Das Ende des Post-Streiks: Ein „umfassendes Sicherungspaket“ (für die, die drin sind) und ein verlorener Kampf gegen die Billig-Post

Jetzt ist er also vorbei, der unbefristete Streik bei der Deutschen Post. Man hat sich geeinigt. Bei der Gewerkschaft Verdi ist die entsprechende Meldung dazu überaus und nicht ohne Grund dürftig überschrieben: Einigung bei der Deutschen Post. Sieges- oder Erfolgsmeldungen werden anders verpackt. Man muss an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass die Härte der Auseinandersetzung auch und vor allem dadurch bedingt war, dass man neben den „normalen“ Tarifforderungen gegen die Auslagerungsbestrebungen des Postmanagements ankämpfen wollte. Die Ausgründung von Billig-Tochtergesellschaften (DHL Delivery) und die zwischen 20 und 30 Prozent geringere Bezahlung der dort Beschäftigten wurde völlig zu Recht erkannt als eine Rutschbahn nach unten für die gesamten Beschäftigungsbedingungen im Konzern. Dagegen hat man sich zur Wehr setzen wollen – verständlich, denn warum sollen die Beschäftigten auch noch dabei zusehen, wie sie dafür herhalten müssen, die nach oben getriebenen Renditeversprechen des Konzernvorstands zu bedienen – wohlgemerkt, in einem Unternehmen mit einem Gewinn in Höhe von fast 3 Milliarden Euro, also keinesfalls in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckend, die ein Entgegenkommen der Mitarbeiter nachvollziehbar bzw. diskussionswürdig hätte erscheinen lassen?

Und was ist nun raus gekommen nach vier Wochen Dauer-Streik? In der Gesamtschau von außen muss man zu dem Ergebnis kommen – nicht viel. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Gewerkschaft einen unbefristeten Streik, also gleichsam die letzte Stufe des Arbeitskampfes, gezündet hatte, drängt sich der Eindruck auf: Eine krachende Niederlage für die Gewerkschaft. 

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Deutsche Post DHL bald allein zu Haus? Noch nicht. Zur Post-Variante modernen Streikbrechertums. Dazu gehört: Festes Schuhwerk mitbringen

Gegen die Ausgliederung von Unternehmensteilen haben mittlerweile mehr als 32.000 der insgesamt etwa 140.000 inländischen Beschäftigte der Post ihre Arbeit niedergelegt. So die Angaben der Gewerkschaft ver.di. Die Fronten zwischen Verdi und der Post sind verhärtet. Um seine Lohnkosten zu drücken und auf Dauer mit der billigeren Konkurrenz auf dem Paketmarkt mithalten zu können, hat der Konzern die Paketzustellung teilweise in neue Regionalgesellschaften mit niedrigeren Löhnen ausgelagert. Die Hintergründe sind hier in mehreren Beiträgen dargestellt und eingeordnet worden, vgl. beispielsweise Endlich viele neue Jobs. Und dann wieder: Aber. Die Deutsche Post DHL als Opfer und Mittäter in einem Teufelskreis nach unten vom 25.01.2015, Billiger, noch billiger. Wo soll man anfangen? Karstadt, Deutsche Post DHL, Commerzbank … und Primark treibt es besonders konsequent vom 08.02.105 oder Die Deutsche Post DHL schiebt den Paketdienst auf die Rutschbahn nach unten und einige sorgen sich um Ostergrüße, die liegenbleiben könnten vom 30.03.2015.
Seit drei Wochen nun bestreikt die Gewerkschaft ver.di die Deutsche Post DHL.

Und die Folgen werden immer offensichtlicher, zumindestens berichten viele Medien über einen enormen Rückstau an Sendungen in den Verteilzentren und teilweise müssen Lagerhallen angemietet werden für die Postsendungen, die ihren Empfänger nicht erreichen können. Der Konzern versucht dagegen zu halten, erst am Wochenende wieder durch Sonntagsarbeit bis hin zur Beschäftigung von Freiwilligen und Mitarbeitern aus „Kundenunternehmen“ – aber vor allem durch den Einsatz von Streikbrechern aus Osteuropa. Und da geht es – neben dem Sonderfall des Einsatzes von Beamten – wieder um Leiharbeit und Werkverträge. Wenn man diese Instrumente kombiniert mit der Ausnutzung des enormen Wohlstandsgefälles zwischen Deutschland und Osteuropa, dann bekommt man die Umrisse modernen Streikbrechertums.

