Erzieher/innen verdienen mehr. Tarifpolitik für und mit den Kita-Beschäftigten: Gut gemeint, aber mit welchem Risiko?

In diesem Jahr wird es bei den Erzieher/innen und den Sozialarbeitern eine – wahrscheinlich – heftige Tarifrunde geben. Die Gewerkschaft ver.di will – gemeinsam mit der GEW, bei der auch viele Beschäftigte aus den Kindertageseinrichtungen organisiert sind – die Berufe deutlich aufwerten, indem sie tariflich höher eingestuft und deutlich besser bezahlt werden. Es geht da nicht um eine prozentuale Erhöhung der gegebenen Tarife wie bei einer allgemeinen Lohnrunde, sondern um eine weitaus härtere Nuss, die geknackt werden soll: Zum Jahresende 2014 hat ver.di gegenüber den kommunalen Arbeitgebern die Tarifvorschriften über die Eingruppierung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst gekündigt.

Es geht um eine „Neuregelung der Eingruppierungsvorschriften und der Tätigkeitsmerkmale im Umfang von durchschnittlich zehn Prozent“ in der entsprechenden Gehaltstabelle, der S-Tabelle, so die Gewerkschaft in einer Pressemitteilung vom Ende November 2014 mit der Überschrift Mehr Wertschätzung für die Beschäftigten. Vor allem mit Blick auf die Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen geht es um eine Berufsgruppe, die in den vergangenen Jahren im Mittelpunkt einer  gesellschaftspolitischen Diskussion gestanden haben, die mit dem Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren einhergegangen ist. Durch die Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen solchen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr zum 1. August 2014 und die damit verbundenen quantitativen Ausbauentwicklungen gab es auch in einer breiten Öffentlichkeit eine Sensibilisierung für die Arbeitsbedingungen des Personals in den Kindertageseinrichtungen, angereichert um die Wahrnehmung eines zunehmenden Fachkräftemangels. Auf der anderen Seite muss man zur Kenntnis nehmen, dass sich die Forderungen der Gewerkschaften an die Kommunen richten, die ebenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung stehen, allerdings oftmals vor dem Hintergrund, dass ihn vorne und hinten die Finanzmittel fehlen. Insofern stellt sich die berechtigte und zentrale Frage, wie die nunmehr vorliegenden Forderungen zu beurteilen sind, aber auch, was das im Kontext der kommunalen Finanzsituation im Ergebnis bedeuten könnte.

In der Berichterstattung über die gewerkschaftlichen Tarifstrukturveränderungsforderungen hat Yasmin El-Sharif ihren Artikel überschrieben mit einem kompakten Schlecht bezahlt, gut gefordert. Sie versucht sich abzuarbeiten an der Frage, was sollten die Fachkräfte verdienen? Und was ist uns die Betreuung unserer Kinder wert? Das sind nicht nur objektiv beantwortbare, zumindest vergleichend analysierbare Fragestellungen, sondern eben auch höchst normative.

Und darüber hinaus: Auch wenn man zu dem nachvollziehbaren Ergebnis kommen würde, dass die pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen (und auch in der Kindertagespflege, was aber aufgrund der besonderen Verhältnisse in diesem Bereich nicht Gegenstand der gewerkschaftlichen Forderungen ist) eine deutliche monetäre Aufwertung bekommen sollten, bleibt die eben nicht triviale Anschlussfrage, wer das denn bezahlen soll. Wir haben es also grob gesprochen mit zwei in sich bereits überaus komplexen Problemstellungen zu tun, die dann auch noch miteinander verbunden sind:

Zum einen die Frage, in welcher Höhe eine „richtige“ Vergütung für die pädagogischen Fachkräfte liegen sollte, zum anderen aber auch der Blick auf die Kostenträgerschaft bzw. der konkreten Verteilung der durch eine solche Veränderung anfallenden erheblichen Mehrkosten auf die unterschiedlichen Ebenen unseres föderalen Systems, also Kommunen, Bundesländer und Bund, hinzu kommen noch die Eltern (jedenfalls in den meisten Bundesländern) über die von ihnen aufzubringenden Elternbeiträge sowie die Träger der Einrichtungen mit ihren Eigenanteilen –  man sieht bereits an dieser überaus gerafften Skizze, dass wir es mit einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure im bestehenden System der Finanzierung von Kindertageseinrichtungen zu tun haben, wobei generell hier schon die Anmerkung gemacht werden muss, dass es in Deutschland gerade kein „System“ gibt, sondern 16 unterschiedliche, teilweise erheblich voneinander abweichende „Kita-Systeme“, mit einem weiteren Akteur, dem Bund, der auch seine Finger im Spiel hat, sowohl hinsichtlich der Gesetzgebung (SGB VIII wie auch mit Blick auf seine Finanzierungsbeteiligung).

Dabei zeigt bereits ein grober Blick auf die Entwicklung der Kita-Landschaft in den vergangenen Jahren, dass es gute Gründe gibt für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, wobei darunter auch die Vergütung – aber eben nicht nur – fällt. Seit 2006 zeigt sich ein gewaltiger quantitativer Ausbau – sowohl hinsichtlich der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren wie auch mit Blick auf die in der Kindertagesbetreuung beschäftigten Menschen. In den letzten acht Jahren stieg die Zahl der in Kitas und der Tagespflege betreuten Kleinkinder um 131%, die Zahl der hier tätigen Personen um 184.000 (+48%) auf über 567.000 im nunmehr vergangenen Jahr (zu den Zahlen und der Abbildung vgl. den Beitrag von Rauschenbach, T.: „Kita 2020“ – eine empirische Zwischenbilanz. Erfolge und Herausforderungen des U3-Ausbaus, in: Kommentierte Daten der Kinder- & Jugendhilfe, Heft 3/2014, S. 4ff.). Das war (und ist, denn der Ausbauprozess ist ja nicht abgeschlossen) ein erheblicher Kraftakt, natürlich vor allem getrieben durch den individuellen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, der am 1. August 2014 scharf gestellt worden ist.

Aber damit bei weitem nicht genug, denn die Anforderungen und die Rahmenbedingungen für die pädagogischen Fachkräfte in den Kitas haben sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Hierzu an dieser Stelle nur einige wenige Stichworte, die andeuten sollen, was damit gemeint ist: Hinsichtlich der Arbeit lassen sich mehrfach steigende Anforderungen an die Fachkräfte beobachten: durch die bildungs-, familien- und sozialpolitische Aufladung der Einrichtungen (mit der Folge eines steigenden Erwartungsdrucks, sowohl seitens der Politik und Wirtschaft, aber auch eines nicht kleinen Teils der Eltern, was die Inhalte und Angebote angeht), die Öffnung der Kitas „nach unten“ (also immer jüngere Kinder, die aufgenommen werden) und zugleich „nach außen“ (im Sinne einer Familien- und Sozialraumorientierung) sowie „nach oben“ (hier ist der Übergang in das Schulsystem gemeint), eine Verlängerung der Öffnungszeiten (die sich zunehmend von den Betreuungszeiten der Kinder entkoppeln mit allen daraus resultierenden Anforderungen an die Personalpolitik in den Einrichtungen) in Verbindung mit einer Verlängerung der von den einzelnen Kindern in Anspruch genommenen Zeiten (Trend in Richtung mehr Stunden pro Kind, also hin zum Ganztag). Man darf und muss darauf hinweisen, dass in vielen Einrichtungen auch der „pädagogische Schweregrad“ der Kinder gestiegen ist analog zu den Verwerfungen, die man in nicht wenigen Familien beobachten muss.

