Gentrifizierung – die zerstörerischen Schneisen hinter einem abstrakten Begriff und die Maschinerie von Angebot und Nachfrage

Auch wenn das im noch laufenden Wahlkampf wie so viele andere wahrlich bedeutsame Themen keine Rolle spielt – eine der ganz großen sozialen Fragen, mit denen wir es zu tun haben und die absehbar an Konfliktintensität und Verzweifelungspotenzial gewinnen wird, ist die Wohnungsfrage. Ein eklatanter Mangel an bezahlbarem Wohnraum für die vielen Menschen in den unteren und zunehmend auch mittleren Einkommensschichten in den (groß)städtischen Wachstumsregionen ist bereits vorhanden und wird sich der Mechanik der großen Angebots-Nachfrage-Maschienerie entsprechend weiter entfalten müssen, wenn man nicht korrigierend eingreift. Wenn man das überhaupt kann.

In diesem Zusammenhang wird immer wieder in der Debatte über das, was in vielen Großstädten abläuft, der Begriff der „Gentrifizierung“ verwendet.

Was muss man sich darunter vorstellen? Das Deutsche Institut für Urbanistik (DIFU) sollte das wissen. 2011 hat das Institut einen Erläuterungsversuch veröffentlicht. Die Stadtforscher schreiben in ihrem kurzen Beitrag Was ist eigentlich Gentrifizierung?: »Der Begriff Gentrifizierung wurde in den 1960er Jahren von der britischen Soziologin Ruth Glass geprägt, die Veränderungen im Londoner Stadtteil Islington untersuchte. Abgeleitet vom englischen Ausdruck „gentry“ (= niederer Adel) wird er seither zur Charakterisierung von Veränderungsprozessen in Stadtvierteln verwendet und beschreibt den Wechsel von einer statusniedrigeren zu einer statushöheren (finanzkräftigeren) Bewohnerschaft, der oft mit einer baulichen Aufwertung, Veränderungen der Eigentümerstruktur und steigenden Mietpreisen einhergeht.« 

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Eine immer größer werdende Kluft zwischen Stadt und Land. Zwei Millionen Wohnungen stehen leer, gleichzeitig werden Millionen Wohnungen gebraucht

Der Leerstand in Deutschland nimmt dramatisch zu: Inzwischen stehen etwas mehr als zwei Millionen Wohnungen leer. Und dieses Problem trifft vor allem ländliche Regionen. Das geht aus dem Bericht Wohnungs- und Immobilienmärkte in Deutschland 2016 des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hervor. Benedikt Müller hat sich den angeschaut und wichtige Befunde aus dem Bericht in seinem Artikel Zwei Millionen Wohnungen in Deutschland stehen leer aufbereitet:  »In den Ballungsräumen steigen Mieten und Kaufpreise stark, aber in ländlichen Regionen drohe ein Preisverfall … Die Experten schätzen, dass bundesweit inzwischen etwas mehr als zwei Millionen Wohnungen leerstehen. 2011 waren es noch rund 1,8 Millionen. Damit steigt die Leerstand-Quote von 4,5 auf 5,1 Prozent. Bereits jetzt seien Häuser vielerorts „schwierig zu vermarkten“, sagen die Forscher. Sollten noch mehr Menschen vom Land in die Ballungsräume ziehen, drohten vielen Eigentümern „gravierende finanzielle und organisatorische Probleme“.« 

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Wohnen mit Hartz IV? Dann reicht es immer öfter nicht für die Kosten der Unterkunft. Beispielsweise in Berlin

Im § 22 SGB II heißt es gleich am Anfang: »Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.« Was sich einfach und klar anhört, entpuppt sich in der Praxis als hoch problematisch. Das lässt sich festmachen an dem unbestimmten Rechtsbegriff „angemessen“. Wann genau sind denn die Kosten angemessen und ab wann nicht mehr? Bereits am 20. Dezember 2015 war das hier Thema: Und wieder einmal grüßt täglich das Murmeltier: Hartz IV und die Wohnungsfrage. Darin wurde mit Bezug auf das Jahr 2014 zitiert: »Sparen auf Kosten der Ärmsten: Im vergangenen Jahr versagten Jobcenter Bedürftigen fast 800 Millionen Euro Sozialleistungen. 620 Millionen davon entfielen auf nicht anerkannte Wohnkosten. Im Schnitt musste damit jede der 3,26 Millionen »Bedarfsgemeinschaften«, also Familien, die Hartz IV beziehen, 200 Euro Miete aus dem Regelsatz zuzahlen«, so Christina Müller in ihrem Artikel Zu wenig zum Leben. Und im vergangenen Jahr wurde eine Studie zur Situation in Berlin publiziert unter dem Titel  Zwangsräumungen und die Krise des Hilfesystems, der man entnehmen kann: »Die sogenannten „Bemessungsgrenzen der Kosten der Unterkunft“ der Jobcenter halten mit den steigenden Mieten in der Bundeshauptstadt nicht mehr mit, so dass Betroffene die Differenz entweder aus eigener Tasche zahlen müssen oder dem Vermieter schuldig bleiben.«

