Verloren in einer (mindestens) halbierten Realität. Statistiken über fehlende Schulabschlüsse bei Flüchtlingen und Inhalte jenseits der Überschriften

Die echten Zahlen – so der Aufmacher der BILD-Zeitung am 22. August 2017. Offensichtlich, so die Botschaft, wurden wir bislang über irgendeine Wahrheit getäuscht mit falschen Zahlen und nun erfahren wir endlich, wie es wirklich ist. 59 Prozent der Flüchtlinge 
haben keinen Schulabschluss – so kann man es in der Online-Ausgabe der Zeitung lesen. Ergänzt wird das dann durch den Seriösität vermittelnden Zusatz: Bundesinstitut rechnet offizielle Zahlen auch.“ Wenn das keine Nachricht ist: »Die Anzahl der arbeitssuchenden Flüchtlinge ohne Schulabschluss ist weit höher als bisher offiziell angegeben. Ausgerechnet eine Bundesbehörde hat die Daten der Bundesagentur für Arbeit kritisch überprüft … Pikant: Das BIBB hatte Zahlen einer anderen Bundesbehörde nachgerechnet – der Bundesagentur für Arbeit (BA).« Da stellt sich natürlich die Frage, was denn bislang hinsichtlich des Merkmals „kein Schulabschluss“ angegeben wurde. Schaut man in die BA-Statistik, dann wird man hier die folgenden Zahlen für den Juli 2017 finden: Insgesamt geht es um 492.043 Personen im Kontext von Fluchtmigration, darunter aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Irak, Somalia oder Eritrea. Von diesen werden 168.828 Personen „ohne Hauptschulabschluss ausgewiesen, was einem Anteil von nur 34 Prozent entsprechen würde – deutlich weniger als die von den BILD-Zeitung genannten 59 Prozent.

Wie kann es zu solchen Abweichungen kommen? Die BILD-Zeitung klärt uns auf – als ob sie eine geheime Statistik-Verschlierungssache aufgedeckt hat:

»Das BIBB hatte Zahlen einer anderen Bundesbehörde nachgerechnet – der Bundesagentur für Arbeit (BA). In deren Statistik zu den Bildungsabschlüssen der knapp 500.000 arbeitssuchenden Migranten fiel auf, dass rund 25 Prozent der Personen keine Angaben gemacht hatten.

Das BIBB hält es für „nicht unwahrscheinlich“, dass die Betroffenen die Angabe verweigerten, weil sie in Wahrheit keinen Abschluss haben. Daraufhin wurden sie vom BIBB der Gruppe derer ohne Schulabschluss zugerechnet. Ergebnis: Im Schnitt 59 Prozent der Arbeitssuchenden aus den wichtigsten Asylländern haben keinen Schulabschluss.«

Ganz offensichtlich bezieht sich die BILD-Zeitung auf diese Veröffentlichung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB):

Friedel Schier (2017): Welche schulische Vorbildung bringen Geflüchtete für die Berufsausbildung mit?, Bonn 2017

An dieser Stelle hat sich eine interessante Kontroverse entzündet. So versuchte sich der Bayerische Rundfunk als „Faktenchecker“ und widersprach der BILD-Zeitung, die ja behauptet, das BIBB habe nachgerechnet: »Stimmt nicht, heißt es dazu auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks beim BIBB. Es sei nicht Aufgabe des BIBB, Zahlen der Bundesagentur nachzurechnen, und weiter: „Die Aussage ’59 % der Flüchtlinge haben keinen Schulabschluss‘ wurde seitens des BIBB nicht getroffen, da sie sachlich nicht richtig ist.“ (Bundesinstitut für Berufsbildung).« Das kann man dem Beitrag Wie viele Flüchtlinge sind ohne Schulabschluss? entnehmen.

Hier muss man allerdings kurz innehalten und einen Blick werfen in die Original-Veröffentlichung des BIBB. Und dort findet man dann tatsächlich diese Formulierung: »Wenn man in der BA-Statistik die Zahl der Personen ohne Abschluss zu den Personen ohne Angaben hinzurechnet, was aufgrund der besonderen Situation der Personen und des Fluchthintergrundes nicht unwahrscheinlich ist, verfügen gut 50 % der Schutzberechtigten über keine (abgeschlossene) Schulbildung.« Insofern hat die BILD-Zeitung an dieser Stelle nicht falsch berichtet.

Die Kritik aus den Reihen des Bayerischen Rundfunks wollte die BILD-Zeitung nicht auf sich sitzen lassen und auf Twitter entwickelte sich ein heftiger Schlagabtausch – vgl. dazu den Artikel Bild-Chef Reichelt vs. die Faktenchecker vom BR: das Problem mit einer Flüchtlings-Überschrift: »Bild-Chef Julian Reichelt und Bild-Politikchef Nikolaus Blome wehren sich öffentlich auf Twitter gegen einen Bericht des „Faktenfuchs“ vom Bayerischen Rundfunk. Die Faktenchecker hatten den Bild-Aufmacher vom Dienstag („So viele Flüchtlinge haben keinen Schulabschluss“) kritisiert. Schaut man sich die Fakten an, haben beide Parteien in gewisser Weise recht. Die Bild-Schlagzeile bleibt für sich genommen aber hoch problematisch.«

Zurück zu den „Faktencheckern“ des Bayerischen Rundfunks: Sie haben ja beim BIBB nachgefragt und von dort dann diese Erläuterungen erhalten:

»Das BIBB rät in seiner schriftlichen Stellungnahme an den BR zur Vorsicht mit der Statistik. Die zugrunde gelegten Zahlen beziehen sich nämlich demnach gar nicht auf alle Flüchtlinge, wie man aufgrund der Überschrift in der „Bild“ glauben könnte, sondern lediglich auf diejenigen Flüchtlinge, die noch Arbeit suchen. Das heißt: Alle Flüchtlinge, die schon Arbeit gefunden haben – zum Beispiel weil sie eine gute Ausbildung haben – kommen in der Rechnung mit den genannten 59 Prozent ohne Schulabschluss gar nicht vor.

Die ursprünglichen Zahlen sind auch differenzierter. 121.458 Arbeitssuchende machten KEINE Angaben zu ihrer schulischen Vorbildung. Also wurden sie bei den Zahlen in der „Bild“ kurzerhand als Flüchtlinge ohne Schulabschluss gerechnet. Doch wenn jemand keine Angaben gemacht hat, muss das nicht zwangsläufig heißen, dass er keinen Schulabschluss hat.«

An diesem Punkt setzt auch die rechnerisch fundierte Wortmeldung von Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) vom 22.08.2017 an: BILD und die Flüchtlinge ohne Schulabschluss. Die Darstellung in der Abbildung basiert auf seinen Berechnungen in Abgrenzung zu den von der BILD-Zeitung ausgewiesenen Anteilswerten. Während BILD alle ohne einen Hauptschulabschluss mit allen Personen, für die „keine Angabe“ ausgewiesen wird, addiert und dann durch alle Arbeitsuchenden geteilt hat, geht Schröder hin und dividiert die Personen ohne Hauptschulabschluss durch die Personen insgesamt abzüglich derjenigen, bei denen „keine Angabe“ notiert ist. Dadurch erhält man das richtige Anteilsverhältnis bezogen auf die, für die konkrete Angaben vorliegen.

