Das Europaparlament und der Ministerrat, das Gremium der Mitgliedstaaten, haben sich auf eine (umstrittene) EU-Richtlinie zu Mindestlöhnen und Tarifbindung geeinigt. »Der CDU-Abgeordnete Dennis Radtke, einer von zwei Verhandlungsführern des Parlaments, sagte in Straßburg, damit „schreiben wir sozialpolitische Geschichte in Europa“«, so Björn Finke in seinem Artikel Brüssel will Gewerkschaften in Deutschland stärken – und anderswo. Die überschwänglich daherkommende Einordnung der neuen Richtlinie durch den Abgeordneten Dennis Radtke muss richtig verstanden werden vor dem Hintergrund, dass – eigentlich – die europäische Ebene wenig Befugnisse in der Sozialpolitik hat. Normalerweise reklamieren die Mitgliedsstaaten dieses Politikfeld für sich und verweigern sich einer wie auch immer gearteten europäischen Regulierung. Und wenn die EU-Ebene dann mal tätig wird, dann gibt es viele Blockierer und man muss mit langen Zeiträumen rechnen (generell dazu die Beiträge zur EU-Sozialpolitik, die in den vergangenen Jahren in diesem Blog veröffentlicht wurden).
Den Entwurf für die neue Richtlinie hat die EU-Kommission bereits im Herbst 2020 vorgelegt. Und in der Zwischenzeit gab es eine Menge Querschüsse aus einzelnen Mitgliedsstaaten, von den üblichen Blockade- und Verwässerungsaktionen der Lobbyisten abgesehen. Und noch sind die lange Zeit nassen Tücher auch noch nicht wirklich trocken, denn die Arbeits- und Sozialminister der Mitgliedstaaten müssen dem gefundenen Kompromiss bei einem Treffen in Luxemburg noch zustimmen.