Die „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ werden still beerdigt und in den klammen Jobcentern ein wenig materialisiert. Und auch sonst hakt es vorne und hinten

Für einen kritischen Beobachter der Sozialpolitik ist es wirklich kein Grund zur Freude, wenn sich die eigenen, frühzeitig vorgetragenen Bedenken gegen eine Maßnahme am Ende bestätigen. Viel Zeit, Kraft und auch Geld ist ins Land gegangen, nur um festzustellen, dass etwas eingetreten ist, vor dem man schon vor Monaten aus sachlichen Gründen gewarnt hat. Und besonders ärgerlich ist die Tatsache, dass die dafür Verantwortlichen letztendlich nie zur Rechenschaft gezogen werden, auch und gerade wenn sie es hätten besser wissen können und müssen.

Nehmen wir als Beispiel die „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“. Bereits am 13. Februar 2016 wurde hier dieser Beitrag gepostet: Die Bundesarbeitsministerin fordert „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge. Aber welche? Und warum eigentlich sie? Fragen, die man stellen sollte. In dem Beitrag wurde aus einem Interview mit der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zitiert, in dem sie ausgeführt hat: »Ich möchte zum Beispiel 100.000 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge schaffen. Bisher sitzen die Menschen manchmal zwölf Monate herum, ohne etwas tun zu können. Das löst auf allen Seiten Spannungen aus. Wir müssen so früh wie möglich ansetzen, das kann ich aber nur mit Unterstützung des Finanzministers. Es geht hier um 450 Millionen Euro zusätzlich im Jahr.« Das hört sich doch erst einmal nach einer guten Sache an. Wie so oft aber war bereits damals erkennbar, dass gut gemeint nicht selten schlecht gemacht bedeutet.

Auch wenn einem das nicht gefällt, es wurde bereits damals auf die in Deutschland so leidige und wichtige Zuständigkeitsfrage hingewiesen: Denn für die Flüchtlinge am Anfang ist das SGB II, also das Hartz IV-System und mit ihm die Jobcenter, gar nicht relevant. Die Flüchtlinge schlagen erst dann im Hartz IV-System auf, wenn sie als Asylberechtigte anerkannt sind. Am Anfang sind bzw. wären sie theoretisch Asylbewerber – theoretisch deshalb, weil viele von ihnen  Monate warten müssen, bis sie überhaupt einen Asylantrag stellen können beim BAMF, bis dahin sind sie noch nicht einmal Asylbewerber. Da gilt dann aber das Asylbewerberleistungsgesetz. Und für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge beispielsweise in den Erstaufnahmestellen und vor Ort in den Unterkünften sind die Bundesländer und Kommunen zuständig, wobei der Bund an der Finanzierung beteiligt ist. Wer ist also für die laut Nahles bedauernswerten herumsitzenden Flüchtlinge zuständig? Auf alle Fälle nicht die Jobcenter (mit ihren Arbeitsgelegenheiten, die umgangssprachlich, aber inhaltlich falsch als „Ein-Euro-Jobs“ bezeichnet werden), sondern es sind die Kommunen. Aber die konnten schon damals, wenn sie es denn wollten, auf das Instrument der Arbeitsgelegenheit zurückgreifen. Nur nicht nach SGB II, sondern nach § 5 AsylbLG.

Die einfachste Antwort damals wäre gewesen, die Kommunen für ihre Klientel zu ermuntern, das Instrumentarium der Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz frühzeitig und innovativ (was durchaus einige Kommunen schon seit Jahren versucht haben) zu nutzen und ihnen dafür seitens des Bundes die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen – zudem muss man wissen, dass die Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylblG förderrechtlich weitaus weniger restriktiv ausgestaltet sind als die „klassischen“ Ein-Euro-Jobs nach § 16 d SGB II.

Aber da hat der gesunde Menschenverstand nicht mit dem Institutionenwirrwarr gerechnet, das einem in diesem Land immer wieder auf die Füße fällt.

Bereits am 23. März 2016 musste dann dieser Beitrag gepostet werden: Die Bundesarbeitsministerin macht es schon wieder: „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge ankündigen, die noch nicht im Hartz IV-System sind. Was soll das? Damals konnte berichtet werden, das 300 Mio. Euro für das Jahr 2017 für diese Arbeitsgelegenheiten vorgesehen seien, mit denen Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen. Aber wieder musste der Finger auf die föderale Wunde gelegt werden: »Wenn Frau Nahles erneut „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge in Aussicht stellt, die aber noch nicht in den Zuständigkeitsbereich „ihrer“ Jobcenter fallen, dann müssen das die Kommunen machen, was die – wie aufgezeigt – auch können (sogar mit mehr Spielräumen als bislang die Jobcenter), aber dann muss die Geldsumme, mit der sie heute hausieren geht, auch bei den Kommunen, die das machen, ankommen.«

Natürlich wusste man a) auch im Bundesarbeitsministerium (BMAS) von dieser Problematik und b) geht die Bundesagentur für Arbeit in Berlin ein und aus und die hat seit geraumer Zeit ein Interesse, neue Zuständigkeitsfelder zu erschließen, gehen ihr doch im Arbeitslosenversicherungssystem (SGB III) zunehmend die Kunden aus, während sich die große Zahl der von Erwerbslosigkeit betroffenen Menschen (und auch die Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung) im Hartz IV-System tummeln. Also ist man auf eine „Lösung“ gekommen, die das ganze Unterfangen noch abenteuerlicher macht. Darüber wurde am 12. Juni 2016 unter dieser Überschrift berichtet: „Nirwana-Arbeitsgelegenheiten“ zwischen Asylbewerberleistungsgesetz und SGB II. Eine dritte Dimension der „Ein-Euro-Jobs“ und die dann auch noch 20 Cent günstiger? Denn zwischenzeitlich hatte die Bundesregierung ein „Integrationsgesetz“ auf den Weg gebracht und das BMAS hatte sich da so verewigt: »Zusätzliche 100.000 Arbeitsgelegenheiten für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ermöglichen erste Einblicke in den deutschen Arbeitsmarkt.«

In dem Beitrag wurde das grundlegende Problem der neuen, geplanten 100.000 „Bundes-AGH-Teilnehmer“ herausgearbeitet. Die neuen Maßnahmen sollen

a) für eine Klientel geplant werden, die es eigentlich nicht oder zumindest immer weniger geben wird und
b) dass mit der Durchführung nicht die Kommunen bzw. die Jobcenter (also die zuständigen Institutionen für die heute schon bestehenden AGHs) beauftragt werden sollen, sondern die Bundesagentur für Arbeit (BA) soll das machen.

