Ein Verstaatlichungsversuch von Spenden an Wohlfahrtsorganisationen, die für den Staat einen Teil der Suppe ausgelöffelt haben. Der Blick geht nach Österreich

Immer wieder und gerne wird in Sonntagsreden von der „Zivilgesellschaft“ gesprochen, ohne die vieles an Aufgaben in unserer Gesellschaft gar nicht geleistet werden könnte. Was mit diesem irgendwie inhaltsleer daherkommenden Begriff der „Zivilgesellschaft“ dabei gerne verbunden und lobgepreist wird, ist das ehrenamtliche Engagement und die Spendenbereitschaft der Menschen. Es muss in diesen Zeiten nun wirklich nicht ausführlich beschrieben und begründet werden, dass ohne das schnelle und entschiedene Eingreifen der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer, zuweilen neben und vielerorts mit den professionellen Helfern aus den Reihen der Wohlfahrtspflege zusammen, im Herbst vergangenen Jahres die vielen Flüchtlinge auch nicht annähernd so hätten versorgt werden können, wie man es beobachten konnte. Und bis heute leisten die vielen ehrenamtlichen wie auch die professionellen Flüchtlingshelfer eine Arbeit, ohne die der Staat alleine auf sich gestellt völlig überfordert wäre.

Das alles werden viele unterschreiben können – bleibt es doch auf einer allgemeinen Ebene der positiven Beschreibung gesellschaftlichen Engagements. Wie immer trübt das Bild ein, wenn man von der Vogelperspektive in die konkreten Gefilden wechselt. Da werden dann Spannungen erkennbar und auch öffentlich gemacht zwischen den ehrenamtlichen und den professionellen Flüchtlingshelfern und neben der unmittelbar erfahrbaren Kraft des Anpackens und Helfens zeigt sich nach einer gewissen Zeit zwangsläufig die Fragilität der ehrenamtlichen Aktivitäten, die sich selbst überfordern und nicht selten ausbrennen. Gerade angesichts dieser Fragilität ist es so wichtig, dass die ehrenamtlichen Hilfe nach dem nicht vermeidbaren Chaos der Anfangszeit stabilisiert und entlastet wird durch die professionellen Hilfesysteme. Aber in diesem Beitrag geht es nicht um das angesprochene Spannungs- und Ergänzungsverhältnis zwischen Ehrenamtlichen und Profis, sondern um die Profis, die – für manche unerwartet – nicht für Gottes Lohn, also ohne Geld arbeiten, sondern deren Kosten im Regelfall mehr oder weniger ausreichend erstattet werden vom Staat, der ja auch durch sie eine enorme Entlastung erfährt. Und es wundert sicher niemanden, dass es immer Streit gibt, ob die Arbeit der Wohlfahrtsorganisationen ausreichend oder nicht refinanziert wird. Was aber bislang keiner auf dem Schirm hatte war der Versuch, eine andere Finanzierungsquelle der Wohlfahrtsorganisationen, die Spenden an sie, seitens des Staates zur Teilfinanzierung seiner Kosten zu instrumentalisieren. Da muss man auch erst einmal hin kommen, gedanklich und operativ. Besichtigen können wir diese interessante Entwicklung nun auch in der Realität, konkret in Österreich. Und wie das da ausgeht, sollte auch in Deutschland viele interessieren.

Schauen wir uns zuerst einmal den Sachverhalt an. Dieser Artikel bringt es schon in der Überschrift auf den Punkt: Flüchtlingshilfe: Bund will Spenden abkassieren, so Renate Graber. Nach ihrem Bericht stellt sich die Situation so dar:

»Österreichs Hilfsorganisationen, die dem Bund in der Flüchtlingshilfe und -unterbringung zur Seite gesprungen sind, warten nicht nur auf ihnen zustehendes Geld von der Republik.« Offen sind die Zahlungen für Januar und Februar. »Laut dem Chef des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, bringt dieser Umstand manche der Organisationen „an den Rand der Zahlungsunfähigkeit“.«

Mit anderen Worten: Die Wohlfahrtsorganisationen sind also in Vorleistung getreten und haben die Kostenerstattung bislang noch nicht erhalten – und viele von ihnen sitzen nicht auf einem Geldbunker, mit dessen Hilfe sie in größerem Umfang und über längere Zeit etwas vorfinanzieren können. Und sie haben professionelle Beschäftigte, deren Lohn und Sozialabgaben gezahlt werden müssen. Aber der eigentliche Hammer kommt erst noch:

»Für noch viel mehr Aufregung sorgt allerdings ein Schreiben des Innenministeriums vom 10. Februar mit dem Betreff: „Förderungen Transitflüchtlinge; Berücksichtigung des Spendenaufkommens“. Aus diesem Brief erschließt sich, dass der Bund den NGOs die Spenden, die sie für ihre Arbeit für die Flüchtlinge bekommen, von den ersetzten („geförderten“) Kosten abzieht. Das 21-seitige Schreiben erging an zwölf Organisationen (etwa Rotes Kreuz, Johanniter NÖ-Wien, Volkshilfe Wien, Train of Hope, Islamische Föderation, türkisch-islamischer Kulturverein Teesdorf).«

