Digitalisierung im Gesundheitswesen: Zu den Nebenwirkungen ihrer Daten fragen Sie – wen? Wenn Hilfesuchende im Internet vermarktet werden

In dieser Zeit könnte man sein Leben verbringen mit den Tagungen und Kongressen, auf denen uns die (angeblichen) Segnungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen angepriesen werden. Die modernen Technologien werden das Gesundheitswesen – endlich – effizienter und effektiver machen. Mit modernen Technologien sind hier aber nicht die wirklich hilfreichen Innovationen beispielsweise in der Medizintechnik gemeint wie OP-Roboter, die beim Eingriff weniger zittern als der humanoide Chirurg. Sondern unter dem Allesbegriff Digitalisierung geht es vor allem um den Zugriff auf die zahlreichen Daten und deren Verwertung.

Nun kann man viele auf dem Papier gute Argumente finden, warum eine einheitliche Patientenakte, auf der dann mal alles, was die Krankheitsbiografie des einzelnen Menschen hergibt, abgespeichert und abrufbar ist, durchaus Vorteile haben kann. Wenn man dann noch die Krankheitsbiografie verknüpfen könnte gewissermaßen mit ihrem Spiegelbild, also der Gesundheitsbiografie in Form zahlreicher Daten über entsprechende Aktivitäten, was den Kern der grassierenden „Gesundheits- und Fitness-Apps“ darstellt, dann würden sich ganz wunderbare Welten der Erkenntnis offensichtlich. Und ganz neue Dimensionen der Vermarktung dieses Wissens, was heutzutage mit Hilfe von Big Data-Technologien auch ohne weiteres machbar wäre.

mehr

Die Medikalisierung depressiver Erkrankungen bis hin zum Unglücklichsein. Ein kritischer Blick auf den Einsatz von Antidepressiva

Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) ist ein unabhängiger Fachverband, der sich für eine menschenrechtsbasierte psychiatrische Behandlung und Versorgung und bessere Lebensbedingungen für psychisch erkrankte Menschen einsetzt. Hierbei versteht die DGSP psychische Krankheit und Gesundheit im sozialen und gesellschaftlichen Kontext und tritt daher für ein gemeinsames Handeln aller Beteiligten ein. Ihre Mitglieder sind psychiatrisch Tätige aller Berufsgruppen, Psychiatrieerfahrene und deren Angehörige sowie Träger sozialpsychiatrischer Angebote. So die Selbstdarstellung der DGSP.

Und die DGSP hat einen Fachausschuss Psychopharmaka. Der hat sich seit 2016 intensiv mit dem Thema Antidepressiva auseinandergesetzt und dazu nun ein interessantes Positionspapier veröffentlicht:

➔ Fachausschuss Psychopharmaka der DGSP (2019): Annahmen und Fakten: Antidepressiva. Positionspapier des Fachausschusses Psychopharmaka der DGSP, 12. Juni 2019

mehr

Die große Flurbereinigung: Viel weniger ist angeblich viel mehr. Der mit betriebswirtschaftlichen Furor anvisierte Umbau der deutschen Krankenhauslandschaft wird mit der medialen Brechstange vorangetrieben

Die zufälligen Überschneidungen von Ereignissen sind immer wieder sehr illustrativ. In diesen Tagen klingelte es in den Kassen derjenigen, die im Besitz von Aktien der Rhön-Klinikum AG sind. Die börsennotierte Betreibergesellschaft von Krankenhäusern und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) hat 2018 einen Umsatz von 1,23 Mrd. Euro erwirtschaftet und dabei einen Gewinn von 51,2 Mio. Euro erzielt. Der Bilanzgewinn 2018 belief sich sogar auf 190 Mio. Euro (darin enthalten ein Gewinnvortrag aus dem vorherigen Jahr in Höhe von mehr als 157 Mio. Euro). Da sollen die Aktionäre auch was von haben und so hat man beschlossen, den Anteilseignern 19,4 Mio. Euro als Dividende auszuschütten. Das sage einer noch, mit Krankenhäusern könne man kein Profit machen.

