Und wieder einmal grüßt täglich das Murmeltier: Hartz IV und die Wohnungsfrage

In wenigen Tagen, zum Jahresanfang 2016, wird „Hartz IV“ erhöht – bei einer alleinstehenden Person von derzeit noch 399 Euro um fünf Euro auf 404 Euro. Aber damit ist nur ein Teil dessen gemeint, was unter „Hartz IV-Leistungen“ zu subsumieren ist. Der Betrag in der genannten Höhe ist der „Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts“ nach § 20 SGB II, daneben gibt es für bestimmte Fallkonstellationen noch einige wenige Mehrbedarfe (z.B. für Alleinerziehende) und als weiterer großer Leistungsbereich neben dem Regelsatz gibt es dann noch die Kostenübernahme für Unterkunft und Heizung. Der § 22 SGB II präzisiert bzw. begrenzt den letzten Punkt: „Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.“ Und da fängt der Ärger an, denn es handelt sich bei der Formulierung „angemessen“ um einen der im Sozialrecht weit verbreiteten unbestimmten Rechtsbegriffe, deren Auslegung und Infragestellung Lohn und Brot für einen ganzen Zweig der Juristerei sicherzustellen vermag. Aber für die Betroffenen hat das alles ganz handfeste Konsequenzen: »Sparen auf Kosten der Ärmsten: Im vergangenen Jahr versagten Jobcenter Bedürftigen fast 800 Millionen Euro Sozialleistungen. 620 Millionen davon entfielen auf nicht anerkannte Wohnkosten. Im Schnitt musste damit jede der 3,26 Millionen »Bedarfsgemeinschaften«, also Familien, die Hartz IV beziehen, 200 Euro Miete aus dem Regelsatz zuzahlen«, so Christina Müller in ihrem Artikel Zu wenig zum Leben

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Die Jugendgewalt geht zurück und verschiebt sich zugleich in die Großsiedlungen am Stadtrand. Über verblassende Mythen, die Umrisse deutscher Banlieues und die Bedeutung von Arbeit

Immer wieder ploppt das im Strom der von den Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie beherrschten Medien auf, wird an die Spitze der aufgeregt plappernden Medien gespült, um kurz darauf von der nächsten gesellschaftlichen Sau, die durchs Dorf getrieben wird, abgelöst zu werden. Auslöser ist zumeist ein schrecklicher Einzelfall exzessiver Jugendgewalt, auf den sich die Medien stürzen und der allein schon aufgrund der Tatsache, dass alle ein paar Tage lang rauf und runter darüber berichten, bei den Nachrichten- und Kommentar-Konsumenten den Eindruck vermitteln muss, unser Land versinkt in einem Morast außer Kontrolle geratener Gewalt immer hemmungsloser agierender junger Menschen. In Talkshows wird dann darüber geplaudert, wie man die Sicherheit wieder herstellen kann. Aber wie so oft bei diesem monothematischen Herdentrieb vieler Medien fehlt die sorgfältige Nachbeobachtung und die Berichterstattung, wenn es positive Botschaften zu vermelden gibt, vielleicht weil damit die Angst- und Bedrohungsgefühle nicht aktiviert werden können und ohne Skandalisierung kein Geschäft zu machen ist. So setzen sich bestimmte Bilder in den Köpfen fest, etwa die von der – angeblich – stetig zunehmenden Jugendgewalt, von immer enthemmter ihren Aggressionen freien Lauf lassenden Jugendlichen, von der Korrelation der Jugendgewalt mit Migrationshintergrund.

Wie so oft bleibt es dann der unaufgeregten wissenschaftlichen Beobachtung überlassen, die eigentlich relevante Frage zu stellen und Antwortversuche zu geben: Ist das wirklich so? Was kann man – über spektakuläre Einzelfälle hinaus – generell beobachten?

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Berliner Signal an die Wohnungspolitik: Wenn schon die Mietpreisbremse nicht so wirklich funktioniert, dann wenigstens die Kappungsgrenze bei Mietsteigerungen im Bestand?

Über ein neues Urteil mit grundsätzlicher Bedeutung für die Wohnungspolitik wird berichtet: Berlin darf Mieten überall begrenzen: Die deutschen Städte bekommen einen weiten Spielraum, um die Mietsteigerung zu bremsen. Die Deckelung der Mieten ist rechtens, hat der Bundesgerichtshof entschieden. Vgl. dazu auch die Mitteilung des BGH: Bundesgerichtshof bestätigt Rechtmäßigkeit der Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin. »Vermieter in Berlin können die Miete nur in kleinen Schritten erhöhen. Die Steigerung darf 15 Prozent innerhalb von fünf Jahren nicht überschreiten. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden, mit dem er die Rechtslage in Berlin bestätigte (Az.: VIII ZR 217/14). Dort begrenzt die „Kappungsgrenzen-Verordnung“ Mietsteigerungen – und zwar für alle Stadtteile gleichermaßen.«

