Ist die große Leerstelle der AfD bei der Rentenfrage jetzt mit Antworten beseitigt worden? Und ist der national-soziale Rententiger als Bettvorleger gelandet?

Nach mittlerweile mehrjähriger Verzögerung hat die AfD ihren Parteitag zur Positionierung in der Sozialpolitik nun endlich und passend zur Zeit mit der Auflage, das Thema unter Mund-Nase-Schutz verhandeln zu müssen, im nordrhein-westfälischen Kalkar abgehalten. Mehrmals war der verschoben worden – Björn Höcke hatte einen Sonderparteitag zur Sozialpolitik bereits vor zwei Jahren auf dem Bundesparteitag in Augsburg beantragt und zugestanden bekommen. Der Bedarf war und ist mehr als offensichtlich, denn gerade in der Rentenfrage stehen sich zwei völlig konträre Positionen gegenüber: Zum einen die vor allem aus Ostdeutschland um den mittlerweile offiziell angeblich nicht mehr existenten „Flügel“ vorangetriebene Konzeption einer national-sozialen Rentenpolitik, zum anderen die marktliberale Variante einer Abwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und der irrlichternden Vorstellung einer Privatisierung der Alterssicherung, wie sie vom Parteichef Meuthen vertreten wird.

Nun könnte man es fast für eine geschickte Inszenierung halten, dass in den meisten Medien nur am Rande von den Inhalten dessen berichtet wird, was da auf diesem Bundesparteitag in Kalkar letztendlich beschlossen wurde, denn wieder einmal hat man größere Lust auf die personenbezogenen Scharmützel, die vom AfD-Vorsitzenden Meuthen mit einer sogenannten „Wutrede“ ausgelöst wurden. Jörg Meuthen hat seine Partei zur Distanzierung von Krawallmachern und Provokateuren in den eigenen Reihen aufgefordert. „Was wir mehr als alles andere brauchen, ist innerparteiliche Disziplin“, sagte er in einer Rede, für die es am Ende auch Buh-Rufe gab. Der Parteichef kritisierte unter anderem, dass manche in der AfD von „Corona-Diktatur“ sprächen, keine Distanz zur sogenannten Querdenker-Bewegung zeigten und mit dem Begriff „Ermächtigungsgesetz“ hantierten. „Entweder wir kriegen hier die Kurve, und zwar sehr entschlossen und sehr bald. Oder wir werden als Partei in keineswegs ferner Zukunft in ganz, ganz schwere See geraten und gegebenenfalls scheitern.“ Das stieß bei knapp der Hälfte der Delegierten auf Empörung. Aber anzunehmen, dass es sich um eine geplante Inszenierung handelt, um von der Inhaltsleere der sozialpolitischen Beschlüsse abzulenken, würde dann doch einen Grad von Professionalität unterstellen, den man dieser Partei nicht wirklich zuschreiben sollte. Dabei gibt es gute Gründe, von dem abzulenken, was da beschlossen wurde.

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Die Dynamik des Anstiegs der Altersarmut in den vergangenen Jahren macht Sorgen

»Die Generation 65 plus sieht sich in Deutschland zunehmend von Altersarmut bedroht. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stieg der Anteil der über 64-Jährigen, die … armutsgefährdet sind, in den vergangenen 15 Jahren um 4,7 Prozentpunkte auf 15,7 % im Jahr 2019. In keiner anderen Altersgruppe war der Anstieg seit dem Jahr 2005 so groß.« So beginnt eine Meldung der Bundesstatistiker unter der Überschrift Armutsgefährdung stieg seit 2005 am stärksten in der Generation 65 plus. Dabei werden Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland hervorgehoben: »Im Westen stieg die Armutsgefährdungsquote für über 64-Jährige seit 2005 um 4,6 Prozentpunkte auf 16,2 % im Jahr 2019 und liegt somit sogar knapp oberhalb der Armutsgefährdungsquote für alle Altersgruppen im Westen zusammen. Im Osten konnte im gleichen Zeitraum ein Anstieg um 4,9 Prozentpunkte auf 13,8 % gemessen werden. Dieser Wert liegt jedoch um 4,1 Prozentpunkte unter der Armutsgefährdungsquote für alle Altersgruppen im Osten.« Allerdings wird zum Osten angemerkt: »Auffällig ist, dass der Anstieg der Armutsgefährdung in der Generation 65 plus im Osten gegenläufig zum dort beobachteten Gesamttrend verläuft. Über alle Altersgruppen hinweg nahm die Armutsgefährdungsquote im Osten ab: Von 20,4 % im Jahr 2005 auf 17,9 % im Jahr 2019.«

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Eine steigende Altersarmut scheint sicher. Dagegen wollen Grüne und Linke im Bundestag mit eigenen Konzepten in der Rentenversicherung was machen. Sie dürfen aber vorerst nicht

Über die zunehmend Altersarmut – übrigens bei einem gleichzeitig steigenden Wohlstand eines Teils der älteren Menschen – wurde in den vergangenen Jahren immer wieder berichtet und gestritten. Dafür gibt es wie immer unterschiedliche Gründe und nicht nur eine Ursache. Aber wenn man sich ein wenig auskennt in der Mechanik der Rentenformel, mit der die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestimmt werden, dann ahnt man schnell, dass das, was in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass man von einer echten Erfolgsgeschichte Rentenversicherung beispielsweise hinsichtlich der Reduzierung von Altersarmut und der Teilhabe an dem wachsenden Wohlstand sprechen konnte, in zahlreichen Fallkonstellationen heute, aber vor allem in den vor uns liegenden Jahren in sein Gegenteil mutieren wird: Es geht um die Voraussetzungen, die man erfüllen muss, um auf eine halbwegs ordentliche und das heißt eben auch auf eine spürbar über der Sozialhilfe im Alter liegenden Rente für ein Erwerbsleben kommen zu können. Vereinfacht gesagt: Man muss möglichst ohne rentenschädliche Unterbrechungen sein Leben lang Vollzeit gearbeitet und mindestens durchschnittlich verdient haben. Wenn man sich daran beispielsweise 45 lange Jahre gehalten hat, dann reden wir derzeit über eine Brutto-Monatsrente von 1.538,55 Euro. Unter Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag (ohne kassenindividuelle Beitragszuschläge) kommt man auf eine Netto-Monatsrente (ohne Berücksichtigung einer eventuellen Besteuerung) von 1.370,85 Euro.

Nun wissen wir, dass es fundamentale Verschiebungen auf den die späteren Renten maßgeblich bestimmenden Erwerbsarbeitsmärkten gegeben hat, die für die davon betroffenen Menschen das Erreichen der genannten Rentenbeträge unmöglich macht: So sehen wir seit Mitte der 1990er Jahre eine massive Expansion des Niedriglohnsektors in Deutschland, mit der Folge, dass hier nur Beiträge auf unterdurchschnittliche Erwerbsarbeitseinkommen abgeführt werden konnten. Gleichzeitig wurden wir mit einer ausgeprägten Zunahme des Anteils an in Teilzeit arbeitenden Menschen, vor allem der Frauen, konfrontiert (und das dann auch noch häufig in Kombination mit eher unterdurchschnittlichen Verdiensten). Zugespitzt formuliert: Teilzeit ist in der Rentenformel nicht vorgesehen, da man kaum Stundenlöhne erzielen wird, die den Vollzeitbezug der Rentenformel kompensieren könnten.

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