Mit Blick auf die Beschäftigten sind mehrere Besonderheiten herauszustellen, die oftmals in der Diskussion über „die“ Erzieher/innen vergessen werden: In der „durchschnittliche“ Normal-Kita arbeiten weniger als 10 Beschäftigte, es handelt sich also um eine kleinbetriebliche Struktur (mit allen Vorteilen, aber eben auch Nachteilen). Die möglichen Nachteile machen sich beispielsweise dann bemerkbar, wenn eine oder mehr aus dem Team krankheitsbedingt und das dann auch noch für längere Zeit ausfallen und man nicht eingebunden ist in einer größere und professionelle Trägerstruktur. Da gibt es dann oftmals keine Reserven und trotzdem wird der Betrieb am Laufen gehalten, auch wenn das bis in den Bereich der rechtlich eigentlich nicht zulässigen Einzelbesetzungen in Gruppen reicht. Hinzu kommt eine stetige Alterung der Belegschaften in den Kitas und eine sukzessive Zunahme des Anteils der Teilzeitbeschäftigten.


Vor diesem Hintergrund ist es mehr als nachvollziehbar, dass die betroffenen Fachkräfte endlich eine spürbare Verbesserung der Rahmenbedingungen ihrer Arbeit erwarten. Dazu gehört neben der Vergütungsfrage sicher mindestens genau so wichtig eine Verbesserung des Personalschlüssels.
Insofern werden die Forderungen von ver.di bei vielen Erzieher/innen auf mehr als fruchtbaren Boden fallen. Was die bereits erwähnten Tarifstrukturverbesserungen bedeuten würden, veranschaulicht und konkretisiert die Abbildung zu den Gehaltsstufen der Erzieher/innen nach der aktuellen Eingruppierung und bei einer Umsetzung der Gewerkschaftsforderungen. Für die Arbeitgeber würde das natürlich eine erhebliche Kostensteigerung bedeuten. Und von außen betrachtet sind die Zeiten sehr gut, um solche weitreichenden Forderungen nicht nur zu stellen, sondern nach einer entsprechend harten Tarifrunde auch in die Nähe einer Realisierung zu kommen.

Denn die Beobachtung eines zunehmenden Fachkräftemangels in immer mehr Regionen kann nicht nur als anekdotische Evidenz ins Felde geführt werden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die in den letzten Jahren zählbare Ausweitung der Beschäftigung in der Kindertagesbetreuung vor allem dadurch ermöglicht wurde, dass es offensichtlich gelungen ist, neben einer verstärkten Ausbildung  auch durch eine Reaktivierung von Fachkräften den steigenden Personalbedarf gleichsam aus dem „früheren“ Bestand zu decken. Die Befürchtung, es würde auch nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt, hat sich bisher nicht bestätigt, neben den Zugängen aus der Ausbildung vor allen bedingt durch die Rückkehr von Fachkräften, die zwischenzeitlich in anderen Tätigkeitsfeldern beschäftigt waren, worauf Mariana Grgic, Britta Matthes und Heiko Stüber in ihrer aktuellen. vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Studie Kindertagesbetreuung in Deutschland: Die Fachkräftereserve ist nahezu ausgeschöpft hinweisen. Aber: »Gleichzeitig wurde die Fachkräftereserve abgebaut, sodass sie nahezu ausgeschöpft ist. Wenn es weiter eine starke Nachfrage geben sollte (z. B. aufgrund von Ersatz- oder Zusatzbedarf), muss deshalb über zusätzliche Strategien zur Gewinnung von Fachkräften nachgedacht werden« (Grgic et al. 2014: 7; ein ausführlicher Forschungsbericht dazu wurde zeitgleich veröffentlicht: Die Fachkräftereserve in der Kinderbetreuung und -erziehung: Ergebnisse für Deutschland und die Bundesländer). Mit Blick auf die Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen ist das eigentlich eine sehr gute Nebenbedingung, neigen sich doch die Knappheitsverhältnisse auf diesem Teilarbeitsmarkt zugunsten der Beschäftigten, was ihre Verhandlungsposition stärken sollte. Also grundsätzlich. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass wir es mit einem besonderen „Markt“ zu tun haben und diese Besonderheiten werden es erschweren, die Forderungen auch umsetzen zu können – bzw. wenn, dann mit möglicherweise problematischen Nebenfolgen.
Auf diese richten Ulrike Plewnia und Herbert Weber in ihrem Artikel „Perverse Nebeneffekte“ in der Print-Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Focus“ (Heft 4/2015) ihr Augenmerk, wenn auch mit einem noch zu diskutierenden problematischen Subtext versehen. »Die bislang verbissenste Tarifrunde für die Kinderbetreuung mit wochenlangen Streiks droht.  Eltern von Babys, Klein- und Schulkindern wären davon betroffen. Am Ende stehen, das ist schon sicher, höhere Gebühren und eventuell sogar eine schlechtere Kinderbetreuung.« Wie kommen die beiden Autoren zu dieser Schlussfolgerung?  Sie gehen aus von dem bestehenden System, das bereits heute durch eine markante Unterfinanzierung gekennzeichnet ist (vgl. hierzu und darüber hinaus zu einem möglichen Lösungsansatz ausführlicher Sell, S.: Die Finanzierung der Kindertagesbetreuung vom Kopf auf die Füße stellen. Das Modell eines „KiTa-Fonds“ zur Verringerung der erheblichen Unter- und Fehlfinanzierung der Kindertagesbetreuung in Deutschland. Remagener Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe 07-2014. Remagen, 2014).

Gleichsam als Kronzeugen berufen sie sich auf Thomas Höhle von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und Personaldezernent der Stadt München.  Er wird in dem Artikel mit der Aussage zitiert, dass die meisten Kommunen angesichts ihrer Haushaltslage gar nicht anders könnten, als die Qualität der Betreuung einzuschränken. Unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei nur um eine angesichts der bevorstehenden Tarifauseinandersetzung verständliche Drohung der Arbeitgeberseite handelt, gibt es durchaus Faktoren, die dafür sprechen, dass man dieses Szenario nicht von vornherein verwerfen kann.  Ungeachtet der enormen Heterogenität der kommunalen Finanzlandschaft  ist es unbestreitbar so, dass tatsächlich viele Kommunen mit einer desaströsen Haushaltslage zu kämpfen haben und zugleich, wie bereits erwähnt, die Hauptkostenträger vor allem hinsichtlich der Betriebskosten, die zu weit über 80 % aus Personalkosten bestehen, sind. Und viele Kommunen haben in den vergangenen Jahren enorme Mittel in den Bereich der Kindertagesbetreuung investiert bzw. investieren müssen vor dem Hintergrund der Umsetzung des vom Bundesgesetzgeber implementierten Rechtsanspruchs.

