Da müssen die doch sowieso hin: Barauszahlung von Sozialleistungen an der Supermarktkasse

Irgendwie konsequent, wird der eine oder andere mit einem gewissen zynischen Unterton gedacht haben bei dieser Meldung: »Empfänger von Leistungen wie dem Arbeitslosengeld können sich Bargeld künftig in besonders dringenden Fällen an Supermarktkassen auszahlen lassen. Das Verfahren sei für Menschen, die kein eigenes Konto haben oder die im Ausnahmefall sofort eine Auszahlung bräuchten, sagte ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit«, so berichtet es dieser Artikel: Rewe, Penny und Co.: Arbeitslosengeld gibt es bald auch an der Supermarktkasse. Zu den beteiligten Supermärkten und Drogerien gehörten Rewe, Penny, Real, dm und Rossmann. „Ziel ist die flächenweite Einführung der neuen Lösung bis Ende 2018”, sagte der BA-Sprecher.
Die Betroffenen müssen doch sowieso im Supermarkt einkaufen gehen, dann kann man ihnen da auch die Möglichkeit eröffnen, Geld einzulösen. Was aber ist wirklich der Hintergrund? Die Antwort auf diese Frage wird nun auch viele nicht überraschen: Es geht für denjenigen, der das Geld auszahlen muss, darum, Kosten zu sparen, die damit verbunden sind. Und für die anderen geht es um Geschäfte. Den Dritten auf diesem Spielfeld, also die betroffenen Leistungsempfänger, hat mal wieder niemand gefragt.

Was ist der Hintergrund dieser Geschichte? Es geht, das sei hier gleich vorangestellt, nicht um die normalen Auszahlungen der Arbeitsagenturen und der Jobcenter. Die sollen und werden weiter wie bisher in Form normaler Überweisungen stattfinden.

Es geht um etwas, was im § 42 SGB I normiert worden ist: »Besteht ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach und ist zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich, kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Er hat Vorschüsse nach Satz 1 zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantragt; die Vorschußzahlung beginnt spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.« Die Formulierung „spätestens“ bedeutet bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, dass das auch bedeuten kann, den Vorschuss sofort auszuzahlen. Es geht also um Akutfälle, die einen sozialrechtlichen Vorschussanspruch auslösen.

Das ist bisher so praktiziert worden, dass Gelder im Jobcenter bar ausgezahlt wurden oder der Betroffene sich über Kassenautomaten in den Arbeitsagenturen und Jobcenter,  über kommunale Kassen oder Stadt- bzw. Kreissparkassen mit dem Geld selbst versorgen konnte.

Die Kassenautomaten in Jobcentern und Arbeitsagenturen sind der Bundesagentur für Arbeit ein betriebswirtschaftliches Dorn im Auge. Durchaus nachvollziehbar, wie man den Zahlenangaben dieses Artikels entnehmen kann:

»Der Unterhalt der bisherigen Geldautomaten in den Jobcentern koste die Bundesagentur acht Euro pro Transaktion. Im Vorjahr hätten sich die Kosten mit 400.000 Bar-Transaktionen demnach auf 3,2 Millionen Euro belaufen.«

Die Gesamtzahl der Bar-Transaktionen verdeutlicht zugleich, dass wir es hier mit einer wichtigen und bedeutsamen Angelegenheit zu tun haben.

Die Automaten sollen nun aus Kostengründen abgebaut werden. Ein anderer soll den Job machen. Den hat man offensichtlich gefunden: »Den Zuschlag für die Bargeldauszahlung erhielt das Berliner Unternehmen Cash Payment Solutions. Der Dienstleister verfügt dem Zeitungsbericht zufolge über ein bundesweites Händlernetz mit 8.500 angeschlossenen Filialen. Kunden könnten dort bereits Online-Einkäufe und Stromrechnungen bar an der Ladenkasse bezahlen. Zudem böten einige Banken die Kassen ihren Kunden als Alternative zum Geldautomaten an.

Wer sich für dieses Unternehmen interessiert, dem sei hier dieses Interview mit Florian Swoboda, dem Gründer und Geschäftsführer der Cash Payment Solutions, aus dem vergangenen Jahr empfohlen: Barzahlen.de: Vom Banken-Angreifer zum Banken-Dienstleister – um das Filial-Problem zu lösen. In dem Gespräch ging es vor allem um die Transformation vom Banken-Angreifer zum Lösungsanbieter für das Filialproblem der Direkt- und Retailbanken. Man bietet die Infrastruktur mit den vielen Händlern Banken zur Nutzung an. So können Banken Ihr Netzwerk an „Bankautomaten“ um 10.000 Filialen erweitern. Ohne hohe Fixkosten. Das Unternehmen bietet sich an, um die Bargeldversorgung für Bankkunden gewährleisten in Zeiten, in denen die Banken immer mehr Filialen und Geldautomaten abbauen. Das Angebot an die Banken geht so: »Warum den Prozess der Ein- und Auszahlung nicht dahin auslagern, wo sowieso den ganzen Tag mit Bargeld hantiert wird: im Einzelhandel. Dort werden nach wie vor, und diese Zahl hat sich in den letzten 10 Jahren nicht merklich verändert, 80 % aller Transaktionen in bar gezahlt.«

Wie nun muss man sich die beabsichtigte Änderung des Verfahrens vorstellen?