Und auch das IAB der Bundesagentur für Arbeit hat sich explizit zu der Kontroverse zu Wort gemeldet, unter dieser Überschrift: Annähernd zwei Drittel der Geflüchteten haben einen Schulabschluss – eine Überschrift, die nun ganz anders daherkommt als das, was BILD berichtet hat. Auch hier wird auf die bereits angesprochene methodische Schwachstelle hingewiesen, dass es viele Gründe gibt, warum in der BA-Statistik keine Angaben zum Schulabschluss vorliegen und man die dort eingeordneten Personen nicht automatisch der Gruppe ohne Schulabschluss zuschlagen kann und darf.

»Die Ursachen, warum keine Angaben zu den Schulabschlüssen vorliegen, sind vielfältig: fehlende oder nicht vollständige Angaben der Arbeitsuchenden, fehlende Zertifikate und andere Dokumente, Probleme der Zuordnung aufgrund unvollkommener Informationen über im Ausland erworbene Abschlüsse, ö. Ä. Im Durchschnitt liegen für gut 11 Prozent der Arbeitsuchenden keine Angaben zu den Schulabschlüssen vor, bei ausländischen Staatsbürgern ist der Anteil deutlich höher. Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung, dass Personen, für die keine Angaben zu den Schulabschlüssen vorliegen, über keine Schulabschlüsse verfügen, nicht korrekt.«

Hinzu kommt:

»Darüber hinaus bezieht sich die zitierte Statistik der BA nur auf die arbeitsuchenden Geflüchteten, nicht auf die Geflüchteten insgesamt. Da die erwerbstätigen Geflüchteten im Durchschnitt besser als die als arbeitsuchend registrierten Geflüchteten qualifiziert sind, ergibt sich folglich ein verzerrtes Bild, das die tatsächliche Qualifikation der Geflüchteten unterschätzt.«

Und dann zitieren sie eine andere Quelle mit anderen Ergebnissen zum Thema Schulabschlüsse: »In einer repräsentativen Erhebung … (IAB, BAMF, SOEP) geben 64 Prozent der Geflüchteten an, einen mittleren oder weiterführenden Schulabschluss zu besitzen.« Etwas genauer erfahren wir:

»Ein repräsentatives Bild über die Schulbildung der Geflüchteten lässt sich aus der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten ableiten. Die erste Welle dieser Erhebung umfasst 4.816 Geflüchtete im Alter von 18 Jahren und älter, die vom 1.1.2013 bis zum 31.1.2016 nach Deutschland zugezogen sind und im zweiten Halbjahr 2016 befragt wurden. Nach den Ergebnissen dieser Befragung verfügen 64 Prozent der erwachsenen Geflüchteten, die Angaben zu ihrer Schulbildung gemacht haben, über eine abgeschlossene Schulbildung. 25 Prozent haben mittlere, 35 Prozent weiterführende und 4 Prozent sonstige Schulabschlüsse erworben.

Es haben allerdings knapp 8 Prozent der Befragten keine Angaben zu ihrem Schulbesuch und -abschlüssen gemacht. Selbst unter der extrem unwahrscheinlichen Annahme, dass in dieser Gruppe niemand einen Schulabschluss erworben hat, beliefe sich der Anteil der Personen mit abgeschlossener Schulbildung in der Grundgesamtheit der erwachsenen Geflüchteten immer noch auf 59 Prozent. Es ist folglich sehr wahrscheinlich, dass zwischen 60 Prozent und zwei Dritteln der Geflüchteten einen Schulabschluss erworben haben.«

Nun mag der eine oder andere etwas verwirrt auf der Strecke bleiben – aber man kann und muss das hinsichtlich einer immer notwendigen Einordnung und Bewertung in einen realistischen Kontext stellen, der zudem verzerrt sein kann und ist durch bestimmte mitlaufende Interessen.

Man kann bilanzieren, dass die Überschrift auf der Titelseite der BILD-Zeitung schlichtweg falsch ist, aber seine Funktion sicher erfüllt hat: Es soll hängen bleiben, dass „die“ meisten Flüchtlinge nicht mal einen Schulabschluss haben. Auch wenn das ein genauerer Blick auf die Daten und deren Hintergründen wie hier gezeigt gar nicht hergibt.

Auf der anderen Seite könnte man der gleichsam entgegengesetzten Überschrift des IAB, dass zwei Drittel der Geflüchteten einen Schulabschluss haben, ebenfalls kritisch begegnen und darauf hinweisen, dass die sich auf eine Befragung ausgewählter Flüchtlinge in der zweiten Jahreshälfte handelt, die – bei aller Anerkenntnis der Forschungsleistung – immer und bei diesem Personenkreis sicher ziemlich stark mit Unsicherheit behaftet ist was die behauptete Repräsentativität angeht.

Aber selbst wenn wir die deutlich höheren Werte, die vom IAB in die Debatte geworfen werden, akzeptieren, muss man inhaltlich weitergehen und Anschlussfragen hinsichtlich solcher Bilanzierungen stellen:

»Insgesamt zeichnet sich also eine Polarisierung in der Schulbildung ab: vergleichsweise hohe Anteile von Personen, die weiterführende Schulen abgeschlossen oder besucht haben, stehen ebenfalls hohen Anteilen gegenüber, die nur eine Grundschule oder gar keine Schule besucht haben.«

Das wird vom IAB auch getan: »Auch bei denjenigen, die mittlere oder weiterführende Schulen besucht haben, muss davon ausgegangen werden, dass aufgrund von Unterschieden in der Qualität und Struktur der Bildungssysteme Defizite bestehen, die eine besondere Förderung, etwa beim Übergang in Ausbildung und Hochschulbildung, erforderlich machen.«

Das ist der eine Punkt: Selbst die Angabe eines (formalen) Schulbildungsabschlusses suggeriert möglicherweise eine Vergleichbarkeit, die es so nicht geben kann. Logischerweise muss sich die Schulbildung im Irak oder in Syrien unterscheiden von der in Deutschland. Selbst und gerade eine absolvierte Hochschulausbildung bedeutet gerade nicht, dass man sich in einem ganz anders strukturierten Land wie Deutschland auf einem vergleichbaren Niveau bewegen kann.

Das gilt noch mehr für den – ob explizit oder implizit – in den Raum gestellten „Vorwurf“, viele Geflüchtete hätten ja noch nicht einmal eine Schulbildung. Es handelt sich hier in vielen Fällen um Menschen, die aus Kriegs- bzw. Bürgerkriegsländern geflüchtet sind (was auch in sicher nicht wenigen Fällen erklären mag, warum die keine ordnungsgemäße Dokumentation einer eventuell vorhandenen Schulbildung im Gepäck haben, weil das sicher nicht auf der Prioritätenliste mitzunehmender Sachen oben stand oder stehen konnte).