Und damit nicht genug. Für diese „dritte Dimension“ der Arbeitgelegenheiten (neben denen des AsylblG und des SGB II) wurde ein eigner, positiv klingender Name kreiert („Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM)“) und ein eigenes Preisschild entworfen, denn den asylsuchenden Teilnehmern soll bei diesen Maßnahmen künftig nur noch 80 Cent pro Arbeitsstunde gewährt werden. Schon damals war die Bewertung meinerseits nicht wirklich angenehm für die Arbeit der Bundesregierung: »Man muss sich den Wahnsinn einmal ausmalen: Wir bekommen dann drei Arten von Arbeitsgelegenheiten (AGH nach AsylbLG, AGH nach SGB II und neu die AGH nach Bundesprogramm), drei zuständige Institutionen (kommunale Sozialämter, Jobcenter und neu die Arbeitsagenturen).«

Ein Merkmal dieses Blogs ist es, dass man die jeweils aktuellen Säue, die durchs Dorf getrieben werden, auch hin und wieder dahingehend befragt, was denn mit ihnen passiert ist. Folglich wurde am 23. Dezember 2016 dieser Beitrag hier publiziert: „80-Cent-Jobs“ für Flüchtlinge – billiger geht’s nun wirklich nicht. Und dennoch: Sie werden kaum genutzt. Die Länder und Kommunen nehmen das Angebot kaum in Anspruch. Erst 12.000 Plätze sind beantragt. Zwei Bundesländer haben gar kein Interesse. Noch mal zur Erinnerung: 100.000 solcher Arbeitsgelegenheiten wurden in Aussicht gestellt. Und beantragte Plätze sind nicht gleich auch besetzte Plätze. Auch wenn die Länder Plätze beantragt haben, geht deren Besetzung nur schleppend voran, so schon der damalige Erkenntnisstand. Und der kam eben nicht überraschend, wenn man sich einfach mal klar macht: Die Zielgruppe der Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen mit einer maximalen Dauer von sechs Monaten sind Volljährige mit guter Bleibeperspektive, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist. Die FIM sind also „Warte-Ein-Euro-Jobs“ für die Zeit zwischen Antrag und endgültigem Bescheid und damit für einen Zeitraum, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMAF) immer mehr verkürzen soll und will.

Und der vorläufig letzte Todesstoß hinsichtlich der FIM wurde zumindest in diesem Blog am 3. Februar 2017 mit diesem Beitrag geleistet: Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen: „Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor“. Doch, die gibt es – und sie bestätigen die Skepsis gegenüber den „Nirwana-Arbeitsgelegenheiten“. Die FIM sind ein totaler Reinfall. Was zu erwarten war.

Mittlerweile hat sich das auch in Berlin herumgesprochen – und man hat gehandelt. In einem dem Verfasser vorliegenden Schreiben vom 30. März 2017 wendet sich der Staatssekretär im BMAS, Thorben Albrecht, an seine Länderkollegen unter der unverfänglichen Überschrift „Arbeitsmarktprogramm Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“. Darin wird den „sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen“ folgendes mitgeteilt – und der eine oder andere Leser, der bis hierhin durchgehalten hat, wird nicht verwundert sein:

»… gerade Flüchtlinge mit einer guten Bleibeperspektive, die die Hauptzielgruppe der Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen darstellen, wechseln durch zügigere Asylverfahren schneller in die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Deshalb hat sich die Bundesregierung … unter anderem darauf verständigt, dass ab dem Jahr 2018 das Gesamtbudget in der Grundsicherung aus Mitteln für das Arbeitsmarktprogramm „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ verstärkt werden können soll … Auf dieser Grundlage habe ich … entschieden, ab dem Jahr 2018 240 Mio. Euro aus den Mitteln für das Arbeitsmarktprogramm „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ zur Verstärkung des Verwaltungskostenbudgets zur Durchführung des SGB II einzusetzen.«

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Die FIM werden still beerdigt und die Mittel, die man eigentlich für dieses Programm eingeplant hatte, werden nun den Jobcentern teilweise zugewiesen. Aber nicht, wie vielleicht der eine oder andere jetzt naiv annehmen möchte, für andere Fördermaßnahmen, sondern für die Verwaltungsausgaben der Jobcenter, die bekanntlich seit Jahren ein unterausgestattetes Verwaltungskostenbudget haben und sich in einem von Jahr zu Jahr steigenden Umfang – aufgrund der gegenseitigen Deckungsfähigkeit auch rechtlich möglich – aus dem Eingliederungstopf für die Hartz IV-Empfänger bedienen, mithin also Gelder, die für die Förderung der Arbeitslosen gedacht sind, umschichten, um damit Miete und Personalkosten zu finanzieren (vgl. zu dieser besonderen Problematik meinen Beitrag Jobcenter: Die Notschlachtung eines Sparschweins für das Auffüllen eines anderen? Wieder ein skandalöser Rekord bei den Umschichtungen von Fördermitteln hin zu den Verwaltungsausgaben vom 27. Februar 2017).

Aber der Irrsinn kann noch gesteigert werden, denn landauf landab wird man mit solchen Meldungen konfrontiert: Mittel gekürzt: Jobcenter muss knausern: »Völlig überraschend hat Berlin dem Jobcenter Hannover Finanzmittel für Eingliederungsmaßnahmen gestrichen. 7,5 Millionen Euro fehlen. Der Sparkurs trifft Alleinerziehende, Jugendliche und Flüchtlinge.«

»Begründet wurde der Rotstiftkurs mit vermutlich geringerem Aufwand für die Integration von Flüchtlingen. Die Zahl der Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten, die eine neue Heimat in Deutschland suchen, sei natürlich gesunken, sagt Sozialdezernent Erwin Jordan als Vorsitzender der Trägerversammlung. Den Effekt aber bekomme das Jobcenter mit Verspätung zu spüren: „Wir haben 100 bis 150 Neuzugänge von Flüchtlinge pro Woche.“

Jobcenter-Chef Michael Stier musste das Arbeits- und Integrationsprogramm 2017 deutlich abspecken. Er hatte für Verwaltungskosten 84,6 Millionen und für Eingliederungsmaßnahmen 77,2 Millionen Euro erwartet. „Das hätte für notwendige Unterstützung ausgereicht“, sagt er. „Jetzt können wir zum ersten Mal nicht alles realisieren, was wir für erforderlich halten.“

