Irgendwie konsequent, wird der eine oder andere mit einem gewissen zynischen Unterton gedacht haben bei dieser Meldung: »Empfänger von Leistungen wie dem Arbeitslosengeld können sich Bargeld künftig in besonders dringenden Fällen an Supermarktkassen auszahlen lassen. Das Verfahren sei für Menschen, die kein eigenes Konto haben oder die im Ausnahmefall sofort eine Auszahlung bräuchten, sagte ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit«, so berichtet es dieser Artikel: Rewe, Penny und Co.: Arbeitslosengeld gibt es bald auch an der Supermarktkasse. Zu den beteiligten Supermärkten und Drogerien gehörten Rewe, Penny, Real, dm und Rossmann. „Ziel ist die flächenweite Einführung der neuen Lösung bis Ende 2018”, sagte der BA-Sprecher.
Die Betroffenen müssen doch sowieso im Supermarkt einkaufen gehen, dann kann man ihnen da auch die Möglichkeit eröffnen, Geld einzulösen. Was aber ist wirklich der Hintergrund? Die Antwort auf diese Frage wird nun auch viele nicht überraschen: Es geht für denjenigen, der das Geld auszahlen muss, darum, Kosten zu sparen, die damit verbunden sind. Und für die anderen geht es um Geschäfte. Den Dritten auf diesem Spielfeld, also die betroffenen Leistungsempfänger, hat mal wieder niemand gefragt.
Was ist der Hintergrund dieser Geschichte? Es geht, das sei hier gleich vorangestellt, nicht um die normalen Auszahlungen der Arbeitsagenturen und der Jobcenter. Die sollen und werden weiter wie bisher in Form normaler Überweisungen stattfinden.
Es geht um etwas, was im § 42 SGB I normiert worden ist: »Besteht ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach und ist zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich, kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Er hat Vorschüsse nach Satz 1 zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantragt; die Vorschußzahlung beginnt spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.« Die Formulierung „spätestens“ bedeutet bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, dass das auch bedeuten kann, den Vorschuss sofort auszuzahlen. Es geht also um Akutfälle, die einen sozialrechtlichen Vorschussanspruch auslösen.
Das ist bisher so praktiziert worden, dass Gelder im Jobcenter bar ausgezahlt wurden oder der Betroffene sich über Kassenautomaten in den Arbeitsagenturen und Jobcenter, über kommunale Kassen oder Stadt- bzw. Kreissparkassen mit dem Geld selbst versorgen konnte.
Die Kassenautomaten in Jobcentern und Arbeitsagenturen sind der Bundesagentur für Arbeit ein betriebswirtschaftliches Dorn im Auge. Durchaus nachvollziehbar, wie man den Zahlenangaben dieses Artikels entnehmen kann:
»Der Unterhalt der bisherigen Geldautomaten in den Jobcentern koste die Bundesagentur acht Euro pro Transaktion. Im Vorjahr hätten sich die Kosten mit 400.000 Bar-Transaktionen demnach auf 3,2 Millionen Euro belaufen.«
Die Gesamtzahl der Bar-Transaktionen verdeutlicht zugleich, dass wir es hier mit einer wichtigen und bedeutsamen Angelegenheit zu tun haben.
Die Automaten sollen nun aus Kostengründen abgebaut werden. Ein anderer soll den Job machen. Den hat man offensichtlich gefunden: »Den Zuschlag für die Bargeldauszahlung erhielt das Berliner Unternehmen Cash Payment Solutions. Der Dienstleister verfügt dem Zeitungsbericht zufolge über ein bundesweites Händlernetz mit 8.500 angeschlossenen Filialen. Kunden könnten dort bereits Online-Einkäufe und Stromrechnungen bar an der Ladenkasse bezahlen. Zudem böten einige Banken die Kassen ihren Kunden als Alternative zum Geldautomaten an.
Wer sich für dieses Unternehmen interessiert, dem sei hier dieses Interview mit Florian Swoboda, dem Gründer und Geschäftsführer der Cash Payment Solutions, aus dem vergangenen Jahr empfohlen: Barzahlen.de: Vom Banken-Angreifer zum Banken-Dienstleister – um das Filial-Problem zu lösen. In dem Gespräch ging es vor allem um die Transformation vom Banken-Angreifer zum Lösungsanbieter für das Filialproblem der Direkt- und Retailbanken. Man bietet die Infrastruktur mit den vielen Händlern Banken zur Nutzung an. So können Banken Ihr Netzwerk an „Bankautomaten“ um 10.000 Filialen erweitern. Ohne hohe Fixkosten. Das Unternehmen bietet sich an, um die Bargeldversorgung für Bankkunden gewährleisten in Zeiten, in denen die Banken immer mehr Filialen und Geldautomaten abbauen. Das Angebot an die Banken geht so: »Warum den Prozess der Ein- und Auszahlung nicht dahin auslagern, wo sowieso den ganzen Tag mit Bargeld hantiert wird: im Einzelhandel. Dort werden nach wie vor, und diese Zahl hat sich in den letzten 10 Jahren nicht merklich verändert, 80 % aller Transaktionen in bar gezahlt.«
Wie nun muss man sich die beabsichtigte Änderung des Verfahrens vorstellen?
»Damit Arbeitslose bei den Händlern Geld bekommen, müssen sie einen Zettel mit einem Barcode vorlegen, den sie sich im Jobcenter oder der Arbeitsagentur abholen können. Dieser werde an der Kasse eingescannt und der angezeigte Betrag sofort ausgezahlt.«
Oder aber die Beträge werden – seien wir doch nicht naiv – mit den zwischenzeitlich getätigten Einkäufen in der „Auszahlungsstelle“ verrechnet. Denn die teilnehmenden Supermärkte werden genau auf diesen Mechanismus setzen und sich nicht nur als nebenberufliche Geldautomaten definieren wollen. Wofür sie betriebswirtschaftlich gesehen auch keinen Grund hätten als privatwirtschaftliche Unternehmen.
Und man achte auf die Formulierung: »Damit Arbeitslose bei den Händlern Geld bekommen, müssen sie einen Zettel mit einem Barcode vorlegen, den sie sich im Jobcenter oder der Arbeitsagentur abholen können.« Für die Betroffenen stellt sich das unterm Strich als eine Verschlechterung dar in vielen Fällen, denn bislang war es so, dass man direkt nach der Vorschuss-Bewilligung vor Ort sein Geld ausgehändigt bekam. Das mag mit Aufwand verbunden sein für die Agenturen und Jobcenter, man könnte aber auch argumentieren, dass das ihre ureigene Aufgabe ist in diesem Fall, denn wir sprechen hier nicht über die Auszahlung von Lotterie-Gewinnen, sondern über eine hoheitliche Aufgabe im Bereich der Sozialleistungen. Und die haben die Sozialleistungsträger zu erfüllen. Wollen sie aber aus Kostengründen nicht mehr, sondern nach der Logik des Outsourcing soll das übergeben werden an private Dienstleister.
Die übrigens und verständlicherweise dafür bezahlt werden wollen. Was der Deal mit Cash Payment Solutions kosten wird, die das natürlich nicht für Gottes Lohn machen werden, wollte der BA-Sprecher nicht beziffern.
Foto: © Stefan Sell