Diese Entscheidung eröffnet den Kommunen in Deutschland einen weiten Gestaltungsspielraum, um in die Mietentwicklung einzugreifen. Dazu, so Corinna Budras in ihrem Artikel, »hat die Politik in den vergangenen Jahren vor allem zwei Instrumente geschaffen: die Kappungsgrenzen für schon bestehende Mietverhältnisse, um die es in dem aktuellen Fall ging; seit Juli haben die Städte zudem die Möglichkeit, auch für neue Mietverträge eine Mietpreisbremse zu erlassen.« Über das neue Instrumentarium der Mietpreisbremse und den derzeitigen erheblichen Problemen, es mit Leben zu füllen vor allem angesichts der in vielen Kommunen fehlenden Mietpreisspiegel, wurde im Blog-Beitrag Der „Wohnungsmarkt“. Von ungebremsten Preisspiralen über Schlupflöcher in einem vielleicht gut gemeinten Gesetz bis hin zur neuen Konkurrenz ganz unten vom 04.11.2015 ausführlich berichtet.Gegen das andere Instrument, also die Kappungsgrenze für bereits bestehende Mietverhältnisse, hatte sich ein Eigentümer gewehrt, der die Miete seiner Wohnung in Berlin-Wedding um 45 Euro im Monat und damit gleich um 20 Prozent erhöhen wollte. Er hielt die Verordnung für unwirksam, weil sie für das gesamte Stadtgebiet gilt, ohne zu unterscheiden, ob der Wohnungsmarkt in dem betroffenen Bezirk tatsächlich besonders angespannt ist.

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Der „Wohnungsmarkt“. Von ungebremsten Preisspiralen über Schlupflöcher in einem vielleicht gut gemeinten Gesetz bis hin zur neuen Konkurrenz ganz unten

Das gehört an den Anfang einer jeden Auseinandersetzung mit dem „Wohnungsmarkt“: Wir sprechen hier nicht über die Frage, ob man sich mehr oder weniger von etwas leisten kann. Ob es heute oder vielleicht erst morgen oder übermorgen finanzierbar ist. Wir sprechen über eine existenzielle Angelegenheit. Ein Dach über dem Kopf. Einen warmen Ort. Ein Rückzugsgebiet. Zugleich ist selbst das in der Umlaufbahn der alles umschlingenden Marktkräfte mit ihren Eigenheiten von Angebot und Nachfrage, die man nicht wegdefinierten kann, was man besonders dann schmerzhaft zu spüren bekommt, wenn die Relationen zwischen Angebot und Nachfrage ins Ungleichgewicht rutschen und sich dort häuslich einrichten. Das ist natürlich ein echtes Problem für diejenigen, die sich aus welchen Gründen auch immer nur billigen Wohnraum leisten können oder deren tatsächliche oder unterstellte Merkmale zu einem Ausschluss bei den Vermietern führen, die also einfach nicht zum Zuge kommen können. Aber auch die, denen (noch) eine bezahlbare Wohnung vergönnt ist, stehen unter echtem Druck, denn jede Veränderung würde in vielen Städten zu einer erheblichen Kostensteigerung führen. Genau an dieser Stelle hat der Gesetzgeber ein Einsehen gehabt und zwischenzeitlich das Instrumentarium der „Mietpreisbremse“ eingeführt, um den Prozess der beobachtbaren Mietsteigerungen zwar nicht aufzuhalten , aber wenigstens abzubremsen. 

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Wohnst Du noch oder schon? Und wie? Von der „Marktekstase“ bis hin zur Suche nach praktischen Lösungen für ein Dach über dem Kopf

Die Wohnungsfrage, die für Menschen mit niedrigen bis hin zu mittleren Einkommen – bereits seit langem vor dem Ankommen der vielen Flüchtlinge – vor allem in vielen (groß)städtischen Regionen eine höchst brisante war und ist, wurde im Beitrag (Nicht-)Wohnen: Die alte neue soziale Frage. Von einem Sprengsatz in unserer Gesellschaft mit erheblicher Splitterwirkung bereits als eine der zentralen sozialpolitischen Herausforderungen aufgerufen. Und die Bundesregierung liefert selbst einen Beitrag für die in diesem Kontext zu führenden Diskussionen, wurde doch nun der neue, alle vier Jahre vorzulegende Wohngeld- und Mietenbericht 2014, der den Zeitraum 2011 bis 2014 abdeckt, veröffentlicht (vgl. dazu beispielsweise Es wird eng in den Städten: »In Deutschlands Groß- und Universitätsstädten wird es immer schwieriger, bezahlbare Wohnungen zu finden. Das betrifft zunehmend auch Mieter mit mittlerem Einkommen.« Das zuständige Bundesbauministerin führt zum Wohngeld- und Mieterbericht 2014 aus: »Die seit 2009 zu verzeichnende Dynamik auf den Wohnungsmärkten der wirtschaftsstarken Zuzugsräume und vieler Groß- und Universitätsstädte hält weiter an. Hier sind weiterhin deutliche Mietsteigerungen und vielerorts spürbare Wohnungsmarktengpässe zu verzeichnen. Die aktuell hohen Flüchtlingszahlen verstärken die vorhandenen Knappheiten auf den Wohnungsmärkten zusätzlich. Vor allem einkommensschwächere Haushalte, aber auch zunehmend Haushalte mit mittleren Einkommen, haben Schwierigkeiten eine bezahlbare Wohnung zu finden.« 

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