»Damit Arbeitslose bei den Händlern Geld bekommen, müssen sie einen Zettel mit einem Barcode vorlegen, den sie sich im Jobcenter oder der Arbeitsagentur abholen können. Dieser werde an der Kasse eingescannt und der angezeigte Betrag sofort ausgezahlt.«

Oder aber die Beträge werden – seien wir doch nicht naiv – mit den zwischenzeitlich getätigten Einkäufen in der „Auszahlungsstelle“ verrechnet. Denn die teilnehmenden Supermärkte werden genau auf diesen Mechanismus setzen und sich nicht nur als nebenberufliche Geldautomaten definieren wollen. Wofür sie betriebswirtschaftlich gesehen auch keinen Grund hätten als privatwirtschaftliche Unternehmen.

Und man achte auf die Formulierung: »Damit Arbeitslose bei den Händlern Geld bekommen, müssen sie einen Zettel mit einem Barcode vorlegen, den sie sich im Jobcenter oder der Arbeitsagentur abholen können.« Für die Betroffenen stellt sich das unterm Strich als eine Verschlechterung dar in vielen Fällen, denn bislang war es so, dass man direkt nach der Vorschuss-Bewilligung vor Ort sein Geld ausgehändigt bekam. Das mag mit Aufwand verbunden sein für die Agenturen und Jobcenter, man könnte aber auch argumentieren, dass das ihre ureigene Aufgabe ist in diesem Fall, denn wir sprechen hier nicht über die Auszahlung von Lotterie-Gewinnen, sondern über eine hoheitliche Aufgabe im Bereich der Sozialleistungen. Und die haben die Sozialleistungsträger zu erfüllen. Wollen sie aber aus Kostengründen nicht mehr, sondern nach der Logik des Outsourcing soll das übergeben werden an private Dienstleister.

Die übrigens und verständlicherweise dafür bezahlt werden wollen. Was der Deal mit  Cash Payment Solutions kosten wird, die das natürlich nicht für Gottes Lohn machen werden, wollte der BA-Sprecher nicht beziffern.

Foto: © Stefan Sell

Die Vergessenen. Ein Schlaglicht auf die „jungen Pflegebedürftigen“

Wenn über „Pflegebedürftige“ gesprochen wird, dann geht es in der Regel um ältere und sehr alte Menschen, die unserer Fürsorge bedürfen. Ob bewusst oder unbewusst dominiert der Blick auf die „klassische“ Altenpflege und auch die Pflegeheime sind mit dieser Altersgruppe assoziiert. Was ja auch für die große Mehrheit der Betroffenen zutreffend ist.

Durch angeborene Behinderungen oder früh erworbene Erkrankungen können aber auch Kinder und junge Erwachsene von Pflegebedürftigkeit betroffen sein. Es ist ein Verdienst des von Rothgang et al. verfassten BARMER Pflegereports 2017, dass auf die Gruppe der „jungen Pflegebedürftigen“ ein genauerer Blick geworfen wird.

Der amtlichen Statistik kann man entnehmen, dass am Ende des Jahres 2015 etwa 385.900 Personen im Alter von 0 bis 59 Jahren pflegebedürftig waren (13,5 Prozent der Pflegebedürftigen), darunter mehr als 80.000 Kinder unter 15 Jahren. Hinzu kommen die Pflegebedürftigen in den Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen, hier wird das Bundesgesundheitsministerium zitiert mit einer Größenordnung von 91.000 Fällen von vollstationärer Pflege in Behindertenheimen. Wir sprechen hier also über keine kleine Anzahl von Menschen und der Pflegereport versucht, etwas Licht in diesen bislang immer im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit befindlichen Bereich zu bringen.

Unterschiede zwischen den „jungen“ und den „alten“ Pflegebedürftigen lassen sich auch an den Ursachen der Pflegebedürftigkeit erkennen.

