Wenn der „Kommission Verlässlicher Generationenvertrag“ zur Alterssicherung ab 2025 die Verlässlichkeit eines Mitglieds abhanden kommt: „Erwarten Sie besser gar nichts“

Das Themenfeld Alterssicherung ist ein vermintes Gelände und angesichts des Streits um und der fragilen Verständigung auf eine „Grundrente“, die nun durch das Bundeskabinett geschleust werden soll, aber auch angesichts der anhaltenden Debatte über das zunehmende Problem der Altersarmut für einen Teil der Senioren, liegen die Nerven vieler Politiker blank. Da kann man keine (scheinbaren) Hiobsbotschaften verkraften. Und eine solche wurde uns von der FAZ serviert: Rentenkommission vor dem Aus, so hat Kerstin Schwenn ihren Artikel überschrieben – und das ohne ein Fragezeichen, wie eine gleichsam amtliche Verlautbarung daherkommend. Was ist da los?

Rentenkommission? Der eine oder andere wird sich erinnern: Im Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD aus dem Jahr 2018 findet man im Kapitel „Soziale Sicherheit gerecht und verlässlich gestalten“ diese Vereinbarung: »Vertrauen in die langfristige Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung ist ein hohes Gut in unserem Sozialstaat. Deshalb werden wir die gesetzliche Rente auf heutigem Niveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2025 absichern und bei Bedarf durch Steuermittel sicherstellen, dass der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen wird. Für die Sicherung des Niveaus bei 48 Prozent werden wir in 2018 die Rentenformel ändern und parallel dazu eine Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ einrichten, die sich mit den Herausforderungen der nachhaltigen Sicherung und Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und der beiden weiteren Rentensäulen ab dem Jahr 2025 befassen wird. Sie soll eine Empfehlung für einen verlässlichen Generationenvertrag vorlegen. Dabei streben wir eine doppelte Haltelinie an, die Beiträge und Niveau langfristig absichert. Die Rentenkommission soll ihren Bericht bis März 2020 vorlegen.« (S. 92; Hervorhebung nicht im Original).

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Die geschrumpfte und mit viel Frustrationspotenzial versehene „Grundrente“ wird jetzt durchgezogen. Ein weiteres Lehrstück (nicht nur) für die bewusste Produktion handwerklicher Fehler in Gesetzgebungsverfahren

Was war das für ein Gewürge um die sogenannte „Grundrente“ in den vergangenen Monaten gewesen – aber nun können wir alle aufatmen: »Die Bundesministerien für Arbeit und Gesundheit haben eine Einigung bei der Grundrente verkündet. Finanziert werden soll sie komplett aus Steuermitteln«, kann man beispielsweise dieser Meldung entnehmen, die hoffen lässt: Bundesregierung einig über letzte Details der Grundrente. Jetzt haben die das also in Berlin endlich hinbekommen, die vielen offenen Fragen, die gerade in den vergangenen Wochen immer wieder vorgetragen und problematisiert wurden, sind von den Fachleuten beantwortet und in ein auch administrativ umsetzbares Verfahren gegossen worden. Insofern können wir also diese Baustelle schließen und uns wieder dem von angeblichen Polit-Profis angerichteten Scherbenhaufen in Thüringen zuwenden.

Aber so einfach, man ahnt es schon, ist es dann leider auch nicht. Ganz im Gegenteil, wir werden konfrontiert mit einem Lehrstück aus der Reihe: Wie rette ich einen geschrumpfte und zerstückelte Idee zur Verbesserung der Lebenslage von Menschen, in dem ich auf Teufel komm raus das, was übrig geblieben ist, gesetzgeberisch auf den Weg bringe, ungeachtet der zahlreichen Kollateralschaden, die ich damit anrichten werde?

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Die Rentenfrage als große Leerstelle der AfD. Von „parteischädigenden“ neoliberalen Abbau- und national-sozialen Umbauphantasien sowie einer Verschieberitis der Klärung des Unvereinbaren

Da ist offensichtlich richtig Feuer unterm Dach: Wer im politischen Wettstreit rausgehe und den Wählern erkläre, er nehme ihnen die gesetzliche Rente weg, dem könne er nur sagen, dass das parteischädigendes Verhalten sei, so der Thüringer Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl bei einer AfD-Veranstaltung in Magdeburg. „Es wäre schon schön, wenn die AfD nicht als die Partei in die Geschichte eingeht, die die gesetzliche Rente abschaffen will.“ Der dem völkisch-nationalistisch ausgerichteten Flügel um Björn Höcke angehörende Abgeordnete richtet diesen Vorwurf direkt an den Parteichef der AfD, Jörg Meuthen.