Die Zahl der Maßnahmen für Langzeitarbeitslose, aber auch Jugendliche und Flüchtlinge wird von 22 000 auf 16 600 sinken – also fast um ein Viertel abnehmen. Kurse finden in Folge mit weniger Teilnehmern statt, werden auf später verschoben oder ganz gestrichen. Das trifft auch die Bildungsträger, die mit dem Jobcenter arbeiten. Quasi als Kettenreaktion dürften auch bei ihnen Jobs gefährdet sein.«

Und das vor dem Hintergrund der bereits seit längerem praktizierten und schon angesprochenen Mittelumschichtungen aus den zugewiesenen Mitteln für Fördermaßnahmen. Am Beispiel des Jobcenter Hannover: »Die Einrichtung in Hannover, die 1700 Mitarbeiter habe …  müsse aber immer Mittel umschichten, weil die Zuweisung für Personalkosten seit 2012 trotz Tariferhöhungen unverändert blieben. 200 Mitarbeiter hätten noch befristete Verträge, für ihn ein Unding.«

Und nicht das der eine oder andere denkt, jetzt ist aber Schluss. Thomas Öchsner hat sich thematisch hier leider mehr als passend mit diesem Artikel zu Wort gemeldet: Bürokratisches Gewirr: »Die neuen Kombikurse für Flüchtlinge, bei denen Deutschkurse und die Berufsvorbereitung kombiniert wurden, laufen nur schleppend an. Dabei sollte es eigentlich ganz schnell gehen. Die Rechnung wurde ohne die deutsche Bürokratie gemacht.« Wieder werden wir mit einer guten Absicht konfrontiert: Im August 2016 wurde ein Programm mit dem Titel „KompAS“ ( Kompetenzfeststellung, frühzeitige Aktivierung und Spracherwerb) gestartet. Es soll helfen, anerkannte Geflüchtete und Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive schneller in eine Ausbildung oder eine Arbeit zu bringen. Es geht also um Kurse, bei denen Deutschkurse und die Berufsvorbereitung kombiniert werden (sollen).

»So prognostizierte das Bundesarbeitsministerium im Juli in bestem Amtsdeutsch: „Bis Jahresende wird mit ca. 40 000 Maßnahmeeintritten gerechnet.“ Gut 40 000 Plätze sollten also bis Ende Dezember 2016 besetzt sein.«

Tatsächlich aber waren es nur gut 10.000. Dass diese Zahlen überhaupt ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind, liegt an einer Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Brigitte Pothmer. Und die führt das ernüchternde Ergebnis auf „zersplitterte Zuständigkeiten und bürokratische Abstimmungsprozesse“ zurück. Wir werden nicht nur mit dem institutionellen Wirrnissen unseres „Systems“ konfrontiert, sondern auch mit den Untiefen einer kafkaesk daherkommenden Förderlandschaft:

»Zuständig für die Kombikurse sind das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Nürnberger BA, das BAMF für die Integrationskurse, die Bundesagentur für Bewerbungstrainings oder Berufsvorbereitungskurse. Das löse laut Pothmer aber ein „Wirrwarr“ aus: So müssten die Bildungsträger die jeweiligen Kursanteile getrennt abrechnen. Bei den Unterrichtsräumen und der Qualifikation des Lehrpersonals gebe es unterschiedliche Normen. „Auch die Kursteilnehmer leiden unter den unterschiedlichen Vorschriften, etwa bei der Erstattung der Fahrkosten“, sagt die Grünen-Abgeordnete. Das sehen beteiligte Akteure genauso: Der zuständige Dezernent einer großen deutschen Stadt spricht in einer internen Mail von einem geringen Interesse der Bildungsträger wegen der „Regelungsdichte“. Auch weist er darauf hin, dass sich erst im Nachhinein herausstelle, dass viele Teilnehmer Analphabeten seien, die dann an den Kombikursen nicht mehr teilnehmen dürften. Viele Träger seien nach Aussagen der Jobcenter nicht bereit, mit anderen Anbietern zu kooperieren und sich gemeinsam für die Umsetzung der Kurse zu bewerben. Es fehle Lehrpersonal. Außerdem seien die Kombikurse für die Bildungsträger wegen der kurzen Laufzeiten finanziell nicht attraktiv.«

Und die Schlussfolgerung von Brigitte Pothmer? „Die Bundesregierung hätte von Anfang an die Zuständigkeit für die Kombikurse in eine Hand legen müssen. Jetzt droht der gute Ansatz der frühzeitigen Kombination von Spracherwerb und Qualifizierung zwischen den Ressort-Egoismen zerrieben zu werden.“

Irgendwie kommt einem das mehr als bekannt vor. Quod erat demonstrandum.

Da war doch noch was? Flüchtlinge, Sprach- und Integrationskurse und die Menschen, die das machen

Es ist ein grundsätzliches Phänomen unserer Zeit und zugleich ein echtes Problem, dass die von den Gesetzmäßigkeiten einer Aufmerksamkeitsökonomie vor sich hergetriebenen Medien auf ein Thema anspringen, um dann kurze Zeit später die mit Sicherheit folgende neue Sau, die dann durchs Dorf getrieben wird, zu verfolgen und die vor kurzem noch im Mittelpunkt der Berichterstattung stehende Angelegenheit verschwindet wieder in der Dunkelheit der Nicht-Berichterstattung und damit folgend der Nicht-Wahrnehmung. Mit erwartbaren Folgen: Aus den Augen, aus dem Sinn. Die Politik und ihre professionellen Öffentlichkeitsarbeiter wissen das. Also müssen sie in dem Moment, wo ein Thema durch eine Aufmerksamkeitswelle nach oben gespült wird und die Erregung am größten ist, schnell und scheinbar tatkräftig reagieren, in dem sie dem Publikum signalisieren, wir tun was. Das wird gelöst. Dumm nur, wenn es sich – wie im sozialpolitischen Feld eher der Regelfall – um höchst komplexe Angelegenheiten handelt, die man eben nicht einfach Wegreden kann, sondern wo nur mit dem Einsatz von Mehr-als-Worten, also Geld und dann auch noch möglicherweise gemeinsam mit den föderalen Ebenen unseres Staates etwas bewirkt werden kann. Das kostet Zeit, wenn die Finanzmittel überhaupt da sind oder zur Verfügung gestellt werden, da muss jemand die Verantwortung der Umsetzung übernehmen, wobei vorher die Zuständigkeitsfrage geklärt sein muss. Das dauert.

