Mehr Mängel in privaten als in gemeinnützigen Pflegeheimen? Zahlen aus Bremen zur Kommerzialisierung des Pflegesektors

Seit Jahren wird immer wieder die Diskussion geführt, ob private, gewinnorientierte Anbieter von Pflegeleistungen schlechter sind als die gemeinnützigen Anbieter. Dahinter steht die für viele durchaus nachvollziehbare Überlegung, dass profitorientierte Anbieter, ob nun im ambulanten oder stationären Bereich, dort einsparen müssen, wo die größten Kosten anfallen, um daraus dann Gewinne realisieren zu können, die man dann in den privaten Einrichtungen verwenden kann wie man will, also auch an Anteilseigner ausschütten oder für welche Zwecke auch immer dem Unternehmen entnehmen kann, wie das in der gewinnorientierten Unternehmenslandschaft generell üblich und auch (an sich) legal ist.

Legalität ist das eine, Legitimität etwas anderes. Immer wieder wird man in der Debatte über Gewinne in bzw. durch Pflege mit dem ebenfalls prima facie nachvollziehbaren Argument konfrontiert, dass man aus der Pflege alter Menschen keinen Profit schlagen sollte. Gestützt wird diese Perspektive dann durch den Hinweis, dass eine (übermäßige) Gewinnorientierung im bestehenden System dazu führt und führen muss, dass auf Kosten der Pflegebedürftigen wie auch derjenigen, die pflegen, gespart wird. Was dann wiederum Qualitäts- und Versorgungsprobleme generiert, im schlimmsten Fall die Quelle von eklatanten Pflegemissständen darstellt, über die in den Medien dann punktuell und skandalisierend berichtet wird.

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Während in drei Pflegeheimen der Alloheim-Gruppe erneut gewallrafft wurde, rollt der Euro im Private Equity-Business mit Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern

Am 10. Februar 2022 wurde auf RTL zur Prime Time das Ergebnis einer Recherche von „Team Wallraff“ aus dem Jahr 2021 ausgestrahlt: „Abgeschoben und vergessen: Das würdelose Geschäft mit alten Menschen in unseren Pflegeheimen“ Dazu dieser Beitrag vom 12. Februar 2022: Vom individuellen und kollektiven Versagen: Wieder einmal ein Blick auf das würdelose Geschäft mit alten Menschen in Pflegeheimen. Die Bilder der Sendung haben viele verstört und angewidert und es gab offensichtlich so viele Reaktionen, dass man sich in der Redaktion entschieden hat, einigen der Hinweise nachzugehen und eine weitere Sendung zu produzieren. Die wurde am 23. Juni ebenfalls zur besten Sendezeit platziert: Team Wallraff – Jetzt erst recht! Man war erneut in drei unterschiedlichen privaten Einrichtungen der „Alloheim“-Gruppe undercover unterwegs. Verwahrlosung und Verachtung: „Team Wallraff“ dokumentiert Demütigung von Pflegebedürftigen, so ist ein Bericht über die neue Sendung überschrieben. Das Unternehmen „Alloheim“ ist mit mehr als 240 Seniorenheimen in ganz Deutschland und 23.600 Pflegeplätzen der zweitgrößte private Anbieter Deutschlands. Dieses Unternehmen der Pflegebranche taucht auch immer wieder auf in den zahlreichen Beiträge speziell zu den Private-Equity-Unternehmen, die in diesem Blog veröffentlicht wurden.

Während viele erneut schockiert sind von der skandalisierenden Berichterstattung und andere hoffen, dass nach ein paar Tagen die Karawane der öffentlichen Aufmerksamkeit weitergezogen ist, rollt der Pflege-Euro in der ganzen eigenen Welt der Private Equity-Konzerne munter weiter.

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Was ist eigentlich aus den „Totengräbern“ geworden? Frankreich möchte den Orpea-Konzern verklagen

Anfang Februar 2022 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: „Die Totengräber“: Ein Pflegeheimskandal erschüttert Frankreich und mit Orpea geht es wieder einmal um die großen renditeorientierten Pflegeheimbetreiber. Darin ging es um schwerwiegende Vorwürfe gegen den Orpea-Konzern in Frankreich – ein Pflegeheimkonzern, der in Europa mehr als 1.000 Einrichtungen betreibt, darunter auch in Deutschland. Auslöser war das Buch „Les Fossoyeurs“ („Die Totengräber“) von Victor Castanet. Personalmangel, Essensrationierung und Bewohner, die stundenlang in ihren eigenen Exkrementen liegen: Der Betreiber Orpea steht massiv in der Kritik, so ein Bericht in der FAZ.