Das erscheint wie ein Stück aus dem Tollhaus, aber wie so oft muss man genauer hinschauen. Denn bei aller Verwunderung bis Empörung kann man nicht behaupten, dass das seitens der österreichischen Regierung gleichsam als Überraschungsangriff durchgeführt wurde, es ist ein Paukenschlag mit Ansage, denn im vergangenen Jahr – als dieHilfsorganisationen bei der Versorgung der Flüchtlinge für den Staat in die Bresche gesprungen sind – hat dieser die spätere Kostenübernahme in einer Sonderrichtlinie konkretisiert, die genau das schon beinhaltet, was jetzt für eine Empörungswelle sorgt:

»Die „Sonderrichtlinie“ trat am 23. Oktober 2015 in Kraft und läuft Ende März aus. Fixiert ist darin unter anderem das Procedere für die Förderungen der Kosten, die den NGOs ab dem 4. September 2015 rund um die „Hilfsmaßnahmen für Transitflüchtlinge“ entstehen. Unter Punkt VI.1 wird auf grundsätzliche Förderrichtlinien des Bundes verwiesen, wonach „grundsätzlich nur jene Kosten förderbar sind, die … nicht durch Zuwendungen Dritter (insbesondere Spenden) abgedeckt sind“.«

Nun ist die Empörung in Österreich unter den Betroffenen groß und das Ansinnen des Staates wird auf eine grundsätzliche Ebene gehoben:

»Der Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria (FVA), Günther Lutschinger, macht aus seiner Empörung kein Hehl. Das Ansinnen des Innenministeriums sei „eine absolute Frechheit und bedeutet einen Anschlag auf das Spendenwesen in Österreich“. Natürlich hätten die NGOs die Sonderrichtlinie und den darin fixierten Spendenabzug gekannt – aber der sei im Fall der Flüchtlingshilfe völlig unangebracht. Schließlich seien Flüchtlingshilfe und deren Finanzierung Staatsaufgabe – „aber der hat da versagt und die NGOs gebeten zu helfen. Und die sind dann für den Staat in Vorlage getreten.“ Kurzum: Der Staat habe seine Aufgaben nur ausgelagert. Während er in anderen Fällen, etwa bei der Leitung des Lagers Traiskirchen, Verträge gemacht habe, greife er in diesem Fall zu Förderverträgen.«

Das ist wohl wahr – so auch Reinhard Hundsmüller vom Arbeiter-Samariter-Bund, der den Fördervertrag für erbrachte Leistungen für den „falschesten Weg“ hält. Natürlich könnte man an dieser Stelle fragen, wieso man denn im vergangenen Jahr das Spiel offensichtlich mitgespielt hat. Wahrscheinlich weil man gehofft hat, dass das nur Rhetorik bleibt und nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde.
Interessant in diesem Zusammenhang auch die Antwort von Hundsmüller vom ASB auf genau diese Frage:

»Die Republik weiß es sehr gut auszunützen, dass mehrere NGOs auf dem Sektor tätig sind. Springt nicht der Größte ab, sagt sie, dann macht das eben der Rest.«

Da wird ein Strukturproblem der Wohlfahrtsorganisationen angesprochen, das wir auch in Deutschland zur Genüge kennen. Es gibt darüber hinaus auch in der gegenwärtigen Debatte in Österreich Stimmen, die versuchen, eine gewisse Distanz zum Protest der Hilfsorganisationen aufzubauen – und dabei auch eine grundsätzliche Ebene bemühen: »Nichtregierungsorganisationen kontra Regierung: Die NGOs wären gut beraten, ihren Mehrwert verstärkt in die öffentliche Auslage zu stellen – und sich weniger einer aggressiven und ermahnenden Rhetorik zu befleißigen.« So Bernhard Lori in seinem Kommentar Ein Spendendisput ohne Bürger und Zahler?.

Ansonsten formiert sich Widerspruch und Protest gegen den geplanten Verrechnungsschritt. Mehr Staat – weniger privat, so kommentiert Michael Möseneder. Für ihn stellt sich die Sache so dar:

»Für die Betreuung von Flüchtlingen ist in diesem Land das Innenministerium zuständig. Das war nur leider im Sommer 2015, als immer mehr Flüchtlinge kamen, völlig überfordert. Am Grenzübergang Nickelsdorf waren es die Hilfsorganisationen, die Essen und Kleidung verteilten. Selbst die Stadt Wien organisierte mehr als das in Schockstarre verfallene Ressort von Ministerin Johanna Mikl-Leitner. Dafür, dass die Vereine – und auch viele Privatpersonen – dem überforderten Bundesstaat geholfen haben, seine Aufgaben zu erfüllen, werden sie und die Gönner jetzt bestraft – indem die Spenden eingesackelt werden … eine logische Reaktion wäre, künftig Hilfsersuchen staatlicher Stellen höflich, aber bestimmt abzulehnen.«

Aktuell ist die Sache wohl noch in der Schwebe: In dem Artikel Streit um Spenden: Ostermayer gegen Pläne des Finanzministeriums wird darauf hingewiesen: »Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) hat sich gegen die von Innen- und Finanzministerium geplante volle Anrechnung der Spenden auf die Förderungen für die Flüchtlings-Hilfsorganisationen ausgesprochen. Er sei für eine gemeinsame Lösung mit den Hilfsorganisationen. Diese solle „nicht eine 1:1-Gegenrechnung“ umfassen.«

Man darf gespannt sein, wie das in Österreich ausgeht. Sicher werden das in Deutschland manche mit großem Interesse verfolgen.