Um die ganze Sache noch etwas komplizierter zu machen, muss man darauf hinweisen, dass von den 557.000 Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen 178.000 bei den Kommunen beschäftigt sind, während die große Zahl von 349.000 bei freien und (wenigen) privaten Kita-Trägern angestellt sind. Die Gewerkschaften führen die Tarifauseinandersetzung, die nun ansteht, aber erst einmal „nur“ mit den Kommunen. In einer zweiten Runde müssten dann die freien Träger möglicherweise vereinbarte Tariferhöhungen in ihre Regelwerke übernehmen bzw. diese entsprechend anpassen. Dieser Hinweis ist auch deswegen von Bedeutung, weil ein möglicher Streik als Druckmittel in den Tarifverhandlungen bei einem Großteil der freien Träger und damit seitens der dort beschäftigten pädagogischen Fachkräfte gar nicht möglich wäre, denn in den Einrichtungen, die konfessionell gebunden sind, gilt der „dritte Weg“ und damit ein faktisches Streikverbot. Wenn also die Erzieherinnen beispielsweise zu Arbeitskampfmaßnahmen aufgerufen werden, dann muss man beachten, dass faktisch ausschließlich die kommunal Beschäftigten diese auch umsetzen können bzw. dürfen.

Auch ein Repräsentant der freien Träger kommt in dem Artikel zu Wort: Wolfgang Stadler, der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, die bundesweit 2.300 Kitas betreibt, erwartet, dass Personal abgebaut wird: „Künftig wird noch schärfer gerechnet, jegliche Puffer und Extrastellen fallen dann weg“, so wird er in dem Artikel zitiert. Das ist besonders problematisch vor dem Hintergrund, dass die Ausstattung mit Personal vielerorts schon jetzt schlichtweg skelettös ist. Aber ob es einem gefällt oder nicht, man muss tatsächlich die Möglichkeit im Auge behalten, dass ein Erfolg der Gewerkschaften hinsichtlich der Tarifstruktur mit den daraus resultierenden Kostensteigerungen vor allem für die Kommunen dazu führen könnte, dass in dem bestehenden – leider völlig unter- und vor allem fehlfinanzierten – System der Rationalisierungsdruck für die Kitas steigt, wenn die kommunalen Haushälter versuchen sollten, das Gehaltsplus an anderer Stelle wieder auszugleichen. Dass sie das durchaus – trotz der bereits erwähnten gegebenen Unterausstattung mit Personal – machen könnten, verweist auf ein weiteres strukturelles Problem in der Kindertagesbetreuung: Es ist bislang nicht gelungen, fachwissenschaftlich fundierte Personalstandards vorzugeben, in vielen Fällen werden noch nicht einmal betriebswirtschaftlich elementare Faktoren einer richtigen Personalkalkulation berücksichtigt, wie beispielsweise die Ausfallzeiten, geschweige denn Vor- und Nachbereitungszeiten.

An dieser Stelle, man muss es in aller Deutlichkeit sagen, rächt sich das strategische „Versagen“ der großen Träger bzw. ihrer Verbände vor der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz, denn damals war die Politik dermaßen verunsichert über ein mögliches Scheitern des notwendigen Ausbaus der Kindertagesbetreuungsangebote, dass man sicherlich – wenn man einen entsprechenden Druck aufgebaut hätte – weiter reichende Zugeständnisse der Politik beispielsweise hinsichtlich der Personalschlüssel, die erforderlich sind, um Kinder unter drei Jahren richtig zu betreuen, hätte herausschlagen können. Die großen freien Träger, die die Mehrzahl der Kitas in Deutschland betreiben, hätten eine Art „Kartell“ auf der Anbieterseite bilden müssen, dessen einziger Forderung darin bestanden hätte, eine Beteiligung an dem Ausbau der Betreuungsangebote für unter dreijährige Kinder unter den Vorbehalt einer entsprechenden fachlich vertretbaren Regelung der Personalschlüssel auch auf der gesetzlichen Grundlage zu stellen. Aus ganz unterschiedlichen, hier nicht zu diskutierenden Gründen ist es nicht gelungen, diesen so wichtigen Weg einzuschlagen. Nun steht man allerdings vor der Situation, dass nicht nur die gegebene Personalausstattung mehr als fragwürdig, mit Blick auf die besonders Kleinkinder teilweise in den Bereich der Kindeswohlgefährdung hineinreichend, ist, sondern ein Erfolg der Gewerkschaften bei den anstehenden Tarifverhandlungen könnte tatsächlich dazu führen, dass die Kommunen den Druck auf die gegebenen Rahmenbedingungen in den Kindertageseinrichtungen erhöhen (müssen).

Das alles bedeutet allerdings nicht, dass man deswegen jegliche Bemühungen und letztendlich am Ende eines möglicherweise erfolglosen Verhandlungsprozesses auch umfangreiche Streikmaßnahmen unterlassen sollte. Aber genau diese Botschaft wird ein Stück weit in dem erwähnten Artikel im „Focus“ transportiert. Dem sollte und dem darf nicht so sein. Es gibt gute Argumente dafür, den Druck im Kessel zu erhöhen, das ist letztendlich die einzige Sprache, die in solchen Auseinandersetzungen vor allem von der Politik gehört und verstanden wird. Aber zur Wahrheit gehört auch der Hinweis,  dass es eben nicht einfach ist, „die“ Erzieherinnen für Arbeitskampfmaßnahmen zu gewinnen, nicht nur aufgrund der Tatsache, dass lediglich die kommunal Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen an die Streikfront geführt werden können, sondern auch vor dem Hintergrund, dass die Erfahrungen beim letzten großen Arbeitskampf in diesem Bereich, der im Jahr 2009 stattgefunden hat, gezeigt haben, dass sehr viele Erzieherinnen sich schwertun mit Streikaktionen, die beispielsweise in anderen Bereichen unserer Wirtschaft, man denke hier an den Metallbereich, aber auch an die Bahn oder andere Beispiele, ohne Bedenken durchgeführt werden. Das hat etwas mit der inneren Verfasstheit der in dem Bereich der Kindertageseinrichtung arbeitenden Frauen zu tun. Insofern muss eine Gewerkschaft, wenn sie denn verantwortungsvoll handelt, diese Restriktionen beachten. Man kann und darf die Erzieherinnen schlichtweg nicht überfordern, es handelt sich hierbei nicht um Arbeitnehmer, die seit Jahren beispielsweise in der IG Metall organisiert sind und entsprechende Erfahrungen gesammelt haben. Das wissen natürlich auch die Arbeitgeber, was das Geschäft nicht einfacher macht.

Daraus nun abzuleiten, dass man von vornherein die Segel streichen sollte, wäre aber eine unzulässige und dem berechtigten Anliegen der pädagogischen Fachkräfte letztendlich auch schadende Schlussfolgerung.

