Eine Studie hat ergeben … Frauen bekommen ein Viertel weniger Rente. Über das Spiel mit den Zahlen und dem nicht nur methodisch fragwürdigen Gender Pension Gap

Viele Frauen haben ein Problem. Also mit der Rente. Oder sie werden es bekommen, wenn sie in den Ruhestand gehen. Diese Botschaft wird seit Jahren immer wieder in den Medien verbreitet und sie ist ja auch für nicht wenige Frauen absolut zutreffend. »Die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen wird im Alter zur riesigen Kluft: Im Schnitt erhält eine Rentnerin in Deutschland 57 Prozent weniger Geld als ein Rentner. Eine Studie zeigt die Gründe«, so Florian Diekmann im März 2016 unter der Überschrift Frauen bekommen nicht mal halb so viel Rente wie Männer. Dort hat man aus der Studie Große Rentenlücke zwischen Männern und Frauen aus dem Jahr 2016 von Christina Klenner, Peter Sopp und Alexandra Wagner geschöpft. Laut der Studie »sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Alterssicherung so groß, dass der Begriff Rentenlücke als eine Verharmlosung erscheint.« Und weiter: »Vielmehr muss man von einer großen Rentenkluft sprechen: Laut den aktuellsten Daten von 2011 bezieht eine Frau im Schnitt nur 43 Prozent der Altersbezüge eines Mannes. Die Rentenkluft zwischen den Geschlechtern beträgt also 57 Prozent. Berücksichtigt wurden dabei alle drei Säulen der Altersvorsorge in Deutschland – außer der gesetzlichen Rentenversicherung also auch die betriebliche sowie die private Altersvorsorge.«

Im Jahr 2017 ging es dann weiter. Erneut meldete sich Florian Diekmann zu Wort, diesmal unter der Überschrift Frauen erhalten in Deutschland nur halb so viel Rente wie Männer. »Frauen erhalten im Schnitt 53 Prozent weniger Geld als Männer. Die Kluft wird zwar stetig kleiner – eine vollkommene Angleichung wird aber noch Jahrzehnte dauern.«

Und nun, im Jahr 2019, werden wir mit dieser Botschaft konfrontiert: Frauen bekommen ein Viertel weniger Rente. »Im Schnitt bekommt eine Frau, die mit 67 in den Ruhestand geht, im Monat 140 Euro weniger gesetzliche Rente als ein Mann, haben Forscher berechnet. Bezieht diese Frau 15 Jahre Rente, fehlten ihr im Vergleich rund 25.000 Euro«, so Hendrik Munsberg in seinem Artikel.

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Die abschlagsfreie „Rente mit 63“ für einige Jahrgänge läuft. „Die Leute rennen uns die Bude ein“. Die einen sehen schwarz, die anderen freuen sich und wollen mehr davon

»Das war mal ein sozialpolitisches Aufreger-Thema: die „Rente mit 63“. Dieses der SPD zugeschriebene Projekt wurde am Anfang der letzten Großen Koalition im Jahr 2014 zusammen mit der von der Union gepushten und ebenfalls umstrittenen „Mütterrente“ gesetzgeberisch ins Leben gerufen. Aus den Reihen der Wirtschaft hat man aus allen Rohren geschossen gegen die Eröffnung der Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen bereits mit 63 eine abschlagsfreie Altersrente in Anspruch nehmen zu können, denn man befürchtete nicht ohne Grund, dass zahlreiche Arbeitnehmer davon Gebrauch machen werden und darunter vor allem Facharbeiter und andere qualifizierte Arbeitskräfte, die (noch) in den Genuss ordentlicher Renten kommen. Nicht ohne Grund ist die „Rente mit 63“ vor allem seitens der großen und einflussreichen Industriegewerkschaften in den damaligen Koalitionsvertrag bugsiert worden.« Mit diesen Worten begann der Beitrag Rückblick: Die kurzfristige Option einer abschlagsfreien „Rente mit 63“ wurde von Hunderttausenden in Anspruch genommen, der hier am 5. März 2018 veröffentlicht wurde.

Und mehr als ein Jahr später wird man mit solchen Botschaften versorgt: Run auf Rente ab 63: „Die Leute rennen uns die Bude ein“: Ostdeutsche drängt es in Vorruhestand. Mehr als 40 Prozent aller Rentner gingen 63-jährig und ohne Abschläge in Rente – viel mehr als in Westdeutschland, berichtet Hendrik Munsberg in seinem Artikel. Das hat dann sofort diejenigen aktiviert, die immer schon gegen diese zeitlich befristete Sonderregelung Sturm gelaufen sind. Die teure Rente mit 63 Jahren, so macht Dorothea Siems schon in der Überschrift deutlich, was sie von dieser Entwicklung hält. Nichts.

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Für eine „Grundrente“ wird schon längst und immer noch gezahlt: 2018 waren es 3,3 Milliarden Euro. Und was man hätte tun können und müssen beim Thema Niedriglöhne und Renten

In den zurückliegenden Monaten wurde heftig debattiert über das Vorhaben des sozialdemokratischen Bundessozialministers Hubertus Heil, eine „Grundrente“ einzuführen. An und für sich irritiert der Streit, denn im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 hatten sich Union und SPD doch auf die Einführung verständigt:

Warum trotz dieser doch eindeutig daherkommenden Absichtserklärung das Vorhaben nicht einfach umgesetzt wird bzw. werden kann, liegt an dem Satz: „Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung“. Das hat damals auch die SPD unterschrieben – und will davon heute nichts mehr wissen, denn der zwischenzeitlich vom Bundesarbeitsministerium vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung der Grundrente für langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen (Grundrentengesetz – GruRG) sieht vor, dass auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichtet werden soll.