Wie viele sind es denn nun? Und sind die Ängste des Jahres 1984 nicht längst Geschichte? Zur Forderung nach einer neuen und echten Volkszählung

Man kann eine Menge Fragen mit genauen Daten beantworten. Beispielsweise die Zahl der Schafe in unserem Land. Die kennt man, werden sie doch akribisch gezählt und in den Tabellenwerken der Statistiker verewigt. Man sollte meinen, dass das hinsichtlich der Frage, wie viele Menschen in unserem Land leben, ebenfalls so ist. Man sollte das schon wissen, denn wenn nicht, wie kann man dann planen und vorsorgen? Wie kann man die Pflegeinfrastruktur entwickeln und anpassen? Wie kann man den Bedarf an Kita- und Schulplätzen in den Blick nehmen? Wenn man nicht ziemlich genau weiß, wie viele Menschen bei uns wo und wie leben. Aber die Frage, wie viele es denn sind, ist weitaus weniger trivial, als viele wahrscheinlich vermuten. Das vergangene Jahr mit der außergewöhnlichen Zuwanderung im Kontext der Flüchtlinge hat uns verunsichern müssen. Immer wieder wurde man mit Berichten konfrontiert, dass man gar nicht genau sagen könne, wie viele Menschen denn nun als Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Frank-Jürgen Weise, der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), zugleich Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), wird in der Presse zitiert mit Äußerungen, dass es mehrere hunderttausend Menschen gibt, die offiziell noch nicht wirklich erfasst sind. Aber ist da nicht die Aussage des Bundesinnenministeriums, dass es im vergangenen Jahr, also 2015,  gut eine Million Menschen waren, die zu uns gekommen sind? »2015 wurden bundesweit insgesamt 1,09 Millionen Migranten im Datensystem Easy registriert – so viele wie nie in der Geschichte der Bundesrepublik«, kann man an dieser Stelle aus diesem Artikel zitieren.

Und dann muss man so einen Artikel zur Kenntnis nehmen: Von wegen eine Million. Der berichtet von ganz anderen Zahlen der Bundesregierung, nachdem diese im Bundestag gefragt wurde: »Demnach lebten Ende 2015 insgesamt rund 1,25 Millionen Menschen als Flüchtlinge in Deutschland. Ende 2014 lebten bereits 627.000 Geflüchtete in Deutschland, so dass ihre Zahl im Jahr 2015 nur um knapp 600.000 gestiegen ist.« 

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Die Bundesarbeitsministerin macht es schon wieder: „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge ankündigen, die noch nicht im Hartz IV-System sind. Was soll das?

Erde an Berlin: Was soll das? Bereits am 13. Februar 2016 wurde der Beitrag Die Bundesarbeitsministerin fordert „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge. Aber welche? Und warum eigentlich sie? Fragen, die man stellen sollte in diesem Blog veröffentlicht. Ausgangspunkt war ein Interview, das unter dieser Überschrift veröffentlicht worden ist: Arbeitsministerin Nahles fordert halbe Milliarde Euro mehr für Flüchtlinge. Darin wurde die Ministerin mit diesen Worten zitiert: »Ich möchte zum Beispiel 100.000 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge schaffen. Bisher sitzen die Menschen manchmal zwölf Monate herum, ohne etwas tun zu können. Das löst auf allen Seiten Spannungen aus. Wir müssen so früh wie möglich ansetzen, das kann ich aber nur mit Unterstützung des Finanzministers. Es geht hier um 450 Millionen Euro zusätzlich im Jahr.« Diese Forderung überraschte diejenigen, die sich mit der Materie auskennen, das wurde in dem Beitrag auch ausführlich dargelegt. Es konnte sich nur um ein Versehen handeln, denn die Flüchtlinge, die noch nicht in der Zuständigkeit der Jobcenter und des Grundsicherungssystems sind, weil sie unter das Asylbewerberleistungesetz fallen, die kann Frau Nahles gar nicht erreichen, denn zuständig sind hier die Kommunen.

Und auf einen weiteren Aspekt wurde damals bereits hingewiesen: Auch die Kommunen können heute schon auf das zurückgreifen, was umgangssprachlich als „Ein-Euro-Jobs“ bezeichnet wird – und einige tun das auch. Denn im Asylbewerberleistungsgesetz gibt es den § 5 AsylbLG. Der ist überschrieben mit: Arbeitsgelegenheiten (AGH). Das ist die korrekte Bezeichnung für die „Ein-Euro-Jobs“, die gleiche Begrifflichkeit findet man auch im SGB II, dort handelt es sich um den § 16d.

Nun gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen den Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und denen nach dem Gesetz, für das Frau Nahles zuständig ist, also dem SGB II. Im Zweifelsfall hilft der Blick in das Gesetz, in diesem Fall in zwei. Hier die Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II, also gleichsam die Nahles-Ein-Euro-Jobs:

§ 16d SGB II Absatz 1: »Erwerbsfähige Leistungsberechtigte können zur Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Beschäftigungsfähigkeit, die für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich ist, in Arbeitsgelegenheiten zugewiesen werden, wenn die darin verrichteten Arbeiten zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind.«

Und wie lautet die entsprechende Norm im Asylbewerberleistungsgesetz?