»Sind es bei Kindern angeborene Erkrankungen oder Behinderungen, handelt es sich bei jungen Erwachsenen um psychische Auffälligkeiten und Verhaltensstörungen, Krebserkrankungen, aber auch Krankheiten des Kreislauf- und Nervensystems. Ältere Menschen werden im Gegensatz dazu beispielsweise durch Schlaganfälle oder Demenzerkrankungen pflegebedürftig … Die pflegebegründenden Grunderkrankungen im Kindesalter sind vielfältig (beispielsweise Muskeldystrophien, Stoffwechselerkrankungen, Querschnittslähmungen, Chromosomenanomalien oder bösartige Neubildungen). Viele Kinder leiden unter mehr als einer Krankheit, sodass Expertenwissen bei der Versorgung unerlässlich ist.« (Rothgang et al. 2017: 167)

Und eine sehr erfreuliche Entwicklung hat Folgen: »Durch den medizinisch-technischen Fortschritt der letzten Jahre haben viele pflegebedürftige Kinder eine deutlich höhere Lebenserwartung als noch vor zehn Jahren … Dies führt dazu, dass der Personenkreis der jungen Pflegebedürftigen wächst und damit einhergehend die Relevanz an passgenauen Pflegeleistungen für diese Personengruppe zunimmt.« (Rothgang et al. 2017: 167)

Aber wie sieht die Versorgungsrealität für diese Menschen genau aus? Auch dazu kann man dem neuen Pflegereport interessante Informationen entnehmen. Die BARMER berichtet in ihrer Zusammenfassung des neuen Reports:

»In Deutschland fehlen bundesweit tausende Betreuungsplätze für junge Pflegebedürftige … Demnach gibt es laut einer repräsentativen BARMER-Umfrage bei Pflegebedürftigen unter 60 Jahren, beginnend mit dem frühen Kindesalter, etwa 4.000 teilstationäre und rund 3.400 Kurzzeitpflegeplätze zu wenig. Zudem können junge Pflegebedürftige häufig nicht so wohnen, wie sie es bevorzugen, weil die entsprechenden Angebote fehlen.«

Die Befunde markieren eine sehr große Lücke zwischen Bedarf und Realität: »Gerade für pflegebedürftige Kinder und junge Erwachsene bleibt der Wunsch nach einem selbststimmten Wohnen häufig unerfüllt. Wie die eigens durchgeführte Umfrage von mehr als 1.700 Versicherten ergeben hat, würden gerne 35 Prozent der Zehn- bis 29-Jährigen in eine Wohngruppe ziehen. Jedoch hat etwa jeder zweite Pflegebedürftige in dieser Altersklasse angegeben, dass sich sein Wechsel in eine Wohngruppe, aber auch in ein Pflege- oder Behindertenheim, deswegen zerschlagen hat, weil kein Platz in der Einrichtung vorhanden war.«

Außerdem geht es nicht um einen Wohngruppenplatz per se, sondern einen altersangemessenen, denn ein 30-jähriger Pflegebedürftiger habe in einer Wohngruppe mit 80-Jährigen auch „nichts verloren“, wird Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER, zitiert.

Hinzu kommt: Familien, in denen ein Pflegedienst an der Pflege beteiligt ist, beklagen, dass das Personal in der Regel zu wenig Zeit hat und kaum über Kenntnisse zur Behandlung chronisch kranker und behinderter Kinder verfügt. Die Pflegedienste scheinen ebenfalls überwiegend auf geriatrische Pflege spezialisiert zu sein, so Rothgang et al. im Pflegereport (S. 168).

Und dann tun sich in der Welt zwischen der häuslichen und der stationären Versorgung enorme Lücken auf: »Vor allem bei der Kurzzeitpflege gibt es massive Versorgungslücken. So nutzen derzeit neun Prozent der jungen Pflegebedürftigen mindestens einmal im Jahr die Kurzzeitpflege. Tatsächlich aber würden gerne 19 Prozent auf dieses Angebot zugreifen. Damit ist der Wunsch nach Kurzzeitpflege um mehr als 100 Prozent höher, als er tatsächlich realisierbar ist. Defizite gibt es auch bei der Tagespflege, die lediglich 13 Prozent in Anspruch nehmen, wobei 20 Prozent den Wunsch danach hegen. Als wesentlichen Grund, warum die teilstationäre Pflege und die Kurzzeitpflege nicht wie gewünscht genutzt werden, gaben 43 beziehungsweise 40 Prozent der Betroffenen den Mangel an entsprechenden Angeboten für die jeweilige Altersgruppe an. Für 31 beziehungsweise 27 Prozent der betroffenen Befragten waren keine Angebote für die eigene Erkrankung vorhanden.«

Über das Thema haben auch einige Medien berichtet, so beispielsweise Rainer Woratschka in seinem Artikel Zu wenig Platz für junge Pflegebedürftige sowie Peter Thelen mit seinem Beitrag Die vergessenen Kranken.