Man kann es drehen und wenden wie man will, wir sind mit einem echten Dilemma konfrontiert. So sehr man den betroffenen Arbeitnehmerinnen und wenigen Arbeitnehmern in diesem Bereich erfolgreiche Tarifverhandlungen wünscht, man muss eben auch die Risiken diskutieren, die derzeit erkennbar sind. Hinzu kommt: Es geht eben nicht um Schrauben oder Autos oder einen Supermarkt, sondern im Mittelpunkt der Arbeit stehen kleine Kinder (und ihre Eltern), was natürlich bedeutet, dass man in jeglicher Hinsicht sensibel vorgehen muss. Einen möglichen Gedanken sollten allerdings strategisch veranlagte Gewerkschaftsfunktionäre lieber nicht weiter verfolgen: Die Erzieherinnen werden keinen „Ersatz“ bieten für die früheren Müllwerker, die für die ÖTV an der Speerspitze von Arbeitskämpfen gestanden haben. Die sind mittlerweile überwiegend privatisiert und teilweise marginalisiert. So hört man immer wieder von Überlegungen aus dem Gewerkschaftslager, dass die Beschäftigten in den Kitas diese Rolle übernehmen (sollen), denn von Streikaktionen in diesem Bereich sind natürlich neben den Kindern, die einen zeitweiligen Nicht-Besuch vielleicht sogar ganz gut wegstecken würden, sehr viele berufstätige Eltern betroffen, die nach einer anfänglichen Sympathiewelle über kurz oder lang auch sehr starken Druck ausüben werden auf die betroffenen Erzieherinnen vor Ort.

 Zugleich – und damit abschließend – verdeutlicht der Hinweis auf die vielen Eltern, deren Erwerbstätigkeit von einer funktionierenden Kinderbetreuung abhängt, andererseits eben auch das gewaltige Druckpotenzial, über das die Branche verfügt. Man stelle sich einfach mal hypothetisch einen großen und längere Zeit dauernden Kita-Streik vor. Sollte es dazu kommen und die betroffenen Eltern, also im Regelfall immer noch die Mütter, müssten schlichtweg zu Hause bleiben, dann würde erkennbar, welche zentrale Bedeutung diese Einrichtungen für die gesamte Wirtschaft in unserem Land haben. Durch einen längeren Ausfall könnte man ganze Branchen empfindlich treffen. Wie gesagt, nur zum Nachdenken und immer vor dem Hinweis, dass so etwas eine lange und intensive Vorbereitung notwendig machen würde, damit man dem gewaltigen Druck gewachsen wäre, der dann entsteht.

Was Amazon, die Deutsche Post und Daimler gemeinsam haben

Seit dem 15. Dezember hat die Gewerkschaft Verdi Versandzentren von Amazon bestreikt – bis zum Heiligabend. Damit geht die bisher längste Arbeitsniederlegung im aktuellen Tarifstreit zu Ende. »Pro Tag hätten zeitweise bis zu 2.700 Beschäftigte ihre Arbeit in den Versandzentren niedergelegt, teilte die Gewerkschaft … mit. Zuletzt seien die Standorte Graben, Bad Hersfeld, Rheinberg und Leipzig von rund 2.000 Mitarbeitern bestreikt worden«, kann man der Meldung Streik bei Amazon vorerst beendet entnehmen. »Der Arbeitskampf schwelt bereits seit Ostern 2013. Die Gewerkschaft fordert für die Mitarbeiter in den deutschen Amazon-Versandzentren tarifliche Regelungen, wie sie im Einzel- und Versandhandel üblich sind. Der US-Konzern dagegen nimmt die Vereinbarungen der Logistikbranche als Maßstab, in der weniger bezahlt wird.« Die Gewerkschaft will, dass Amazon nach den Bedingungen des Einzel- und Versandhandels agieren soll, während das Unternehmen sich selbst im Bereich der Logistik sieht. Also in Deutschland. Eben nicht grundsätzlich, darauf weisen David Jamieson und Tobias Fuelbeck in ihrem Beitrag Amazon nutzt Wortspielchen, um die Gehälter zur drücken hin. Sie verweisen auf die USA: »Dort vergleicht sich Amazon nämlich gar nicht gerne mit den Löhnen im Logistik-Sektor. Hier bezieht sich das Unternehmen nämlich auf … den Einzelhandel.« Sie zitieren das Unternehmen Amazon selbst, das 2013 veröffentlicht hat: „Die mittlere Bezahlung in Amazon-Vertriebszentren ist 30 Prozent höher als bei Angestellten in traditionellen Einzelhandelsgeschäften“. Also sind die Mitarbeiter bei Amazon im nicht-traditionellen Einzelhandel, was man aber ihren Kollegen in Deutschland partout verwehren will. Gibt es eine Aufklärung dieses – scheinbaren – Widerspruchs? Aber natürlich und die muss was mit den Löhnen – aus Sicht des Unternehmens: den Kosten – zu tun haben.

David Jamieson und Tobias Fuelbeck klären uns auf:

»Falls Sie sich jetzt fragen, warum Amazon in den USA seine Mitarbeiter als nicht-traditionelle Einzelhandelsmitarbeiter ansieht, kann Ihnen das Statistikamt des amerikanischen Arbeitsministeriums helfen. Der durchschnittliche Einzelhandelsverkäufer in den USA verdient 9,81 Dollar, während der Logistikmitarbeiter 14,25 Dollar verdient.«

Der aufmerksame Leser wird sofort gerechnet haben: Mit knapp über 12 Dollar verdienen die Amazon-Mitarbeiter also deutlich weniger als der durchschnittliche Logistik-Arbeitnehmer. In Deutschland ist es genau anders herum. Die beiden schlussfolgern also:

»Amazon ist also ein Einzelhändler, der manchmal die Löhne gerne mit dem Handel vergleicht. Amazon ist aber auch ein Logistikunternehmen, das seine Löhne gerne mit denen der Logistikbranche vergleicht.«

Oder ist es nicht vielmehr umgekehrt? Also da kann man schon mal durcheinander kommen und das erklärt vielleicht auch ein wenig, warum sich die Gewerkschaft Verdi offensichtlich die Zähne ausbeißt an diesem Unternehmen. Denn richtig handfeste Ergebnisse kann man noch nicht vorweisen. Was aber tatsächlich an mehreren Gründen liegt, nicht nur an der Tatsache, dass es zahlreiche befristet Beschäftigte bei Amazon gibt, von denen viele wieder ausgespuckt werden, von denen gleichzeitig aber eben auch viele hoffen, dass sie zu den wenigen gehören könnten, für die es weitergehen wird. Da überlegt man sich Streikaktionen mehr als einmal.

Ein ganz zentraler Grund, warum Amazon den harten Hund spielen kann in Deutschland ist natürlich die Tatsache, dass man Alternativen hat zu den aufsässigen deutschen Standorten. Jörg Winterbauer zeigt das in seinem Artikel Warum Polen ein Paradies für Amazon ist: Die Gelassenheit des Online-Händlers angesichts der Arbeitskampfaktionen erklärt sich seiner Meinung nach aus der Tatsache, dass er ja drei Logistikzentren in Polen hat. Dort arbeiten die Mitarbeiter für ein Viertel des deutschen Lohns.