§ 5 AsylbLG Absatz 1: »In Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und in vergleichbaren Einrichtungen sollen Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden … Im übrigen sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, sofern die zu leistende Arbeit sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde.«

Vereinfacht gesagt: Die Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II sind wesentlicher restriktiver gefasst, denn sie müssen nicht nur zusätzlich und im öffentlichen Interesse sein, sondern „wettbewerbsneutral“. Man kann sich diese Anforderung so übersetzen: Die Tätigkeiten, die unter dieser Restriktion zulässig sind, müssen möglichst weit weg sein von allen Beschäftigungen, die auf dem „ersten“, also normalen Arbeitsmarkt ausgeübt werden. Das ist natürlich nicht wirklich integrationsfördernd. Aber diese von vielen seit langem kritisierte Einengung durch das Erfordernis der Wettbewerbsneutralität existiert bei den Arbeitsgelegenheiten nach dem AsylbLG förderrechtlich eben nicht. Hier hätte und hat man deutlich mehr Freiheitsgrade bei der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeiten, was auch sinnvoll ist.

Vor allem kann man etwas machen, was man bei den „normalen“ Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II nicht darf – man kann Beschäftigung mit Qualifizierung (und allem anderen) mischen. Das ist gerade für die hier interessierenden Flüchtlinge von besonderer Bedeutung, ermöglicht das doch wirklich innovative und sinnvolle Maßnahmenkonzeptionen, denn ein Mix aus praktischer Arbeit, Sprachförderung und andere Qualifizierungselemente ist einer Nur-Beschäftigung (und die dann auch noch möglichst weit weg vom normalen Arbeitsmarkt) vorzuziehen, wenn einem wirklich an Integration gelegen ist.

Und jetzt wird man mit solchen Meldungen konfrontiert: Nahles will mit Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge starten – und man reibt sich angesichts der skizzierten Hintergrundinformationen verwundert die Augen:

»Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will noch in diesem Jahr Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge schaffen, deren Asylverfahren noch laufen … Im Jahr 2017 seien 300 Millionen Euro für diese Arbeitsgelegenheiten vorgesehen, mit denen Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen. Wie viel Geld in diesem Jahr dafür benötigt werde, hänge davon ab, wie schnell mit der Umsetzung begonnen werden könne … Flüchtlinge erhalten für diese Zusatzjobs neben den Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eine geringe Aufwandsentschädigung. Die Arbeitsgelegenheiten werden mit öffentlichem Geld angeboten und dürfen reguläre Arbeitsplätze nicht verdrängen.«

Auch auf die Gefahr hin, im Raumschiff BMAS in Berlin als Nörgler und Spielverderber abgestempelt zu werden, muss dennoch die Frage in den Raum gestellt werden: Was soll das? Das macht offensichtlich keinen Sinn – außer das Bundesarbeitsministerium hat einen neuen, allen anderen bislang aber nicht bekannten Weg gefunden, eines der Grundprobleme des im Föderalismusdurcheinander gefangenen Staates zu lösen: das verfassungsrechtlich vorgegebene Verbot der direkten Finanzierung der Kommunen durch den Bund.

Um diesen Einwurf zu verstehen, muss man sich die leidige, in diesem Fall aber hoch relevante Zuständigkeitsfrage in Erinnerung rufen:

Für die Flüchtlinge am Anfang ist das SGB II, also das Hartz IV-System und mit ihm die Jobcenter, gar nicht relevant. Die Flüchtlinge schlagen erst dann im Hartz IV-System auf, wenn sie als Asylberechtigte anerkannt sind. Am Anfang sind bzw. wären sie theoretisch Asylbewerber – theoretisch deshalb, weil viele von ihnen  Monate warten müssen, bis sie überhaupt einen Asylantrag stellen können beim BAMF, bis dahin sind sie noch nicht einmal Asylbewerber. Da gilt dann aber das Asylbewerberleistungsgesetz. Und für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge beispielsweise in den Erstaufnahmestellen und vor Ort in den Unterkünften sind die Bundesländer und Kommunen zuständig, wobei der Bund an der Finanzierung beteiligt ist, da er den Bundesländern dafür Gelder zur Verfügung stellt, die diese dann in ganz unterschiedlicher Form und Umfang an die Kommunen weiterleiten (sollen).

Was das bedeutet? Wenn Frau Nahles erneut „Ein-Euro-Jobs“ für Flüchtlinge in Aussicht stellt, die aber noch nicht in den Zuständigkeitsbereich „ihrer“ Jobcenter fallen, dann müssen das die Kommunen machen, was die – wie aufgezeigt – auch können (sogar mit mehr Spielräumen als bislang die Jobcenter), aber dann muss die Geldsumme, mit der sie heute hausieren geht, auch bei den Kommunen, die das machen, ankommen.

Also Berlin: Habt ihr irgendeinen Geheimgang von der Bundeskasse direkt in die kommunalen Schatullen gefunden? Wenn nicht – was soll dann das Getue? Eine Begründung wäre schon nett.

