Viele Menschen in Deutschland lieben es – billig fliegen. Was gibt es im Luftverkehr mittlerweile für Angebote: für wenige Euro in andere Länder reisen. Und immer ganz vorne dabei: Ryanair. Bei dem irischen Billigflieger brummt das Geschäft. Allein im Geschäftsjahr 2014 konnte diese Billigairline den Gewinn um knapp zwei Drittel auf 867 Millionen Euro steigern. Ein neuer Rekord. In einem Artikel über den Billigflieger-Markt berichtet Stephan Happel: »Billig ist auf einem neuen Höhenflug: In Deutschland fliegen Low-Cost-Airlines auf so vielen Strecken wie nie zuvor … Gut für die Passagiere: Der steigende Wettbewerbsdruck lässt die Preise fallen … Der Einfluss der der günstigen Airlines ist insgesamt hoch: Sie verkauften im vergangenen Jahr rund 67 Millionen der 209 Millionen an deutschen Verkehrsflughäfen gelösten Tickets. Im Klartext: Fast jeder dritte Passagier setzt auf die Billigheimer.«
Eine aktuelle Marktübersicht findet sich im Low Cost Monitor 1/2015 des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Analysten warnen schon vor einem „Preiskrieg“ durch Überkapazitäten am Himmel über Europa. Vor allem in Deutschland wachse das Angebot an Flügen deutlich stärker als die Nachfrage, was wiederum den Druck auf die (niedrigen) Preise und damit den Kostensenkungsdruck erhöht. Der DLR-Marktübersicht kann man entnehmen: Je nach Linie lagen die über alle Strecken ermittelten Durchschnittspreise inklusive Gebühren und Steuern zwischen 50 und 130 Euro. Anfang 2014 lag die durchschnittliche Preisspanne zwischen 70 und 160 Euro brutto. Dieser enorme Wettbewerbsdruck (nach unten) strahl auch auf andere Unternehmen aus: Die Deutsche Lufthansa baut gerade die Tochter Eurowings zu einem veritablen Billigflug-Anbieter aus. Die Kosten der Noch-Regionalfluggesellschaft Eurowings liegen nach Schätzungen 40 Prozent unter dem Lufthansa-Niveau – aber immer noch über dem Kostenniveau bei Ryanair.
Die Niedrigpreise bei Ryanair werden – neben anderen Faktoren – durch einen mehr als fragwürdigen Umgang mit dem eigenen Personal ermöglicht. »Ryanair steht wegen zweifelhafter Vertragskonstruktionen in der Kritik. Seinen Erfolg soll der Billigflieger auch auf Kosten von scheinselbstständigen Piloten machen«, kann man beispielsweise dem Artikel Das Geschäft mit scheinselbstständigen Piloten entnehmen. Das ist schon heftig: »So sind mehr als die Hälfte der über 3.000 Ryanair-Piloten nicht direkt bei Europas größtem Billigflieger angestellt. Sie fliegen als selbstständige Unternehmer.« die machen das, weil sie hoffen, auf diesen Weg Erfahrungen sammeln zu können und später in eine besser bezahlte Festanstellung zu gelangen.
Dabei geht Ryanair durchaus strategisch und komplex vor: Ein großer Teil der Piloten des europäischen Billigfliegers wird etwa über den englischen Personaldienstleister Brookfield Aviation International angeworben, die wiederrum hat zuvor Mini-Unternehmen gegründet, deren formale Geschäftsführer die Piloten sind. Als solche gehen sie mit Brookfield einen Vertrag ein und bieten ihre Dienste an. Ryanair ist hier der klare Gewinner:
»Für Ryanair ist das ein kostensparendes Modell: Die Fluggesellschaft muss weder Betriebsrente zahlen noch die Piloten gegen Arbeitsunfähigkeit absichern. Eine Mindestzahl an Flugstunden ist in der Regel auch nicht vereinbart. Die Piloten werden nach Bedarf eingesetzt – und müssen mit dem Risiko leben, in einigen Monaten nur wenig zu verdienen.«
Das Risiko karger Monate ist gerade bei Ryanair hoch, weil die Billig-Fluggesellschaft in der nachfrageschwachen Winterzeit routinemäßig knapp hundert Maschinen am Boden lässt. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt: Ryanair spart sich über dieses Modell die Abgaben für die Sozialversicherung, es gibt „natürlich“ auch kein Urlaubsgeld.