In der Print-Ausgabe der FAZ vom 26.06.2015 wird darüber in dem Artikel „Freiwillige Paketzusteller dringend gesucht“ berichtet. Und das, was man dort zu lesen bekommt, entbehrt nicht bei allem Ernst der Lage einer gewissen Situationskomik:

»Der Konzern trommelt seine Hilfstruppen zusammen, um sich auf die vierte Streikwoche vorzubereiten. „Die Lage ist unverändert – speziell in der Paketzustellung“, heißt es in einer Rundmail, mit der die Post um neue Freiwillige in der Paketzustellung wirbt. Gesucht werden Ausputzer für Hamburg, Düsseldorf, Nürnberg und Berlin, mindestens für drei Tage, möglichst aber für die ganze kommende Woche. Wohnen werden sie auf Kosten der Post im Hotel, die Buchung „erfolgt über die Kollegen direkt vor Ort“. Damit die Pakete in der fremden Stadt auch ankommen, muss improvisiert werden. Navigationsgeräte sind bei der Post anscheinend Mangelware. „Um die Zustelladressen finden zu können“, sollen die Freiwilligen von zu Hause mitbringen, was so da ist, egal ob Smartphone oder TomTom, „idealerweise mit Fahrzeugladegerät“, steht in der Mail. Auch Dienstkleidung ist rar. T-Shirts mit DHL/Post-Logo stünden „vermutlich“ zur Verfügung, aber alles andere, vor allem festes Schuhwerk, sollen die Freiwilligen in den Koffer packen.«

Beamte und Freiwillige füllen im Arbeitskampf derzeit einige Lücken. Gegen den Beamteneinsatz als Streikbrecher klagt Verdi vor dem Arbeitsgericht Bonn, das kommenden Donnerstag entscheiden will, vgl. hierzu den Artikel Ver.di bringt Streit um Beamteneinsatz erneut vor Gericht. Wohl wesentlich relevanter ist der Einsatz von ausländischen Streikbrechern.

»Zusätzlich greift der Konzern in großem Stil auf Leiharbeitnehmer zurück. Nach Recherchen von Verdi sind rund 2.300 dieser Aushilfen im Einsatz, darunter viele aus Osteuropa. Fast 2.000 Leiharbeitnehmer seien allein in den Paketzentren beschäftigt.«

Anwendung findet dabei das Instrumentarium der Leiharbeit in Kombination mit Werkverträgen. Denn die Rechtslage ist an sich kompliziert. Aus der deutschen Binnenperspektive ist erst einmal hervorzuheben, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ausführt, dass Leiharbeiter nicht gegen ihren Willen als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Nun wird man bereits an dieser Stelle mit einer ordentlichen Portion Zweifel anmerken können und müssen, dass es wie so oft einen Unterschied geben kann und wird zwischen Theorie und Praxis, denn auch wenn Leiharbeiter theoretisch das Recht haben, sich einem solchen Einsatz zu verweigern, dann wird es in praxi angesichts der prekären Lage, in der sich viele Leiharbeiter befinden, zweifelhaft sein, ob sie eine solche Verweigerung auch tatsächlich realisieren können.

In dem FAZ-Artikel wird dazu auch ein Konzernsprecher der Deutschen Post selbst zitiert:

Die Post arbeite seit Jahren mit unterschiedlichen Zeitarbeitsfirmen in der EU zusammen, auch im Falle von Streiks greife man auf deren Mitarbeiter zurück. „Dabei hält sich die Deutsche Post AG an alle gesetzlichen Vorschriften, das heißt, wir setzen nicht rechtswidrig Streikbrecher ein.“

Die über den DGB-Tarifvertrag gebundenen Leiharbeitsfirmen stellen keine Arbeitnehmer für bestreikte Arbeitsplätze ab. Deshalb geht ja die Deutsche Post auch einen anderen Weg: Die Post kooperiert entweder mit nichttarifvertragsgebundenen Unternehmen oder sie zieht einen Werkvertrag dazwischen. Dadurch läuft die Streikklausel des DGB-Tarifvertrages und ebenso das gesetzlich normierte Leistungsverweigerungsrecht für Leiharbeitnehmer ins Leere.

Welche Formen das dann praktisch annehmen kann, schildert Kirsten Bialdiga in ihrem Artikel Aushilfen aus dem Container: »Während Tausende Mitarbeiter streiken, setzt die Post slowakische Saisonarbeiter ein. Ein Teil von ihnen lebt in beengten Unterkünften. Betriebsräte sind deshalb empört: Der Konzern nutze „die Notsituation dieser Leute“ aus«, so beginnt ihr Bericht.