Möglicherweise schwingen bei dem einen oder anderen Enttäuschungen mit, dass es eben oftmals nicht „Fachkräfte“ gewesen sind, die im Zuge der Flüchtlingszuwanderung nach Deutschland gekommen sind. Die Flüchtlingszuwanderung ist aber eben auch keine (gewesen), die nach diesem Kriterium selektiert hat, wie das beispielsweise bei gesteuerten Zuwanderungssystemen wie in Kanada der Fall ist. Das muss man eben unterscheiden, wenn man die Angekommenen beurteilt. Aber wenn man einem in den vergangenen Jahren in Afghanistan aufgewachsenen Menschen, der keine Schulbildung erfahren konnte in seinem Herkunftsland, hier bei uns aufnimmt, dann darf man sich nicht der Einsicht verschließen, dass es sehr langwierig und in nicht wenigen Fällen auch fast unmöglich sein wird, alle in unser System zu integrieren und ihnen zu einer Erwerbsarbeit zu verhelfen, die sie von den Infusionströpfen der Transferleistungen unabhängig werden lassen. Das bedeutet, dass viele der Flüchtlinge und ihre Angehörigen auf viele Jahre im Grundsicherungssystem verbleiben werden. Das nicht offen auszusprechen, befördert nur diejenigen, die gegen Flüchtlinge agitieren und Stimmung machen.

Der eigentliche Punkt ist dennoch und unausweichlich die Frage, wie man mit diesen Menschen umgeht, wenn man ihnen – und sei es auf Zeit begrenzt – den Aufenthalt in Deutschland zugesteht. Sprachkurse, Bildung und Ausbildung sowie Beschäftigung als notwendige Investitionen sind dann die mehr als naheliegenden Schlussfolgerungen, die man ziehen muss, selbst wenn einem diese Zuwanderung nicht gefällt. Gleichsam aus eigenem Interesse für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und dass da einiges schwer im Argen liegt, ist für jeden unvoreingenommenen Beobachter offensichtlich. Aber die unterlassenen Aktivitäten in diesem Bereich werden sich bitter rächen. Das aber ist ein neues Fass, das aufgemacht werden müsste, derzeit aber irgendwie kaum bis gar nicht mehr in der politischen Debatte auftaucht.

In diesem Kontext sei abschließend auf eine neue Studie hingewiesen, die genau darauf einen kritischen Blick wirft:

Jörg Bogumil, Jonas Hafner und André Kastilan (2017): Städte und Gemeinden in der Flüchtlingspolitik. Welche Probleme gibt es – und wie kann man sie lösen? Studie im Auftrag der Stiftung Mercator, Essen 2017

Martin Korte hat seinen Artikel über diese neue Untersuchung so überschrieben: Studie: Träge Bürokratie bremst Integration von Flüchtlingen und eine gute Zusammenfassung geliefert.
Die mangelhafte Zusammenarbeit von Verwaltungen und Behörden bei der Bewältigung des Flüchtlingszustroms behindert die Integration und verschlingt unnötig viel Zeit und Geld. Die Studie fordert die Bundesregierung auf, die Zuständigkeiten im Bereich Asyl und Integration neu zu ordnen.

»Bogumil untersuchte das Verwaltungshandeln der Kommunen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise in den Jahren 2015/2016 und stützte sich dabei vor allem auf Erkenntnisse der Städte Arnsberg und Bochum. „Wir haben ein Kompetenz- und Organisationsversagen festgestellt“ … „Dass daraus kein Staatsversagen geworden ist, verdanken wir den Kommunen, die mit Flexibilität und Improvisationskunst auf die Probleme reagiert haben.“«

Die Politik müsse vor allem das Zuständigkeits-Durcheinander im Bereich Asyl und Integration beenden. „Jeder macht das vermeintlich Richtige, aber niemand ist für den Gesamtprozess verantwortlich“, kritisierte Bogumil. Dazu als Beispiel die Sprachkurse:

»Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) organisiere den ersten Sprachkurs über seine Außenstellen, stimme sich dann aber nicht mehr mit den Anbietern vor Ort über Folgekurse ab. Ob Flüchtlinge weiter Deutsch lernen könnten, bliebe häufig deshalb dem Zufall überlassen. Beispiel Zeugnisse: Alle ausländischen Abschlüsse unterhalb des Gymnasiums werden von der Bezirksregierung Köln begutachtet. Weil die aber nicht genug Personal habe, dauere eine Beurteilung bis zu sechs Monaten. „Bürokratie bremst Integration“, sage Bogumil.«

Eine der Forderungen von Bogumil et al. betrifft einen Bereich, der auch schon in diesem Blog immer wieder angesprochen wurde:

»Das Asylbewerberleistungsgesetz solle abgeschafft werden. „Die aktuelle Regelung zum Leistungsbezug durch Geflüchtete bedeutet einen enormen Verwaltungsaufwand, obwohl tatsächlich nur sehr geringe Leistungsunterschiede bestehen“, so Bogumil. Eine generelle Öffnung von Hartz IV für Asylbewerber würde Abhilfe schaffen.«

Denn im Hartz IV-Bezug landen die meisten von ihnen sowieso. Dann kann man das dahinter stehende System auch von Anfang an mit der Aufgabe betreuen und darüber eine Gesamtverantwortung herstellen – aber natürlich nur, wenn man gleichzeitig die Jobcenter nicht nur quantitativ-personell, sondern auch qualitativ ausgestattet und entwickelt hätte oder das tun würde.

In der Bogumil-Studie wird konstatiert, dass die Kommunen Fehler ausbaden müssen, die Bund und Länder zu verantworten haben. »Doppelarbeit und mangelhafte Kommunikation sind die wichtigsten Defizite, die Bogumil ermittelt hat. Er kritisiert vor allem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Weil es nicht effizient arbeite, sei es dafür verantwortlich, dass zahlreiche Syrer vor den Verwaltungsgerichten mit ihren Klagen gegen abgelehnte Asylbescheide erfolgreich seien.«
Und eine solche Diagnose sollte nachdenklich stimmen; „Wir haben eine Misstrauensverwaltung“, sagt Bogumil. „Sie beruht einzig und allein darauf, Missbrauch zu entdecken und nicht zu helfen.“ Die Bürokratie fresse Zeit und Geld. Und sie belaste nicht nur die Flüchtlinge selbst, sondern auch ehrenamtliche Helfer, die angesichts zahlreicher verfahrenstechnischer Stolpersteine am Sinn ihrer Tätigkeit zweifelten.«

Bleiben sie länger fern oder kommen sie an? Flüchtlinge und der Arbeitsmarkt. Und die scheinbar besondere Rolle der Leiharbeit

