Nicht nur die Pflegeheime stecken im Niemandsland fest, zwischen den Fronten in Zeiten von Corona. Und immer wieder die Frage: Wer hat die Verantwortung für ein Leben zwischen Leben und Sterben?

Es ist im November 2020 zweifelsohne nicht mehr so, dass man sagen kann, wir sind alle völlig überraschend erwischt worden von dem, was als Corona-Krise über uns gekommen ist. Denn zum Jahresende 2020 sind wir bereits in der zweiten Welle und die erste hat uns einiges gelehrt – oder sagen wir besser, man hätte eine Menge lernen und ableiten können aus dem, was da passiert ist. Beispielsweise in den Pflegeheimen. Dort hatte das Virus bereits im Frühjahr seine Schneisen des Sterbens geschlagen und die vielen Menschen, die in den Einrichtungen arbeiten, haben unter oftmals völlig desaströsen Rahmenbedingungen versucht, den Laden irgendwie am Laufen zu halten und sich um die ihnen anvertrauten Menschen so gut es ging zu kümmern. Um das an dieser Stelle deutlich zu sagen: Wir können denjenigen, die in der ersten Welle die Stellung gehalten haben, nicht oft genug danken für ihren Einsatz. Und das gilt nicht nur für die Pflegeheime, sondern selbstverständlich und mehr als auch für die ambulanten Pflegedienste, deren Mitarbeiter tagein tagaus zahlreiche hilfebedürftige Menschen in ihren eigenen vier Wänden versorgen.

Und bereits in der ersten Welle haben wir die Erfahrung machen müssen, dass es eine Hierarchie der Aufmerksamkeit gibt. Während sich damals viele Berichte auf die Krankenhäuser bezogen (das müssen wir derzeit erneut beobachten und dann noch mit einem besonderen Fokus auf die Lage der Intensivstationen), sicherlich auch durch die Bilder aus Bergamo und anderen Orten des Schreckens bedingt, wurden die Heime und Pflegedienste wenn, dann nur anlassbezogen in das Scheinwerferlicht gezogen. Ansonsten waren sie am Ende auch der politischen Aufmerksamkeit. In diesem damaligen Umfeld ist dann beispielsweise der Beitrag Aus den Untiefen der Verletzlichsten und zugleich weitgehend Schutzlos-Gelassenen: Pflegeheime und ambulante Pflegedienste inmitten der Coronavirus-Krise entstanden, der hier am 29. März 2020 veröffentlicht wurde. Darin wurde darauf hingewiesen, dass die Pflegeheime und die Pflegedienste hinsichtlich der Versorgung mit Schutzkleidung am Ende der Nahrungskette standen. Dass es gerade hier, wo mit den verletzlichsten Menschen gearbeitet wird, erhebliche Probleme gab, überhaupt irgendwelche Masken zu bekommen, geschweige denn weiterführendes Material.

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Die Grundlinien der Pflegereform 2021 werden in Umrissen erkennbar. Man will die Pflegeversicherung „neu denken“

Anfang Oktober 2020 wurde berichtet, der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plane eine Pflegereform, mit der die Eigenanteile, die von den Pflegebedürftigen gezahlt werden müssen, wenn sie in einem Pflegeheim leben, begrenzt werden sollen, denn bislang steigen und steigen sie und immer öfter wird in der Berichterstattung deutlich herausgestellt, dass das so nicht weitergehen kann bzw. darf. Im Mittelpunkt stand vor wenigen Wochen diese Zielsetzung des Ministers: „Mein Vorschlag ist, dass Heimbewohner für die stationäre Pflege künftig für längstens 36 Monate maximal 700 Euro pro Monat zahlen“, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“. Wie heißt es so schön: In der Kürze liegt die Würze – aber eben auch, gerade in so komplexen Systemen wie der Sozialpolitik – die Quelle für zahlreiche Fehler und falsche Hoffnungen, die man den Menschen macht. Darauf wurde bereits ausführlich in dem hier am 6. Oktober 2020 veröffentlichten Beitrag Pflegereform, die nächste: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will „den“ Eigenanteil in der stationären Pflege auf 700 Euro im Monat begrenzen. Da muss man wieder einmal genauer hinschauen hingewiesen – beispielsweise auf den Tatbestand, dass eben nicht „der“ Eigenanteil begrenzt werden soll, sondern einer der derzeit vorhandenen drei Eigenanteile, die in der Summe eine durchschnittliche Belastung der Pflegebedürftigen in Höhe von mehr als 2.000 Euro im Monat mit sich bringen.

Aber zwischenzeitlich hat der Minister und sein Ministerium nachgelegt und Eckpunkte für eine „Pflegereform 2021“ unter die Leute gestreut, die weit über den einen Punkt mit den Eigenanteilen hinausgehen. Zu dem, was uns für das kommende Jahr an Veränderungen bzw. Erweiterungen in Aussicht gestellt wird, eine Übersicht:

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Erneut wieder nur Pest oder Cholera? Ein albtraumhaftes Dilemma in Zeiten von Corona: Menschen in Pflegeheimen in der zweiten Welle

Wir sind mittendrin in der zweiten Corona-Welle. Und erneut schlägt die Entwicklung voll durch auf die Pflegeheime. Auch in unserem Nachbarland Österreich: »In nur zwei Wochen haben sich die Corona-Infektionen in Alters- und Pflegeheimen mehr als verdoppelt. Österreichweit waren das am Mittwochmorgen 1.859 bestätigte aktuelle Fälle. Noch vor zwei Wochen lag diese Zahl bei 844. Auch beim Personal steigen die Fälle rapide an: von 400 Ende Oktober auf über 1.000 am Mittwoch,« wobei das Bundesgesundheitsministerium sogleich anmerkt, für die Vollständigkeit der Zahlen könne man nicht garantieren, denn das Zählen sei Bundesländersache, berichtet Gabriele Scherndl am 11. November 2020 in ihrem Artikel Zahl der Corona-Infektionen in Heimen steigt rapide an. Die hin und her geschobenen Zuständigkeiten und die damit verbundene Nicht-Verantwortung kommt uns im ebenfalls föderal aufgestellten Deutschland mehr als bekannt vor.

In den vergangenen Wochen konnte man den Eindruck bekommen, dass das Problem einer Überlastung und ein drohender Kollaps vor allem die Intensivstationen des Landes betrifft. Teilweise wie das Kaninchen vor den Schlange starrt man auf die Fallzahlentwicklung im intensivmedizinischen Bereich. Verständlich, sprechen wir hier doch zum einen über den (vorläufigen) Endpunkt einer außer Kontrolle geratenen Covid 19-Infektion der vielen Namenlosen („Fälle“), die es getroffen hat. Zum anderen geht es hier auch immer um die Speerspitze im Alpha-Kampf der modernen Medizin gegen das Sterben und den Tod.

Aber das Sterben und der Tod finden in der Pandemie ihren grausigen Höhepunkt in den Orten, wo die Verletzlichsten konzentriert sind. In den Pflegeheimen. Auch (wieder) bei uns in Deutschland.

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