Zugleich gibt es immer mehr Berichte über Kliniken in den roten Zahlen, über Betten- und sogar Stationsstilllegungen vor allem aufgrund fehlenden Pflegepersonals, über Insolvenzen von Krankenhausträgern und das alles eingebettet in einem seit Jahren kontinuierlich vorgetragenen Klagegesang von natürlich interessierter Seite, dass es in Deutschland viel zu viele Kliniken geben würde und dass die Krankenhauslandschaft nun endlich bereinigt werden muss, weil – aufgepasst – die Patienten in den kleinen Häusern schlecht behandelt werden und wenn sie die beste und modernste Behandlung bekommen wollen, dann könne man das „natürlich“ nur in den großen Kliniken leisten. Also müssen die anderen weg.

mehr

Der Zahnersatz ist in einer älter werdenden Gesellschaft sicher. Ein sicheres Geschäft für Zahnärzte, für Anbieter privater Zusatzversicherungen und eine teure Angelegenheit für viele Patienten

In vielen Bereichen der medizinischen Versorgung sind es die Menschen gewohnt, dass ihre Krankenkassen die gesamten Kosten einer notwendigen Behandlung übernehmen – und in der Regel ist den meisten Kassenpatienten aufgrund der eigenen Welt der Finanzierungssysteme zwischen Kassen und Ärzten sowie anderen Gesundheitsberufen gar nicht bewusst, wie viel Geld da fließt.

Das ändert sich dann, wenn es um Zuzahlungen in Euro und Cent geht, die Patienten neben ihren Krankenkassenbeiträgen für bestimmte Leistungen abdrücken müssen. Und die können richtig weh tun. Beispielsweise wenn es um Zahnersatz geht. Spätestens dann wird man schmerzhaft daran erinnert, dass es möglicherweise besser gewesen wäre, hätte man früher mehr für die Erhaltung der eigenen Zähne getan.

Foto: © Stefan Sell

mehr

Aus der Mottenkiste der gesundheitspolitischen Steuerungsversuche: Die Praxisgebühr und ihre Wiederauferstehung im Sommerinterview

Im Jahr 2004 wurde sie von der damaligen rot-grünen Bundesregierung ins Leben gerufen, die Praxisgebühr. Ab dem 1. Januar 2004 wurde eine Gebühr von 10 Euro pro Quartal bei ambulanten Arzt- bzw. Zahnarztbesuchen eingeführt. Sie wurde von den Kassenärzten eingezogen und mit deren Honorar verrechnet. Beim Besuch eines weiteren Arztes im gleichen Quartal fiel keine Gebühr an, wenn eine Überweisung des ersten Arztes vorlag. Dabei konnten sich auch Fachärzte gegenseitig Patienten zuweisen. »Der erste Gesetzentwurf vom Juni 2003 sah noch vor, durch Zuzahlungen nur den direkten Gang zum Facharzt zu verteuern, die Hausärzte aber nicht zu belasten und ihnen auf diese Weise eine Art Gatekeeper-Funktion zuzuweisen. Im langwierigen politischen Verfahren ist es der Facharztlobby jedoch gelungen, ihre Interessen zu wahren«, konnte man damals diesem Beitrag entnehmen: Gebeutelte Patienten.

Offensichtlich – und so auch gerne nach außen kommuniziert – ging es um den Versuch, das Verhalten der Patienten dergestalt zu verändern, dass sie nicht mehr so oft einen niedergelassenen Arzt aufsuchen, um darüber die Kosten senken zu können. Aber das stieß schon damals auf Zweifel: »Werden durch diese Maßnahme die Kosten der Gesundheitsversorgung sinken? Wahrscheinlich nicht. Arztbesuche wegen Bagatellerkrankungen – und nur diese dürften durch die Praxisgebühr abgeschreckt werden – schlagen bei den Gesundheitsausgaben weniger zu Buche.« Gab es vielleicht eine ganz andere Motivation für diese Maßnahme? Das wurde schon 2004 nüchtern so auf den Punkt gebracht: »Das Instrument der Praxisgebühr ist vielmehr in einer Reihe mit sonstigen Maßnahmen zur Einnahmeerhöhung im Gesundheitssystem zu sehen, die wie höhere Zuzahlungen beim Apotheker und die vollen Kosten von Brillen einseitig zu Lasten der Patienten gehen und einen schrittweisen Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung darstellen.«

mehr