Nur hin und wieder wird mal nachgefragt seitens der Medien, was den aus einem der vielen tatkräftig daherkommenden Lösungsversprechen geworden ist, wie die Ergebnisse aussehen, ob es überhaupt welche gibt. Nicht selten wird man dann mehr als ernüchternde Befunde zur Kenntnis nehmen. Nehmen wir als Beispiel die Flüchtlinge und dabei ganz besonders die Sprach- und Integrationskurse. Die einleitend beschriebenen Mechanismen unserer Medienwelt kann und muss man hier wie in einem Lehrbuch zur Kenntnis nehmen.

In diesem Blog wurde bereits vor einiger Zeit nicht nur darüber berichtet, dass es nicht genügend Sprach- und Integrationskurse gibt, sondern ein besonderer Schwerpunkt wurde auf die teilweise erheblich prekäre Situation der Lehrkräfte gelegt.

Bereits am 13. April 2015 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Vom Sparen am falschen Ende und einer „vorsätzlichen Gesellschaftsgefährdung“. Es geht um Sprach- und Integrationskurse für Asylbewerber und „Menschen mit einem dauerhaften oder befristeten Aufenthaltstitel“. Schon damals wurde – mit Bezug auf die Bundesagentur für Arbeit – darauf hingewiesen, dass enorme gesellschaftliche Folgekosten drohen, wenn man nicht endlich bei den Sprach- und Integrationskursen in die Puschen kommt. Dazu braucht man natürlich die Lehrkräfte als wertvollste Ressource. Aber über die musste dann am 2. September 2015 unter dieser Überschrift berichtet werden: 1.200 Euro im Monat = „Top-Verdienerin“? Lehrkräfte in Integrationskursen verständlicherweise auf der Flucht oder im resignativen Überlebenskampf. Nach der Beschreibung der Bedingungen, unter denen die meisten (selbständigen) Lehrkräfte arbeiten müssen,  ließ sich dieses Fazit nicht vermeiden: „Letztendlich haben wir es hier mit pädagogischen Tagelöhnern zu tun.“

So etwas wie ein Hoffnungsschimmer hat es dann am 16. Mai 2016 in die Überschrift dieses Beitrags geschafft: Der Integrations-Flaschenhals Sprachkurse, die Lehrkräfte und deren schlechte Vergütung. Doch jetzt soll alles besser werden. Damals ging es darum, dass das durchschnittliche Mindesthonorar für die selbständigen Lehrkräfte gerade mal bei 20,35 Euro pro Unterrichtsstunde lag und eine Anhebung auf 35 Euro pro Stunde zur Diskussion stand, nachdem es in den Medien immer mehr kritische Berichte über die Vergütung der Lehrkräfte gegeben hatte. Aber selbst diese diskutierte Anhebung wurde von den Betroffenen als viel zu niedrig kritisiert.

In den vergangenen Monaten ist es ziemlich ruhig geworden rund um das Thema Flüchtlinge. Und damit leider auch um das Thema Sprach- und Integrationskurse, obgleich da eben nicht nunmehr alles rund läuft. Immer noch gibt es zu wenig Angebote und immer noch sind die Bedingungen der dort arbeitenden Fachkräfte unbefriedigend.

Mal wieder in den Lichtkegel der öffentlichen Aufmerksamkeit gerutscht ist das Thema rund um die Berichterstattung über eine Bewertung des Bundesrechnungshofes über längst zurückliegenden Vorgänge. Rechnungshof rügt Sprachkurse für Flüchtlinge, so eine der vielen Artikel-Überschriften dazu.: »Die Arbeitsagentur hat 400 Millionen Euro für Deutschkurse ausgegeben. Ein großer Teil der eingesetzten Mittel ist wohl wegen geringer Teilnehmerzahlen wirkungslos verpufft«, so Sven Astheimer. Das hört sich nach einem Skandal an, 400 Mio. Euro sind ja kein Pappenstiel. Und wenn man dann liest, der »Bundesrechnungshof beschuldigt Deutschlands größte Behörde, durch mangelnde Vorgaben für Bildungsträger und fehlende Kontrollen Millionenbeträge mit Sprachkursen für Flüchtlinge verschwendet zu haben«, dann scheint sich der Verdacht zu bestätigen. Hinzu kommt: Es geht hier um rund 400 Millionen Euro aus Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, denn die hat das Geld aus ihrer Kasse zur Verfügung gestellt, obgleich natürlich eigentlich die Aufgabe aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren wäre.

Aber man muss genauer hinschauen.

»Im Herbst 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, entschied sich jedoch der Verwaltungsrat der Arbeitsagentur dafür, ein Sonderprogramm aufzulegen, weil es an Sprachkursen mangele. Das Programm wurde als „Soforthilfe“ deklariert und sollte „unbürokratisch“ umgesetzt werden. Das Programm lief von Oktober bis Dezember 2015. Die Nachfrage war riesig: Rund 220000 Flüchtlinge wurden für die Sprachkurse angemeldet, mehr als doppelt so viel wie erwartet. Das trieb die Kosten in die Höhe. Waren zunächst 54 bis 121 Millionen Euro veranschlagt, stand am Ende ein Bedarf von rund 400 Millionen Euro.«

Die mit gut gefüllten Kassen ausgestattete Bundesagentur für Arbeit, deren damaliger Leiter Frank-Jürgen Weise auch noch Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde, das für die Kurse eigentlich zuständig ist, ist also in die Bresche gesprungen, als Not am Mann war und der Haushalt des Bundes geschont werden sollte, denn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte und hat die „schwarze Null“ als ewige Dauerstimme im Kopf.