Vielen Flüchtlingen und Migranten fehlt es an Sprachkenntnissen und beruflichen Qualifikationen. Das erschwert die Integration in den Arbeitsmarkt für einen langen Zeitraum, sagen Experten. Das kann man diesem Artikel entnehmen: Keine Spur vom Jobwunder: Chancen für Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind noch nicht rosig. Der anfänglichen Euphorie im Herbst 2015 hinsichtlich der möglichen Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen in Deutschland sei Ernüchterung gewichen, eine Studie der Europäischen Kommission und der OECD kommt gar zu dem Schluss, dass es bis zu 20 Jahre dauere, ehe Flüchtlinge das Beschäftigungsniveau von Inländern erreichten. In dem Artikel berichtet Dieter Hintermeier über einige Zahlen aus Hessen: »Von den rund 122.000 zwischen 2014 und 2016 nach Hessen eingereisten Menschen mit Fluchthintergrund kommen maximal 43.000 Menschen „kurz- bis mittelfristig“ für eine Erwerbstätigkeit in Betracht. Rund 11.000 Menschen mit Fluchthintergrund seien Ende Dezember vergangenen Jahres bereits in der Arbeitslosenstatistik aufgetaucht, ist von der hessischen Regionaldirektion der Agentur für Arbeit zu erfahren. Mit einem stärkeren Anstieg von arbeitslosen Geflüchteten rechnet die Agentur im zweiten Halbjahr 2017, wenn ein Großteil die Integrationskurse absolviert habe.« „Für einen Großteil der Menschen muss zunächst in Integrations- und Sprachkursen die Basis für eine berufliche Qualifizierung vermittelt werden. In den Bezirken der hessischen Arbeitsagenturen gibt es einzelne Beispiele für Menschen, die in eine Ausbildung oder auch eine Beschäftigung integriert werden konnten“, beschreibt Christina Funedda die aktuelle Situation.

Die Hindernisse für eine gelingende Arbeitsmarktintegration sind bekannt und oft beschrieben worden: Nur eine Minderheit der Flüchtlinge habe in Deutschland verwertbare berufliche Qualifikationen. Meist sei überhaupt kein Berufsabschluss vorhanden und es böten sich daher nur Helfertätigkeiten an. Hier sei es aber schwer, angesichts des Überangebots an Arbeitssuchenden einen Arbeitsplatz zu finden. Dazu müssten auch noch hinreichende Sprachkenntnisse vorhanden sein. Junge Flüchtlinge sollten möglichst für eine Ausbildung gewonnen werden. Aber auch hier müssen gewichtige Hindernisse berücksichtigt werden: Neben den vorhandenen Defiziten bei der deutschen Sprache sei die nicht selten unzureichende schulische Ausbildung ein echtes Problem.

Wenn das jetzt den einen oder anderen ernüchtert oder gar frustriert, dann mag so eine Überschrift helfen: IAB-Stellenerhebung: Geflüchtete kommen mehr und mehr am Arbeitsmarkt an. So haben Nicole Gürtzgen, Alexander Kubis und Martina Rebien ihre Auswertung aus dem IAB überschrieben. Zumindest die Überschrift hört sich doch viel besser an.

In dieser Studie geht es um einen ganz bestimmten Aspekt – um die (Nicht-)Erfahrungen, die Betriebe mit Flüchtlingen gemacht haben, wie die Autoren in einer Zusammenfassung berichten:

»Angesichts des langfristig sinkenden Arbeitskräftepotenzials in Deutschland könnten Geflüchtete künftig einen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs leisten. Die hierfür notwendigen Sprach- und Qualifikationsmaßnahmen erfordern jedoch erhebliche Anstrengungen des Staates, der Betriebe und der Geflüchteten selbst. Auf Basis der repräsentativen IAB-Stellenerhebung werden hier erste Erfahrungen der Betriebe mit Geflüchteten der Jahre 2014/2015 dargestellt sowie Hemmnisse und mögliche Erfolgsfaktoren bei deren Arbeitsmarktintegration aus betrieblicher Perspektive untersucht. Die IAB-Stellenerhebung zeigt, dass bis zum vierten Quartal 2016 fast zehn Prozent der deutschen Betriebe bereits erste Erfahrungen mit den zugewanderten Geflüchteten der Jahre 2014/2015 gesammelt haben. Der entsprechende Anteil der Betriebe lag im zweiten Quartal 2016 noch bei sechs Prozent.«

Schauen wir uns die Befunde einmal genauer an (vgl. Gürtzgen/Kubis/Rebien 2017: 1):

  • Der Anteil der Betriebe, die Erfahrungen mit den Geflüchteten der Jahre 2014/2015 gesammelt haben, stieg von 6 Prozent im zweiten Quartal 2016 auf fast 10 Prozent im vierten Quartal 2016. Letztere entsprechen rund 211.000 Betrieben in Deutschland.
  • Im vierten Quartal 2016 haben etwa 3,5 Prozent der Betriebe (rund 84.000) bereits mindestens eine Geflüchtete oder einen Geflüchteten eingestellt.
  • Betriebe der Arbeitnehmerüberlassung haben mit einem Anteil von 25 Prozent überdurchschnittlich oft Erfahrungen mit Geflüchteten gesammelt; es folgen Betriebe im Gastgewerbe sowie im Bereich Erziehung und Unterricht.
  • 16 Prozent aller Betriebe planten im vierten Quartal 2016 die Einstellung von Geflüchteten; 8 Prozent planten eine Ausbildung.
  • Aus betrieblicher Sicht sind unzureichende Deutschkenntnisse derzeit der Hauptgrund für Einstellungshemmnisse von Geflüchteten.

Man muss bei der Interpretation der Werte also beachten, dass hier zwei Ebenen untersucht wurden – zum einen, ob Unternehmen überhaupt irgendeinen „Kontakt“ hatten zu Flüchtlingen, der kann auch darin bestehen, dass sich geflüchtete Menschen bei ihnen beworben haben. Wirkliche „Einstellungen“ konnten bei 3,5 Prozent der Betriebe festgestellt werden – wobei man das nicht als Einstellungen in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gleichsetzen kann und darf.

Das wird dann auch besonders deutlich an einer vom Durchschnitt deutlich nach oben abweichenden Zahl: »Bei dem Vergleich unterschiedlicher Branchen zeigt sich, dass im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung mit gut einem Viertel der Betriebe besonders häufig Erfahrungen mit Geflüchteten gemacht wurden … Rund 13 Prozent der Arbeitnehmerüberlassungsbetriebe haben bereits eine Einstellung vorgenommen« (Gürtzgen/Kubis/Rebien 2017: 2). Nun ist es bereits in der „normalen“ Leiharbeit so, dass mehr als 50 Prozent der Arbeitsverhältnisse in dieser Branche weniger als drei Monate dauern. Das wird bei den Flüchtlingen mit Sicherheit nicht anders sein, eher noch mehr.

Das hindert interessierte Kreise nicht, sofort auf diese Meldung aufzuspringen und sie für eine Kommentierung zu verwenden, die wie bestellt für die Branche daherkommt: Ausgerechnet Zeitarbeit, so Sven Astheimer in der FAZ: »Mit Maßnahmen gegen die Zeitarbeit lässt sich in der Politik gut punkten. Doch gerade diese Branche bietet Flüchtlingen die besten Einstiegschancen in den Arbeitsmarkt. Ein Umdenken ist nötig.« Warum das?