»Kanariengelb sind sie angestrichen, die Container. Gelb wie die Farbe der Deutschen Post. Doch in diesen Containern im Münsterland lagern keine Päckchen oder Briefe. In diesen Containern wohnen Saisonarbeiter aus der Slowakei, die für die Post arbeiten. Dicht an dicht stehen die Behausungen, in mehreren Reihen an unbefestigten Wegen auf dem Gelände eines Gartenbaubetriebes. Zur Schicht im Paketzentrum im nahegelegenen Greven werden die Arbeiter von einem Bus abgeholt, später wieder zurückgebracht.
Drinnen im Container ist es dunkel, das Auge muss sich erst an das Dämmerlicht gewöhnen. Im hinteren Teil stehen vier Stockbetten, davor ein paar primitive Regale. Der Raum in der Mitte ist so schmal, dass schon eine Person sich kaum umdrehen kann, ohne irgendwo anzustoßen. Geschweige denn vier. So viele sind es, die sich mitunter einen dieser Wohncontainer teilen.«

Offensichtlich arbeitet die Deutsche Post hier mit Bedingungen, wie man sie in Deutschland sonst eher beim Spargelstechen oder in der Fleischindustrie findet. Werden sie wenigstens ordentlich bezahlt? Keine Frage, so die Post: »Der Stundenlohn betrage für alle Arbeiter inklusive der Zuschläge und Zulagen 13 Euro.«

Kirsten Bialdiga befragt die Arbeiter in den Containern. Auf den ersten Blick scheint das zu stimmen, was die Post behauptet: » Er verdiene zehn Euro in der Stunde plus Zuschläge, sagt er. Also in etwa 13 Euro«, so wird ein Arbeiter zitiert. Also alles in Ordnung? Offensichtlich nicht, denn:

»Doch dann gibt der slowakische Arbeiter etwas zu Protokoll, das die Rechnung verändern würde. Für den Wohncontainer, sagt der junge Mann, zahle er pro Tag zehn Euro Miete. Das wären 300 Euro im Monat. Dass die Arbeiter für ihre beengte Unterkunft zahlen müssen, bestätigte auch ein Insider, der nicht Arbeitnehmerkreisen zuzurechnen ist.«

Und am Ende des Artikels wieder der Hinweis auf das, was man als „Asymmetrie“ am Arbeitsmarkt bezeichnen kann – oder aber schlicht als Ausnutzung des Wohlstandsgefälles zwischen hier und Osteuropa, auf dem weite Bereiche des modernen Tagelöhnertums in unserem Land basieren: Der Arbeiter, der gegenüber der Journalistin Auskunft erteilt hat, »braucht Geld, und deshalb ist er in Deutschland. So sehen es auch seine Kollegen. Nicht alle sind daher über seine Auskünfte erfreut. Ein Landsmann stellt sich den Besuchern in den Weg, er will, dass sie gehen. Zu groß sei die Sorge, dass es Konsequenzen geben könnte, dass sie ihren Job verlieren.«

Billig hat einen hohen Preis. Die Piloten bei Ryanair und die „zu teuren Auslaufmodelle“ bei der Deutschen Post

Viele Menschen in Deutschland lieben es – billig fliegen. Was gibt es im Luftverkehr mittlerweile für Angebote: für wenige Euro in andere Länder reisen. Und immer ganz vorne dabei: Ryanair. Bei dem irischen Billigflieger brummt das Geschäft.  Allein im Geschäftsjahr 2014 konnte diese Billigairline den Gewinn um knapp zwei Drittel auf  867 Millionen Euro steigern. Ein neuer Rekord. In einem Artikel über den Billigflieger-Markt berichtet Stephan Happel: »Billig ist auf einem neuen Höhenflug: In Deutschland fliegen Low-Cost-Airlines auf so vielen Strecken wie nie zuvor … Gut für die Passagiere: Der steigende Wettbewerbsdruck lässt die Preise fallen … Der Einfluss der der günstigen Airlines ist insgesamt hoch: Sie verkauften im vergangenen Jahr rund 67 Millionen der 209 Millionen an deutschen Verkehrsflughäfen gelösten Tickets. Im Klartext: Fast jeder dritte Passagier setzt auf die Billigheimer.«

Eine aktuelle Marktübersicht findet sich im Low Cost Monitor 1/2015 des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Analysten warnen schon vor einem „Preiskrieg“ durch Überkapazitäten am Himmel über Europa. Vor allem in Deutschland wachse das Angebot an Flügen deutlich stärker als die Nachfrage, was wiederum den Druck auf die (niedrigen) Preise und damit den Kostensenkungsdruck erhöht. Der DLR-Marktübersicht kann man entnehmen: Je nach Linie lagen die über alle Strecken ermittelten Durchschnittspreise inklusive Gebühren und Steuern zwischen 50 und 130 Euro. Anfang 2014 lag die durchschnittliche Preisspanne zwischen 70 und 160 Euro brutto. Dieser enorme Wettbewerbsdruck (nach unten) strahl auch auf andere Unternehmen aus: Die Deutsche Lufthansa baut gerade die Tochter Eurowings zu einem veritablen Billigflug-Anbieter aus. Die Kosten der Noch-Regionalfluggesellschaft Eurowings liegen nach Schätzungen 40 Prozent unter dem Lufthansa-Niveau – aber immer noch über dem Kostenniveau bei Ryanair. 

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