Bereits am 25.11.2013 wurde in diesem Blog im Beitrag Von „Work hard. Have fun. Make history“ bei Amazon zur Proletarisierung der Büroarbeit in geistigen Legebatterien. Streifzüge durch die „moderne“ Arbeitswelt gleich am Anfang formuliert: »Eines ist ganz sicher – die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di nervt Amazon mit ihrer impertinenten Forderung nach einem Tarifvertrag für die Beschäftigten in den deutschen Warenverteilzentren des Weltkonzerns. Deshalb lässt Amazon ja auch schon mal sicherheitshalber neue Logistik-Zentren in der Tschechei und Polen errichten – „natürlich“ auf gar keinen Fall mit der Absicht, die Arbeit dann aus dem für Arbeitgeber „anstrengenden“ Deutschland in die angenehmer daherkommenden Ostländer zu verlagern und die Standorte in Deutschland auszudünnen oder gar aufzugeben. Was natürlich nicht für die Belieferung des deutschen Marktes gilt, denn der ist richtig wichtig für Amazon, hier wird Marge gemacht und dass soll auch so bleiben –  bereits 2012 hat Amazon in Deutschland 6,4 Milliarden Euro umgesetzt und damit seit 2010 um 60 Prozent zugelegt. Und geliefert werden kann auch aus Polen und der Tschechei.«

Jetzt können bzw. müssen wir die ersten Früchte dieser Strategie zur Kenntnis nehmen. Zurück zu dem Artikel von Jörg Winterbauer aus dem Dezember des Jahres 2014:

»Vor dem Amazon-Lager in Posen sitzen zwei junge Männer und rauchen eine Zigarette in einem eigens dafür vorgesehenen Zelt. Sie sehen müde aus. Die Uhr an der Zeltwand zeigt halb fünf. Normalerweise hätten sie schon seit einer halben Stunde Feierabend, aber sehr viele Deutsche, Österreicher und Schweizer warten noch auf ihre Weihnachtsgeschenke. Deshalb müssen die beiden heute länger arbeiten. Zwölf statt normalerweise zehn Stunden.«

Seit September werden aus zwei Zentren in der Nähe von Breslau sowie aus einem in Posen Waren an deutsche Kunden verschickt. Ein geschickter Schachzug von Amazon, denn dadurch kann die Firma Verzögerungen durch Streiks vorbeugen und ist dadurch weniger angreifbar für die Gewerkschaften. Außerdem arbeiten die Menschen in Polen für ein Viertel des Lohns, den Amazon in Deutschland bezahlen muss, so Winterbauer.

»Bei einem Stundenlohn von umgerechnet drei Euro und einer 40-Stunden-Woche kommt ein einfacher Arbeiter auf rund 500 Euro brutto, netto bleiben weniger als 400 Euro pro Monat. Doch damit zahlt Amazon noch mehr als den polnischen Mindestlohn, der bei etwa 420 Euro liegt. Außerdem bietet der Konzern seinen Mitarbeitern eine warme Mahlzeit für 25 Cent an, holt sie kostenlos von zu Hause ab und fährt sie nach der Arbeit auch wieder zurück.«

An dieser Stelle sollten zwei Dinge klar werden. Erstens: Gegen das Lohnniveau im benachbarten Polen oder Tschechien haben die deutschen Arbeitnehmer keine echte Chance. Und zweitens: Eine Verlagerung in die Niedriglohnländer funktioniert letztendlich nur, weil es den meisten Kunden egal ist. Würden viele Kunden, mal rein hypothetisch gedacht, dem Unternehmen signalisieren, entweder Belieferung von deutschen Standorten oder gar keine Bestellung, würde sich schneller was ändern als durch jeden Druckversuch von Verdi. Das tun aber die meisten Kunden (noch) nicht. Und deshalb hat eben auch die Gewerkschaft – neben dem Organisationsgrad – ein echtes Problem und das Unternehmen (noch) eine echte Alternative.

Kommen wir zum zweiten Unternehmensbeispiel: Die Deutsche PostLohndrücker-Vorwürfe gegen die Post, so ist beispielsweise ein Artikel überschrieben. Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter werfen dem Konzern Lohndrückerei, Erpressung und eine Spaltung der Belegschaft vor. Worum geht es genau?

»Es geht um die Gründung einer neuen Tochtergesellschaft. „Ziel dieser neuen Firma ist es, dort künftig alle befristeten Mitarbeiter unterzubringen“, heißt es … in einer Betriebsratsinfo: „Das könnte dann mit neuen Arbeitsverträgen, mit verschlechterten Löhnen und Arbeitsbedingungen geschehen.“
Der Betriebsrat drohte Widerstand und Streiks an. „Mit der Gründung der DHL Delivery GmbH schafft die Deutsche Post bereits im Vorfeld der Tarifrunde Fakten und erhöht damit den Druck auf die Gewerkschaften“, sagte Volker Geyer, der Vorsitzende der Kommunikationsgewerkschaft DPV. Die Post beschäftigt nach eigenen Angaben derzeit 14.700 Arbeitskräfte mit zeitlich befristeten Verträgen. Das ist knapp ein Zehntel der Gesamtbelegschaft in der Brief- und Paketsparte.«

Die Deutsche Post verweist dagegen immer wieder auf den hohen Lohnabstand zu ihren Wettbewerbern: Sie zahle doppelt so viel wie andere Brief- und Paketdienste, so das Unternehmen. Das ist nicht falsch, tatsächlich zahlen die Konkurrenten der Post deutlich schlechter und haben dadurch enorme Kostenvorteile. Wenn jetzt also die Gewerkschaften zu Arbeitskampfaktionen aufrufen bei der Post, dann haben sie auf der einen Seite völliges Verständnis verdient, denn offensichtlich soll innerhalb des Unternehmens eine Lohndumping-Strategie gefahren werden (zu den Arbeitsbedingungen am Beispiel der Postboten vgl. beispielsweise den Artikel Kochenjob Postbote). Zugleich muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass die Post zugleich mit Konkurrenten konfrontiert ist, die günstiger sein können, weil deren Arbeitskostenbelastung niedriger ist.

Und schon sind wir beim dritten Unternehmensfallbeispiel: Daimler, einem Unternehmen, dass gerade in diesen Tagen wieder eine Erfolgsmeldung nach der anderen absetzt. Bereits Ende Oktober berichtete Daniel Behruzi in dem Artikel Verlagerung und Outsourcing:

»Die Folgen der Renditesteigerung bekommen die Beschäftigten in der Produktion, aber auch die Angestellten in der Entwicklung und Verwaltung zu spüren. Permanente Rationalisierung, Arbeitsverdichtung und eine weitgehende Flexibilisierung der Arbeits- und Betriebszeiten sind Alltag. Zugleich steht die Zukunft einiger Standorte zur Disposition, da Daimler die Produktion »in die Märkte«, also nach China, Indien und in die USA, bringen will.
So droht im Düsseldorfer Werk wegen der soeben beschlossenen Verlagerung von Teilen der »Sprinter«-Produktion in die USA ein drastischer Jobabbau.«

