Dem „Strassenfeger“ in Berlin geht die Puste aus. Eine Institution für Obdachlose und Arme zerbröselt

»Seit 24 Jahren ist die Zeitung für Obdachlose und Arme ein Anker. Das Blatt, das auf das doppelte „s“ im Namen besteht, schützt Menschen, die schon ganz unten sind, vor dem Abdriften ins Bodenlose. Es sind Menschen wie Petra E. „Gäbe es den ,Strassenfeger’ nicht, wäre ich schon tot“, sagt sie. Petra E. verkauft Zeitungen am Hauptbahnhof, seit 14 Jahren steht sie fast jeden Tag am Washingtonplatz. Sie war jahrzehntelang heroinabhängig, heute ist sie 59 Jahre alt und clean. Sie lebt in einem betreuten Wohnprojekt. „Die Hefte geben meinem Alltag eine Struktur“, sagt sie. „Ich kann nicht fassen, dass es das nun gewesen sein soll.“ Das Aus der Straßenzeitung ist das abrupte Ende einer Berliner Institution im Kampf gegen die Not.«
(Silvia Perdoni: Ende des „Strassenfegers“ ist beschlossene Sache, 19.06.2018)

Ganz unten ist das Leben hart. Und es gibt Konkurrenz, wie im modernen und hippen Business-Leben. Selbst und gerade um die Reste der Überflussgesellschaft. Da wird zuweilen mit allen Mitteln um die Brosamen gestritten. Was auch kein Wunder ist, wenn es im wahrsten Sinne des Wortes um das Überleben auf der Straße geht.

Und wer von uns kennt sie nicht, die Verkäufer von Straßenzeitungen. Sie appellieren an die Tauschmentalität, die von den meisten Menschen internalisiert worden ist. Wenn man schon was gibt, dann will man eine Gegenleistung – auch wenn man die Zeitung an der nächsten Ecke in den Papierkorb wirft. Die Leute sollen was tun für das Geld, das man ihnen gibt.

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Aus der Welt der Armutslinderung: Den Tafeln ist nicht wirklich zum Feiern zumute. Tafelarbeit zwischen „Politisierung“ und inneren Problemen des eigenen Erfolgs

Die Tafeln – die waren doch vor kurzem wochenlang im Fokus der Medien. Viele werden sich trotz des zunehmend kürzer werdenden Kurzzeitgedächtnisses daran erinnern. Am 22. Februar wurde von der WAZ dieser Beitrag veröffentlicht, der sogleich ganz hohe Wellen und die bundesweit geschlagen hat: Die Essener Tafel nimmt zurzeit nur noch Deutsche auf: »Weil der Anteil nicht-deutscher Nutzer auf 75 Prozent gestiegen ist, hat die Essener Tafel für sie einen Aufnahmestopp verhängt. Vorübergehend.« Der Verein habe sich dazu gezwungen gesehen, weil Flüchtlinge und Zuwanderer zwischenzeitlich 75 Prozent der insgesamt 6.000 Nutzer ausmachten, wird der Vorsitzende der Essener Tafel, Jörg Sartor, in dem Artikel zitiert. Und dann sagt der ehemalige Bergmann einen Satz, der eine Menge Reaktionen auslösen wird: „Wir wollen, dass auch die deutsche Oma weiter zu uns kommt.“ Daraufhin wurden Tafeln in ganz Deutschland von Heerscharen an Journalisten geflutet und alle möglichen Politiker warfen sich an die Interviewfront und der normale Bürger konnte und musste den Eindruck bekommen, dass die Tafeln nun von Flüchtlingen und anderen Migranten übernommen worden sind.

Da wird dann so ein Statement seitens des Dachverbandes der Tafeln mit Blick auf die zunehmende Zahl der Flüchtlinge, Asylbewerber und EU-Zuwanderer, die in die Tafeln kommen, nicht überraschen: »Es kann nicht sein, dass die Politik sich darauf verlässt, dass die Tafeln die Not der Geflüchteten und Zugewanderten auffangen. Es ist eine staatliche Aufgabe und eine humanitäre Pflicht, für einen menschenwürdigen Aufenthalt in Deutschland zu sorgen. Die Tafeln können und wollen nur ein ergänzendes Angebot sein, sie sind keine Vollversorger.«

Nur stammt dieses Zitat nicht aus dem Frühjahr 2018 – sondern aus dem Jahr 2014, als der Jahresbericht 2013 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. So viel dazu, dass es nicht vor dem, was heute wie selbstverständlich und unreflektiert als „Flüchtlingskrise“ bezeichnet wird, Warnungen und Problemhinweise gegeben hat. Nur hat das damals kaum einen wirklich interessiert. Man findet das Zitat übrigens in dem am 29. Mai 2014 in diesem Blog veröffentlichten Beitrag Von der fortschreitenden „Vertafelung“ der unteren Etagen unserer Gesellschaft

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Die unter die Räder kommen. Unsichtbare etwas sichtbarer machen. Obdachlose und die Medien

In diesen Tagen wird die Welt auf Hamburg schauen, denn dort wird der G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs stattfinden und mit ihm zahlreiche Proteste dagegen. Wenn man so ein Hochsicherheitsereignis in einer Metropole wie Hamburg meint stattfinden lassen zu müssen, dann wird einiges unter die Räder kommen. Darunter leiden wie immer die Schwächsten der Schwachen unserer Gesellschaft. Nur so kann man solche Überschriften verstehen und einordnen: G20: Wohlfahrtsverbände gegen Vertreibung von Obdachlosen. Ein Bündnis von Hamburger Wohlfahrtsverbänden hat an die Hansestadt appelliert, zum G20-Gipfel Obdachlose nicht aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben. Neben der Diakonie hatten rund 30 weitere Organisationen wie Caritas und Heilsarmee den Protestbrief unterschrieben. Darin fordern die Verbände unter anderem akzeptable Unterkünfte für alle wohnungslosen Menschen. »Der Vertreibungsdruck war im größeren Innenstadtbereich auch vor dem G20-Treffen schon stark, nun hat er sich nochmal verschärft.« Der kurze Moment des internationalen Großereignisses macht auch Randbereiche, die normalerweise im Dunkeln liegen, erkennbar – wenn man denn hinsehen will: »Obdachlose Menschen machten sichtbar, dass es auch in einer reichen Stadt wie Hamburg Not und Elend gebe, heißt es in dem gemeinsamen Papier. Die G20-Regierungen seien zudem mitverantwortlich für weltweite Migrations- und Fluchtbewegungen aufgrund von Kriegen, Hunger und Verarmung. In Hamburg gibt (es) … rund 2.000 Menschen, die auf der Straße leben müssen.«

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