Die Jugendämter und ihr Personal: Aus einem Schattenreich, das nur selten und wenn, dann punktuell angeleuchtet wird

Es gibt Bereiche, in denen sich tagtäglich Dramen abspielen und zugleich viele kleine Erfolge erreicht werden können, die aber trotz (oder wegen) der gegen fundamentale Menschenrechte gerichteten Wucht der Ereignisse und Zusammenhänge von der Berichterstattung gemieden werden. Nur hin und wieder, eben punktuell, wird die öffentliche Aufmerksamkeit wie mit einem Stromschlag daran erinnert, dass es das inmitten unter uns gibt: Kindstötungen, Kindeswohlgefährdung in massivster Art und Weise, völlig überforderte Familien, bei denen man zuweilen auch mit emotionalen Wracks konfrontiert wird. Und alle Außenstehende sind dankbar, dass es Spezialisten gibt, Profis, die an der Front die Scherben einzusammeln versuchen, die sich kümmern, die Wächterfunktion des Staates ausüben – und die dann nicht selten die prägende Erfahrung machen müssen, dass sie es eigentlich immer nur falsch machen können: Entweder tun sie etwas zu früh oder zu spät. Und wenn sie was (nicht) tun und es geht schief, dann ist das nicht nur einer dieser vielen Fehler, die jedem von uns bei der Arbeit passieren, sondern neben zuweilen entsetzlichen Folgen trägt man schwer an der Schuld, selbst wenn man nicht verurteilt wird vor einem Gericht.

Keine Frage, die Arbeit in den Jugendämter ist in weiten Teilen wahrlich ein Hardcore-Job und eigentlich nicht wirklich gut und geeignet für ganz junge Fachkräfte, zugleich aber auch nicht ersetzbar durch angelernte Kräfte, auf die man gerne in anderen Bereichen des Sozialwesens auszuweichen versucht. Wenn man generell unter Fachkräftemangel stöhnt, dann wird dieser in den Jugendämtern als ein multipler Mangel spürbar und er lässt sich nur durch die Zufuhr entsprechend, also einschlägig qualifizierter Menschen beheben oder wenigstens abmildern. Und wenn es die nicht gibt? Oder sie nicht wollen können unter den angedeuteten Bedingungen? Dann wird es im wahrsten Sinne des Wortes lebensbedrohlich. Vielleicht auch ein Grund dafür, warum so viele einen Bogen machen um diese Welt.

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Heimkinder. Kein Auslaufmodell. Ganz im Gegenteil. Und das in Zeiten des Mangels an Plätzen und Personal

Vor kurzem wurde hier über die beklagenswerte Situation in vielen Jugendämtern berichtet: Die Jugendämter auf verlorenem Posten? Eine neue Studie zu einem alten Problem, so ist der Beitrag vom 16. Mai 2018 überschrieben. Auslöser war eine Studie der Hochschule Koblenz zu den Arbeitsrealitäten in den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD) der Jugendämter.

Und nun werden wir mit solchen Schlagzeilen konfrontiert: »Die Zahl der Heimkinder wächst seit Jahren stark an. Plätze und Personal sind knapp – darunter leidet die Qualität der Betreuung. Experten warnen vor einem wachsenden Risiko für Übergriffe«, so Tobias Lill in seinem Artikel SOS im Kinderdorf.  Die Zahl der Jungen und Mädchen, die von den Behörden in ihre Obhut genommen werden, ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen – das verdeutlicht auch die Abbildung am Anfang dieses Beitrags. Bereits seit 2006 sehen wir einen deutlichen Anstieg der Zahl der Inobhutnahmen der Jugendämter nach § 42 SGB VIII, so nennt man im Amtsdeutsch die Herausnahme von Kindern und Jugendlichen aus ihren Familien. Der überaus starke Anstieg der Inobhutnahmen in den Jahren 2015 und 2016 ist vor allem durch die „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“, die nach Deutschland gekommen sind, ausgelöst worden.

