Raus mit den Kindern und Jugendlichen? Also aus den Fallpauschalen, mit denen die Krankenhäuser finanziert werden? Die Bundesregierung sagt (derzeit): Nein

»Der Wettbewerb im Gesundheitswesen trifft die Schwächsten. Davon sind Kinder- und Jugendärzte überzeugt. „Die Sorge, aus finanziellen Gründen bald keine Kinderstation mehr in der Nähe zu haben, ist berechtigt“, sagt Professor Norbert Wagner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin«, so der Artikel Kinderärzte schlagen Alarm. Und deshalb haben zahlreiche kinder- und jugendmedizinischen Verbände die gemeinsam getragene Aktion „Rettet die Kinderstation“ gestartet. Dazu aus einem Interview mit Norbert Wagner unter der Überschrift „Die Öko­nomi­sierung der Medizin fordert ihre ersten Opfer“ und mit Blick auf die stationäre Krankenhausversorgung der Kinder: »Die stationäre Pädiatrie hat enorme Vorhaltekosten, nur ein Fünftel unserer Leistungen sind planbar, die Notfallquote liegt bei über 50 Prozent. Mit 400 bis 500 unterschiedlichen Fallpauschalen decken Kinderkliniken zudem ein doppelt so großes Spektrum ab wie vergleichbare Einrichtungen der Erwachsenenmedizin. Für viele Leistungen gibt es aufgrund der geringen Fallzahlen oft keine eigenen, adäquaten Fallpauschalen. Insgesamt bestehen in den Kliniken und Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin deshalb hohe Vorhaltekosten, ohne die Aussicht auf Vergütung.« Anno Fricke kommentierte das unter der Überschrift Sparen auf Kosten der Kinder so: »Das Problem steckt im DRG-System selbst. Kleinkinder funktionieren nicht so, wie sich die Erfinder von Fallpauschalen das wünschen. Psychosoziale Faktoren sind den DRG sehr fremd. Die Zeit, die der Arzt braucht, um ein Kind davon zu überzeugen, für eine Untersuchung stillzusitzen, wird nicht berücksichtigt. Auch dass eine Mutter lieber bei ihrem kranken Kind in der Klinik übernachten will, als es über Nacht alleine zu lassen, ist in der Regel nicht vorgesehen. Manche Kliniken halten ihre Kinderstationen nur noch mit Hilfe von bürgerschaftlich organisierten Fördervereinen über Wasser.«

Und was wird gefordert? Ein „Sicherstellungszuschlag für Kinderkliniken, Kinder­krankenhäuser, Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinderchirurgien“.

Um das an dieser Stelle gleich korrekt einzuordnen: Das waren Berichte aus dem Jahr 2014.

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Ihr Kinderlein, kommet … aber zunehmend auf eigene Gefahr. Geburtshilfe und Kindermedizin als „Ballast“ in einem ungesunden Gesundheitswesen

Viele werden dieses weihnachtliche Lied mit den Kinderlein, die zur Krippe kommen sollen, am Ende der Weihnachtsfeiertage 2019 noch im Ohr haben. Und auch die Politik feiert seit Jahren jedes zusätzliche Kind, das die Geburtenstatistik nach oben treibt. Denn genau das haben wir in den vergangenen Jahren gesehen: Im Jahr 2018 sind 125.000 Kinder in Deutschland mehr geboren worden als 2011, dem Jahr mit der bislang niedrigsten Zahl an lebendgeborenen Kindern in Deutschland.

Eine nicht nur demografisch, sondern auch in jedem Einzelfall gesehen frohe Botschaft. Die allerdings auch eine Kehrseite hat, die man seit geraumer Zeit in den Medien serviert bekommt: Zunehmend wird Klage geführt über eine abnehmende Zahl an Kreißsälen, in denen die werdenden Mütter entbinden können und seit Jahren wird über einen sich verstärkenden Mangel an Hebammen berichtet, der viele an sich glücklichen Eltern an den Rand der Verzweiflung treibt. Vgl. dazu nur als ein Beispiel aus der Vielzahl an entsprechenden Berichten den Artikel Kind kommt, Kreißsaal fehlt aus dem Mai des vergangenen Jahres. Dort wurde auch schon darauf hingewiesen, dass das Problem der kleiner werdenden Zahl an Kliniken, in denen man überhaupt noch entbinden kann, gleichsam gedoppelt wird, wenn die Betroffenen an innere Kapazitätsgrenzen der verbleibenden Kliniken stoßen – das »spüren Frauen besonders schmerzlich, wenn überfüllte Kliniken sie kurz vor der Geburt abweisen. Laut einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe passierte das im zweiten Halbjahr 2017 in einem Drittel der knapp 200 befragten Krankenhäuser. Als wichtigste Ursachen nannten diese einen Mangel an Hebammen, an Kreißsälen sowie an Betten auf der Frühchen-Station.« Und auch am Jahresende 2019 die gleiche Tonlage: Hebammenverband schlägt Alarm. Geschlossene Kreißsäle zum Jahresende wegen fehlenden Personals.

