Während in drei Pflegeheimen der Alloheim-Gruppe erneut gewallrafft wurde, rollt der Euro im Private Equity-Business mit Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern

Am 10. Februar 2022 wurde auf RTL zur Prime Time das Ergebnis einer Recherche von „Team Wallraff“ aus dem Jahr 2021 ausgestrahlt: „Abgeschoben und vergessen: Das würdelose Geschäft mit alten Menschen in unseren Pflegeheimen“ Dazu dieser Beitrag vom 12. Februar 2022: Vom individuellen und kollektiven Versagen: Wieder einmal ein Blick auf das würdelose Geschäft mit alten Menschen in Pflegeheimen. Die Bilder der Sendung haben viele verstört und angewidert und es gab offensichtlich so viele Reaktionen, dass man sich in der Redaktion entschieden hat, einigen der Hinweise nachzugehen und eine weitere Sendung zu produzieren. Die wurde am 23. Juni ebenfalls zur besten Sendezeit platziert: Team Wallraff – Jetzt erst recht! Man war erneut in drei unterschiedlichen privaten Einrichtungen der „Alloheim“-Gruppe undercover unterwegs. Verwahrlosung und Verachtung: „Team Wallraff“ dokumentiert Demütigung von Pflegebedürftigen, so ist ein Bericht über die neue Sendung überschrieben. Das Unternehmen „Alloheim“ ist mit mehr als 240 Seniorenheimen in ganz Deutschland und 23.600 Pflegeplätzen der zweitgrößte private Anbieter Deutschlands. Dieses Unternehmen der Pflegebranche taucht auch immer wieder auf in den zahlreichen Beiträge speziell zu den Private-Equity-Unternehmen, die in diesem Blog veröffentlicht wurden.

Während viele erneut schockiert sind von der skandalisierenden Berichterstattung und andere hoffen, dass nach ein paar Tagen die Karawane der öffentlichen Aufmerksamkeit weitergezogen ist, rollt der Pflege-Euro in der ganzen eigenen Welt der Private Equity-Konzerne munter weiter.

Neuigkeiten gibt es aus dem seit langem bei Investoren besonders beliebten Bereich der außerklinischen Intensivpflege. Da wäre beispielsweise das Unternehmen opseo. Das Unternehmen pflegt schwer kranke Menschen, die zumeist neurologische Verletzungen erlitten haben, beatmet werden müssen oder im Wachkoma liegen. Über 5.000 Pflegekräfte kümmern sich deutschlandweit um fast 1.500 Patienten. Die Selbstbeschreibung der Unternehmensgruppe geht so: »Die 2013 gegründete opseo Gruppe mit Firmensitz in Kelsterbach, vereint deutschlandweit mittelständische Pflegeunternehmen zu einer auf die außerklinische Intensivpflege spezialisierten Pflegegruppe. Die Tochtergesellschaften versorgen deutschlandweit aktuell 1400 Intensivpatienten jeden Alters, sowohl in der Häuslichkeit, in ambulant betreuten Wohngemeinschaften, als auch in stationären Pflegeeinrichtungen. In nahezu allen Bundesländern pflegen die mehr als 5000 Mitarbeiter Patienten auf höchstem pflegerischen Niveau und bilden somit eine exzellente Basis für das sektorenübergreifende System der ganzheitlichen Intensivpflege.«

Und nun berichtet das Handelsblatt (in der Ausgabe vom 24.06.2022) unter der Überschrift „Ergon Capital verkauft Opseo“: »Private-Equity-Investor Ergon Capital stellt Finanzkreisen zufolge die auf Intensivpflege spezialisierte deutsche Pflegegruppe Opseo zum Verkauf. Die Investmentbank Goldman Sachs bereite derzeit eine Auktion vor, die im Herbst beginnen könnte, wie mehrere mit der Transaktion vertraute Personen sagten.«

Um welche Größenordnung es da gehen wird? Dem Bericht im Handelsblatt können wir die folgende überschlägige Kalkulation entnehmen: »Opseo kommt auf ein jährliches Betriebsergebnis (Ebitda) von 60 bis 70 Millionen Euro und könnte bei einer Übernahme mit dem 15-Fachen, also rund einer Milliarde Euro, bewertet werden. Vor allem private Beteiligungsfirmen gelten als Interessenten.«

Aber es geht noch weiter – im Pflegemarkt ist keine Flaute angesagt, hier sind weitere Deals in Vorbereitung:

»Viele Pflegeheimketten sind im Besitz von Private-Equity-Gesellschaften wie Nordic Capital, Waterland, Advent und Oaktree. Diese kaufen kleinere Anbieter auf und machen sie so zu größeren Konzernen. Laut der Investmentbank Stifel lag die durchschnittliche Bewertung bei Pflegeheim-Transaktionen in Europa in den vergangenen acht Jahren bei über dem Zwölffachen des erwarteten Betriebsgewinns.
Neben Opseo werden nach Einschätzung von Investmentbankern in Kürze weitere Anbieter auf den Markt kommen. Die Vonovia-Tochter Deutsche Wohnen stellt ihre Pflegeheime Katharinenhof und Pflegen & Wohnen Hamburg zum Verkauf. Anfang des Jahres waren Interessenten an Alloheim-Eigner Nordic Capital herangetreten. Ein Verkauf hat aber bisher nicht stattgefunden.
Auch bei Linimed, im Besitz von GHO Capital, und bei der Deutschen Fachpflege Gruppe aus dem Portfolio des Investors Advent, könnte der Verkauf schon nächstes Jahr starten. Oaktree hatte vergangenes Jahr das Interesse von Investoren an Vitanas sondiert, seine Pflegegruppe dann aber behalten.«

Aber auch in anderen Bereichen des Gesundheitswesens deuten sich erhebliche finanzielle Transaktionen an, so im Krankenhausbereich, denn »einerseits sind die Erträge der Unternehmen relativ stabil, ihre Dienstleistungen und Produkte werden unabhängig von der wirtschaftlichen Situation nachgefragt. Andererseits steht der Klinikmarkt in Deutschland wegen der Coronapandemie und Einnahmeausfällen infolge frei gehaltener Betten unter Druck. Das erhöht laut Experten den Konsolidierungsdruck.«

»Einige Deals sind bereits in Planung: Der Krankenhaus- und Medizinkonzern Fresenius will Finanzkreisen zufolge einen Minderheitsanteil seiner Kliniksparte Helios verkaufen. Dafür sondiert der Konzern mit den Banken Bank of America und JP Morgan gerade den Markt.
Zum Verkauf stehen auch Fachkliniken wie die Augenklinikkette Artemis oder die auf Psychiatrie spezialisierten Oberberg-Kliniken.«

Vor diesem Hintergrund muss man dann auch das lesen, was vom Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) berichtet wird: »Das „Team Wallraff“ konfrontierte auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit dem Videomaterial aus den Undercover-Einsätzen. Wie konnte es so weit kommen? Für den Gesundheitsminister liegt der Fehler in der Privatisierung der Pflegebranche mit der Einführung der Pflegeversicherung 1995. „Jetzt ist es so, dass diese privaten Investoren einfach nicht enteignet werden können“, so Lauterbach im RTL-Interview. „Das ist rechtlich so nicht machbar. Rückblickend hätte ich es richtig gefunden, wenn die Pflege einfach eine kommunale Aufgabe geblieben wäre.“«

Das nun ist schon lange her, der Anteil der kommunalen Pflegeheime heutzutage liegt bei unter 5 Prozent an allen Pflegeheimen.