Die Grundrente von oben und unten. Dazwischen gibt es eine große Lücke und unten eine Menge handfester Probleme. Ein Lehrstück dafür, dass gut gemeint nicht immer auch gut gemacht werden kann

Das aktuelle Gezerre um die nun anstehende gesetzgeberische Umsetzung der Grundrente legt den Finger auf eine ziemlich große offene Wunde, die man auch in vielen anderen sozialpolitischen Bereichen zur Kenntnis nehmen muss: eine zunehmende Diskrepanz zwischen dem, was man oben denkt und glaubt sowie dem, was man unten, im Maschinenraum des Sozialstaates, zu leisten imstande ist. Und das nicht, weil man nicht will, sondern weil sich die Anforderungen dessen, was von oben kommt, mit dem beißt, was unten möglich gemacht werden kann. Oftmals muss man den Eindruck bekommen, dass die Verantwortlichen tatsächlich glauben, man muss nur auf eine Tastatur drücken und auch komplizierte Berechnungen für Millionen Fälle werden gleichsam in Warp-Geschwindigkeit wie von Zauberhand geräuschlos ausgeführt.

Und wären wir alle normierte, standardisierte Fälle, die man entsprechend aggregieren kann, dann würde das vielleicht sogar funktionieren – aber die Menschen sehen nicht nur sehr unterschiedlich aus, sie sind es auch hinsichtlich der Vielfalt ihrer Lebensumstände sowie ihrer gradlinigen oder aber gebrochen und zerstückelt daherkommenden Erwerbsbiografien. Und das bei vielen Menschen ziemlich oft und recht heftig schwankenden Einkommen aus zumeist mehreren Quellen muss dann auch noch in Rechnung gestellt werden. Und ob sie alleine, mit einem Ehepartner oder in „wilder Ehe“ zusammenlebend auftauchen. Man ahnt es schon, es wird kompliziert, vor allem dann, wenn man die Welt der Powerpoint-Folien und auch vieler gesetzlichen Bestimmungen verlassen und absteigen muss in die Niederungen der Umsetzungsrealität. Reden wir also über die geplante und sogenannte „Grundrente“.

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Immer mehr Rentner müssen Einkommenssteuer bezahlen. (K)ein Problem? Ein Exkurs in die unübersichtlichen Tiefen des Renten- und Steuerrechts

Es gibt Meldungen, die für sich genommen eine Menge Aufregerpotenzial haben. Das hier ist so eine: Fiskus greift bei Rentnern zu: »Rentner zahlen immer mehr Einkommensteuer. So flossen nach den jüngsten Zahlen 2015 rund 34,65 Milliarden Euro Einkommensteuer von Steuerpflichtigen mit Renteneinkünften an den Staat … 2014 waren es erst 31,44 Milliarden Euro, 2005 erst 15,55 Milliarden Euro. Während es beim gesamten Steueraufkommen zwischen 2005 und 2015 eine Steigerung von rund 50 Prozent gab, waren es bei der Einkommensteuer der Rentner rund 130 Prozent.«

Die Reaktionen darauf sind wie so oft in den heutigen Zeiten polarisiert: Während auf der einen Seite viele empört sind, dass nun auch „die“ Rentner vom Finanzamt in die Mangel genommen werden und die an sich schon überschaubaren Renten zusätzlich belastet werden, was nur als „Abzocke“ zu verstehen sei, melden sich andere zu Wort und verneinen jede Relevanz dieser Information, denn das Bundesverfassungsgericht habe schon vor Jahren geurteilt, dass die zunehmende Besteuerung von gesetzlichen Renten völlig in Ordnung gehen würde. Man erlebe hier wieder einmal einen aufgebauschten Strom im Wasserglas.

Wie so oft bei sozial- und steuerpolitischen Fragen gibt es für beide Seiten teilweise gute Argumente und die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den beiden skizzierten Polen. Um was genau geht es hier?

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Eine Studie hat ergeben … Frauen bekommen ein Viertel weniger Rente. Über das Spiel mit den Zahlen und dem nicht nur methodisch fragwürdigen Gender Pension Gap