Was ist daraus geworden? Erneut berichtet die FAZ unter der Überschrift Orpea-Skandal: Frankreich verklagt Pflegeheimkonzern: »Die Kritik am französischen Pflegeheimbetreiber Orpea wegen unlauterer Geschäftspraktiken reißt nicht ab. Eine Untersuchungskommission der französischen Regierung hat die seit einigen Wochen erhobenen Vorwürfe gegen das Unternehmen nun in weiten Teilen bestätigt. Wie das Haus der zuständigen Ministerin Brigitte Bourguignon am Wochenende mitteilte, wiesen die Autoren des Berichts auf „erhebliche Funktionsstörungen in der Organisation der Gruppe hin“. Diese gingen zulasten der Versorgung der Bewohner in den Pflegeheimen von Orpea. Das betreffe beispielsweise die Ernährungspolitik. Sie stelle nicht sicher, dass die Bedürfnisse der Bewohner erfüllt werden.«

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Vom individuellen und kollektiven Versagen: Wieder einmal ein Blick auf das würdelose Geschäft mit alten Menschen in Pflegeheimen

Nicht schon wieder einer dieser Pflegeskandal-Berichte mit abstoßenden Bildern, mag der eine oder andere gedacht haben, als am 10. Februar 2022 eine neue Folge von „Team Wallraff – Reporter Undercover“ via RTL ausgestrahlt wurde: „Abgeschoben und vergessen: Das würdelose Geschäft mit alten Menschen in unseren Pflegeheimen“, so ist die Sendung überschrieben. Und folgt man beispielsweise dieser Beschreibung, dann ahnt man, dass genau diese Bilder geliefert werden: Vernachlässigte Bewohner, mangelnde Hygiene: Reporter decken schockierende Zustände in Pflegeheimen auf: Für eine neue Investigativ-Reportage war das „Team Wallraff“ in vier privatwirtschaftlich geführten Pflegeeinrichtungen undercover und hat dabei zahlreiche Missstände dokumentiert. Was die „Team Wallraff“-Reporter vor Ort erleben, wirkt erschreckend. Sie begegnen verängstigten, einsamen und vernachlässigten Heimbewohnern, die unter teils fragwürdigen Hygienebedingungen zu leiden haben. Und sie erleben überlastetes Pflegepersonal, Personalmangel und Führungskräfte, die aus dem Kostendruck der Konzerne keinen Hehl machen.

Der Beitrag von „Team Wallraff“ bewegt sich zwischen der im wahrsten Sinne des Wortes unerträglichen bildgestützten Präsentation eines würdelosen Umgangs mit alten Menschen, die in den ausgewählten Pflegeheimen den dort arbeitenden Menschen und den Bedingungen vor Ort vollständig ausgeliefert sind – und es werden massive individuelle Pflegefehler und individuelles Fehlverhalten dokumentiert. Zugleich versucht man immer wieder, auf strukturelle Hintergründe zu verweisen, auf die Durchschlagskraft einer nach ihren Gesetzmäßigkeiten agierenden Profitorientierung eines Teils der Heimbetreiber.

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Noch nicht einmal jede dritte Pflegeeinrichtung mit irgendeiner „Tarifbindung“. Erste Zahlen aus einer weitgehend tariflosen Zone – und harte Euro-Beträge einer „Lohnbindung durch die Hintertür“ ab dem Herbst 2022

Mit der bundesweiten Veröffentlichung von Daten zur tariflichen Bezahlung in der Langzeitpflege liefern die Landesverbände der Pflegekassen erstmals einen detaillierten Überblick über das Ausmaß der Tarifbindung von Pflegeeinrichtungen in Deutschland. Das berichtet der AOK-Bundesverband und verweist auf die Veröffentlichung der Tarifübersicht durch die Landesverbände der Pflegekassen. Hintergrund: Die Pflegekassen sind verpflichtet, jährlich eine Übersicht mit den Namen der Tarifverträge und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu veröffentlichen, deren Entlohnung das regional übliche Entgeltniveau um nicht mehr als zehn Prozent überschreitet.

„Die Ergebnisse zeigen, dass aktuell deutlich weniger als ein Drittel aller Pflegeeinrichtungen in Deutschland der Tarifbindung unterliegen. Hier gibt es also noch viel Luft nach oben.“ Mit diesen Worten wird Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, zitiert. 70 Prozent der Einrichtungen, die aktuell bereits tariflich zahlen, unterliegen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die restlichen 30 Prozent sind an Haus- oder Flächentarifverträge gebunden.

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