Jetzt ist er also vorbei, der unbefristete Streik bei der Deutschen Post. Man hat sich geeinigt. Bei der Gewerkschaft Verdi ist die entsprechende Meldung dazu überaus und nicht ohne Grund dürftig überschrieben: Einigung bei der Deutschen Post. Sieges- oder Erfolgsmeldungen werden anders verpackt. Man muss an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass die Härte der Auseinandersetzung auch und vor allem dadurch bedingt war, dass man neben den „normalen“ Tarifforderungen gegen die Auslagerungsbestrebungen des Postmanagements ankämpfen wollte. Die Ausgründung von Billig-Tochtergesellschaften (DHL Delivery) und die zwischen 20 und 30 Prozent geringere Bezahlung der dort Beschäftigten wurde völlig zu Recht erkannt als eine Rutschbahn nach unten für die gesamten Beschäftigungsbedingungen im Konzern. Dagegen hat man sich zur Wehr setzen wollen – verständlich, denn warum sollen die Beschäftigten auch noch dabei zusehen, wie sie dafür herhalten müssen, die nach oben getriebenen Renditeversprechen des Konzernvorstands zu bedienen – wohlgemerkt, in einem Unternehmen mit einem Gewinn in Höhe von fast 3 Milliarden Euro, also keinesfalls in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckend, die ein Entgegenkommen der Mitarbeiter nachvollziehbar bzw. diskussionswürdig hätte erscheinen lassen?
Und was ist nun raus gekommen nach vier Wochen Dauer-Streik? In der Gesamtschau von außen muss man zu dem Ergebnis kommen – nicht viel. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Gewerkschaft einen unbefristeten Streik, also gleichsam die letzte Stufe des Arbeitskampfes, gezündet hatte, drängt sich der Eindruck auf: Eine krachende Niederlage für die Gewerkschaft.
Schauen wir uns zuerst einmal das Ergebnis als solches genauer an:
Verdi selbst behauptet, man habe ein »umfassendes Paket aus Schutz- und Entgeltregelungen geschnürt, das für die knapp 140.000 Tarifangestellten für Sicherheit und Perspektive sorgt.«
»Das Paket sieht einen Schutz für alle Beschäftigten vor betriebsbedingten Kündigungen und Änderungskündigungen vor und gilt weitere vier Jahre bis Ende 2019. Zudem wird die Fremdvergabe in der Brief- und Verbundzustellung bis zum 31. Dezember 2018 ausgeschlossen … Darüber hinaus wurden eine Einmalzahlung in Höhe von 400 Euro zum 1. Oktober 2015 sowie tabellenwirksame Erhöhungen der Entgelte zum 1. Oktober 2016 um 2,0 Prozent sowie zum 1. Oktober 2017 um weitere 1,7 Prozent vereinbart … Die Wochenarbeitszeit bleibt bei 38,5 Stunden.«
Nur diese Komponenten betrachtet könnte man der Einschätzung von dem „umfassenden Sicherungspaket“ (für die, die drin sind), auf den ersten Blick durchaus folgen.
Aber: Dem einen oder anderen wird natürlich die sehr lange Laufzeit des Tarifvertrages auffallen – bis Ende 2018! Und die dauerhaft wirksamen Lohnanstiege in den kommenden Jahren um 2 Prozent (2016) und dann noch einmal um 1,7 Prozent (2017) müssen wohl als eher „bescheiden“ charakterisiert werden.
Wenn das der Preis sein sollte, den man zahlen musste, um die strategisch entscheidende Frage der Ausgliederung der Paketzustellung in Billig-Tochtergesellschaften aufzuhalten und einzufrieren, dann hätte man eine Menge Verständnis.
Aber: Dem ist nicht so. Hier muss man im wahrsten Sinne des Wortes von einer krachenden Niederlage der Gewerkschaft sprechen. Verdi selbst formuliert das natürlich vorsichtig so: »Es sei nicht gelungen, die Deutsche Post AG von einer Rücknahme der DHL Delivery GmbHs zu überzeugen.« Und das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit. Denn es kommt noch schlimmer, auch wenn es sich erst einmal wie ein Erfolg anhört: Verdi hat durchgesetzt, dass die derzeit 7.600 Post-Paketzusteller nicht in diese Gesellschaften versetzt werden dürfen, also Bestandsschutz genießen. Man muss das aber einfach mal weiterdenken – alle Neueinstellungen in der boomenden Paketzustellung laufen über die Billig-Töchter. Damit wurde noch nicht einmal eine Begrenzung des Anteils der dort Beschäftigten erreicht. Für die, die schon da sind, hat man also eine Schutzmauer hochziehen können, während für alle, die kommen werden, der Weg in die unteren Etagen der neuen Post-Welt führen werden. Damit hat sich das Konzernmanagement durchsetzen können.