Ambivalentes Wachstum: Die Wirtschaft brummt und die Zahl der überschuldeten Menschen nimmt weiter zu

Es läuft doch super in Deutschland. Die Wirtschaft brummt, der Arbeitsmarkt meldet Rekordwerte nach unten (bei der offiziell ausgewiesenen Arbeitslosigkeit) und nach oben (bei den offenen Stellen).   Die „fünf Wirtschaftsweisen“ warnen in ihrem neuen Jahresgutachten 2017/18 sogar schon vor einer angeblichen Überhitzung der Konjunktur. Die Kassen des Staates scheinen sich unaufhaltsam zu füllen: Steuerschätzer sagen Mehreinnahmen von 26 Milliarden Euro voraus, so einer der vielen Artikel nach dem Bekanntwerden der neuen Steuerschätzung: »Demnach können Bund, Länder und Kommunen im laufenden Jahr mit 734,2 Milliarden Euro an Steuereinnahmen rechnen. Das sind 1,8 Milliarden mehr als noch im Mai angenommen.«

Aber wenn wir schon beim Geld sind, dann muss man auch das hier zur Kenntnis nehmen: Immer mehr Deutsche sind überschuldet: »Die Wirtschaft in Deutschland wächst und die Arbeitslosigkeit sinkt. Aber die Zahl der überschuldeten Privatpersonen nimmt besonders im Westen zu, wie eine Studie zeigt.« Und weiter erfahren wir: »Die Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland ist seit 2014 zum vierten Mal in Folge gestiegen. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform errechnete anhand eigener Daten, dass mehr als 6,9 Millionen Bürger über 18 Jahre überschuldet sind, also dauerhaft weniger Geld einnehmen als sie ausgeben. Dies sind etwa 65.000 Personen mehr als noch im letzten Jahr.« Insgesamt sind in diesem Jahr im Westen etwa 5,79 Millionen Menschen  als überschuldet zu betrachten, im Osten Deutschlands sind dies etwa 1,12 Millionen. Die Überschuldung erhöht sich in Westdeutschland weiterhin schneller als in Ostdeutschland.

Das alles lässt sich dem SchuldnerAtlas 2017, der von Creditreform veröffentlicht wurde, entnehmen. »Überschuldung kann laut der Studie viele Ursachen haben: Dazu zählen Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung, Sucht oder Unfälle. Noch immer ist die Gefahr besonders groß, wenn Menschen ihre Arbeit verlieren: Rund ein Fünftel aller Überschuldungsfälle sind auf Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Auf einen Zeitraum von zehn Jahren gesehen treten die sogenannten ökonomischen Auslöser wie eben Arbeitslosigkeit oder eine gescheiterte Selbstständigkeit jedoch seltener auf. Deutlich zugenommen hat hingegen das Risiko, durch Erkrankung, Sucht oder Unfall in die Überschuldung zu rutschen«, kann man diesem Artikel über den neuen SchuldnerAtlas entnehmen: Wie die Deutschen in die Überschuldung rutschen.

Und in dem Artikel finden wir auch diesen interessanten Hinweis:

»Immer häufiger sind es zudem ältere Menschen aus der Mittelschicht, die in eine Überschuldungsspirale geraten. Fast alle neuen Fälle stammten aus der Mitte der Gesellschaft, wie aus der Studie hervorgeht, vier von fünf neu überschuldeten Menschen sind außerdem älter als 50 Jahre. Die Zahl überschuldeter Personen unter 30 Jahren hingegen nahm im vergangenen Jahr ab.«

Dazu und zur generellen Entwicklung lohnt der Blick in den SchuldnerAtlas 2017.

Hinsichtlich der Frage, warum trotz der augenscheinlich sehr günstigen Rahmenbedingungen die Überschuldung weiter zugenommen hat, begibt sich der Bericht auf Spurensuche:

Unsicherere Arbeitsverhältnisse: So wird darauf hingewiesen: »… auch in diesem Jahr bleibt festzuhalten, dass sich viele Indikatoren zur Einordnung des Überschuldungsrisikos nicht verbessert, sondern zum Teil verschlechtert haben: So ist die Zahl atypisch beschäftigter Personen nach Daten des Statistischen Bundesamtes auch 2016 bei insgesamt steigender Erwerbstätigkeit wieder angestiegen. Ihre Zahl stieg im Vergleich zum Vorjahr um 121.000 Personen … auf nunmehr 7,66 Millionen atypisch Beschäftigte … Prekäre Beschäftigung und damit oft verbundene Einkommensarmut bleiben dabei gerade bei den Menschen konzentriert, die ohnehin als überdurchschnittlich überschuldungsaffin gelten können. Hierzu gehören Frauen, junge und insbesondere ältere Menschen.«

Steigende Energiekosten und Mieten: »Zudem steigen bereits seit geraumer Zeit für die Verbraucher in Deutschland die Energiekosten, also Kosten für Strom und auch für Mobilität. Nach aktuellen Angaben des Internetportals Verivox befinden sich die Strompreise 2017 „auf einem Rekordhoch“. Viele Energieversorger haben demnach im laufenden Jahr ihre Preise erhöht, so dass der Strompreis im Jahresmittel „ein neues Allzeithoch“ erreicht. Im Kontext deutlich ansteigender Mietkosten und Immobilienpreise müssen viele Menschen so viel Geld für ihre Miete bezahlen, dass sie an den Rand der Armutsgrenze gelangen.«

Besonders interessant am diesjährigen SchuldnerAtlas ist eine vertiefende Analyse der Überschuldung in der Mittelschicht aus Sicht der Milieuforschung. Als Hintergrund muss man die Befunde der seit Jahren zunehmenden „strukturellen Überschuldung“ in Form einer mehr oder minder veränderungsresistenten und konjunkturunabhängigen „Sockelüberschuldung“ sehen.