Und in diesen Dezember-Tagen berichtet die Presse: »Nach Arbeitsniederlegung gegen Fremdvergabe im Bremer Pkw-Werk werden Beteiligte zu Personalgesprächen beordert. In Düsseldorf wird jeder zehnte Job gestrichen«, so Daniel Behruzi in seinem Artikel Druck bei Daimler. Die Belegschaft im Bremer-Werk des Daimler-Konzerns »wehrt sich seit Monaten gegen die geplante Vergabe von Aufträgen an Fremdfirmen. Nachdem Beschäftigte der Nachtschicht Ende vergangener Woche erneut die Arbeit niederlegten, macht das Management nun mit Personalgesprächen Druck.« Was bringt die Beschäftigten in dem Bremer Daimler-Werk so auf? Das Unternehmen hält sich bedeckt, klar scheint nur zu sein, »dass die Fertigungstiefe in der Fabrik weiter reduziert werden soll. Sprich: Tätigkeiten, die zuvor von Daimler-Beschäftigten erledigt wurden, werden an Zulieferer oder externe Dienstleister vergeben.«
Zugleich wirft das Beispiel der Vorgänge im Bremer Daimler-Werk das Licht auf eine weitere Problemstelle vieler Betriebe, namentlich der Möglichkeit, leistungsgeminderte Mitarbeiter an anderen als den bisherigen Arbeitsplätzen zu beschäftigen. Dazu Behruzi seinem Artikel:

Die von Outsourcing betroffenen Logistiker lassen sich … nicht durch die Zusicherung beruhigen, ihnen werde ein anderer Arbeitsplatz angeboten. Denn zum einen waren viele von ihnen vor zwei Jahren noch in der Presswerk-Logistik beschäftigt und nach deren Fremdvergabe auf ihren heutigen Arbeitsplatz versetzt worden. Zum anderen handelt es sich vielfach um sogenannte Einsatzeingeschränkte – Arbeiter, deren Gesundheit die anstrengende Fließfertigung nicht mehr mitmacht. Sie fürchten, dass es wegen der fortgesetzten Auslagerung bald keine adäquaten Stellen bei Daimler Bremen mehr für sie gibt.

»Unter den Kollegen in der Logistik sind viele, die durch die harte Arbeit am Band verschlissen wurden«, erläuterte Betriebsrat Herbert Mogck … »Es gibt gar nicht mehr so viele sogenannte Schonarbeitsplätze, so dass die Betroffenen wohl zwangsläufig am Band landen.«

Was nun sind die Gemeinsamkeiten an allen drei Unternehmensfallbeispielen? Auf der einen Seite handelt es sich bei allen drei Unternehmen nicht um Unternehmen, die ihre Beschäftigten am unteren Ende bezahlen. Das gilt selbst für Amazon. Aber sowohl der Online-Händler wie auch Daimler können dem Widerstand ihrer Arbeitnehmer die Androhung bzw. die tatsächliche Realisierung von Abwanderung oder Verlagerung an billigere Dritte entgegensetzen. Die Stammbelegschaft bei Daimler hat hierzu bereits unterschiedliche Erfahrungen sammeln müssen: So beispielsweise durch den zunehmenden Einsatz von Werkverträgen oder die Verringerung der Fertigungstiefe durch eine Verlagerung an Zulieferer. Bei Amazon sind es die neuen Logistik-Zentren, die man in den benachbarten Ländern Polen und Tschechien errichtet hat. Die Deutsche Post befindet sich insofern in einer besonderen Situation, als dass eine einfache Verlagerung beispielsweise in andere Länder so nicht möglich ist. Gleichzeitig steht man unter erheblichem Druck durch die Konkurrenten, die mit niedrigeren Arbeitskosten auf dem Markt agieren können. Die Deutsche Post befindet sich mithin in einer vergleichbaren Situation wie ein weiteres Unternehmen, das an dieser Stelle aufgerufen werden könnte: die Lufthansa. Auch in diesem Unternehmen hat es in den vergangenen Monaten wieder mehrere Arbeitskämpfe der Piloten gegeben. Die wehren sich nicht nur gegen eine Verschlechterung ihrer Renteneintrittsbedingungen, sondern sie sehen auch die Gefahren, die damit verbunden sind, dass das Unternehmen die gesamten Arbeitsbedingungen an die der Billigfluglinien angleichen will bzw. meint zu müssen. Die Lufthansa ist gleichsam eingeklemmt zwischen den Kostenvorteilen, die die Billigflieger  haben, sowie den Marktanteilsgewinnen von Premium-Anbietern, vor allem aus den Golfstaaten. Ein echtes „Sandwich-Dilemma“.

Aus dieser Gemengelage resultiert eine unangenehme Diagnose: Alle Arbeitskampfaktionen in den genannten Unternehmen sind für sich genommen absolut nachvollziehbar und verständlich. Zugleich stoßen sie in einem doppelten Sinne an eine Grenze: Zum einen sind sie aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive durchaus problematisch, da sie dazu beitragen können, die bestehenden Geschäftsmodelle der Unternehmen in eine zunehmende Schieflache zu bringen, zum anderen sind sie absolut nachvollziehbar, da die Beschäftigten sich gegen einen Downgrading wehren. Würden sie das nicht tun, würden sie sich ins eigene Knie schießen.
Eigentlich müssten die Streikaktionen bei den Billiganbietern und Lohndumpern stattfinden. Konkret wären Streiks bei Hermes oder GLS, um den Paketdienstebereich zu nennen, oder der Piloten von Ryanair wichtig bzw. in diesem Gefüge wünschenswert. Dort aber sind wir konfrontiert zum einen mit einem deutlich niedrigeren gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Beschäftigten wie auch mit dem Problem, dass die dort arbeitenden Menschen Angst haben, durch kollektive Aktionen dem Arbeitgeber Paroli zu bieten.

Aber auch die Nachfrager dürfen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Dies gilt nicht nur für das Beispiel Amazon, denn natürlich müsste das Unternehmen anders agieren, wenn ein signifikant großer Anteil der Kunden ihr Kaufverhalten auch davon abhängig machen würde, dass das Unternehmen seine Kunden in Deutschland aus Deutschland beliefert. Und wenn man das Beispiel Daimler zu Ende denkt, dann ist es natürlich so, dass man durch eine Produktion in anderen Ländern mit deutlich niedrigeren Arbeitskosten erheblich billiger werden könnte. Nun ist es aber nicht so, dass die Kosteneinsparung dann eins zu eins an die Verbraucher weitergegeben werden würden, sondern man würde diese Strategie mit dem Preisniveau für die Autos in Deutschland kombinieren wollen. Auch hier müssen sich die Verbraucher fragen, ob sie diese Entwicklung durch ihr konkretes Kaufverhalten unterstützen wollen oder nicht. Langfristig gesehen würde die Rechnung sowieso nicht aufgehen, man kann nicht die gut bezahlten Arbeitsplätze in Deutschland wegrationalisieren und trotzdem auf das hier entwickelte Preisniveau setzen.