Man muss sich etwas anstrengen, den Gedankengängen des Redakteurs zu folgen: Die Ergebnisse der IAB-Untersuchung kommen „einer schallenden Ohrfeige für die politisch Verantwortlichen gleich“. Denn die haben die arme Branche in den zurückliegenden Jahren (wieder etwas) stärker reguliert als Antwort auf „angebliche Missstände“, wie das Astheimer pikiert nennt. „Es ist … ausgerechnet die Zeitarbeit, welche Flüchtlingen die besten Einstiegschancen in den Arbeitsmarkt bietet.“ Wieso „ausgerechnet“? Gerade die Leiharbeitsfirmen – von denen viele im unteren Qualifikationssegment unterwegs sind – haben mittlerweile erhebliche Rekrutierungsprobleme und natürlich sind eine Teil der Flüchtlinge für diese Unternehmen – die mit dem Verleih von Arbeitskräften ihren Profit machen – eine neue und zusätzliche Quelle der Personalbeschaffung. Und Astheimer steigert sich dann im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Liebeserklärung an die Branche hinein, wenn er die Bundesarbeitsministerin auffordert, sie solle sich mit Vertretern der Leiharbeitsbranche treffen und »sie zur Abwechslung fragen, wie sie ihre schwierige Arbeit mit Langzeitarbeitslosen und Flüchtlingen unterstützen kann.« Gut gebrüllt – da opfern sich diese Unternehmen tagtäglich auf, um geflüchteten Menschen und anderen im Hartz IV-System gestrandeten Menschen endlich zu ermöglichen, einen Fuß in die Arbeitswelt zu bekommen, da kann man ja wohl auch mal bedient werden von der Politik. Eine gelinde gesagt merkwürdige Argumentation – nicht nur, aber auch, wenn man sich die ernüchternde Bilanz der letzten Regulierungsrunde die Leiharbeit betreffend anschaut (vgl. dazu beispielsweise Ein „kleingehäckseltes“ koalitionsvertragsinduziertes Abarbeitungsgesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen vom 21. Oktober 2016 und Wenn die Leiharbeiter in der Leiharbeit per Tarifvertrag eingemauert werden und ein schlechtes Gesetz mit gewerkschaftlicher Hilfe noch schlechter wird vom 19. April 2017. Die brauchen nun wirklich keine weitere Hilfestellung mehr für ihre Geschäfte).

Da lohnt dann wieder der Blick auf die Daten. Was beispielsweise in dem Beitrag Flüchtlinge am Arbeitsmarkt: Mehr als jeder Zwölfte in Leiharbeit, in dem die vorliegenden BA-Daten ausgewertet werden und der bereits am 14. Juni 2017 veröffentlicht worden ist, geleistet wird.
Knapp 664.000 erwerbsfähige Personen aus nichteuropäischen Asylherkunftsstaaten wurden im Mai 2017 von der Bundesagentur für Arbeit (BA) statistisch erfasst. Nach Anerkennung ihres Asylantrages dürfen Flüchtlinge uneingeschränkt in Deutschland arbeiten. Bei Arbeitslosigkeit und/oder Hilfebedürftigkeit erhalten sie zunächst Hartz-IV-Leistungen.

Die meisten Flüchtlinge arbeiteten laut BA-Statistik zum Stichtag 30.09.2016 im Gastgewerbe (16,8 Prozent). Auffallend ist jedoch, dass 8,5 Prozent, also mehr als jeder zwölfte Flüchtling, in Leiharbeit beschäftigt ist. Betrachtet man hingegen die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung deutscher Arbeitnehmer, spielt Leiharbeit quantitativ kaum eine Rolle: Nur 2,2 Prozent der deutschen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind bei einer Arbeitnehmerüberlassung angestellt.

„Flüchtlinge kommen im Hartz-IV-System an – und auf dem Arbeitsmarkt“, so einer der Schlussfolgerungen in dem Artikel:

Ein Blick auf die Daten zeige, »dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Personen aus Asylherkunftsländern insgesamt leicht zugenommen hat. Mittlerweile gehen 12,5 Prozent dieser Personengruppe einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nach. Im März 2016 war es nur jeder Zehnte. Innerhalb der Bevölkerungsgruppe aus den acht stärksten Asylzuzugsstaaten sind die Anteile der Hartz-IV-Empfänger und Arbeitslosen allerdings sehr hoch. Im Vergleich zum Vorjahr ist vor allem die SGB-II-Quote der Bevölkerung aus Asylherkunftsländern massiv angestiegen: Waren im März 2016 erst rund ein Drittel abhängig von Hartz-IV-Leistungen, waren es im Februar 2017 schon mehr als die Hälfte.«

Das ist aber nur die „sichtbare“ Seite der Arbeitsmarkt-Integration von Flüchtlingen. Man darf an dieser Stelle nicht aus den Augen verlieren, dass es wie immer auch eine Schattenseite gibt, die naturgemäß weitaus schwerer zu durchdringen oder gar zu erfassen ist. Die Gegenüberstellung „Bleiben sie länger fern oder kommen sie an?“ erweist sich als das, was es in der Lebenswirklichkeit sein muss – kein Entweder-Oder, sondern ein Kontinuum der Übergänge dazwischen. Nur sind darunter auch Übergänge, die man nicht so gerne sehen möchte, was nichts daran ändert, dass es sie gibt und dass sie möglicherweise an Bedeutung gewinnen werden (müssen), wenn man in anderen Bereichen die Optionen verengt.

So gibt es – angeblich – viele, die es schaffen, auch ohne Aufenthaltsgestattung Geld zu verdienen.

»In jenem Graubereich der deutschen Volkswirtschaft, in dem die Dinge nicht mit einem Vertrag, sondern per Handschlag geregelt werden. Wo weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden und aus einem Anstellungsverhältnis schnell ein Ausbeutungsverhältnis wird: auf dem schwarzen Arbeitsmarkt. Fragt man bei Gewerkschaften und Flüchtlingsberatungsstellen, in welchen Branchen die Abgelehnten ihr Geld verdienen, hört man immer dasselbe: Sie mauern Häuser, putzen Hotelzimmer, waschen Teller, stechen Spargel, pflücken Erdbeeren, schrubben Container, entladen Schiffe, schneiden Hecken, waschen Autos, bauen Gerüste auf, räumen Lagerregale ein«, berichtet Caterina Lobenstein in ihrem Artikel Schwarzarbeit: Hätte, hätte, hätte.
Flüchtlingsberatungsstellen und Gewerkschafter sind sich einig, dass mit der Zahl der abgelehnten Flüchtlinge auch die Zahl der Schwarzarbeiter steigen dürfte. Dazu muss man wissen: Rund 40 Prozent der Asylanträge wurden im vergangenen Jahr nicht bewilligt. Das heißt: Hunderttausende Flüchtlinge müssten das Land eigentlich verlassen. Dass nicht alle gehen oder abgeschoben werden, ist jetzt schon klar. Weil sie krank sind zum Beispiel, weil sie keinen Pass besitzen oder weil sie vor Gericht ziehen und gegen ihren Asylbescheid klagen.