Wie wäre es vielmehr mit dieser Konsequenz? Einfach und endlich mal eine echte Instrumentenreform im SGB II hinlegen, mit der endlich die Freiheitsgrade des Handelns vor Ort in der Arbeitsmarktpolitik erhöht werden. Das aktuelle Thema Arbeitsgelegenheiten (AGH) bietet sich als Lehrbuchbeispiel an:

Ein „neuer Kunde“ der Jobcenter hat bereits mit einer innovativen AGH begonnen, also gekoppelt mit Sprachförderung und passgenauen Qualifizierungsbausteinen versehen, die in der Kommune organisiert worden ist. Nun kann diese Maßnahme beim Übergang in das SGB II-System nicht einfach fortgeführt werden – denn förderrechtlich ist hier vieles nicht zulässig, was vorher möglich war.

Was wäre die notwendige Schlussfolgerung? Sicher nicht der Abbruch dessen, was schon begonnen wurde, sondern vielleicht endlich einmal die Entscheidung, die von so vielen Seiten immer wieder kritisierten förderrechtlichen Restriktionen im SGB II abzuräumen. Das wäre ihre Aufgabe, Frau Nahles.

Aber nicht wieder mit imaginären Geldscheinen wedeln, die im Ergebnis wie so oft nicht das Papier wert sein werden, auf dem man von ihnen berichtet hat.

Der föderale Flickenteppich und die Flüchtlinge: Die einen kriegen eine Chipkarte, die anderen müssen zum Amt. Am Gelde hängt’s

Bei welchem Asylpaket sind wir eigentlich mittlerweile angekommen? Auf alle Fälle gab es das Paket I, dessen asylrechtlichen Änderungen seit dem 23.10.2015 in Kraft sind.  Mit dem Asylpaket I wurde Ende 2015 die Möglichkeit eröffnet, für Asylsuchende eine Gesundheitskarte mit eingeschränktem Leistungsanspruch einzuführen.  Die Verantwortung für die Umsetzung wurde in die Hände der Bundesländer gelegt – man ahnt schon, was jetzt kommen muss. Flickenteppich bei Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden – so hat die Bertelsmann-Stiftung eine Bestandsaufnahme der Umsetzung des Ansatzes überschrieben. Bis Ende Februar 2016 wurde die Gesundheitskarte für Asylsuchende in Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen eingeführt (in NRW allerdings nicht flächendeckend im Land, bislang haben lediglich 20 Kommunen ihre Beteiligung zugesagt). Brandenburg plant die landesweite Implementierung zum 1. April 2016. In den beiden Stadtstaaten Bremen und Hamburg gibt es die Gesundheitskarte schon seit einigen Jahren.

Entstanden ist eine unübersichtliche Landschaft hinsichtlich der Art und Weise, wie die gesundheitliche Versorgung der Asylsuchenden organisiert wird.

Die Erfahrungen in Bremen und Hamburg mit der Gesundheitskarte für Asylbewerber sind nach offiziellen Verlautbarungen positiv. Verwaltungskosten wurden eingespart. Sozial- und Gesundheitsämter seien entlastet worden. Das hat sicher auch die Empfehlung aus Fachkreisen beeinflusst, diesen Ansatz bundesweit einzuführen, so auch die Forderung einer Expertenkommission der Robert Bosch Stiftung (vgl. Themendossier Zugang zu Gesundheitsleistungen und Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge und Asylbewerber). Allerdings handelt es sich bei den beiden Erfolgsmodellen nicht ohne Grund um zwei Stadtstaaten und nicht um Flächenländer, denn in den Stadtstaaten fällt die kommunale und die Landesebene zusammen. Das ist bei den Flächenländern nicht der Fall und hier schlägt jetzt wieder das föderale Finanzierungsdurcheinander zu, das wir auch aus so vielen anderen Bereichen kennen.

Es geht mal wieder um das liebe Geld. Zur Einordnung: Die Kommunen tragen die Kosten für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in den ersten 15 Monaten bzw. bis zu deren Anerkennung. Allerdings dürfen wir uns das nicht so vorstellen, dass das mit dem vergleichbar ist, was „normale“Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung bekommen. Asylbewerber sind über die Sozialhilfeverwaltung krankenversichert. Vor einem Arztbesuch müssen sie sich vielerorts beim Sozialamt einen Krankenschein abholen. Die Kosten werden nur bei eindeutigen Notversorgungen geleistet.

»Der Krankenschein wird durch das Sozialamt mit Anmerkungen für die ÄrztInnen versehen, dabei werden mitunter äußerst restriktive Auslegungen von § 4 AsylblG abgedruckt. Viele ÄrztInnen zeigen sich in der Praxis angesichts der Gesetzeslage überfordert und verweigern manchmal selbst die Notversorgung oder entscheiden sich bei Zahnschmerzen zur Ziehung des Zahns statt zu einer kostenintensiveren Wurzelbehandlung«, so eine kritische Darstellung von ProAsyl.

Die Begrenzung auf eine Notversorgung ist gesundheitspolitisch problematisch, denn sie führt unter anderem dazu, dass präventive Impfungen wie gegen Tuberkulose oft erst nach Monaten durchgeführt würden – in Gemeinschaftsunterkünften steige so die Ansteckungsgefahr.

Auch die Gesundheitskarte beinhaltet einen eingeschränktem Leistungsanspruch. Flüchtlinge haben bis zu ihrer Anerkennung nur ein Anrecht auf Versorgung im Notfall. Vorsorgeuntersuchungen können nur Schwangere erhalten.