Man könnte jetzt also argumentieren, damals war die Not groß und die BA ist dann eben unbürokratisch eingesprungen, um die Kurse für die Flüchtlinge zu ermöglichen, da läuft natürlich nicht alles so, wie es seinen normalen bürokratischen Gang geht. Aber:

»Schon damals waren jedoch Zweifel an der Vergabe- und Kontrollpraxis der Agenturen aufgekommen. Von Schein- und Doppelmeldungen durch die Bildungsträger war die Rede, von überhöhten Abrechnungssätzen und dubiosen Anbietern. Die Arbeitsagentur schreckte auf und begann mit stichprobenartigen Prüfungen. Dabei sei man „in Einzelfällen“ auf Umstände gestoßen, „die wir uns so nicht gewünscht hätten“, hatte Vorstandsmitglied Detlef Scheele im Februar 2016 noch gesagt. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch erst 4 Prozent der Sprachkurse abgerechnet.«

Und nun – rückblickend ist man immer schlauer könnte man einwerfen – meldet sich Monate später der Rechnungshof zu Wort nach einer Prüfung der damaligen Vorgänge in aller Ruhe und im warmen Büro und wirft der BA vor, dass nicht alles so abgelaufen sei, wie man es erwarten müsste unter Normalbedingungen. Aber so einfach kann man die Kritik auch nicht beiseite schieben, die Argumentation des Rechnungshofes, über die Astheimer berichtet, hört sich differenzierter an:

„Besonders kritisch sehen wir, dass die Bundesagentur zwar bestimmte Vorgaben vorbereitet hatte, diese aber nicht zur Anwendung kamen“, rügte Rechnungshofpräsident Kay Scheller. Zwar erkennt er den Willen der Verantwortlichen an, in einer schwierigen Situation einen Beitrag für die Integration von Flüchtlingen leisten zu wollen. „Gerade in einer solchen Situation brauchen wir aber ein Mindestmaß an Regelung, wie solche Sprachkurse aussehen und durchgeführt werden sollen.“

Und fürwahr – das Vorgehen der BA damals erscheint als ziemlich freier Freibrief: »Normalerweise knüpft die Arbeitsagentur den Einkauf von Leistungen Dritter an konkrete Vorgaben. In diesem Fall wurde darauf jedoch verzichtet. Es gab weder ein festgelegtes Lernziel für die Teilnehmer noch eine Anwesenheitskontrolle. Auch wurden entgegen sonstigen Gepflogenheiten Anbieter ohne Zertifizierung zugelassen.«

Auch Sandra Stalinski weist in ihrem Artikel Integrationskurse: Die Qualität schwankt zuerst darauf hin, dass im Herbst und Winter 2015 in sehr kurzer Zeit sehr viele Menschen auf einmal kamen und zunächst Chaos herrschte. »Es gab nicht genügend Plätze in den Integrationskursen, es mangelte an Trägern, die solche Kurse durchführen können und an geeigneten Lehrkräften. Der Bund versuchte, schnell Abhilfe zu schaffen. Durch ein Sonderprogramm der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden rasch Einstiegskurse für Geflüchtete ins Leben gerufen. Die Anforderungen an die Träger waren sehr gering. Es kam zu Missbrauch, falschen Abrechnungen, miserablen Lernbedingungen.«
Dieses Chaos ist inzwischen behoben, so Stalinski, denn die Einstiegskurse sind ausgelaufen.

Für die regulären Integrationskurse wurden mehr Plätze geschaffen: Nach Angaben des BAMF wurden 20 Prozent mehr Träger zugelassen, die Zahl der Lehrkräfte sei sogar um 100 Prozent gestiegen. Hört sich erst einmal gut an.

»600 Unterrichtsstunden Sprachkurs und weitere 100 Stunden Orientierungskurs, mit Wissen zu Geschichte, Rechtsordnung und Werten in Deutschland umfasst ein Integrationskurs. Am Ende sollen die Teilnehmer mindestens das Sprachniveau B1 erreichen. Gemeint ist damit die selbstständige Sprachverwendung in den wichtigsten Lebensbereichen.«

Aber offensichtlich haben wir es weiterhin mit erheblichen Qualitätsunterschiede zwischen den so wichtigen Integrationskursen zu tun. Und bei der Suche nach den Ursachen dafür stoßen wir auf die Lehrkräfte und ihre Qualifikation:

»In der Kürze der Zeit sind viele Lehrer nachqualifiziert worden, die nie Deutsch als Fremdsprache (DaF) studiert haben. Ihre Qualifikation ist nicht gleichwertig: Beispielweise bei einem deutschen Soziologen, der zum Lehrer umgeschult wurde und jetzt durch eine Zusatzqualifizierung Integrationskurse unterrichtet. „Der musste in wenigen Wochen lernen, was andere in jahrelangem Studium lernen. Da fehlt es oft an methodisch-didaktischem Wissen, an Reflexion über die eigene Sprache, die man ja als Muttersprachler in der Regel nicht hat“, sagt Ingo Schöningh vom Goethe-Institut Mannheim.
Nur 51 Prozent der aktuell etwa 19.500 Integrationskurslehrer haben ein DaF-Studium absolviert, teilt das BAMF auf Anfrage mit. Rund 37 Prozent haben vor ihrer Zulassung eine Qualifizierung durchlaufen. 12 Prozent unterrichten bereits und holen die Zusatzqualifizierung parallel nach. Die – je nach Vorbildung – 70 oder 140 Unterrichtsstunden Zusatzqualifizierung sind nach BAMF ausreichend. Akteure im Bildungssektor bezweifeln das jedoch.«

Und die Arbeitsbedingungen, die auch heute zu beobachten sind, müssen als sichere Quelle für Qualitätsprobleme angesehen werden. Beispiel Gruppengröße – die ist sogar raufgesetzt worden:

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) »bemängelt, dass die Teilnehmerzahl von 20 auf 25 erhöht wurde: „Die Gruppen sind viel zu groß, angesichts der pädagogischen Herausforderung“, sagt Ansgar Klinger zu tagesschau.de. „Da sitzen mitunter Menschen mit Bürgerkriegserfahrung, die vielleicht nie eine Schule besucht haben, neben EU-Bürgern, die hier arbeiten wollen und ein abgeschlossenes Studium haben.“ 

Und selbst die mehr als fragwürdigen 25 werden angeblich überschritten. So berichtet eine Lehrkraft: „Ich weiß von Kursen privater Träger, in denen 30 Leute sitzen. 25 davon sind Integrationskursteilnehmer, die anderen fünf sind Selbstzahler.“ Da formal die Teilnehmerzahl des Integrationskurses nicht überschritten wird, werde das offenbar nicht weiter kontrolliert.

An der Bezahlung hat sich seit der letzten Anhebung nichts geändert: 35 Euro pro Unterrichtsstunde erhält eine Honorarkraft für den Integrationskurs. Die Anhebung von durchschnittlich 23 auf 35 Euro sei zwar ein richtiger Schritt gewesen, reiche aber bei weitem nicht aus, so die GEW: Umgerechnet in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung käme man laut GEW gerademal auf den Mindestlohn in der Weiterbildungsbranche, der auch für Nicht-Akademiker gilt.