Der Ryanair Pilots Group (RPG) zufolge sind mehr als die Hälfte der Cockpit-Mitarbeiter nicht direkt bei Ryanair fest angestellt. Sie werden stattdessen von Personalagenturen wie Brookfield vermittelt und sind dazu verpflichtet, mithilfe von durch Ryanair ausgewählten Kanzleien Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach irischem Recht zu gründen. Die Piloten sind dann formal Geschäftsführer ihrer eigenen Firmen und arbeiten selbständig.
Damit ist Ryanair Teil einer allgemein bedenklichen Entwicklung in der Luftfahrt – bei den Piloten und abweichend zu einem Bild, das sicher ganz viele Menschen von dieser Berufsgruppe haben. Ein Bild, das geprägt ist von einer sehr gut bezahlten, mit großem Selbstvertrauen und einer komplexen Ausbildung ausgestatteten Berufsgruppe. Dazu haben in der jüngsten Vergangenheit sicher auch die regelmäßig streikenden Lufthansa-Piloten beigetragen, die (noch) an der Spitze der Einkommenshierarchie stehen. Aber die wirkliche Wirklichkeit sieht mittlerweile auch bei den Piloten ganz anders aus und liefert keinen Stoff für Neidgefühle:
»Nach einer Untersuchung der Universität Gent aus dem Februar dieses Jahres sind „atypische Anstellungen“ von Piloten gerade in der Billigflieger-Branche keine Seltenheit. Auch andere Günstig-Linien wie etwa Norwegian setzten drauf. (Schein-)Selbstständigkeit, befristete Arbeitsverträge, Null-Stunden-Verträge und Bezahlungen pro Flug gewinnen in der Pilotenwelt immer mehr an Bedeutung.«
Bei der angesprochenen Untersuchung handelt es sich um diese Studie:
➔ Y. Jorens, D. Gillis, L. Valcke & J. De Coninck, ‘Atypical Forms of Employment in the Aviation Sector’, Brussels: European Social Dialogue, European Commission, 2015
Zurück zu Ryanair: Ganz offensichtlich handelt es sich aus deutscher Sicht um scheinselbständig tätige Piloten. Und das hat jetzt die Staatsanwaltschaft in Koblenz auf den Plan gerufen, die seit 2013 in diesem Kontext ermittelt – nicht gegen Ryanair direkt, sondern gegen in Deutschland stationierte Piloten wegen des Verdachts auf Sozialversicherungsbetrug und Steuerhinterziehung. Damit setzen sich Björn Finke und Jens Flottau in ihrem Artikel Der Staatsanwalt fliegt mit auseinander. Finke und Flottau berichten nicht nur über die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft Koblenz, sondern auch über diesen Fall:
»Die Verhältnisse bei Ryanair beschäftigen … unter anderem auch das Arbeitsgericht Wesel. Dort hat der ehemalige Ryanair-Pilot und Brookfield-Klient Erik Fengler die Airline und Brookfield verklagt, weil ihm seiner Ansicht nach noch mehrere Tausend Euro zustehen. Dabei wird das Gericht auch der Frage nachgehen, ob Fengler nicht ohnehin während seiner zwei Jahre als Pilot als abhängig Beschäftigter anzusehen war.«
Diese Ermittlungen könnten – wenn sie denn zu entsprechenden Urteilen führen – für den Billigflieger teuer werden. So wie in anderen Ländern. »In Frankreich wurde die Airline wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsabgaben im vergangenen Jahr zu einer Zahlung von mehr als acht Millionen Euro verurteilt.«
Fazit: Ryanair realisiert ein Teil seiner niedrigen Kosten auf dem Rücken der Piloten und betreibt aus deutscher Sicht eine radikale Strategie des Lohndumping und der Flucht aus der normalen Arbeitgeberverantwortung. Und wenn dann – wie seit 2013 auch bei uns geschehen – Ermittlungen aufgenommen werden, dann heißt es wieder, man falle ja gar nicht unter das deutsche, sondern unter das britische oder irische Sozialversicherungsrecht. Genau das sieht die Koblenzer Staatsanwaltschaft anders.