Und vor Ort sieht das dann so aus:

»Saskia Spath, die für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Flüchtlinge berät, erzählt, in Hamburg hätten schon wenige Wochen nach der Eröffnung der großen Flüchtlingsunterkünfte Lieferwagen vor den Heimen gestanden, um arbeitswillige Flüchtlinge auf Baustellen und zum Hafen zu fahren. „Die Strukturen sind da“, sagt Spath: die illegalen Jobvermittler, die Plätze und Straßen in den Randbezirken, auf denen morgens die Tagelöhner stehen und warten, bis jemand kommt, der Arbeit für sie hat. Die Beratungsstelle, in der Spath arbeitet, ist eigentlich nicht für Flüchtlinge gedacht, sondern für Polen, Rumänen oder Bulgaren, die nach dem EU-Beitritt der osteuropäischen Länder als billige Arbeitskräfte nach Deutschland zogen. Immer öfter aber kämen jetzt Leute, für die Spath und ihre Kollegen gar keine Übersetzer haben: Afghanen, Gambier, Eritreer.«
Nicht, dass darüber nicht berichtet wird: »Viele Geflüchtete arbeiten schwarz – weil sie keine reguläre Beschäftigung finden und ihre Familien unterstützen möchten. Unseriöse Jobvermittler profitieren davon«, so beispielsweise Zoya Mafouhd unter der Überschrift Schuften für zwei Euro die Stunde. Da ist beispielsweise der 30-jährige Mohammed, der in Damaskus Jura studiert hat.

»Jetzt arbeitet er schwarz auf einer Baustelle für vier Euro Stundenlohn. „Im juristischen Bereich konnte ich keine Anstellung bekommen, denn mein Abschluss wird hier in Deutschland nicht anerkannt“, berichtet Mohamed und nippt an seinem Tee. Gleichzeitig braucht seine Familie, die auf der Flucht in der Türkei hängengeblieben ist, Unterstützung. Einen Job als Tellerwäscher hat er schnell aufgegeben – dort bekam der gelernte Jurist nur zwei Euro die Stunde. Über einen Mitbewohner aus dem Wohnheim, wo Mohamed in einem Doppelzimmer lebt, kam er an den Job auf der Baustelle. „Jetzt verdiene ich zusätzlich zur Sozialhilfe, die mir der Staat bezahlt, immerhin etwas, das ich an meine Familie weiterleiten kann.“«

Und man soll sich nichts vormachen – sofort breiten sich die Strukturen der windigen Geschäftemacher aus: »Und so versuchen unseriöse Leiharbeitsfirmen und Jobvermittler, aus diesen Notlagen und der mangelnden Vertrautheit der Geflüchteten mit den Arbeitsgesetzen Profit zu schlagen. Sie gehen in die Flüchtlingsheime, um dort Leute für vertragslose Tätigkeiten zu ködern, und streichen dafür Vermittlungsgebühren in Höhe von mehreren hundert Euro ein. Im Gegenzug werden die Geflüchteten, die sich darauf einlassen, mit lächerlich niedrig bezahlten Jobs abgespeist – im Extremfall für 30 Cent die Stunde.«

Man sollte sich keinen Illusionen hingeben – auf dem Arbeitsmarkt ist es wie mit Wasser, das auf Hindernisse stößt. Es sucht sich neue Wege. Und wieder einmal bewahrheitet sich die Erkenntnis, die von einigen schon am Anfang der großen Flüchtlingszuwanderung im Jahr 2015 noch auf dem Gipfel der Euphorie kritisch vorgetragen wurde: Man sollte unabhängig von der Frage, ob und wie lange die Menschen bleiben werden/dürfen, Erwerbsarbeit ermöglichen und – wenn notwendig – auch öffentlich geförderte Beschäftigung in Verbindung mit schrittweisen Qualifizierungskomponenten durch echte Arbeit organisieren, gerade für die vielen jüngeren Flüchtlinge, von denen viele derzeit festhängen in einem Nirwana der (offiziellen) Nicht-Beschäftigung und der Suche nach Einkommensquellen. Und sei es allein, um sich eine Menge Probleme zu ersparen.

Rein in den Normalbetrieb? Wie für alle anderen auch – plus Sprachkurse. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration zur Flüchtlingspolitik 2017

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration veröffentlicht jeweils im Frühjahr sein jährliches Gutachten. Das Jahresgutachten 2017 steht unter der Überschrift Chancen in der Krise: Zur Zukunft der Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa. Mit dem neuen Gutachten unterbreitet das Gremium »Vorschläge zur Weiterentwicklung der EU-Flüchtlingspolitik, die auf eine neue Verantwortungsteilung innerhalb der EU zielen. Ein Kernelement für die faire Verteilung von Flüchtlingen sind EU-weite Freizügigkeitsrechte, die anerkannte Flüchtlinge unter bestimmten Voraussetzungen erhalten könnten. Zudem geht es um Möglichkeiten und Grenzen bei der Zusammenarbeit mit Transit- und Erstaufnahmestaaten, u. a. dem ‚EU-Türkei-Deal‘. In einem zweiten Teil analysiert der SVR die Neuregelungen zur Integration von Flüchtlingen in Deutschland, vor allem in den Bereichen Unterbringung, Bildungs- und Arbeitsmarktintegration sowie Wertevermittlung.«

Angesichts der Tatsache, dass anders als noch vor einigen Monaten in den Medien kaum und nur noch sehr punktuell über das Thema Flüchtlinge berichtet wird, lohnt ein Blick in das Gutachten des Sachverständigenrats, der von deutschen Stiftungen ins Leben gerufen wurde.

Andrea Dernbach hat ihre Wahrnehmung der Ausführungen des Sachverständigenrats unter die knackig daherkommende Überschrift Für ein Ende der Flüchtlingsprogramme gestellt: »Experten empfehlen, Arbeit und Bildung für Geflüchtete zu fördern wie für alle anderen – plus Sprachkurse.«

»Raus aus dem Krisenmodus, hinein in den Normalbetrieb: Das empfiehlt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in seinem am Dienstag veröffentlichten Jahresgutachten nach zwei Jahren „Flüchtlingskrise“. Insbesondere auf dem Arbeitsmarkt und in den Schulen sollten Sonderprogramme für Geflüchtete vermieden oder heruntergefahren und stattdessen die Mittel klassischer Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik genutzt werden, die für alle da sind.«

Für die minderjährigen Flüchtlinge, die in den vergangenen beiden Jahren nach Deutschland gekommen sind, sei die Schule „die zentrale Integrationsinstanz“. Gerade in den Schulen müsse ethnische und soziale Trennung vermieden werden, was bedeutet, die Kinder so rasch wie möglich in den Regelunterricht zu nehmen. Denn auch wenn sogenannte Willkommensklassen „einen Schutzraum“ böten, dürften sie geflüchtete Kinder nicht nachhaltig isolieren.
Auch was den Arbeitsmarkt angehe, sehe man „Sondermaßnahmen für Flüchtlinge eher skeptisch“, heißt es im Gutachten.

Schauen wir im Original nach – und der Sachverständigenrat hat als Kurzfassung des Jahresgutachtens Neun Kernbotschaften veröffentlicht.