Und ein eigenes Problemfeld sind die Träger, die solche Maßnahmen durchführen – mit bedenklichen Folgewirkungen der „wilden Zeit“, über die hier bereits berichtet wurde (Zitat einer Volkshochschullehrerin: „Als die BA 2015 die Einstiegskurse ins Leben rief, haben im Ruhrgebiet sogar Fahrschulen solche Kurse angeboten. Da haben Leute 300 Stunden Kurs gemacht und hinterher kaum ein Wort Deutsch verstanden.“) Aber die sind doch vorbei? Ja, aber:
„Anbieter, die damals ohne jede Qualifikation die Einstiegskurse der BA durchgeführt haben, können das beim BAMF heute als Erfahrungsnachweis vorbringen und so eine vorläufige Zulassung als Träger erhalten“, so Ansgar Klinger von der GEW.

Man sieht: Der Fortschritt ist eine quälend langsame Schnecke, in diesem Fall ganz besonders und zuweilen werden auch noch tote Schnecken reanimiert, um sie weiterlaufen zu lassen.

Und es möge sich keiner angesichts der seit dem vergangenen Jahr rückläufigen Flüchtlingszahlen in falscher Sicherheit wiegen, dass sich das Bedarfsproblem ab Sprach- und Integrationskursen irgendwie von alleine löst. Ein Beispiel, was – ob man will oder nicht – an zusätzlichem Bedarf auf uns zukommt, neben denen, die schon da sind: Fast 268.000 Syrer haben Anspruch auf Familiennachzug, so ist ein Artikel überschrieben. »Immer mehr anerkannte syrische Flüchtlinge haben einen Anspruch auf Familiennachzug. Das geht aus einem internen Papier der Bundesregierung zu den Folgen der Flüchtlingskrise hervor … Aus den Asylentscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ergebe sich „ein Potenzial von Syrern, die berechtigt wären, Familienangehörige nachzuholen“ von derzeit rund 267.500 Personen. Für sie findet die „Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre“ nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 104, Absatz 13) laut dem internen Bericht „keine Anwendung“. Die betroffenen syrischen Flüchtlinge dürften ihre Familien somit nach Deutschland nachholen.«

Wer sich gleichsam aus erster Hand über die Situation, vor allem aber über die Forderungen der Fachkräfte, die in den Sprach- und Integrationskursen arbeiten, informieren möchte, dem sei diese Seite empfohlen: Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte, die beiden Kürzel stehen für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache.

Die Flüchtlinge und ihre (nicht nur) volkswirtschaftlichen Wirkungen. Die „könnten“ positiv sein. Unter Umständen

Im Gefolge der viele Flüchtlinge, die im Herbst des Jahres 2015 bis Anfang 2016 nach Deutschland gekommen sind, gab es auch eine Diskussion über die volkswirtschaftlichen Aspekte – angesichts der für viele Bürger erkennbar hohen Kosten war und ist eine Auseinandersetzung mit den ebenfalls vorhandenen „Erträgen“ auch von gesellschaftspolitischer Bedeutung (vgl. bereits frühzeitig den Beitrag Die Flüchtlinge in der Bruttowelt der Kostenrechner und das – wie so oft vergessene – Netto vom 1. Februar 2016). Nun ist neues Material zu den hier aufgerufenen Fragen veröffentlicht worden. »Die Flüchtlinge haben einen positiven Effekt auf die deutsche Konjunktur. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Demnach erhöht die jüngste Zuwanderung das Bruttoinlandsprodukt bis 2020 um insgesamt rund 90 Milliarden Euro. Der Effekt auf das Pro-Kopf-Einkommen ist vorerst negativ«, berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unter der Überschrift: Integration schafft Wachstum. Und aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird mit Hinweis auf eine gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erstellte Studie unter der Überschrift Investitionen in die Integration von Geflüchteten lohnen sich gemeldet: »Mehr staatliche Unterstützung beim Deutschlernen und weitere Investitionen in die Bildung von Geflüchteten verbessern nicht nur deren Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, sondern lohnen sich langfristig auch für die öffentlichen Haushalte.« Das hört sich doch alles ganz positiv an, was besonders motiviert, einen genaueren Blick auf die Studien und ihre Argumentation zu werfen.

Das IW bilanziert die erwarteten Auswirkungen in einer Studie so:

»In den Jahren 2015 und 2016 sind etwa 1,2 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Die kurz- bis mittelfristigen Effekte der Flüchtlingsaufnahme auf die wirtschaftliche Entwicklung werden anhand eines makroökonometrischen Modells geschätzt. Auf der einen Seite sind die Effekte auf das Pro-Kopf-Einkommen und die fiskalische Bilanz leicht negativ. Auch die Erwerbslosigkeit wird durch die Flüchtlingsmigration ansteigen. Auf der anderen Seite steigern die höheren Staatsausgaben verbunden mit einer zunehmenden Anzahl erwerbstätiger Flüchtlinge das Wirtschaftswachstum. Die kumulierte Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland kann sich im Zeitraum 2016 bis 2020 auf bis zu 95 Milliarden Euro belaufen. Der Effekt hängt dabei entscheidend von der Arbeitsmarktintegration und der Bildungspolitik ab.« (Tobias Hentze und Galina Kolev (2016): Gesamtwirtschaftliche Effekte der Flüchtlingsmigration in Deutschland, in: IW-Trends, Heft 4/2016, S. 59)

Ein sicher ganz entscheidender Satz ist dieser: „Wie stark die simulierten Effekte tatsächlich ausfallen, wird maßgeblich davon abhängen, wie gut die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt“, wird Tobias Hentze vom IW zitiert.

Es ist mehr als naheliegend, dass man gesichert davon ausgehen muss, dass die Frage, ob und wann und natürlich auch in welche konkreten Jobs ein Teil der Flüchtlinge integriert werden kann, von entscheidender Bedeutung ist für die Abschätzung sowohl der Kosten wie auch der Nutzen, die mit den flüchtlingsinduzierten Aufwendungen verbunden sind. Wobei man sich davor hüten muss, alles auf die Arbeitsmarkt-Frage zu reduzieren bzw. zu fokussieren, denn ein nicht geringer Teil der Flüchtlinge wird altersbedingt (noch) nicht arbeiten können und auch viele Mütter werden dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können bzw. das nicht wollen oder auch nicht dürfen, weil ihnen aus welchen Gründen auch immer der Zugang zur Erwerbsarbeit innerhalb des Familienverbunds nicht ermöglicht wird. Daraus wird dann aber auch – zusätzlich zu einer möglicherweise lange dauernden Integration von erwerbsfähigen Flüchtlingen aufgrund von Aufnahmehemmnissen des deutschen Arbeitsmarktes – eine sehr lange Hilfebedürftigkeit und damit verbunden Angewiesenheit auf Transferleistungen aus dem Grundsicherungssystem resultieren. Damit das nicht falsch verstanden wird an dieser Stelle – auch diese Aufwendungen dürfen nicht nur als Kosten verstanden werden, sondern sie müssen in einer ordentlichen Rückflussrechnung sowie fiskalisch wie auch darüber hinaus volkswirtschaftlich einer Nettobetrachtung unterworfen werden.