Ursache für die schleppende Einführung ist vor allem der Streit um die Finanzierung. Für die Kosten der Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern müssen die Kommunen aufkommen. Wie bereits erwähnt, eröffnete das Asylpaket I zwar die Möglichkeit, die Gesundheitskarte einzuführen, die Umsetzung wurde aber den Bundesländern übertragen – und der Bund übernahm auch keine Finanzverantwortung. »Der Bund hat es abgelehnt, die Gesundheitskosten für Flüchtlinge komplett zu übernehmen, und auch die Länder belassen die Kosten in der Regel bei den Kommunen«, kann man dem Artikel Gesundheitskarte für Flüchtlinge kommt kaum voran entnehmen.

»Die meisten Länder arbeiten noch an der Umsetzung. Dazu stehen die Länder in Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen, um die Kostenaufteilung und den Leistungsrahmen der medizinischen Versorgung der Asylsuchenden zu definieren. Die im Gesetz auf Bundesebene vorgesehene Rahmenvereinbarung zwischen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und den kommunalen Spitzenverbänden wird ebenfalls noch verhandelt«, so die Bertelsmann-Stiftung.

Da der Bund sich einer Finanzierung verweigert, bleibt die Zuständigkeit bei den Kommunen und die Bundesländer haben sicher kein Interesse, durch eine Übernahme der Kosten die Kommunen zu entlasten. Die Kommunen hingegen stehen vor der Situation, dass ihnen einerseits Kostenersparnisse in ihren Verwaltungen in Aussicht gestellt werden, weil die Betroffenen nicht mehr wegen jeder Einzelleistung im Amt vorstellig werden müssen. Aber das kostet natürlich, denn die Krankenkassen lassen sich das natürlich vergüten, wenn sie das für die Kommunen abwickeln. Eine Richtgröße in diesem Kontext sind (mindestens) zehn Euro Verwaltungsgebühr oder deren Ausgestaltung als prozentualer Abzug, z.B. 8 Prozent.

Im Saarland will die Regierung die Karte ermöglichen, „aber sämtliche Landkreise weigern sich, sie einzuführen“, heißt es. Und in Rheinland-Pfalz ist man schon weiter (das Gesundheitsministerium des Landes hatte Mitte Januar mit den gesetzlichen Krankenkassen eine Rahmenvereinbarung zur Einführung einer Gesundheitskarte abgeschlossen), aber auch hier verweigert sich die kommunale Ebene: »Der Plan der rot-grünen Landesregierung für eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge ist offenbar gescheitert. Nach SWR-Recherchen hat bis jetzt keine einzige Kommune die Karte eingeführt. Der Grund sind die hohen Verwaltungskosten«, heißt es in dem Artikel Wohl keine Gesundheitskarte für Flüchtlinge des SWR.

Dabei geht es ja nicht nur um die Gesundheitskarte (und damit verbunden die Abwicklung über die Krankenkassen), sondern es sollte auch darum gehen, was da drin steckt. Die Kommission der Robert Bosch Stiftung hat für eine bundeseinheitliche Grundversorgung der Flüchtlinge plädiert. Das würde dann aber auch ein Bundesfinanzierung konsequenterweise zur Folge haben, was eine erhebliche Entlastung der Kommunen zur Folge hätte.

Darüber hinaus haben Sozialverbände zudem wiederholt gefordert, auch Asylsuchenden das Leistungsspektrum regulär Krankenversicherter zu eröffnen. Das wurde von der Politik bislang mehrheitlich abgelehnt, wobei schnell klar wird, dass es hier nicht nur um die Abwehr höherer Ausgaben geht, die mit einem solchen Vorschlag verbunden wären, sondern wie bei so vielen anderen Fragen hat das eine normative Dimension:

»So erklärten Bayern und Sachsen, keine Gesundheitskarte einzuführen, auch weil sie darin einen Anreiz für die Flucht nach Deutschland sehen.«

Hier geht es also wieder um die abschreckende Wirkung einer möglichst restriktiven Ausgestaltung der Leistungen, ein Gedanke, der für das deutsche Asylrecht seit langem prägend war. Aber ob Menschen über das Mittelmeer kommen, weil es in Deutschland die Gesundheitskarte gibt, nun ja.

Die einen wachsen (scheinbar), die anderen tun sich schwer: Die Leiharbeit auf der einen und der Bundesfreiwilligendienst in der Flüchtlingshilfe auf der andern Seite

Immer diese Zahlen. Man muss einerseits genau hinschauen, andererseits kann man ihnen auch viel entnehmen. Verdeutlichen kann man das an zwei aktuellen Beispielen aus der Arbeitsmarktstatistik.
Beginnen wir mit der Leiharbeit, ein bekanntlich sehr umstrittenes Beschäftigungssegment. »Leiharbeit ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht, nahm die Zahl sogenannter Verleihbetriebe in den vergangenen drei Jahren zu. Demnach zählte die Bundesagentur für Arbeit 2015 insgesamt 50.293 Betriebe, die Arbeitnehmer anderen Betrieben überlassen. Im Jahr 2013 waren es noch 46.755 solcher Firmen. Entsprechend hat sich auch die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland erhöht: Von 867.535 vor zwei Jahren auf 961.162 Beschäftigte im vergangenen Jahr«, kann man dem Artikel Leiharbeit soll häufiger unangekündigt kontrolliert werden entnehmen. Dort bezieht man sich auf die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Grünen Leiharbeit – Fakten und Kontrollen vom 24.02.2016. Der eine oder andere wird stutzig geworden sein bei der Zahl von 50.000 Verleihbetrieben. So auch Markus Krüsemann, der das in seinem Beitrag Warum es statt 18.000 plötzlich 50.000 Verleihbetriebe gibt thematisiert hat.