So oder so bleibt die Erkenntnis: Wenn dein starker Arm es will, stehen alle Räder still – das hört sich leichter an als es heute überhaupt noch möglich ist. Die Gewerkschaften befinden sich häufig in unauflösbaren Dilemmata. Umso wichtiger ist die Unterstützung ihrer wichtigen Arbeit aus dem politischen Raum, beispielsweise durch einen verstärkten Einsatz der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen. Darüber wird im vor uns liegenden neuen Jahr verstärkt zu reden sein.

Über den Wolken geht es weniger um grenzenlose Freiheit, als um Gehälter, Altersversorgung und Sparprogramme. Wie unten auf dem Boden. Zur Arbeitsniederlegung der Lufthansa-Piloten

Die Lufthansa steht vor historischem Streik, so hat die FAZ einen ihrer Artikel überschrieben, der sich mit der bevorstehenden dreitägigen Arbeitsniederlegung der Piloten der Lufthansa beschäftigt. Und schaut man nur auf die nackten Zahlen, dann kann man dieser Kategorisierung nicht widersprechen: 5.400 Piloten des Konzerns, zu dem auch Germanwings gehört, werden ab Mittwoch drei Tage lang den Betrieb des Unternehmens so gut wie komplett lahmlegen – fast 4.000 Flüge werden abgesagt und 425.000 Passagiere von dem Arbeitskampf betroffen sein. Nach Schätzungen belaufen sich die Kosten auf der Ergebnisseite des Unternehmens auf 25 Mio. Euro pro Streiktag, so dass bei Realisierung der angekündigten Arbeitsniederlegung erhebliche Schneisen in der Bilanz geschlagen werden – und auch nach dem Ende des Streiks wird es noch Tage dauern, bis sich der Flugverkehr wieder normalisiert, allein aus logistischen Gründen.

Wenige Tage vor dem nun anlaufenden großen Arbeitskampf – und das schafft einen notwendigerweise zu diskutierenden Kontrast – konnte man auf der anderen Seite solche Sätze lesen: »In der deutschen Luftfahrtbranche droht ein erheblicher Jobabbau. Im internationalen Vergleich sind die deutschen Fluggesellschaften und die deutschen Flughäfen bei der Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen Jahren stark zurückgefallen. Das ist das Ergebnis einer Studie unter Leitung des ehemaligen Wirtschaftsweisen Bert Rürup, die gemeinsam von den Gewerkschaften Ver.di, Vereinigung Cockpit, der Flugbegleiterorganistion UFO und dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) in Auftrag gegeben worden ist.« 

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Wenn Dein starker Arm es will – Von Warnstreiks, Streiks und der (Nicht-)Lust auf Arbeitskämpfe in härter werdenden Zeiten

Nach Bussen, Bahnen und Kindertagesstätten sind nun die Flughäfen an der Reihe. Auf sieben Airports haben Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes ihre Arbeit niedergelegt. In Frankfurt kommt es zu massiven Beeinträchtigungen durch Hunderte Flugausfälle, an den übrigen Airports läuft der Betrieb – bislang – annähernd normal, so einer der vielen Artikel, die man derzeit im Netz finden kann. Damit setzt die Gewerkschaft ver.di die Warnstreikwelle fort, die schon in den vergangenen Tagen im Umfeld der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen – nicht aber den Ländern, die separat verhandeln – stattgefunden haben. Die Gewerkschaft will damit Druck vor der dritten Tarifrunde machen, die Anfang der Woche stattfinden wird. Die Gewerkschaften fordern, dass die Einkommen der 2,1 Millionen Angestellten im Bund und in den Kommunen um einen Betrag von 100 Euro und dann zusätzlich um weitere 3,5 Prozent steigen.
Die Arbeitgeber haben in den bisherigen zwei Verhandlungsrunden bislang kein Angebot vorgelegt. Die Angelegenheit hat zwei Dimensionen: Zum einen die aktuelle Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst im engeren Sinne, da geht es dann um Fragen, ob die Forderungen berechtigt sind und ob die massive Warnstreikwelle zum jetzigen Zeitpunkt in Ordnung ist. Zum anderen aber lohnt ein Blick auf die generelle Streikbilanz der vergangenen Jahre. Hier geht es dann um die Frage, ob die Arbeitskämpfe zugenommen haben und wie Deutschland im internationalen Vergleich aufgestellt ist.

Stefan Menzel hat seinen Kommentar im Handelsblatt unter die Überschrift „Die lahmgelegte Republik“ gestellt. Ein erster flüchtiger Blick auf diesen Titel lässt erwarten, dass der Kommentator die vielen Warnstreiks und die gerade heute für viele Menschen erfahrbaren Einschränkungen als überzogen kritisiert. Menzel weist zwar darauf hin, dass es natürlich Alternativen zu den vielen Warnstreiks gegeben hätte, argumentiert im weiteren Gang aber differenzierter:

»Trotz aller aktuellen Kritik an Verdi verhält sich die Gewerkschaft so, wie man es von ihr erwartet …  Die Steuereinnahmen sprudeln. Bundesfinanzminister Schäuble will im kommenden Jahr sogar erstmals wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Dass eine Gewerkschaft in einer solchen Situation und nach mehreren mageren Jahren wieder einen „größeren Schluck aus der Pulle“ nehmen will, ist vollkommen logisch, nachvollziehbar und kalkulierbar. Die öffentlichen Arbeitgeber wissen also schon länger, was auf sie zukommt.«

Und dann kommt Menzel zu dieser – für die aktuelle Lage wichtigen – Bewertung, an die man sich erinnern sollte, wenn nun die Gewerkschaften verantwortlich gemacht werden für die erheblichen Störungen, die durch die bisherigen Arbeitskampfmaßnahmen hervorgerufen werden:

»Trotzdem fährt die Arbeitgeberseite in dieser Situation einen unverhohlenen Konfrontationskurs. Während Verdi schon ziemlich früh ihre Wünsche für mögliche Gehaltssteigerungen auf den Tisch gelegt hat, zögern die öffentlichen Arbeitgeber von Bund und Kommunen immer noch mit der Preisgabe ihres ersten Angebots.
Die Arbeitgeber fahren einen Kurs der Konfrontation, wenn sie kein eigenes Angebot vorlegen. Dass die Gewerkschaft dann mit Warnstreiks reagiert, ist eine völlig nachvollziehbare Schlussfolgerung … Bund und Kommunen tragen also die Verantwortung dafür, dass im Nahverkehr und an den Flughäfen im Moment nicht viel geht. Die aktuelle Konfrontation hätte vermieden werden, wenn sich die Arbeitgeber an den vergangenen Tagen verhandlungsfreudiger gezeigt hätten.«

So kann man das sehen und einordnen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht das rigider und hat sich unter der Überschrift „Unverhältnismäßig“ positioniert. Das von den Arbeitgebern getragene Institut weist zwar darauf hin, dass die von Streiks bei Bahnen, Bussen, Flughäfen oder Kitas betroffenen Dritten von der Arbeitskampfrechtsprechung keinen besonderen Schutz eingeräumt bekommen, denn Streikrecht geht als Grundrecht den Interessen der Fahrgäste oder der Eltern grundsätzlich vor. Das Institut fordert aber eine Ausrichtung beider Tarifpartner darauf, wie sie negative Drittwirkungen weitestgehend vermeiden können. Im Gegensatz zu der klaren Einordnung bei Menzel, der in seinem Kommentar die Verantwortlichkeit der Arbeitgeberseite herausgearbeitet hat, spekuliert das IW in eine andere Richtung:

»Vor allem bei ver.di drängt sich momentan allerdings der Verdacht auf, dass der Warnstreik in erster Linie organisationspolitische Ziele verfolgt, um im Wettbewerb mit den streikfreudigen Berufsgewerkschaften um die besten Tarifabschlüsse zu bestehen.«

Da scheint die Einordnung der aktuellen Ereignisse, wie man sie bei Menzel finden kann, überzeugender. Zugleich kann man an dieser Stelle aber die angesprochene grundsätzliche Dimension das Arbeitskampfgeschehen in Deutschland betreffend aufrufen.