»Konkret geht es um den Forderung Meuthens, die umlagefinanzierte gesetzliche Rente abzuschaffen. Demnach sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer künftig nicht mehr in die Rentenkasse einzahlen müssen. Im Gegenzug aber erwerben die Deutschen auch kaum noch Ansprüche im Alter. Über Steuern finanziert, sollen alle Bürger maximal eine Grundrente ausgezahlt bekommen, die knapp das Existenzniveau sichert. Wer im Ruhestand mehr will, muss privat vorsorgen: über Allianz, Generali und Co.«, so Mirko Wenig in seinem Artikel AfD streitet über Rente: „Meuthens Pläne parteischädigend“. Dass die Vorstellungen des „Flügels“ innerhalb der AfD völlig konträr sind zu dem, was die Neoliberalen um Meuthen vor Augen haben, kann man auch diesen Hinweisen zu dem Rentenkonzept von Höcke & Co. entnehmen:

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Die Grundrente von oben und unten. Dazwischen gibt es eine große Lücke und unten eine Menge handfester Probleme. Ein Lehrstück dafür, dass gut gemeint nicht immer auch gut gemacht werden kann

Das aktuelle Gezerre um die nun anstehende gesetzgeberische Umsetzung der Grundrente legt den Finger auf eine ziemlich große offene Wunde, die man auch in vielen anderen sozialpolitischen Bereichen zur Kenntnis nehmen muss: eine zunehmende Diskrepanz zwischen dem, was man oben denkt und glaubt sowie dem, was man unten, im Maschinenraum des Sozialstaates, zu leisten imstande ist. Und das nicht, weil man nicht will, sondern weil sich die Anforderungen dessen, was von oben kommt, mit dem beißt, was unten möglich gemacht werden kann. Oftmals muss man den Eindruck bekommen, dass die Verantwortlichen tatsächlich glauben, man muss nur auf eine Tastatur drücken und auch komplizierte Berechnungen für Millionen Fälle werden gleichsam in Warp-Geschwindigkeit wie von Zauberhand geräuschlos ausgeführt.

Und wären wir alle normierte, standardisierte Fälle, die man entsprechend aggregieren kann, dann würde das vielleicht sogar funktionieren – aber die Menschen sehen nicht nur sehr unterschiedlich aus, sie sind es auch hinsichtlich der Vielfalt ihrer Lebensumstände sowie ihrer gradlinigen oder aber gebrochen und zerstückelt daherkommenden Erwerbsbiografien. Und das bei vielen Menschen ziemlich oft und recht heftig schwankenden Einkommen aus zumeist mehreren Quellen muss dann auch noch in Rechnung gestellt werden. Und ob sie alleine, mit einem Ehepartner oder in „wilder Ehe“ zusammenlebend auftauchen. Man ahnt es schon, es wird kompliziert, vor allem dann, wenn man die Welt der Powerpoint-Folien und auch vieler gesetzlichen Bestimmungen verlassen und absteigen muss in die Niederungen der Umsetzungsrealität. Reden wir also über die geplante und sogenannte „Grundrente“.

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Immer mehr Rentner müssen Einkommenssteuer bezahlen. (K)ein Problem? Ein Exkurs in die unübersichtlichen Tiefen des Renten- und Steuerrechts

Es gibt Meldungen, die für sich genommen eine Menge Aufregerpotenzial haben. Das hier ist so eine: Fiskus greift bei Rentnern zu: »Rentner zahlen immer mehr Einkommensteuer. So flossen nach den jüngsten Zahlen 2015 rund 34,65 Milliarden Euro Einkommensteuer von Steuerpflichtigen mit Renteneinkünften an den Staat … 2014 waren es erst 31,44 Milliarden Euro, 2005 erst 15,55 Milliarden Euro. Während es beim gesamten Steueraufkommen zwischen 2005 und 2015 eine Steigerung von rund 50 Prozent gab, waren es bei der Einkommensteuer der Rentner rund 130 Prozent.«

Die Reaktionen darauf sind wie so oft in den heutigen Zeiten polarisiert: Während auf der einen Seite viele empört sind, dass nun auch „die“ Rentner vom Finanzamt in die Mangel genommen werden und die an sich schon überschaubaren Renten zusätzlich belastet werden, was nur als „Abzocke“ zu verstehen sei, melden sich andere zu Wort und verneinen jede Relevanz dieser Information, denn das Bundesverfassungsgericht habe schon vor Jahren geurteilt, dass die zunehmende Besteuerung von gesetzlichen Renten völlig in Ordnung gehen würde. Man erlebe hier wieder einmal einen aufgebauschten Strom im Wasserglas.

Wie so oft bei sozial- und steuerpolitischen Fragen gibt es für beide Seiten teilweise gute Argumente und die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den beiden skizzierten Polen. Um was genau geht es hier?

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