Die Daten des SchuldnerAtlas zeigen, »dass 2017 mehr als 4,2 Millionen Menschen in Deutschland offensichtlich nicht oder nur sehr begrenzt von einer noch so positiven Konjunktur- und Beschäftigungsentwicklung profitieren können. Der Prozess der so genannten Überschuldungsverhärtung kann daher auch als Ausdruck von Marginalisierung und Prekarisierung gedeutet werden, der sich in Form einer Polarisierung zwischen überschuldeten und nicht- oder weniger überschuldeten Personengruppen vollzieht. Strukturelle Überschuldung kann jedenfalls auch als ein Symptom und ein Indikator für die Erosion der Mittelschicht interpretiert werden.«

Demnach können Einkommenspolarisierung und Überschuldung als zwei (komplementäre) Seiten einer Medaille verstanden werden. »Dies bedeutet letztlich, dass die so genannte „Mittelschicht“ schrumpft, d. h. sich an den Rändern nach oben und unten auflöst.«

Die vorliegenden Daten belegen, dass Überschuldung nicht allein ein Problem der unteren sozialen Schichten oder nur sozial benachteiligter Personengruppen ist. »Zudem zeigt sich, dass immer mehr Verbraucher aus der „Mitte der Gesellschaft“ in eine Überschuldungsspirale geraten sind – und zugleich zunehmend mehr Personen auch aus den „gehobeneren Schichten“ Überschuldung und nachhaltige Zahlungsstörungen aufweisen.«

Zum Thema Mittelschicht und Überschuldung gibt es im SchuldnerAtlas 2017 den Gastbeitrag „Die angegriffene Mitte“ – Überschuldung und Insolvenz in der Mittelschicht von Marion Müller, Patricia Pfeil und Udo Dengel (S. 48 ff.).

Es wird darauf hingewiesen, was Überschuldung neben den reinen finanziellen Problemen für die Betroffenen für Konsequenzen hat. Vor allem greife sie die Identität als Mittelschichtsangehörige an. Sie werde als „massiver Einschnitt in das normale Leben“ wahrgenommen und führe oft genug in eine „Schockstarre“.

»Bei einigen Betroffenen trifft im Fall einer Überschuldung aber auch das genaue Gegenteil einer Schockstarre ein: Sie versuchten trotz aller Einschränkungen, Strategien entwickeln, um ihre gesellschaftliche Position zu erhalten. Dies führe gleichzeitig auch dazu, dass Überschuldung in der Mittelschicht oft ein unsichtbares Phänomen bleibe. Die Menschen nähmen dafür jedoch große Anstrengungen auf sich, beispielsweise wenn sie trotz Berufstätigkeit Nebenjobs annehmen, um ihren Lebensstandard halten und ihre Zugehörigkeit zur Mittelschicht demonstrieren zu können.«

Es werden mehr (gebraucht), das ist sicher. Zur Vorausberechnung der Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Rheinland-Pfalz

Zahlen bitte. Das kann man genau so doppeldeutig verstehen, wie es hier gemeint ist. Zum einen hinsichtlich der Aufforderung, eine noch ausstehende Rechnung zu begleichen, zum anderen aber auch die Frage nach der Zahl derjenigen, die auf uns zukommen (werden/könnten), wenn es um die Pflege alter Menschen geht.

Und zu dem letzten Aspekt hat das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz für das „Land der Reben und Rüben“ eine Vorausberechnung gewagt hinsichtlich der Frage, wie sich die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren entwickeln wird bzw. entwickeln könnte, wenn man den Annahmen der Statistiker folgt.

Eine Kurzfassung des in Wirklichkeit ziemlich komplexen Unterfangens einer Abschätzung der Größenordnung kann man mit diesem Artikel so auf den Punkt bringen: 40 Prozent mehr Pflegebedürftige bis 2035: »Heute sind in Rheinland-Pfalz rund 116.000 Menschen über 60 pflegebedürftig. Ihre Zahl könnte bis 2035 um gut 46.000 auf knapp 162.000 steigen … Noch dramatischer ist die Prognose für das Jahr 2060. Bis dahin könnten knapp 220.000 Rheinland-Pfälzer auf pflegerische Hilfe angewiesen sein.« Das wäre dann ein Anstieg von 89 Prozent gegenüber 2015. Ein Blick auf die Zahlen in den einzelnen Altersgruppen ab 60 Jahre aufwärts macht vor allem einen wichtigen Befund erkennbar: Der Anstieg des Pflegebedarfs geht vor allem auf die Hochbetagten zurück.