Den gleichen Trick praktiziert Ryanair auch in anderen Ländern – und zuweilen lässt man sich das dann dort nicht gefallen. Sondern schlägt empfindlicher vielleicht noch als mit langjährigen Ermittlungen zurück. Beispielsweise in Dänemark. Konkret geht es um die Stadt Kopenhagen:
Den Beschäftigten der Stadt Kopenhagen ist es ab sofort untersagt, für Dienstreisen den Billigflieger Ryanair zu benutzen. Die Begründung: Das Lohndumping beim Konzern sei eine „Schweinerei“.
Es geht hier nicht um irgendeine kleine Kommune, sondern: Mit 45.000 Beschäftigten ist die Stadt Kopenhagen der größte Arbeitgeber des Landes. Wie begründet die Stadt diesen Schritt?
Kopenhagen stelle gegenüber allen seinen Lieferanten die Bedingung, dass diese ihren Angestellten „anständige Lohn- und Arbeitsbedingungen garantieren“. Ansonsten würden diese bei Ausschreibungen und Lieferverträgen nicht berücksichtigt, erklärte der sozialdemokratische Oberbürgermeister der dänischen Hauptstadt, Frank Jensen. Selbst wenn der Billigflieger Ryanair das preisgünstigste Angebot unterbreiten solle, disqualifiziere er sich selbst, solange er sich bei seinen Anstellungsverhältnissen nicht an dänische Arbeitsmarktvorschriften halte – zumindest für von Dänemark ausgehende Flüge, berichtet Reinhard Wolff in seinem Artikel Kopenhagen erlässt Ryanair-Reiseverbot. Diese Entscheidung, über die man sich bei Ryanair „erstaunt“ zeigt, hat einen Hintergrund: Ryanair-Boss Michael Kevin O’Leary hatte kürzlich den Abschluss dänischer Tarifverträge für Piloten und Kabinenpersonal mit den Worten abgelehnt: „Wir werden die dänischen Traditionen, die dänische Kultur und dänische Geschichte respektieren – bloß keine Gewerkschaften, die uns sagen wollen, was wir zu tun und zu lassen haben.“
Acht weitere dänische Kommunen haben einen ähnlichen Schritt wie Kopenhagen angekündigt oder bereits umgesetzt. Gut so. Man muss sein eigenes Arbeitsmarktmodell nicht mit Füßen treten lassen.
Über ein bestimmtes Arbeitsmarktmodell wird auch in Deutschland gestritten – und damit wären wir bei der Deutsche Post DHL mit ihren Brief- und Paketzusteller. Die sind nämlich aus Sicht des Konzerns, dessen AG sich immer noch zu 23% im Besitz des Bundes befindet, schlichtweg „zu teuer“ und „nicht mehr wettbewerbsfähig“ – worauf es nur eine Antwort geben kann: Löhne runter. Nun reden wir hier über ein Unternehmen mit 56 Milliarden Euro Umsatz und über 2 Milliarden Euro Gewinn im vergangenen Jahr. Und die Gewerkschaft Verdi führt gerade Tarifverhandlungen mit dem Konzern, die seit Wochen von Streikaktionen begleitet werden – alleine am heutigen Donnerstag beteiligten sich bundesweit rund 7.000 Mitarbeiter an dem Ausstand. Anfang Juni findet die nächste Verhandlungsrunde statt. Formal fordert die Gewerkschaft eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden für die rund 140.000 Tarifbeschäftigten des Konzerns. Außerdem verlangt Verdi eine Lohnerhöhung um 5,5 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. „Formal“ heißt: Das sind die verhandlungsfähigen Forderungen, dahinter steht allerdings ein anderes Anliegen: Der immer wieder von Arbeitsniederlegungen begleitete Tarifkonflikt entzündet sich vor allem an der Gründung von 49 Regionalgesellschaften durch die Deutsche Post unter dem Namen DHL Delivery, in denen die Mitarbeiter nach den niedrigeren Tarifregelungen der Speditions- und Logistikbranche bezahlt werden.