1.) „Die Krise der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik als Anlass für Reformen nutzen: beim Verfahrensvollzug ‚mehr Europa‘ wagen“ – so ist der erste, auf die europäische Ebene zielende Punkt benannt. Der Rat sieht bei allen Umbrüchen und offensichtlichen Widerständen die »Chance, dass wichtige politische Akteure in Europa und zumindest einigen Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen (wieder) bündeln, um das Gemeinsame Europäische Asylsystem weiterzuentwickeln.« Und der Rat »begrüßt grundsätzlich die Europäisierung, die die Europäische Kommission derzeit im Bereich des Verfahrensvollzugs vorantreibt: Die Grenzschutzagentur Frontex und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) werden aufgewertet, und Richtlinien werden durch Verordnungen ersetzt, um die Verfahren stärker zu vereinheitlichen. Dennoch ist hier eine gewisse Skepsis angezeigt. Denn nicht zuletzt die Erfahrungen mit der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise haben gezeigt, dass auch ein ausgefeiltes europäisches Regelwerk ins Leere läuft, wenn gemeinsam beschlossene Regeln nicht in allen Mitgliedsländern umgesetzt werden.« Wohl wahr.

Der Rat legt den Finger auf eine offensichtliche Wunde: Die bisherige Praxis, den Ländern an den EU-Außengrenzen die alleinige Verantwortung für die Durchführung der Verfahren, die Rückführung abgelehnter und die Integration anerkannter Asylbewerber zuzuweisen, kann als ursächlich für den kalten Boykott des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems seitens der Erstaufnahmestaaten angesehen werden. So wurden bei der Aufnahme und den Asylverfahren die festgelegten Standards nicht erfüllt, und die Flüchtlinge konnten zum Teil unkontrolliert weiterziehen.

Was sollte man also tun?

2.) „Verantwortung innerhalb Europas verteilen, flexible Solidarität ermöglichen, konditionierte Freizügigkeit gewähren“. In Brüssel wird das Problem gesehen und diese Variante ins Spiel gebracht: Die Kommission schlägt eine zentralistisch ausgerichtete und staatlich verwaltete ‚Umverteilungshydraulik‘ vor: Sobald die Aufnahme von Flüchtlingen in einem Land einen bestimmten Grenzwert überschreitet, werden automatisch Flüchtlinge aus diesem Land in solche mit einem niedrigeren Grenzwert umverteilt. Nun wird selbst der EU-geneigte Leser an dieser Stelle angesichts der erfahrenen Widerstände in einigen Mitgliedsstaaten der EU gegen die Aufnahme auch nur eines Flüchtlings mit großer Skepsis dem Plan aus Brüssel lauschen. Auch der Rat sieht natürlich das flüchtlingspolitische Gefälle innerhalb der EU und vor allem die relative Machtlosigkeit der Staatengemeinschaft gegenüber einzelnen Mitgliedsstaaten. Der vom Rat präsentierte Ansatz geht so:

»Der SVR schlägt dagegen vor, Weiterwanderungsabsichten von Flüchtlingen als Beitrag zu deren Verteilung innerhalb Europas zu nutzen. Dafür sollen Personen, die als schutzberechtigt anerkannt wurden, unter bestimmten Bedingungen gewisse Freizügigkeitsrechte erhalten. Dabei sind unterschiedliche Varianten einer Konditionalisierung solcher Rechte denkbar, beispielsweise über eine enge Rückkopplung an den Arbeitsmarkt des Ziellands oder durch die Einführung sozialrechtlicher Karenzzeiten. Denkbar wäre auch, solche konditionalisierten Freizügigkeitsrechte für anerkannte Flüchtlinge mit einem (solidarischen) EU-weiten Mechanismus des finanziellen Aus- gleichs zu verbinden: Sowohl den Erstaufnahmeländern als auch den Ländern, in die viele anerkannte Flüchtlinge weiterwandern, würde darüber zumindest ein Teil der Integrationskosten erstattet, die ihnen aus der Zuwanderung entstehen.«

Aber auch das setzt voraus, dass sich alle Mitgliedsstaaten zu der konditionierten Freizügigkeit bekennen.
Und auch ein weiteres heißes Eisen wird angesprochen:
3. ) „Kooperationen mit Transitstaaten sind trotz Dilemmata ein wichtiger Schritt“. Hier geht es vor allem die EU- Türkei-Erklärung, die landläufig als ‚Deal‘ bezeichnet wird. In der öffentlichen Diskussion überwiegen kritische Aspekte, durchaus nicht unberechtigt. Dennoch hält es der Rat für falsch, den mit der EU-Türkei-Erklärung eingeschlagenen Weg pauschal zu verdammen. »Denn er bricht mit einer perversen Logik: Nach dem gegenwärtigen Flüchtlingsrecht können nur diejenigen ihr Recht auf Schutz in Anspruch nehmen, die auf irregulären Wegen nach Europa kommen; diejenigen, die diesen Weg nicht einschlagen (können), bleiben im wahrsten Wortsinn ‚außen vor‘.« Man muss, so der Rat, die EU-Türkei-Erklärung gewissermaßen als Umsetzungsbaustein einer an sich schon älteren Idee verstehen: »die Asylpolitik der EU stärker auf das Territorium außerhalb Europas zu verlagern.« Erwogen wird u. a., jenseits der EU-Grenzen Aufnahmezentren einzurichten und Asylverfahren dort durchzuführen. Als mögliche Kooperationspartner für solche Aufnahmezentren rücken vor allem die Länder Nordafrikas in den Blick. Der Rat erkennt hier durchaus Chancen:

»Schutzbedürftige könnten dann auf sicherem Weg legal in die EU einreisen; das würde die Zahl der irregulären, gefährlichen und nicht selten tödlich endenden Fahrten über das Mittelmeer spürbar verringern. Über Resettlement könnten jene ausgewählt werden, die einen Schutz in Europa am meisten benötigen, z. B. verfolgte Frauen, alleingelassene Minderjährige, Kranke und Alte – damit bliebe Schutz nicht jenen vorbehalten, die physisch am stärksten sind oder die meisten Ressourcen aufbringen können.«

Was natürlich voraussetzt, dass man wem auch immer überhaupt die Möglichkeit eröffnet, aus den Aufnahmelagern im nördlichen Afrika legal in die EU zu kommen. Schon da kann man Fragezeichen anbringen. Und dann gibt es eine weitere (völlig berechtigte, aber angesichts der Realitäten hinsichtlich einer Verwirklichung mehr als fragwürdige) Forderung: »Eine Durchführung von Asylverfahren in solchen Aufnahmezentren müsste natürlich europäischen Menschenrechtsstandards entsprechen.« Natürlich. Aber selbst der Rat kann die Wahrscheinlichkeiten an fünf Fingern abzählen und formuliert etwas verdruckst: »Solche Zentren zu errichten und ordnungsgemäß zu betreiben wäre ein mittel- bis langfristiges Projekt, es ließe sich nicht von heute auf morgen umsetzen.« Und selbst wenn man das weiter verfolgen würde, sieht der Rat neue Fragen am Horizont (wer betreibt und kontrolliert solche Asylzentren, wer trägt die rechtliche Verantwortung und stellen solche Asylzentren nicht auch einen (Fehl-)Anreiz für jene dar, die es einmal austesten wollen, legal und risikoarm nach Europa zu gelangen?). Dennoch, eine grundsätzliche Ablehnung dieses Ansatzes ist beim Rat nicht zu erkennen und das wird den einen oder anderen in der Szene sicher überraschen und treffen.