Und nun die Fortsetzungsgeschichte unter der trocken daherkommenden Überschrift Hartz-IV-Empfängern reicht das Geld zum Wohnen nicht von Isabell Jürgens, die auch über Berlin berichtet: »Bei 120.000 Hartz-IV-Haushalten in Berlin decken die bewilligten Wohnkostenerstattungen nicht die tatsächlichen Kosten.« 

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Die Armut älterer Menschen und die Wohnungsfrage. Eine Studie und viele offene Fragen

In der neueren Armutsdiskussion – beispielsweise rund um den im Februar 2016 veröffentlichten Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und anderer Sozialverbände (vgl.  Zeit zu handeln. Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland 2016) – spielt das Thema Altersarmut eine wichtige Rolle. Bislang konnte man sagen, dass die Altersarmut – wenn man sie denn misst an den Einkommensarmutsgefährdungsquoten – noch nie so niedrig war wie in den zurückliegenden Jahren. Das ist durchaus auch und gerade als ein Erfolg der „alten“, umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung als wichtigster Säule des Alterssicherungssystems zu verstehen. Aber offensichtlich verändert sich mit Blick auf diese Personengruppe einiges zu deren Ungunsten. So schreiben die Herausgeber des neuen Armutsberichts: »Hauptrisikogruppen seien Alleinerziehende und Erwerbslose sowie Rentnerinnen und Rentner, deren Armutsquote rasant gestiegen sei und erstmals über dem Durchschnitt liege.«

Auf einen ganz besonders wichtigen, in der bisherigen Diskussion über Altersarmut immer noch aber vernachlässigten Aspekt weist eine neue Studie hin, die vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) veröffentlicht worden ist: Lebenslagen und Einkommenssituation älterer Menschen. Implikationen für Wohnungsversorgung und Wohnungsmärkte, so ist sie überschrieben. Erstellt wurde sie von Analyse & Konzepte. Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung aus Hamburg und dem Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) aus Köln. 

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Die Frage nach einer bezahlbaren Wohnung zwischen einer Renaissance des sozialen Wohnungsbaus und eigentlich mieterfreundlichen Mietspiegel-Veränderungen

Das ist nun wirklich nicht zu bestreiten: Die Wohnungsfrage ist und wird eine der großen sozialen Fragen in unserer Gesellschaft, deren Brisanz man angesichts des existenziellen Charakters von Wohnen auf keinen Fall unterschätzen darf und sollte. Immer mehr Menschen suchen vor allem in den (groß)städtischen Räumen nach halbwegs bezahlbaren Wohnraum. Daneben gibt es weiterhin einen nicht unerheblichen Leerstand in ländlichen Regionen, aber auch in einigen altindustrialisierten, sagen wir besser: entindustrialisierten Räumen. Dort kommen dann oft noch die Probleme sich verfestigender Armutsspiralen auf der Ebene von Stadtteilen hinzu. Neben der bereits bestehenden Grundproblematik wäre der zusätzliche Bedarf an günstigem Wohnraum durch die Zuwanderung in Rechnung zu stellen. Nun beginnt auch die Politik auf diese Entwicklungen zu reagieren und stellt eine Menge Geld für eine Neubelebung des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung bzw. kündigt dies an.

In seinem Artikel Baugrube sozialer Wohnungsbau wirft Michael Psotta diese Frage auf: »Hunderttausende Wohnungen fehlen, und zwar vor allem günstige Mietwohnungen. Der Mangel wird durch die Zuwanderung der Flüchtlinge verschärft. Berlin reagiert jetzt mit der Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus. Was bringt das?« 

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