Die Post selbst zieht derzeit alle Register, um den Druck durch Arbeitsniederlegungen zu reduzieren und die Gewerkschaft auflaufen zu lassen: Erstmals in der Geschichte hat die Deutsche Post polnische Paketboten nach Deutschland geholt, die den Betrieb aufrechterhalten sollen. Das berichtet Maris Hubschmid in ihrem Artikel Post setzt Zusteller aus Polen ein. Ein Post-Sprecher hat bestätigt, dass man „vorübergehend“ auch „Kollegen von DHL Paket aus dem benachbarten Polen“ einsetze. Demnach waren die polnischen Helfer bereits am Pfingstwochenende in Berlin im Einsatz, auch an den Feiertagen. »Die polnischen Zusteller sind bei der polnischen Tochter von DHL angestellt. Dass Boten aus Nachbarländern in Deutschland eingesetzt werden, hat es in der Geschichte der Deutschen Post bislang nicht gegeben.« Sie werden vor allem in Berlin und Brandenburg eingesetzt. Die polnischen Streikbrecher werden in Berlin einquartiert, der Einsatz sei „inklusive Kost und Logis“.
Die Gewerkschaft Verdi nannte den „Einsatz von Streikbrechern aus dem Nachbarland beispiellos skandalös. Das ist eine völlig neue Strategie, den Arbeitskampf im eigenen Land zu unterwandern, die auch bei der Bundespolitik auf Interesse stoßen dürfte“, wird Verdi-Sprecher Jan Jurczyk zitiert.
Und parallel dazu die nächste Streikbrecher-Meldung: »Das Arbeitsgericht Bonn erlaubt den Einsatz von Beamten auf bestreikten Posten – wenn sie freiwillig dort arbeiten«, wobei man über „freiwillig“ gleich mal nachdenken kann. Über die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn, das eine Klage der Gewerkschaft Verdi zurückgewiesen hat, kann man dem Artikel Post darf Beamte als Streikbrecher einsetzen entnehmen. Das Bonner Arbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung auf eine Präzedenzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von 1993 verwiesen. Danach ist nur der „zwangsweise“ Einsatz von Beamten untersagt, nicht aber freiwillige Einsätze, sagte der Vorsitzende Richter.
Über den nächsten Ansatz in der Welle der streikbrechenden Maßnahmen berichtet Yasmin El-Sharif in ihrem Artikel Ver.di wirft Post Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher vor. Der konkrete Vorwurf der Gewerkschaft lautet, dass Leiharbeiter als Streikbrecher in mindestens 10 von 33 Paketzentren bundesweit eingesetzt werden – an anderer Stelle wird von 900 Leiharbeitern berichtet, die derzeit im Einsatz seien. Nun wird der eine oder andere einwerfen, es gibt doch nach dem Arbeitnehmerüberlassungesetz für Leiharbeiter ausdrücklich die Möglichkeit, eine streikbrechende Tätigkeit zu verweigern – wobei hier nicht diskutiert werden soll, was es mit dem Unterschied auf sich hat, Recht zu haben und dieses auch in Anspruch nehmen zu können. An dieser Stelle offenbart sich die anscheinend sehr weit „entwickelte“ Phantasie des Konzerns, der Gewerkschaft hinsichtlich des Streiks als an sich mächtigste Waffe die Zähne zu ziehen:
»Der Gewerkschaft zufolge schließt die Post erstens Werkverträge ab, damit ihre Leiharbeiter im Falle eines Streiks beim Konzern nicht das sogenannte Leistungsverweigerungsrecht in Anspruch nehmen können, das im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verankert ist. Dieses besagt nämlich unmissverständlich, dass Leiharbeiter nicht verpflichtet sind, als Streikbrecher im unmittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Betrieb tätig zu sein. Zweitens soll der Konzern laut Ver.di die Verträge teils an Tochterfirmen übertragen, um somit doppelt abgesichert zu sein. Bestreikt wird offiziell nämlich die Deutsche Post AG – und nicht ihre zahlreichen Gesellschaften.«
Alle Instrumente aus dem modernen Waffenarsenal der Zerlegung und Zersplitterung von Belegschaften lassen sich hier wiederfinden: Werkverträge, Outsourcing, Subunternehmer-Ketten usw.