„Die strukturellen Verschiebungen in der Art der Versorgung beruhen, bei konstanten Pflegequoten, auf der Bevölkerungsentwicklung“, wird der Präsident des Statistischen Landesamt, Marcel Hürter, zitiert. »Die Zahl der 80-Jährigen und Älteren wird überproportional zunehmen. Dies liegt – neben der steigenden Lebenserwartung – insbesondere daran, dass die Babyboomer (Geburtsjahrgänge 1954 bis 1967) langfristig in die höheren Altersgruppen hineinwachsen. Da die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden, signifikant mit dem Alter steigt, erhöht sich auch die Zahl pflegebedürftiger Menschen im Alter ab 80 Jahren überproportional. Im Jahr 2015 lag das Pflegerisiko bei den 80-Jährigen und Älteren bei etwa 32 Prozent, d. h. fast jede dritte Person in dieser Altersgruppe war pflegebedürftig. Bis 2035 steigt die Zahl pflegebedürftiger Menschen zwischen 60 und 80 Jahren vermutlich um mehr als 20 Prozent (plus 7.900 Personen); im Alter ab 80 Jahren ist bis 2035 ein Anstieg um 48 Prozent zu erwarten (plus 38.000 Personen).«

Wie immer lohnt natürlich der Blick in das Original:

Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (2017): Rheinland-Pfalz 2060 – Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Pflegebedarf (Basisjahr 2015), Bad Ems, 2017

Zum methodischen Vorgehen muss man wissen: »Die Berechnungen basieren auf der mittleren Variante der vierten regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung, die das Statistische Landesamt im Juli 2015 vorgelegt hat. Die Vorausberechnung der Zahl der Pflegebedürftigen im Alter ab 60 Jahren erfolgt mit konstanten Pflegequoten (Durchschnitt der Pflegestatistiken 2011, 2013 und 2015) nach Art der Pflegeleistung (ambulante und stationäre Pflege sowie ausschließlichem Bezug von Pflegegeld), untergliedert nach Altersgruppen und Geschlecht sowie nach kreisfreien Städten und Landkreisen.«

Konstante Pflegequoten bedeutet, dass man davon ausgeht, dass die bisherige Verteilung der Pflegewahrscheinlichkeiten auch in die Zukunft fortgeschrieben werden kann. Das ist natürlich nicht unumstritten. Das Statistische Bundesamt bezeichnet das zutreffend als „Status-Quo-Szenario“, da die altersspezifischen Pflegequoten künftig identisch mit denen von heute sind. Die Bundesstatistiker haben in ihren Berechnungen aber immer auch ein Szenario „sinkende Pflegequoten“ berechnet. In diesem eher optimistischen Szenario geht man davon aus, dass durch den medizinisch-technischen Fortschritt auch das Pflegerisiko in den Altersgruppen abnimmt. Als Orientierungsgröße gilt dabei die erwartete Zunahme der Lebenserwartung im jeweiligen Alter – das Pflegerisiko verschiebt sich daher in ein höheres Alter entsprechend der steigenden Lebenserwartung.

Letztendlich geht es hier um die anhaltende – und nicht entschiedene – Debatte über die Gültigkeit der Medikalisierungs- oder der Kompressionsthese. In der pflegewissenschaftlichen Diskussion gibt es Hinweise auf Kompressionseffekte, allerdings mit erheblichen methodischen „Verunreinigungen“. Dazu als ein Beispiel aus dem BARMER GEK Pflegereport 2016 von Rothgang et al.:

»Ein Faktor – der als Ausfluss einer „Kompression von Morbidität“ geführt werden kann – und der die Pflegelast für die Zukunft eventuell geringer erscheinen lässt, ist die von 1996 bis heute andauernde Entwicklung in der SPV und der PPV, wonach die Anteile der Pflegebedürftigen mit Pflegestufe I kontinuierlich steigen, während die Anteile an den Pflegestufen II und III kontinuierlich zurück gehen. Diese Entwicklungen finden sich ebenfalls im Wandel des Ausmaßes der Lebenserwartung in Pflegebedürftigkeit bestätigt, wonach die höheren Pflegestufen relativ zu den geringeren Pflegestufen im Zeitverlauf anteilig abnehmen … Auch die Begutachtungen von Pflegebedürftigkeit durch den MDK bestätigen diese Entwicklungen. Die daraus resultierende geringere Pflegelast würde den Pflegekräftebedarf etwas abschwächen, die aus der Betrachtung der zu erwartenden reinen Fallzahlen an Pflegebedürftigen zu erwarten wäre. Allerdings sind diese Verschiebungen zu Teilen auf sozialrechtliche Änderungen zurückzuführen, die insbesondere die Pflegestufe „0“ und die Pflegestufe I begünstigt haben … Insofern kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass sich die beobachteten Verschiebungen in der Pflegestufenstruktur in Zukunft fortsetzen wird.« (Rothgang et al. 2016: 96 f.)