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Pech gehabt und hingehalten: Wenn man rententechnisch am falschen Ort zur falschen Zeit gelebt hat. Geschiedene Frauen in der DDR und eine seit vielen Jahren stillgelegte Baustelle

Im Herbst wird wieder einmal gewählt. Gleich drei Landtagswahlen stehen ins Haus: Am 1. September in Brandenburg und Sachsen, am 27. Oktober folgt dann Thüringen. Allein das ist schon Grund genug für die Parteien, „ostrelevante“ Themen in den Ring zu werfen und sich darüber profilieren zu wollen. Nicht nur, aber auch angesichts der Altersarmutsproblematik, die gerade in Ostdeutschland vor uns liegt, ist die Debatte um eine „Grundrente“, wie sie von der SPD bestritten wird, einzuordnen. Denn dort sind eine Menge Menschen von dem Thema betroffen, da für viele die Einkommen aus der Gesetzlichen Rentenversicherung die einzige Quelle sein wird, da sie weder über größere Vermögensbestände verfügen noch Betriebsrenten oder andere Alterseinkommenszuflüsse haben werden. Vor diesem Hintergrund kommt es für die SPD wahrlich nicht gut, dass die Finanzierung einer „Grundrente“, bei der keine Bedürftigkeitsprüfugn gemacht wird, auch aufgrund der (angenommenen) Entwicklung der Steuereinnahmen, die nach unten korrigiert wurde, vollständig aus Steuermittel, wie eigentlich geplant, nicht realisierbar sein wird in der Großen Koalition und sich die SPD-Minister bereits auf die Suche gemacht haben, über klassische und seit langem zu Recht kritisierte Verschiebebahnhöfe innerhalb der Sozialversicherungen Finanztöpfe aufzumachen (vgl. dazu SPD will für Grundrente Kranken- und Arbeitslosenversicherung anzapfen sowie Minister Heil sucht Geld für die Grundrente).

Vor diesem Hintergrund wird dann auch der Bundestag wieder einmal zur Bühne für diejenigen, die zeigen wollen, dass sie sich kümmern: »Der Bundestag hat am Freitag, 10. Mai 2019, erneut über die Integration des DDR-Rentenrechts in bundesdeutsches Recht im Zuge der Wiedervereinigung debattiert. Es ging dabei vor allem um jene Sonderfälle des DDR-Rechts, die aus Sicht der Antragsteller für die betroffenen Rentner heute noch Nachteile haben, weil deren Ansprüche nicht ausreichend oder gar nicht anerkannt werden – vor allem um in der DDR geschiedene Frauen, aber auch um ehemalige Bergleute.« So beginnt der Bericht des Bundestages unter der das Ergebnis der Bemühungen bereits zusammenfassenden Überschrift Oppositionsanträge zu DDR-Renten abgelehnt. Nun wird der eine oder andere vielleicht irritiert fragen: Was für Probleme bitte haben denn in der DDR geschiedene Frauen im Rentenrecht?

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Ein Führererlass bringt bis heute Opferrenten für die Täter durch eine „wertneutrale“ Sozialversicherung. Echte Opfer wurden weniger neutral behandelt

Der Nationalsozialismus und das von seinen Schergen über die Welt gebrachte millionenfache Leid sind doch nun wirklich Geschichte im Jahr 2019. Sollte man meinen – und wird dann immer wieder eines Besseren belehrt, wenn beispielsweise Überlebende aus den Vernichtungslagern der Nazis von ihrer Geschichte berichten und man Menschen begegnen darf, die wie Anita Lasker-Wallfisch, einer der letzten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz, Josef Mengele, der von Mai 1943 bis Januar 1945 als Lagerarzt in Auschwitz seine Schneise des Schreckens geschlagen hat, als Cellistin regelmäßig Schumanns Träumerei vortragen musste, da er dieses Stück so gerne hörte. Sie sind noch da – und das gilt immer auch noch für einige der Opfer des NS-Terrors, der beispielsweise in Form der millionenfachen Ausbeutung und Zerstörung menschlichen Lebens in den Arbeitslagern zu Tage getreten ist.

Bevor die Nazis beschlossen, alle Juden umzubringen, haben sie viele als billige Arbeitskräfte in Tausenden von Ghettos ausgebeutet. Die Löhne befreiten nicht vom Hunger, die Jobs nicht von der Willkür der SS. Doch wer Arbeit hatte, bekam in aller Regel etwas Geld oder Essensrationen. Im Ghetto Lodz in Polen gab es zum Beispiel eigene Werkstätten. Und auch wenn es das unglaublich zynisch daherkommt: Von den äußerst geringen Löhnen wurde von der deutschen Seite Geld an die deutsche Rentenversicherungsträger abgeführt, damit alles seine bürokratische Ordnung hat. »Es wird geschätzt, dass die deutsche Sozialversicherung in den Kriegsjahren circa eine Milliarde Mark für die Arbeit der Juden erhalten hat«, kann man dem Beitrag Der Kampf um die Ghettorente entnehmen. Nur einige Wenige haben diese Hölle überlebt – und man kann sich vorstellen, was jetzt kommt: Jahrzehnte später ging es darum, auch diesen Menschen eine Rente auszuzahlen für die Zeit der Arbeit in den Ghettos, die im vorliegenden Fall nicht mit Konzentrationslagern verwechselt werden dürfen, für deren Überlebende es andere Regelungen gab. Aber viele Jahre nach dem Krieg wurde nichts getan. Auf die lange Bank schieben, so nennt man das wohl. Bis zu einem wegweisenden Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1997.

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