Das ist schon alles eine enorme Herausforderung für Verdi – und dann wird an anderer Stelle auch noch der Hammer der angeblichen Alternativlosigkeit einer Kapitulation gegen die Gewerkschaft geschwungen: Verdi sitzt in der Falle, so hat Jacqueline Goebel ihren Kommentar in der WirtschaftsWoche überschrieben. Nach dieser Logik ist die Gewerkschaft selbst schuld, dass es den Beschäftigten jetzt ans Portemonnaie geht:
»Es war eine Falle, und Verdi ist hineingestolpert: Über Jahre weigerte sich die Dienstleistungsgewerkschaft, mit der Deutschen Post über das verhältnismäßig hohe Lohnniveau im Unternehmen zu verhandeln. Anfang des Jahres stellte die Post Verdi dann einfach vor vollendete Tatsachen: Sie schob einen Großteil ihrer befristeten Paketboten in eine neue Tochtergesellschaft ab, in der sie die Mitarbeiter nicht nach dem Verdi-Haustarif sondern nach dem wesentlich günstigeren Logistiktarifvertrag bezahlen kann … die Gewerkschaft führt einen Kampf, aus dem sie kaum als Sieger hervorgehen kann. Es ist nun zu spät, um die Gründung der neuen Niedriglohn-Gesellschaften noch rückgängig zu machen. Und mit den Gehaltserhöhungen, die Verdi fordert, könnte die Gewerkschaft am Ende nicht nur der von der Billig-Konkurrenz geplagten Post, sondern womöglich auch ihren eigenen Mitgliedern schaden. Für die Post ist jedes Promill Lohnerhöhung nur ein weiterer Anreiz, noch mehr Jobs auszulagern: vor allem an die eigene Tochtergesellschaft. Künftig aber womöglich auch, wie es die Konkurrenten längst tun, an billige Dienstleister … (es) dürften um so mehr Post-Aufträge an billige Subunternehmer gehen, je höher das Lohnniveau der Stammbelegschaft steigt.«
Eine scheinbar plausibel daherkommende Argumentation – aber mit fatalen Konsequenzen, denn die Kommentatorin plädiert hier für die Akzeptanz einer gewaltigen Rutschbahn nach unten, weil nach der Logik diese Ansatzes gar keine Alternative besteht zum Mitmachen beim Downgrading der Arbeitsbedingungen. Einer macht’s noch billiger, dann müssen die anderen auch nachziehen. An dieser Stelle erkennt man den letztendlich nicht auflösbaren Widerspruch zwischen einer betriebswirtschaftlichen und einer volkswirtschaftlich-gesellschaftspolitischen Perspektive. Dieses Dilemma habe ich versucht, in einem Meinungsbeitrag für SWR 2 am 15.05.2015 (Ein echtes Armutszeugnis. Die Post AG, ihr Streben nach Gewinn und der Umgang mit den streikenden Mitarbeitern) mit dem folgenden Bild zu verdeutlichen:
»Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einer Oper ganz hinten und können nichts sehen. Sie stehen auf, um diese Situation zu verändern. Jetzt sehen Sie besser. Wenn aber alle anderen vor ihnen auch aufstehen, dann haben Sie wieder das gleiche Problem und noch ein zusätzliches, denn alle müssen die gesamte Zeit stehen statt sitzen. So ist das auch mit den Lohnsenkungen, die derzeit mal wieder durchgesetzt werden sollen. Was für das eine Unternehmen durchaus rational sein mag, erweist sich gesellschaftlich als ein Schuss ins Knie. Es ist ein Irrweg, der in unserer Volkswirtschaft dazu geführt hat, dass wir mittlerweile über einen der größten Niedriglohn-Sektoren in Europa verfügen. Ein echtes Armutszeugnis.«