Vielleicht lässt sich der derzeitige Diskussionsstand so zusammenfassen,  dass nicht die eine oder die andere These gilt, sondern beide, aber für unterschiedliche Personengruppen, für die Menschen im unteren Einkommensbereich eher die Medikalisierungs- und für die im oberen Bereich eher die Kompressionsthese. Das hätte natürlich erhebliche sozialpolitische Konsequenzen (und die nicht nur im Pflegebereich, sondern beispielsweise auch mit Blick auf das Alterssicherungssystem, vgl. dazu den Blog-Beitrag Rente mit 70(+)? Warum die scheinbar logische Kopplung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung unsinnig ist und soziale Schieflagen potenziert vom 22. April 2016).

Wie dem auch sei – neben der Tatsache, dass die Zahl der pflegebedürftigen deutlich ansteigen wird, muss man sicher davon ausgehen, dass man für deren Versorgung deutlich mehr Pflegepersonal brauchen wird. Und da hakt es ja heute schon. So wird die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) mit diesen Worten zitiert: »…  schon heute fehlen 1.912 Pflegekräfte im Land … Dabei sei diese Zahl schon ein Erfolg, das Ministerium hätte ursprünglich für 2015 einen Fachkräftemangel in der Pflege von 5.367 Personen erwartet. Nur mit Gegenmaßnahmen wie der Zuwanderung von rund 270 ausländischen Pflegekräften sowie mehr Ausbildungsplätzen sei es möglich geworden, diese Lücke so gut zu schließen.«
Aber auch das ist ein bemüht optimistisch daherkommender Versuch – denn man geht dabei immer von den heutigen Besetzungen aus, die völlig zu Recht massiv kritisiert werden, weil sie oftmals eine personelle Unterdeckung darstellen.

Von Regelbedarfen im Hartz IV-System und der Armutsgefährdungsschwelle. Die Unterdeckung wird größer

Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) hat sich die Höhe der Regelleistungen, mittlerweile Regelbedarf genannt, im Hartz IV-System im Vergleich zu den Armutsgefährdungsschwellen angeschaut (vgl. Absolute und relative Lücke zwischen Regelbedarf (Hartz IV) und Armutsgefährdungsschwelle 2006-2016). Zur Armutsgefährdungsschwelle erfahren wir von Seiten der Amtlichen Sozialberichterstattung: »Die Armutsgefährdungsschwelle wird – entsprechend dem EU-Standard – bei 60 % des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) im jeweiligen Bundesland beziehungsweise in der jeweiligen Region festgelegt. Personen, deren Äquivalenzeinkommen unter diesem Schwellenwert liegt, werden als (relativ) einkommensarm eingestuft.« Das ist also keine von irgendwelchen Leuten ausgedachte Geldgröße, sondern die Abgrenzung erfolgt im Einklang mit internationalen Festlegungen. Immer wieder und gerne von interessierter Seite wird dieser Maßstab der relativen (Einkommens)Armut kritisiert.

Das kann und muss man mit Blick auf den Fachdiskurs entkräften: »Wenn ein neuer Bericht über Armut in Deutschland vorgelegt wird, entbrennt regelmäßig eine Diskussion darüber, was überhaupt unter Armut zu verstehen ist und wie Armut gemessen werden soll. Die Interpretationen gehen hier sehr weit. Dabei gibt es schon seit über 30 Jahren eine international anerkannte Methode für die Armutsmessung. Der Arbeitskreis Armutsforschung, in dem sich Wissenschaftler, Vertreter von Wohlfahrtsverbänden und andere Praktiker austauschen, hat in der folgenden »Erklärung zum Armutsbegriff« die derzeit gängigsten Kritikpunkte an der Methode der Armutsmessung aufgegriffen und ihnen fundierte Antworten gegenübergestellt.« Dazu diese Veröffentlichung:

Arbeitskreis Armutsforschung (2017): Erklärung zum Armutsbegriff, in: Soziale Sicherheit, Heft 4/2017

Zurück zu der neuen Veröffentlichung von Paul M. Schröder. Er hat sich die absolute und relative rechnerische Lücke zwischen Regelbedarf (Hartz IV) (ohne Kosten der Unterkunft und Heizung) und Armutsgefährdungsschwelle angeschaut (siehe seine Abbildung am Anfang dieses Beitrags).