In der Paketsparte soll ein Gutteil der Gewinne der Zukunft entstehen. Innerhalb von einem halben Jahr ist der Personalbestand bei Delivery schon von Null auf 6.500 hochgeschossen, bis 2020 rechnet die Post mit 20.000 Mitarbeitern. Bei solchen nunmehr auch nicht mehr in Frage gestellten Perspektiven kann man dann schon „nachgeben“ bei den noch 7.600 „Premium“-Paketzustellern und auf eine „biologische Lösung“ dieses „Problems“ hoffen.
Da hilft dann das von Verdi herausgestellte Ergebnis, das die Fremdvergabe in der Brief- und Verbundzustellung bis zum 31. Dezember 2018 ausgeschlossen bleibt, in keiner Weise. Denn wie gesagt, es geht um die boomende Paketzustellung und hier hat die Post jetzt freie Hand und die sowieso rückläufige Briefzustellung kann dann auch noch bis 2018 warten, bis man die erste, derzeit viel wichtigere Baustelle abgearbeitet hat.
Man kann es drehen und wenden wie man will: Rolf Schraa hat Recht mit der Überschrift über seinen Artikel, der im Wirtschaftsteil der Rhein-Zeitung vom 06.07.2015 (Print-Ausgabe) erschienen ist: „Verdi hat Kampf gegen billige Post verloren“. So ist das.
Das leitet über zu einer dringlichen Anfrage an die Gewerkschaft Verdi. Offensichtlich hat man in der letzten Zeit entweder den Überblick über die zahlreichen unterschiedlichen Streikaktionen verloren und deren Wirksamkeit völlig falsch eingeschätzt – oder aber man muss ein erhebliches Strategiedefizit konstatieren. Gerade bei der Eskalation von Arbeitskämpfen bis hin zu unbefristeten Streiks muss man doch ein Minimum definieren, was man unbedingt erreichen muss, um da wieder rauszugehen. Aber eine ehrliche Bilanzierung sieht derzeit nicht wirklich gut aus für Verdi: Erst der katastrophale Verlauf beim Kita-Streik mit einem gemessen an der Ausgangsforderung desaströsen Schlichtungsergebnis, für die man die Mitglieder in einen ebenfalls unbefristeten Streik geführt hat und wo die Gefahr droht, dass man als „lame duck“ zurückbleiben wird – und jetzt auch noch ein durchaus vergleichbar schlechtes Ergebnis bei dem ebenfalls unbefristet angelegten Post-Streik. Das sind mit Blick auf die eigenen Mitglieder und auf die Außenwirkung keine wirklich überzeugenden Resultate.
Ganz abgesehen davon haben diese Ausflüge eine Menge Geld gekostet. So berichtet Stefan von Borstel in seinem Artikel Streik bei der Post kostet Ver.di 30 Millionen Euro: »Die wochenlangen Streiks bei der Post und in den Kindergärten haben Ver.dis Streikreserven für dieses Jahr aufgefressen. Doch weil die Gewerkschaft klug gewirtschaftet hat, kann sie das verkraften.« Er beruft sich auf Berechnungen des Tarifexperten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Hagen Lesch. Die beiden großen Streiks (Sozial- und Erziehungsdienste sowie Deutsche Post) haben insgesamt mehr als 40 Millionen Euro gekostet, die Streikreserven eines Jahres seien damit aufgebraucht. Das bedeutet aber nun nicht, dass Verdi vor der Pleite steht, denn die Gewerkschaft habe »in den vergangenen Jahren viel Geld zurückgelegt, erklärte der Experte. Seit 2012 steckt die Gewerkschaft jedes Jahr acht Prozent ihrer Beitragseinnahmen in den Streikfonds, zuvor waren es nur drei Prozent. Bei Einnahmen von 444,4 Millionen Euro im vergangenen Jahr sind also allein 2015 mehr als 35 Millionen Euro in die Streikkasse geflossen. Hinzu kommen noch die Erträge aus dem Vermögen der Gewerkschaft, aus Immobilien, Anleihen und Aktien.«