Aus der Vielzahl der möglichen und im jeweiligen Modell zu operationalisierenden Annahmen ergibt sich eine erhebliche Unsicherheit, die einen davor zurückschrecken lassen sollte, genau daherkommende Werte in den Raum zu stellen, die sich rechnerisch ergeben, aber eben nur unter Berücksichtigung aller getroffenen Annahmen.

Dazu nur ein Beispiel aus der IW-Studie:

»Im Jahr 2016 stehen annahmegemäß im Jahresdurchschnitt knapp 290.000 Personen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, hiervon findet jeder Fünfte eine Beschäftigung … Aufgrund des gesetzlichen Mindestlohns wird vereinfachend davon ausgegangen, dass jeder erwerbstätige Flüchtling von staatlichen Transferzahlungen unabhängig ist. Bei den Familien wird dabei implizit unterstellt, dass der erwerbstätige Vater zwar keine Transfers erhält, für die Frau und Kinder dagegen staatliche Ausgaben im Rahmen der Flüchtlingshilfe anfallen, beispielsweise für die Weiterbildung und den Schulbesuch. Zwar werden Kinder von erwerbstätigen Migranten nicht primär vom Staat versorgt, allerdings kommen im Bildungssystem Ausgaben auf den Staat zu.« (Hentze/Kolev 2016: 65 f.)

Das ist zwar alles sehr sympathisch, aber allein die beiden zentralen Annahmen in diesem Absatz können mit einem großen Fragezeichen versehen werden: Wird es wirklich gelingen, dass jeder fünfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Flüchtling eine Beschäftigung finden wird? Aber selbst, wenn wir das mal akzeptieren – die Annahme, dass die Erwerbseinkommen, die von den meisten Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt erzielt werden können, ausreichen werden, um die Familien aus dem (aufstockenden) Hartz IV-Bezug zu holen, erscheint doch vorsichtig formuliert mehr als optimistisch.

Man muss fairerweise anfügen, dass das IW das durchaus sieht, an anderer Stelle findet man dann diesen Passus: Bei Gültigkeit der Annahmen »muss der Staat im Jahr 2016 rund 18 Milliarden Euro im Zusammenhang mit der Flüchtlingsmigration aufwenden. Dieser Betrag steigt unter Berücksichtigung des in der Simulation ab 2017 einsetzenden Familiennachzugs bis zum Jahr 2020 auf rund 29 Milliarden Euro … Im Wesentlichen liegt dies an den steigenden Sozialausgaben für die nicht erwerbstätigen Flüchtlinge. Zum einen nimmt die durchschnittliche Anzahl der nicht erwerbstätigen Flüchtlinge Jahr für Jahr zu. Zum anderen muss der voraussichtlich ansteigende Familiennachzug, der zu weiteren Ausgaben des Staates führt, hinzugerechnet werden.« (Hentze/Kolev 2016: 67).

Parallel zu dem, was das IW publiziert hat, gibt es eine weitere neue Studie zum Thema – und auch hier werden wir mit einer positiven Grundbotschaft versorgt: Investitionen in die Integration von Geflüchteten lohnen sich, so hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit eine Mitteilung über eine neue Studie, die gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erstellt worden ist, überschrieben:

»Mehr staatliche Unterstützung beim Deutschlernen und weitere Investitionen in die Bildung von Geflüchteten verbessern nicht nur deren Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, sondern lohnen sich langfristig auch für die öffentlichen Haushalte … Zusätzliche Investitionen von 3,3 Milliarden Euro in Sprachkenntnisse und Bildung der 2015 zugewanderten Flüchtlinge können die fiskalischen Kosten bis zum Jahr 2030 um elf Milliarden Euro reduzieren.«

Ganz offensichtlich ist man hier davon ausgegangen, was passieren könnte, wenn man mehr tun würde: »Bei ihren Berechnungen sind die Forscher davon ausgegangen, dass durch verstärkte öffentliche Investitionen in Integrations- und Sprachkurse der Anteil der Geflüchteten mit guten oder sehr guten deutschen Sprachkenntnissen zehn Jahre nach dem Zuzug um 20 Prozentpunkte von 46 auf 66 Prozent erhöht werden kann. Ein solches Niveau werde von anderen Migrantengruppen auch erreicht. Zudem nehmen die Forscher an, dass durch zusätzliche Investitionen in die Allgemein- und Berufsbildung Geflüchteter der Anteil der Personen, die in Deutschland einen beruflichen Abschluss erwerben, um ebenfalls 20 Prozentpunkte von 13 auf 33 Prozent erhöht werden kann.«

Es handelt sich um diese Studie:

Stefan Bach et al. (2017): Fiskalische und gesamtwirtschaftliche Effekte: Investitionen in die Integration der Flüchtlinge lohnen sich. IAB-Kurzbericht 02/2017, Nürnberg 2017

Auf dort findet man eine fundierte Beschreibung der notwendigerweise zu treffenden Annahmen für die Berechnungen der volkswirtschaftlichen Effekte – und zugleich einen Eindruck, wie unsicher viele der zu beziffernden Bereiche sind.

Sozial- und wirtschaftspolitisch besonders relevant aber sind diese Erkenntnisse, die von den Studienautoren besonders hervorgehoben werden: „In der Vergangenheit haben der Erwerb eines deutschen Bildungsabschlusses und das Erreichen von guten oder sehr guten Deutschkenntnissen die Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Flüchtlingen jeweils um rund 20 Prozentpunkte und die Verdienste jeweils um rund 20 Prozent erhöht“.