Und das nächste heiße Eisen folgt auf dem Fuße:

4.) „Freiwillige Rückkehr fördern, Abschiebungen menschenwürdig und rasch vollziehen“. Wenn schon abgeschoben werden muss, dann sollte nicht zu viel Zeit vergeht. Die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern wird oft dadurch erschwert, dass die Herkunftsstaaten nicht bereit sind, ihre Staatsbürger zurückzunehmen. Hier fragt der Rat, »warum gerade in diesem Bereich nicht stärker europäisch zusammengearbeitet wird«, um die betroffenen Staaten zur Kooperation zu bewegen.

5.) „Rechtlich ‚in der Spur‘ bleiben: Asyl- und Arbeitsmigration nicht vermengen“. Hier positioniert sich der Rat deutlich:

»Gerade das Asylrecht sollte nicht verwässert werden und Fehlanreize setzen, indem die Einwanderungspolitik z. B. einen ‚Spurwechsel‘ vom Asyl zur Erwerbsmigration ermöglicht. Es kann sinnvoll sein, Asylbewerbern eine Erwerbsarbeit zu gestatten, wenn ihr Verfahren ohne ihre Schuld sehr lange dauert. Wenn ein ‚Spurwechsel‘ aber ganz allgemein und frühzeitig ermöglicht wird, setzt das unweigerlich falsche Anreize. Außerdem hat Asyl einen besonderen, menschenrecht- lich abgesicherten Stellenwert. Wird es zu eng mit dem Arbeitsmarkt gekoppelt, könnten sich die öffentliche Meinung und die Akzeptanz der Flüchtlingszuwanderung umkehren, wenn ein Überangebot von Arbeitskräften entsteht: Dann würde möglicherweise argumentiert, dass weniger Asyl gewährt werden soll, weil es im Land so viele Arbeitsuchende gibt.«

Das innenpolitisch bekanntlich heftig umstrittene Instrument, bestimmte Länder zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, wird angesichts der Signalfunktion gegenüber den Zuwanderungswilligen, dass Asyl nicht für alle der richtige Kanal ist, vom Rat unterstützt. Auch der Vorschlag, eine gemeinsame, EU-weit gültige Liste sicherer Herkunftsländer zu erarbeiten, word ausdrücklich unterstützt – auch, um »eine ‚Schutzlotterie‘ … (zu) vermeiden, dass ein Asylbewerber aus dem Land A im EU-Mitgliedstaat X als Staatsbürger eines sicheren Herkunftslands behandelt wird und im EU-Mitgliedstaat Y nicht.« Allerdings wird darauf hingewiesen, dass man die tatsächliche Wirkung dieses Instruments nicht überschätzen sollte, die liegt eher im symbolischen Bereich.

Und was machen wir mit denen, die schon bei uns sind und von denen viele bleiben werden?

6.) „Flüchtlingskinder möglichst rasch in schulische Regelstrukturen integrieren, berufliche Bildung flexibler gestalten“. Der Rat warnt generell davor, zur Beschulung von Flüchtlingen eine spezielle Infrastruktur zu schaffen. In der beruflichen Ausbildung wird für eine stärkere Modularisierung plädiert. Entsprechende Reformen sollen jungen Flüchtlingen ermöglichen, niedrigschwellig ins System beruflicher Bildung einzusteigen und die erforderlichen Kompetenzen stufenweise aufzubauen. Nach Auffassung des Rats »könnte erwogen werden, … berufliche Ausbildungsgänge zumindest versuchsweise aufzugliedern in eine Basisausbildung und eine daran anschließende Spezialisierungsphase … Eine solche Modularisierung erzeugt traditionell starke Widerstände und birgt zweifellos auch gewisse Risiken. Allerdings würde eine Flexibilisierung dieser Art nicht nur Flüchtlingen zugutekommen, sondern z. B. auch jungen Langzeitarbeitslosen.«

7.) „Für Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen Regelstrukturen nutzen, informelle Qualifikationen stärker anerkennen“. Auch hier werden Sondermaßnahmen für Flüchtlinge eher skeptisch gesehen. »Vielmehr sollte in diesem Bereich das bewährte Portfolio der Arbeitsmarktpolitik, die in den letzten Jahren grundlegend reformiert wurde, ausgeschöpft werden. Deutschland ist in aktiven wie in passiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gut aufgestellt.« Das nun ist eine vorsichtig formuliert sehr naive Sichtweise auf das Feld der Arbeitsmarktpolitik und der tatsächlichen Probleme, die wir dort gerade im „Regelbetrieb“ haben. Aber offensichtlich ist das kein Kompetenz-Schwerpunkt dieses Sachverständigenrats.

Und schon sind sie wieder bei einem weiteren Thema:

8.) „Wohnsitzauflage ,in der Stadt‘ und ,auf dem Land‘ nutzen“. Nach Auffassung des Rats verschafft die Wohnsitzauflage mit ihrer Begrenzung auf drei Jahre eine Atempause, die man nutzen sollte, denn »nach Ablauf der zeitlichen Befristung ein noch nicht genauer zu bestimmender Anteil aufmachen und dorthin ziehen, wo Angehörige jetzt bereits wohnen, und das sind meistens die großen Städte des Landes. Wenn in den Wohngebieten und daran gekoppelt auch im gesellschaftlichen Bereich Segregation verhindert werden soll (Stichwort ‚Parallelgesellschaft‘), sollten die Städte – auch aus integrationspolitischen Gründen – rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.« Da werden sich die besonders betroffenen Großstädte aber sicher für bedanken, für diese wohlfeile Überlegung.

Und zum Schluss:

9.) „Werte zu vermitteln ist wichtig; Werteübernahme erfordert aber gemeinsame Praxis und soziale Teilhabe“. Bei der Reform der Integrationskurse wurde der Orientierungsteil dieser Kurse von 60 auf 100 Stunden aufgestockt. »Der SVR unterstützt dies, warnt aber gleichzeitig davor, die Wirkung auf den ‚Wertehaushalt‘ von Flüchtlingen zu überschätzen, die diese Stundenerhöhung entfalten kann. Ohne Zweifel ist es wichtig, die Werte des Grundgesetzes und die deutsche Rechtsordnung zu vermitteln und dafür nachdrücklich zu werben. Es ist auch legitim zu fordern, dass sie eingehalten werden. Eine echte Übernahme dieser Werte lässt sich aber nicht erzwingen.«
Dann wird noch darauf hingewiesen, dass sich die Aufnahmegesellschaft bemühen muss bei Teilhabe und Integration, dass sich aber auch die Menschen, die zu uns gekommen sind, anstrengen müssen. Das bleibt auf einer sehr allgemeinen Ebene, der man nicht widersprechen kann.