»In der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurde die Zahl der Verleihbetriebe jahrelang mit deutlich unter 20.000 angegeben. In aktuellen Presseberichten ist hingegen von mehr als 50.000 Betrieben die Rede, die Beschäftigte an andere Unternehmen ausleihen würden.« Das ist natürlich ein richtig heftiger Unterschied. Sollten innerhalb kürzester Zeit aus 18.000 gut 50.000 Verleihbetriebe geworden sein? Hat es einen derart großen Gründungsboom in der Arbeitnehmerüberlassung gegeben?

Ein Blick auf die Zahl der Leiharbeitnehmer in Deutschland zeigt zwar am aktuellen Rand einen Anstieg der so Beschäftigten um mehr als 100.000 innerhalb eines Jahres, aber das reicht offensichtlich für eine Ausdehnung der Leiharbeitsbranche in dem genannten Umfang nicht wirklich aus. Krüsemann geht in seinem Beitrag dieser Frage nach und klärt uns etwas auf: »Wo kommen plötzlich all die Betriebe her? … Die Antwort liegt in einer Umstellung der Statistik.« Er führt weiter aus:

»Während die Daten der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik bis 2015 noch aus den halbjährlich versandten Meldungen der Verleihbetriebe stammten, hat die BA die Statistik zur Arbeitnehmerüberlassung auf das Meldeverfahren zur Sozialversicherung und damit auf eine andere Datenquelle umgestellt. Die Datenbasis für die neue Statistik bilden seitdem die laufenden Meldungen der Arbeitgeber im Rahmen des Meldeverfahrens zur Sozialversicherung. Die Umstellung erlaubt eine sehr viel genauere Erfassung der Beschäftigten und der Betriebe … ein Großteil der Arbeitgeber mit Verleiherlaubnis hat nicht für jeden seiner Betriebe einen gesonderten Meldebeleg abgegeben, sondern meist nur für das gesamte Unternehmen. Die genaue Anzahl der Betriebe mit mindestens einem Leiharbeitnehmer konnte so nicht erfasst werden. Klar war nur, dass sie deutlich höher liegen würde.«

Krüsemann bezieht sich auf den Methodenbericht Statistik zur Arbeitnehmerüberlassung auf Basis des Meldeverfahrens zur Sozialversicherung der Bundesagentur für Arbeit aus dem Dezember 2015.

Bei der Interpretation der alten und neuen Zahlen zu den Verleihbetrieben sollte man allerdings diesen Hinweis aus dem Methodenbericht der BA (S. 21) zur Kenntnis nehmen:
»Bei der Interpretation der statistischen Ergebnisse ist es wichtig zu beachten, dass in der Beschäftigungsstatistik Betriebe mit Leiharbeitnehmern gezählt werden. Diese Zahl ist nicht zu verwechseln mit der Anzahl der Arbeitgeber, welche eine Verleiherlaubnis besitzen. Ein solcher Arbeitgeber kann durchaus sehr viele Betriebe in verschiedenen Regionen besitzen, in der Leiharbeitnehmer beschäftigt sind. Über die Anzahl der Arbeitgeber, welche eine Verleiherlaubnis besitzen, kann die Beschäftigungsstatistik keine Aussagen machen, da eine Zuordnung von Betrieben zu Unternehmen, welche letztendlich Erlaubnisinhaber sind, nicht möglich ist.«
Wenn man allerdings de Zahl der Betriebe aus der alten und der neuen Statistik-Welt vergleicht, deren Schwerpunkt überwiegend oder ausschließlich die Arbeitnehmerüberlassung ist, dann zeigen sich keine erkennbaren Abweichungen.

Fazit: Die Erfassung der Betriebe ist genauer geworden, aber keineswegs kann man davon sprechen, dass sich die „Verleihunternehmen“ mehr als verdoppelt haben.

Es bleibt aber zum einen der Befund, dass die Zahl der Leiharbeiter zugenommen hat (und das trotz des insgesamt günstigen arbeitsmerklichen Umfelds, das dazu führt, dass der eine oder andere, der früher einen Leiharbeitsjob annehmen musste, weil es nichts anderes gab, heute bessere Auswahlmöglichkeiten hat). Das liegt auch daran, dass in immer mehr Bereichen auf das Instrument der Leiharbeit zurückgegriffen wird, was auch Auswirkungen hat auch die Zahl der Verleihbetriebe. Dazu nur ein Beispiel aus der bayerischen Provinz: In dem Artikel Leiharbeiter vom Maschinenring? wird über die Jahreshauptversammlung des Maschinen- und Betriebshilfsring Erding berichtet:

»Der Maschinen- und Betriebshilfsring Erding erschießt sich neue Arbeitsfelder, vor allem im Bereich der Betriebshilfe. Nach einer Strategiekonferenz gibt es Überlegungen, externe Kräfte auf Höfen einzusetzen, die dafür Bedarf anmelden. Mit einem solchen Service im Wege der Arbeitnehmerüberlassung würde der Ring dem Beispiel anderer Organisationen folgen: also Leiharbeit anbieten. Dazu müsse eine „Maschinenring Personaldienstleister GmbH“ gebildet werden.«

Solche Beispiele könnte man ohne Probleme  beliebig erweitern. Die Leiharbeit ist und bleibt offensichtlich ein Wachstumsfeld.