Viele Frauen haben ein Problem. Also mit der Rente. Oder sie werden es bekommen, wenn sie in den Ruhestand gehen. Diese Botschaft wird seit Jahren immer wieder in den Medien verbreitet und sie ist ja auch für nicht wenige Frauen absolut zutreffend. »Die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen wird im Alter zur riesigen Kluft: Im Schnitt erhält eine Rentnerin in Deutschland 57 Prozent weniger Geld als ein Rentner. Eine Studie zeigt die Gründe«, so Florian Diekmann im März 2016 unter der Überschrift Frauen bekommen nicht mal halb so viel Rente wie Männer. Dort hat man aus der Studie Große Rentenlücke zwischen Männern und Frauen aus dem Jahr 2016 von Christina Klenner, Peter Sopp und Alexandra Wagner geschöpft. Laut der Studie »sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Alterssicherung so groß, dass der Begriff Rentenlücke als eine Verharmlosung erscheint.« Und weiter: »Vielmehr muss man von einer großen Rentenkluft sprechen: Laut den aktuellsten Daten von 2011 bezieht eine Frau im Schnitt nur 43 Prozent der Altersbezüge eines Mannes. Die Rentenkluft zwischen den Geschlechtern beträgt also 57 Prozent. Berücksichtigt wurden dabei alle drei Säulen der Altersvorsorge in Deutschland – außer der gesetzlichen Rentenversicherung also auch die betriebliche sowie die private Altersvorsorge.«

Im Jahr 2017 ging es dann weiter. Erneut meldete sich Florian Diekmann zu Wort, diesmal unter der Überschrift Frauen erhalten in Deutschland nur halb so viel Rente wie Männer. »Frauen erhalten im Schnitt 53 Prozent weniger Geld als Männer. Die Kluft wird zwar stetig kleiner – eine vollkommene Angleichung wird aber noch Jahrzehnte dauern.«

Und nun, im Jahr 2019, werden wir mit dieser Botschaft konfrontiert: Frauen bekommen ein Viertel weniger Rente. »Im Schnitt bekommt eine Frau, die mit 67 in den Ruhestand geht, im Monat 140 Euro weniger gesetzliche Rente als ein Mann, haben Forscher berechnet. Bezieht diese Frau 15 Jahre Rente, fehlten ihr im Vergleich rund 25.000 Euro«, so Hendrik Munsberg in seinem Artikel.

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Die abschlagsfreie „Rente mit 63“ für einige Jahrgänge läuft. „Die Leute rennen uns die Bude ein“. Die einen sehen schwarz, die anderen freuen sich und wollen mehr davon

»Das war mal ein sozialpolitisches Aufreger-Thema: die „Rente mit 63“. Dieses der SPD zugeschriebene Projekt wurde am Anfang der letzten Großen Koalition im Jahr 2014 zusammen mit der von der Union gepushten und ebenfalls umstrittenen „Mütterrente“ gesetzgeberisch ins Leben gerufen. Aus den Reihen der Wirtschaft hat man aus allen Rohren geschossen gegen die Eröffnung der Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen bereits mit 63 eine abschlagsfreie Altersrente in Anspruch nehmen zu können, denn man befürchtete nicht ohne Grund, dass zahlreiche Arbeitnehmer davon Gebrauch machen werden und darunter vor allem Facharbeiter und andere qualifizierte Arbeitskräfte, die (noch) in den Genuss ordentlicher Renten kommen. Nicht ohne Grund ist die „Rente mit 63“ vor allem seitens der großen und einflussreichen Industriegewerkschaften in den damaligen Koalitionsvertrag bugsiert worden.« Mit diesen Worten begann der Beitrag Rückblick: Die kurzfristige Option einer abschlagsfreien „Rente mit 63“ wurde von Hunderttausenden in Anspruch genommen, der hier am 5. März 2018 veröffentlicht wurde.

Und mehr als ein Jahr später wird man mit solchen Botschaften versorgt: Run auf Rente ab 63: „Die Leute rennen uns die Bude ein“: Ostdeutsche drängt es in Vorruhestand. Mehr als 40 Prozent aller Rentner gingen 63-jährig und ohne Abschläge in Rente – viel mehr als in Westdeutschland, berichtet Hendrik Munsberg in seinem Artikel. Das hat dann sofort diejenigen aktiviert, die immer schon gegen diese zeitlich befristete Sonderregelung Sturm gelaufen sind. Die teure Rente mit 63 Jahren, so macht Dorothea Siems schon in der Überschrift deutlich, was sie von dieser Entwicklung hält. Nichts.

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Für eine „Grundrente“ wird schon längst und immer noch gezahlt: 2018 waren es 3,3 Milliarden Euro. Und was man hätte tun können und müssen beim Thema Niedriglöhne und Renten

In den zurückliegenden Monaten wurde heftig debattiert über das Vorhaben des sozialdemokratischen Bundessozialministers Hubertus Heil, eine „Grundrente“ einzuführen. An und für sich irritiert der Streit, denn im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 hatten sich Union und SPD doch auf die Einführung verständigt:

Warum trotz dieser doch eindeutig daherkommenden Absichtserklärung das Vorhaben nicht einfach umgesetzt wird bzw. werden kann, liegt an dem Satz: „Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung“. Das hat damals auch die SPD unterschrieben – und will davon heute nichts mehr wissen, denn der zwischenzeitlich vom Bundesarbeitsministerium vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung der Grundrente für langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen (Grundrentengesetz – GruRG) sieht vor, dass auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichtet werden soll.

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