Hierzu findet man wichtige Daten und Einordnungen auf der gewerkschaftlichen Seite, konkret beim „WSI Tarifarchiv„. Die veröffentlichen regelmäßig eine „Streikbilanz“ – und die für das abgelaufene Jahr 2013 findet man unter der Überschrift „Weniger Streiks bei anhaltender Dominanz des Dienstleistungsbereichs“ publiziert, mit einigen sehr interessanten Details.

Quelle der Abbildung: Böcklerimpuls 5/2014, S. 3

Der WSI-Arbeitskampfexperte Heiner Dribbusch kommt zu folgenden Befunden, die von den Abbildung illustriert werden:

Im internationalen Vergleich wird in Deutschland nach wie vor relativ wenig gestreikt. Deutschland hat im mehrjährigen Durchschnittsvergleich fast das niedrige US-amerikanisches Niveau erreicht. Ganz anders hingegen die Arbeitskampfintensität in  Frankreich, aber auch in skandinavischen Ländern wie Dänemark, Finnland oder Norwegen.

Dribbusch kommt vor dem Hintergrund der langjährigen Beobachtung des Streikgeschehens zu der folgenden Feststellung: »Seit etwa zehn Jahren beobachtet Dribbusch einen Trend zu einer Verschiebung des Arbeitskampfgeschehens in den Dienstleistungsbereich. Dieser setzte sich auch 2013 fort. Rund 80 Prozent aller tariflichen Arbeitskämpfe fanden im Dienstleistungssektor statt … Außerhalb des Dienstleistungsbereichs gab es besonders viele, kleinere und größere Arbeitsniederlegungen in der von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) organisierten Getränke- und Lebensmittelindustrie.« Dribbusch wird dann mit diesen Worten zitiert: „Sehr deutlich lässt sich der Zusammenhang zwischen Konflikthäufigkeit und Zerklüftung der Tariflandschaft beobachten.“

Die Konfliktfokussierung auf den Dienstleistungsbereich lasse sich nach Dribbusch strukturell erklären: »Hier wirkten sich einerseits die Abkehr öffentlicher Auftraggeber von ehemals einheitlichen Tarifstrukturen sowie die Privatisierung von Post, Telekommunikation und im Gesundheitswesen aus. Hinzu kämen Versuche von privatwirtschaftlichen Unternehmen, sich Tarifverträgen zu entziehen oder erst gar keine Tarifbindung einzugehen.«

Die angesprochene „Zerklüftung“ der Tariflandschaft kann man auch daran erkennen, dass es wie in den vergangenen Jahren zu zahlreichen Arbeitskämpfen im Zusammenhang mit Haus- und Firmentarifverträgen gekommen ist. Die vielen bekannte Auseinandersetzung um Amazon kann verdeutlichen, wie schwierig dieses spezielle Gelände für die Gewerkschaften ist.
Vor dem Hintergrund der auch vom IW in Köln behaupteten angeblichen Konkurrenzsituation zu den kleinen Berufsgewerkschaften und einer daraus abgeleiteten größeren Konfliktbereitschaft der traditionellen Gewerkschaften besonders interessant ist der folgende Befund:

»Die Streikaktivitäten der Berufsgewerkschaften blieben nach der Auswertung des Arbeitskampfexperten 2013 wie im Vorjahr marginal. „Sie trugen nicht nennenswert zum Streikvolumen bei“, erklärt Dribbusch.«

Eigentlich – das soll an dieser Stelle abschließend als These in den Raum gestellt werden – müsste die Konfliktintensität, gemessen an den Arbeitskämpfen, angesichts der in vielen Bereichen, vor allem in den Niedriglohnsektoren des Dienstleistungsbereichs, sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, deutlich höher ausfallen. Hier nun stoßen wir auf strukturelle Probleme der Gewerkschaften, die in der folgenden Abbildung illustriert werden:

Man erkennt bei einer Analyse der Jahre von 1996-2011 eine erhebliche Abnahme (-31%) des „klassischen“ Modells, wo Betriebsräte in Unternehmen mit einem Branchentarif agieren. Massiv zugenommen (+50 %) hat die Konstellation am anderen Ende, also kein Tarifvertrag und auch kein Betriebsrat. Und das sind die Zahlen über alle Branchen hinweg, die Organisationsprobleme hinsichtlich betrieblicher Mitbestimmung wie auch gewerkschaftlicher Durchsetzungsfähigkeit gerade in vielen Dienstleistungsbranchen, wo es auch sehr viele Niedriglohnbeschäftigte gibt, sind natürlich noch einmal deutlich ausgeprägter.

Vor diesem für die Gewerkschaften wahrlich nicht einfachen Umfeld klingt dann der Blick des Arbeitskampfexperten Dribbusch auf die Streiks im vergangenen Jahr (für die Gewerkschaften) zumindest vielversprechend, was die Perspektive einer ansteigenden Konfliktbereitschaft in den Bereichen angeht, wo es die meisten Probleme gibt, zugleich aber auch oftmals keinen oder nur einen geringen Organisationsgrad der Beschäftigten gibt: „Diese Streiks sind Ausdruck wachsender Unzufriedenheit in den traditionellen Niedriglohnbranchen“, so wird Dribbusch zitiert. Man wird sehen, ob hier der Wunsch Vater des Gedankens ist.

Praktisches und theoretisches Streikrecht: Die einen (warn)streiken für ihre Forderungen, die anderen im Windschatten hoffen und bekommen Schützenhilfe vom Bundesverwaltungsgericht

Jetzt warnstreiken die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bund und Kommunen wieder – bzw. genauer: die, die streiken dürfen, also die Angestellten. Die Beamten begleiten das als Zaungäste und drücken die Daumen. Die Forderungen der Arbeitnehmerseite liegen seit längerem auf dem Tisch und die Arbeitgeberseite hat sich noch nicht durch ein eigenes Angebot hervorgetan. Am kommenden Montag und Dienstag gibt es die nächste Verhandlungsrunde und für die sind alle Beteiligten „zuversichtlich“, was einen Abschluss angeht. Bis dahin werden wir Zeugen des „Showdown vor der letzten Runde„, wie Eva Völpel ihren Artikel über die neue Warnstreikwelle überschrieben hat. „Streik trifft Pendler, Rentner und Eltern in der Region„, so kann man es in der Online-Ausgabe der WAZ lesen.

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