Abschließend ein Blick auf einen ganz anderen Bereich, den Bundesfreiwilligendienst. Aus dieser Welt kommt so eine Meldung zu uns: »10.000 neue Jobs im Bundesfreiwilligendienst sollten ehrenamtliche Flüchtlingshelfer entlasten. Bisher ist aber nur ein Bruchteil der Stellen vergeben«, berichtet Nils Wischmeyer in seinem Artikel Neue Freiwilligendienst-Stellen kaum besetzt.  Auch hier geht es vordergründig um nackte Zahlen, hinter denen allerdings höchst komplexe und angesichts des Themenfeldes Flüchtlingshilfe auch überaus relevante Tatbestände stehen. Die Bestandsaufnahme kommt ernüchternd daher:

»Das Ziel der Bundesregierung war klar: die erschöpften, ehrenamtlichen Helfer in der Flüchtlingshilfe entlasten. Dafür wollte das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Bafza) ab dem 1. Dezember jährlich 10.000 neue Stellen im Bundesfreiwilligendienst schaffen. 50 Millionen Euro will das Bafza bis 2018 jährlich investieren. Doch mehr als drei Monate nach Beginn des Programms ist die Bilanz ernüchternd. Von den 10.000 zusätzlichen Stellen sind Anfang März gerade einmal knapp 1.800 besetzt, davon knapp 330 von Flüchtlingen.«

Dabei hieß es noch Anfang Dezember 2015: „Es gibt einen regelrechten Ansturm auf die Stellen“, so wird der Sprecher des BAFzA, Peter Schloßmacher, zitiert. Die Stellen dürfen nur von Flüchtlingen selbst oder Menschen, die Angebote für Flüchtlinge organisieren, besetzt werden.
Verteilt werden die 10.000 Stellen nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Dieser regelt in Deutschland auch die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer. Nach diesem Schlüssel stehen Thüringen knapp 270 neue Stellen zu, Bayern etwa 1.500. Die Streuung zwischen den Bundesländern bei der Umsetzung ist erheblich:

»So waren Mitte Februar bereits 100 der 270 Stellen in Thüringen besetzt. Das entspricht knapp 40 Prozent. In den westlichen Bundesländern ist der Anteil an vergebenen Jobs wesentlich geringer: Das Bundesland Bayern hatte Mitte Februar gerad einmal 80 der angedachten 1.500 Stellen und damit 5,3 Prozent vergeben.«

Vor dem Hintergrund der besonderen Konzeption, bei diesen Stellen vor allem Flüchtlinge selbst zu beschäftigen, sind diese Befunde mehr als ernüchternd:

»Nur drei Prozent der Stellen – knapp 330 – wurden von Flüchtlingen besetzt.«

Wie kann das sein? Es gibt doch genügend Flüchtlinge, sollte man meinen. Warum dann nur so ein überschaubares Ergebnis?

»Der Grund dafür sei ein einfacher: bürokratische Hürden. Als schwerwiegendstes Problem sehen die Johanniter die Notwendigkeit eines gesicherten Aufenthaltstitels. Denn wollen Flüchtlinge einen Bundesfreiwilligendienst antreten, müssen sie bereits als Flüchtlinge anerkannt sein. Migranten, die bisher nur geduldet oder noch im Asylverfahren sind, werden von den Stellen ausgeschlossen. Doch viele Geduldete würden über Jahre in Deutschland bleiben und sich gerne engagieren, sagt ein Sprecher der AWO.«

Hinzu kommen weitere bürokratische Hemmnisse: »Eine Schulleiterin aus Berlin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, berichtet, dass sie gerne einen Flüchtling engagieren würden. Doch der bräuchte dafür ein erweitertes Führungszeugnis. Bis er das hat, würden aber noch Monate vergehen. Bis dahin müsse man nun warten.«

Und natürlich – wieder einmal das Geld, denn für den Bundesfreilligendienst wird zurzeit ein sogenanntes Taschengeld von maximal 372 Euro gezahlt, das bei den Flüchtlingen aber mit den sonstigen Sozialhilfen verrechnet wird.

Man könnte aber neben aller berechtigten Kritik an den Regelungsvorgaben für diejenigen, die solche Programme (neben vielen anderen) umsetzen müssen, auch darauf hinweisen, dass das schlichtweg Zeit braucht, damit das ins Rollen kommt.

Wenn man die nicht hat, dann sollte man die Finger lassen von den vielgestaltigen Sonderprogrammen, Modellvorhaben und Einzelprojekten, sondern denen, die an der sozialpolitischen Front arbeiten, ein sehr flaches Regelwerk sowie ein an möglichst wenig Auflagen gebundenes Budget zur Verfügung stellen. Man könnte sich vorstellen, dass die in 95 Prozent der Fälle sehr gut und genau mit den Freiheitsgraden arbeiten können.