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Krankenhäuser: „Tarifsteigerungen werden voll refinanziert statt Sparen zu Lasten der Pflege“. Hört sich gut an. Aber wie immer muss man auf das Kleingedruckte achten

Die Bundesregierung wirbt damit, dass sie durch zahlreiche gesetzgeberische und andere Maßnahmen den Kampf gegen den Pflegenotstand aufgenommen habe. Von besonderer Bedeutung gerade für die Krankenhäuser des Landes ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) als ein bereits umgesetzter Teil des „Sofortprogramms Pflege“. Dazu berichtet das Bundesgesundheitsministerium unter Leitung von Jens Spahn (CDU) unter der Überschrift „Krankenhausindividuelle Vergütung von Pflegepersonalkosten“: »Künftig sollen Pflegepersonalkosten besser und unabhängig von Fallpauschalen vergütet werden. Die Krankenhausvergütung wird ab dem Jahr 2020 auf eine Kombination von Fallpauschalen und einer Pflegepersonalkostenvergütung umgestellt wird. Dieses Pflegebudget berücksichtigt die Aufwendungen für den krankenhausindividuellen Pflegepersonalbedarf und die krankenhausindividuellen Pflegepersonalkosten für die unmittelbare Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen. Die DRG-Berechnungen werden um diese Pflegepersonalkosten bereinigt … Die Krankenhäuser und Kostenträger vor Ort vereinbaren die krankenhausindividuelle Pflegepersonalausstattung in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen auf der Grundlage der von den Krankenhäusern geplanten und nachgewiesenen Pflegepersonalausstattung und der entsprechenden Kosten (krankenhausindividuelle Kostenerstattung). Die zweckentsprechende Mittelverwendung ist nachzuweisen.«

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Und jährlich grüßt der Ablasshandel? Fehlerhafte Abrechnungen der Krankenhäuser, der MDK als Jobmaschine und grundsätzliche Fragen an ein hyperkomplexes System

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) hat sich – wieder einmal – zu Wort gemeldet: »Jede zweite von den Krankenkassen geprüfte Rechnung aus Deutschlands Kliniken ist nicht korrekt … Insgesamt prüfte der MDK 2018 circa 2,6 Millionen Behandlungsabrechnungen. In den meisten Fällen seien mehr Tätigkeiten abgerechnet worden, als notwendig gewesen wären. Unbestätigten Schätzungen von Kassenexperten zufolge handele es sich um vorläufige Schäden im einstelligen Milliarden-Euro-Bereich.« Das kann man diesem Artikel von Hannes Heine entnehmen: Jede zweite kontrollierte Rechnung falsch. Nun kann man an dieser Stelle anmerken, dass die Berichterstattung des Jahres 2019 ein Fortschritt ist, wenn man sie mit der des Jahres 2014 vergleicht.

In dem Jahr wurde beispielsweise dieser Bericht veröffentlicht: Mehr als die Hälfte aller Klinik-Abrechnungen ist zu hoch. Das blieb nicht umkommentiert: »Nun soll hier kein Methodenseminar veranstaltet werden – aber die Überschrift des Artikels ist schlichtweg Unsinn und sie führt den normalen Lesern auf eine falsche Fährte, die da lautet: Jede zweite Rechnung, die die Krankenhäuser ausstellen, sei falsch. Das ist aber bei weitem nicht der Fall. Denn die 53 Prozent beziehen sich nicht auf alle Rechnungen der mehr als 2000 Kliniken, sondern nur auf die geprüften Rechnungen. Und das ist allein deshalb schon ein erheblicher Unterschied, weil eben nicht alle Rechnungen geprüft wurden.«

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Die Angst der Krankenkassen-Funktionäre vor einer Stärkung der Pflege in den Krankenhäusern

Es besteht Konsens darüber, dass es zu wenig Personal gibt – in der Kranken- und der Altenpflege. Uneinigkeit herrscht aber darüber, wie das Problem behoben werden kann. Insbesondere die Krankenkassen kritisieren die Pläne der großen Koalition (vgl. dazu auch Pressekonferenz Pflege im Krankenhaus des GKV-Spitzenverbandes). Die Argumente der Kassen sind nicht von der Hand zu weisen. Das meint zumindest Timot Szent-Ivanyi in seinem Artikel Kassen kritisieren Koalitionspläne gegen Pflegenotstand. Und schon im Untertitel schiebt er eine den einen oder andren überraschende Botschaft hinterher: »Krankenkassen fürchten, dass der Kampf ums Personal zulasten der Altenheime geht.« Wie das?

Man muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es hier um zwei große Pakete im Kontext einer Stärkung der Pflege in den Krankenhäusern geht – deren von vielen beklagte gegenwärtige Mangelsituation eine unmittelbare Folge ökonomischer Anreize ist, die nunmehr wenigstens etwas korrigiert werden sollen. Szent-Ivanyi beschreibt das rückblickend schon richtig: »Bisher sind die Kosten für die Pflegekräfte in den Pauschalen enthalten, die die Klinken für die Behandlung eines Patienten von den Kassen erhalten. Das führte dazu, dass die Kliniken jahrelang Pflegepersonal abbauten, um die Gewinne zu maximieren.«

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