche „24-Stunden-Betreuung“ als Geschäftsmodell ist beim Bundesarbeitsgericht aufgelaufen vom 24. Juni 2021) streuen zwischen Panik bis hin zu einer Fortsetzung der bisher dominanten Form der Nicht-Auseinandersetzung nach dem Modell der drei Affen (nichts sehen, nichts hören und vor allem nichts sagen). Die angesprochene Panik wird dann auch in der Begriffswahl deutlich erkennbar, so beispielsweise in dem Statement des Sozialverbands VdK Deutschland, deren Präsidentin Vera Bentele mit diesen Worten zitiert wird: „Es droht das Armageddon der häuslichen Pflege“. Darin findet man diese Aussage, die man einfach mal sacken lassen muss: »Rund-um-die-Uhr Pflege ist nur noch mit Mindestlohn legal. Für die allermeisten wird sie damit unbezahlbar.« Auch sehr aufschlussreich ist ein Interview mit dem Pflegeexperten Claus Fussek, der bekannt dafür ist, dass er auf Missstände in der Pflege skandalisierend hinzuweisen versucht: »Das ist ein Schock für viele, die Angehörige zu Hause pflegen«, so ist das Gespräch mit ihm überschrieben. Das insofern eine besondere Authentizität bekommt, als dass er sich selbst als Nutzer dieser zuweilen als „3. Säule“ des deutschen Pflegesystems bezeichneten Betreuungsform geoutet hat.

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Aus der Schattenwelt des deutschen Pflegesystems: Die un-mögliche „24-Stunden-Betreuung“ als Geschäftsmodell ist beim Bundesarbeitsgericht aufgelaufen

»Es gibt zahlreiche Urteile, die Tag für Tag von deutschen Gerichten gefällt werden. Die meisten interessieren nur die unmittelbar Betroffenen. Aber einige Entscheidungen haben über den konkreten Einzelfall hinaus eine solche Bedeutung, dass sie ein Erdbeben verursachen und viele andere, nur scheinbar Unbeteiligte, mehr als unruhig werden. Mit einer solchen hat man es zu tun, wenn man sich das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2020, Az. 21 Sa 1900/19, anschaut: Mindestlohn für Einsatz in der umfassenden häuslichen Betreuung, so ist die Pressemitteilung des Gerichts dazu überschrieben.« So begann der Beitrag Ein un-mögliches Geschäftsmodell: Die sogenannte „24-Stunden-Betreuung“ als eigene Säule des deutschen Pflegesystems wird von der Rechtsprechung ins Visier genommen, der hier am 17. August 2020 veröffentlicht wurde. Am Ende des Beitrags findet man diesen Hinweis: »Die hier besprochene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg wird möglicherweise in diesem hunderttausende Familien betreffenden Bereich Geschichte schreiben – man muss nun aber (weiter) warten, ob sich auch das Bundesarbeitsgericht der Sache annehmen wird bzw. das muss.«

Das nun ist passiert und heute hat das Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung getroffen, die sich einfügt in die damals hier vorgenommene Charakterisierung des Urteils des Landesarbeitsgerichts aus dem August 2020: Eine »Entscheidung …, die nun für ein Erdbeben in der Branche sorgen wird, denn – auch das erklärt die Aufregung – das Verfahren bezog sich ja auf zurückliegende Zeiten und könnte/wird Nachahmerinnen finden.«

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