»2006, im ersten Kalenderjahr mit einer im ganzen Kalenderjahr bundeseinheitlichen monatlichen „Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts“ (inzwischen „Regelbedarf“) in Höhe von 345 Euro (Hartz IV), lag dieser „Regelbedarf“ (ohne Kosten der Unterkunft und Heizung) rechnerisch um 401 Euro (absolut) bzw. 53,8 Prozent (relativ) unter der amtlichen Armutsgefährdungsschwelle für Einpersonenhaushalte in Höhe von 746 Euro.

Der negative absolute und relative Abstand des vom Gesetzgeber bestimmten „menschenwürdigen Existenzminimums“ (ohne die Kosten der Unterkunft und Heizung) von der Armutsgefährdungsschwelle für Einpersonenhaushalte ist in den zehn Jahren von 2006 bis 2016 erheblich gewachsen. 2016 betrug der Regelbedarf in der „Regelbedarfsstufe 1“ monatlich 404 Euro und der rechnerische Abstand zur Armutsgefährdungsschwelle für Einpersonenhaushalte (969 Euro) 565 Euro (absolut) bzw. 58,3 Prozent (relativ).«

Nun wird der eine oder andere einwenden, dass die Hartz IV-Empfänger  doch nicht nur die Regelbedarfe bekommen, sondern die Jobcenter übernehmen auch die „angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung“. Das hat Schröder nicht vergessen, er führt dazu aus, dass die Lücke zwischen der Armutsgefährdungsschwelle und dem Regelbedarf in der „Regelbedarfsstufe 1“ die durchschnittlich anerkannten Kosten der Unterkunft und Heizung eines Einpersonenhaushalts deutlich übersteigt. Anders ausgedrückt: »der Regelbedarf plus durchschnittlich anerkannte Kosten der Unterkunft und Heizung liegt deutlich und zunehmend unter der Armutsgefährdungsschwelle für Einpersonenhaushalte.«

Interessant ist die folgende Rechnung, die auch die Abkoppelung des Regelbedarfs in der Grundsicherung von der Armutsgefährdungsschwelle aufzeigen kann:

»Allein bei einem unveränderten relativen Abstand des Regelbedarfs von der Armutsgefährdungsschwelle auf dem Niveau des Jahres 2006 (53,75 Prozent) hätte der Regelbedarf in der „Regelbedarfsstufe 1“ bis 2016 rechnerisch auf 448 Euro statt lediglich auf 404 Euro steigen müssen (46,25 Prozent von 969 Euro).«

Und die Aussichten sind trübe – trotz bzw. gerade wegen der nunmehr beschlossenen Anhebung der Hartz IV-Sätze. Dazu Schröder: »Der Bundesrat hat am 3. November 2017 … der „Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2018 (RBSFV 2018)“ zugestimmt. Der Regelbedarf in der „Regelbedarfsstufe 1“, der seit dem 1. Januar 2017 409 Euro beträgt, wird damit zum 1. Januar 2018 auf 417 Euro steigen. Die absolute und relative rechnerische Lücke zwischen Regelbedarf (Hartz IV) (ohne Kosten der Unterkunft und Heizung) und Armutsgefährdungsschwelle … wird damit voraussichtlich auch 2017 und 2018 weiter wachsen.« Das auch dadurch, dass nicht nur die Regelbedarfe an sich zu niedrig taxiert sind, sondern auch angesichts der Tatsache, dass die zugestandenen „angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung“, die ja nur einen (dann auch noch kleiner werdenden) Teil der Lücke zwischen Regelbedarf und Armutsgefährdungsschwelle schließen, die Hartz IV-Empfänger dergestalt unter Druck setzen, als dass sie nicht Schritt halten mit der Preisverschärfung in Verbindung mit einem eklatanten Angebotsmangel in vielen Regionen für bezahlbaren Wohnraum. Das führt dazu, »dass zahlreiche Grundsicherungsempfänger gezwungen sind, die nicht vom Jobcenter akzeptierten Mietanteile aus den Regelleistungen selbst zu tragen – schaut man sich die Differenz zwischen den bewilligten und den tatsächlichen Kosten der Unterkunft für Deutschland insgesamt an, dann kann man berechnen, dass die Hartz IV-Empfänger in diesem Jahr auf 594 Mio. Euro Wohnkosten sitzenbleiben. Bei vielen bedeutet das, dass sie aus ihrem Regelbedarf von (noch) 409 Euro pro Monat, der ja dafür nicht vorgesehen und schon für die laufenden Lebenshaltungskosten mehr als knapp kalkuliert ist, den Differenzbetrag decken müssen.« Vgl. dazu und weiterführend den Blog-Beitrag Hartz IV-Empfänger bekommen 1,63% mehr Geld. Von der Angemessenheit, ungedeckten Stromkosten und Mieten mit Selbstbeteiligung vom 22. September 2017.