»Daher sei es sinnvoll, die Investitionen in den Spracherwerb und den Erwerb zusätzlicher Bildungsabschlüsse zu beschleunigen und den Kreis der Anspruchsberechtigten zu erweitern, so die Arbeitsmarktforscher. Mit der Öffnung der Integrationskurse für Asylbewerber, die aus Herkunftsländern mit guter Bleibeperspektive stammen, wurde zwar bereits ein wichtiger Schritt für die Investitionen in die Sprachkenntnisse von Geflüchteten gemacht. „Allerdings bleiben große Gruppen weiterhin bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens ausgeschlossen, obwohl auch von ihnen ein erheblicher Teil länger in Deutschland bleiben wird“, schreiben die Forscher. Vor dem Hintergrund der hohen Erträge sollte daher beispielsweise überdacht werden, ob die Integrationskurse nicht von vornherein für alle Asylbewerber, und nicht nur für Asylbewerber aus Ländern mit einer hohen Anerkennungswahrscheinlichkeit, geöffnet werden.«

Damit sind wir bei einem letztendlich höchst politischen Punkt angekommen, der aber enorme volkswirtschaftliche Folgewirkungen hat. Immer noch wird die überaus heterogene Gruppe der Flüchtlinge selektiert und kategorisiert entlang der alten ausländerrechtlichen Scheidelinie „Hierbleiben dürfen – Weggehen müssen“. Nur dass sie in der Realität – man denke hier an die vielen Geduldeten – schon immer eine eher theoretische war und ist. Und volkswirtschaftlich wie auch gesellschaftspolitisch ist sie kontraproduktiv hoch x.

Tatsächlich – und von vielen Praktikern schon seit Jahren gefordert – hätte man „mit Kanonen auf Spatzen“ schießen sollen, also einen weitreichenden Arbeitsmarktzugang, aber auch eine Einbeziehung in die Sprachförderung, von Anfang an für alle – auch für die, die irgendwann einmal zurück müssen. Denn es macht keinen Sinn, die Betroffenen aufgrund einer Statusentscheidung, die aber oftmals nicht zur Konsequenz der Rückkehr führt, auszuschließen von Erwerbsarbeit oder Sprach- und Integrationskursen, die im wahrsten Sinne des Wortes konfliktverhindernd oder -reduzierend wirken könnten. Und wenn die Leute temporär einen Job finden, dann ist das ökonomisch (und menschlich) im Regelfall immer besser als sie monate- und teilweise jahrelang in einer Blase des Nichtstun und der Exklusion zu halten und sich immer nur dann aufzuregen, wenn sie sich aus dieser Blase entfernen. Und gesellschaftlichen Stress machen.

Und bei allem Respekt für die Fleißarbeiten der Wissenschaftler in den hier skizzierten Studien – wie sieht es denn draußen aus? Viele bemühen sich vor Ort und immer wieder gibt es einzelne Erfolge zu vermelden (und jeder für sich ist eine gute Sache). Aber greifen wir einen Punkt heraus, der durchaus anschlussfähig ist an die Alltagswahrnehmung vieler Menschen, die einen Blick haben auf die Flüchtlinge. Die oftmals monatelang in einer Vakuum der Nicht-Arbeit und des Wartens auf die Möglichkeit, überhaupt einen Asylantrag stellen zu können oder auf dessen Bearbeitung und Entscheidung, eingebunden sind. Die tagsüber umherlaufen, die gespendeten Fahrräder dazu verwenden, von A nach B nach A nach B zu kommen, sich langweilen, frustriert oder aggressiv werden in diesen Blasen, in denen sie sich befinden (müssen).

Natürlich wäre es sinnvoll und hilfreich, wenn man den Betroffenen Beschäftigungen anbieten kann. Idealerweise nicht irgendwelche, sondern wertschöpfende Arbeit. Von der bekanntlich so viel unerledigt auf der Straße liegt. Und irgendwann ist das auch oben angekommen, also in Berlin, man hat dann versucht, damit umzugehen wie immer: Das Anliegen in die vorhandene Instrumentenlandschaft zu pressen und über die – egal ob sie passen – eine Lösung zu offerieren. Grundsätzlich gab und gibt es die Option einer raschen öffentlich organisierten Beschäftigung der Asylbewerber ja schon lange. Arbeitsgelegenheiten nach dem § 5 Asylbewerberleistungsgesetz. Statt da unkonventionell und schnell anzusetzen, den in diesem Fall zuständigen Kommunen schnell die erforderliche finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen und da, wo es Not tut, auch die personelle durch Arbeitsagenturen und Jobcenter, hat Berlin gekreißt und einen neuen Paragrafen geboren – den § 5a AsylbLG. Deutlich länger als der eigentlich relevante § 5 AsylbLG insgesamt. „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“, so hat man das, was man da geschaffen hat, getauft. Das wurde hier bereits mehrfach kritisiert, so beispielsweise in dem Beitrag „Nirwana-Arbeitsgelegenheiten“ zwischen Asylbewerberleistungsgesetz und SGB II. Eine dritte Dimension der „Ein-Euro-Jobs“ und die dann auch noch 20 Cent günstiger? vom 12. Juni 2016 oder – die Kritik leider bestätigend – „80-Cent-Jobs“ für Flüchtlinge – billiger geht’s nun wirklich nicht. Und dennoch: Sie werden kaum genutzt vom 23. Dezember 2016.

Tonnenideologie trifft auf Wirklichkeit. 100.000 Arbeitsgelegenheiten nur für Flüchtlinge im Niemandsland zwischen Ankommen und Asylbescheid sollten geschaffen werden (und damit mehr als für alle Hartz IV-Empfänger in Deutschland an Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung stehen). Und die Bilanz? Im November 2016 waren rund 4.400 der geplanten 100.000 FIM (4,4%) besetzt.

Die praktischen Folgen sind desaströs – weiterhin sind die meisten Flüchtlinge ohne irgendeine Beschäftigung, mit allen Folgen, die damit verbunden sind. Dabei wissen wir genug über die Auswirkungen der Untätigkeit und des Nur-Warten-Müssens. Die Folgekosten werden gewaltig sein. Und dass eine frühzeitige Beschäftigung in Verbindung mit Sprachlernangeboten in und um die Arbeit herum die höchsten Wirksamkeitswerte hat, sei hier nur angemerkt, leuchtet aber sich den meisten auch sofort ein.

Vor diesem Hintergrund ist dann auch eine solche akademisch und fast schon devot formulierte Forderung aus der IAB/DIW-Studie von Bedeutung:

»Vor dem Hintergrund der hohen Erträge und vergleichsweise geringen Kosten sollte überdacht werden, ob die Integrationskurse nicht von vornherein für alle Asylbewerber, und nicht nur für solche mit guter Bleibeperspektive, geöffnet werden.« (Bach et al. 2017: 11)

Das sollte nicht überdacht werden, man hätte es schon längst ändern müssen. Es ist auch keine neue Forderung, sie wurde in der Vergangenheit immer wieder vorgetragen.