Seit Wochen streiken nicht-ärztliche Beschäftigte an den sechs Unikliniken des Landes Nordrhein-Westfalen – nicht für mehr Geld, sondern für einen „Entlastungstarifvertrag“ (vgl. dazu den Beitrag Zum Streik von nicht-ärztlichen Beschäftigten der Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen und einem Spaltpilz zwischen Pflege und Nicht-Pflege vom 12. Juni 2022). Während die Medienberichterstattung über den Arbeitskampf mehr als überschaubar ist – die meisten Kräfte der Presse sind offensichtlich gebunden an den Flughäfen des Landes, um die dortigen Warteschlangen und abgesagten Flüge in Augenschein zu nehmen – warten die Streikenden immer noch auf ein ernsthaftes Angebot von der Arbeitgeberseite. Und die geht lieber gerichtlich gegen die Streik-Aktionen des eigenen Personals vor.
Pflegekräfte
Zum Streik von nicht-ärztlichen Beschäftigten der Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen und einem Spaltpilz zwischen Pflege und Nicht-Pflege
100 Tage hatten Klinikleitungen und politisch Verantwortliche Zeit. 100 Tage, in denen sie Tarifverhandlungen über mehr Personal und Entlastung an den sechs nordrhein-westfälischen Universitätskliniken hätten auf den Weg bringen können. Aber der Arbeitgeberverband des Landes Nordrhein-Westfalen (AdL) ignorierte Ultimatum sowie alle Verhandlungsaufforderungen und Terminangebote von gewerkschaftlicher Seite – das behauptet Verdi auf der Seite Notruf NRW. Gemeinsam stark für Entlastung. Im April gab es erste Warnstreiks an Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen und eine unmissverständliche Botschaft: Bereit zum großen Klinikstreik. Dennoch gab es von der anderen Seite keine Reaktion.
Die unausweichliche Konsequenz der Verweigerungshaltung war, dass man in den „richtigen“ Streik gehen musste. Für einen Tarifvertrag Mindestpersonalausstattung. Nicht für fünf oder zehn Prozent mehr Lohn. Über 98 Prozent der bei der Gewerkschaft Verdi organisierten Klinikbeschäftigten hatten sich Anfang Mai für einen Arbeitskampf ausgesprochen.
Neue Zahlen zum real existierenden Pflegenotstand: Bis zu 50.000 Pflegekräfte sollen auf den Intensivstationen fehlen, so eine neue Studie
Da war doch vor einiger Zeit was jeden Tag in den Medien? Irgendwas mit diesen Intensivstationen, die – für eine Zeit lang – sichtbarste Speersitze der Corona-Pandemie. Parallel zu den Corona-Wellen wurde täglich über die Belegungszahlen der Intensivstationen berichtet. Und immer wieder wurde auch auf das Problem hingewiesen, dass vorne und hinten Personal fehlt. Dass (nicht nur) viele Pflegekräfte nach Monaten außergewöhnlicher Zusatzbelastungen am Ende ihrer Kräfte waren und sind.
Aber zwischenzeitlich ist das alles schon Geschichte, die Sorgen der Nation haben sich verschoben auf die Realisierung des anstehenden Sommerurlaubs oder der Frage, ob die Mineralölkonzerne nun auch wirklich die Steuersenkung der Bundesregierung für Benzin und Diesel weitergeben an die tankenden Kunden. Und ob die Züge der Deutschen Bahn nicht unter dem Massenansturm der mit 9-Euro-Monatstickets gedopten Bundesbürger auseinanderbrechen werden.
Da ist es mehr als passend, wenn mal wieder das Augenmerk auf die Intensivstationen und den dort anzutreffenden real existierenden Pflegenotstand geworfen wird.
Stell Dir vor, Pflegekräfte streiken … und man regt sich auf über Warteschlangen an den Sicherheitskontrollen der Flughäfen oder volle Züge aufgrund des 9-Euro-Tickets
Schlimme Dinge passieren in unserem Land. Es ist gut, dass wir Medien haben, die das aufgreifen: »Am Flughafen Köln/Bonn sollen … in den vergangenen Tagen bereits mehr als 100 Passagiere ihre Flüge nicht mehr erreicht haben. Grund: Langes Warten bei Sicherheitskontrollen«, kann man dieser Meldung entnehmen: Passagiere verpassen Flüge wegen langer Warteschlangen: »Am vergangenen Wochenende haben Passagiere nach eigenen Angaben mehr als 2 Stunden vor den Kontrollstellen gewartet. Der Kölner Oliver Pätzold, der am Samstag nach Sizilien geflogen ist, hatte Glück, dass die Fluggesellschaft ihn trotz Verspätung noch in die Maschine ließ. Weil es aber nicht alle Passagiere zum Flugzeug schafften, wurde das Gepäck nicht eingeladen. Die Koffer sollen den Fluggästen auf Sizilien erst am Montag, also zwei Tage nach dem Abflug, zugestellt werden.« Wer es eine Nummer dramatischer braucht, der kann sich hier bedienen: Flughafen Köln/Bonn: Totales Chaos bei der Abfertigung – Reisende berichten von 300 Meter langen Schlangen. Der eine oder andere ahnt schon, was da hinter den Kulissen läuft im Mangelland Deutschland. Es mangelt schlichtweg an Personal.
Die vom Bundesverfassungsgericht bestätigte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“: Ein Lehrstück über löchrige Gesetzgebung und Umsetzungsdurcheinander
Das Bundesverfassungsgericht hat sich am 19. Mai 2022 zu Wort gemeldet. Unter der Überschrift Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen COVID-19 (sogenannte „einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“) teilt uns das höchste deutsche Gericht mit, dass der Erste Senat eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen hat, die sich gegen § 20a, § 22a und § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) richtet. Darin ist die auf bestimmte Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege bezogene Pflicht geregelt, eine COVID-19-Schutzimpfung, eine Genesung von der COVID-19-Krankheit oder eine medizinische Kontraindikation für eine Impfung nachzuweisen. Die Botschaft an die Beschwerdeführer, an die Politik und letztlich an die gesamt Bevölkerung ist unmissverständlich:
»Soweit die Regelungen in die genannten Grundrechte eingreifen, sind diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums einen angemessenen Ausgleich zwischen dem mit der Nachweispflicht verfolgten Schutz vulnerabler Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden. Trotz der hohen Eingriffsintensität müssen die grundrechtlich geschützten Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Beschwerdeführenden letztlich zurücktreten.«