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Die Jugendämter auf verlorenem Posten? Eine neue Studie zu einem alten Problem

Schon seit Jahren eine never-ending-story: Die Personalnöte in vielen Jugendämtern – und das bei steigenden Fallzahlen sowie Aufgaben, die nicht selten mit vielen Emotionen und Aggressionen verbunden sind. Zugespitzt formuliert: Selbst unter Normalbedingungen kann das Jugendamt nur „falsch“ handeln. Nehmen wir das Beispiel Kinderschutz. Die einen beklagen, dass die Kinder zu spät oder gar nicht aus Familien, in denen sie Schaden nehmen, herausgenommen werden. Die anderen titulieren die Jugendämter als „Kinderklaubehörde“ und behaupten, ganze Familien werden ungerechtfertigterweise auseinandergerissen.

Unabhängig von solchen extremen Positionen kann man festhalten, dass es sich um eine schwierige, belastende und überaus fordernde Arbeit handelt, die in den Jugendämtern, vor allem in den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD), geleistet werden muss. Und das unter häufig überaus problematischen Rahmenbedingungen.

Ein Hotspot des seit Jahren immer wieder beklagten Fachkräftemangels und der schieren Personalnot sind die Jugendämter in Berlin. Jede achte Stelle ist nicht besetzt, in manchen Bezirken sogar jede fünfte. In den sozialen Diensten, die auch für den Kinderschutz zuständig sind, fehlen rund 100 Mitarbeiter. Das wirkt sich nicht nur auf die Familien, sondern auch direkt auf die Schulen aus. „Das Jugendamt kann sich nicht kümmern“, ist längst eine feste Redewendung unter Schulleitern, wenn es beispielsweise um renitente Schwänzer, Störer oder Schulabbrecher geht. Das ist nicht neu, sondern man kann das diesem Beitrag entnehmen, der hier am 27. Januar 2017 veröffentlicht wurde: Die Großen fehlen, die Kleinen bleiben auf der Strecke. Personalnot (nicht nur) in den Jugendämtern in Berlin. Und im März dieses Jahres berichtete Susanne Vieth-Entus in ihrem Artikel Immer mehr gefährdete Kinder, immer weniger Kinderschützer aus der Hauptstadt: »Die Zahl der gemeldeten Kinderschutzfälle hat sich seit 2012 verdoppelt. Doch die Jugendämter leiden unter Personalmangel. Jetzt schlagen die Mitarbeiter Alarm.«

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Von einer „Kita-Pflicht“ als Papiertiger bis hin zu einem Mangel an normalen Kita-Plätzen – ein „Staatsversagen“ in Berlin?

Gerade in diesen Tagen kann man wieder einmal erleben, wie gerne und lauthals einige Politiker dem geneigten Publikum ein energisches Durchgreifen „des Staates“ in Aussicht stellen bzw. dieses einfordern. Derzeit an vorderster Front dabei der Tausendsassa Jens Spahn (CDU), offiziell nach längeren Geburtswehen neuer Bundesgesundheitsminister, der aber bislang nicht etwa durch mutige und innovative Vorschläge zur Bekämpfung des grassierenden Pflegenotstands auf sich aufmerksam macht, sondern – wie die Tagesschau in ihrer Online-Ausgabe unter der Überschrift Spahn geht fremd zutreffend vermerkt – auf fremden Hochzeiten zu tanzen versucht: »Während sich die Arbeit im Gesundheitsministerium stapelt, beschäftigt sich Minister Spahn lieber mit anderen Themen … Nach Hartz IV, Frontex und Twittern unter Journalisten geht es dieses Mal um die Handlungsfähigkeit des Staates.« Der Herr Minister wird mit den Worten zitiert, »dass der Staat in den vergangenen Jahren nicht mehr ausreichend für „Recht und Ordnung“ habe sorgen können. „Schauen Sie sich doch Arbeiterviertel in Essen, Duisburg oder Berlin an. Da entsteht der Eindruck, dass der Staat gar nicht mehr willens oder in der Lage sei, Recht durchzusetzen“, so der CDU-Politiker.« Nicht nur die Wiederauferstehung der Arbeiterviertel wird uns hier en passant ins Nest gelegt – auch das partielle Staatsversagen von einem Politiker, dessen Partei seit ziemlich vielen Jahren das Land regiert. Man könnte das kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen und dann zu den Akten legen, aber das ist alles nur ein Beispiel für die anfangs angesprochene Aktivitätssimulationsmaschine, der die Menschen an vielen Stellen ausgeliefert sind. 

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Die Großen fehlen, die Kleinen bleiben auf der Strecke. Personalnot (nicht nur) in den Jugendämtern in Berlin

Es gibt ja seit Jahren eine kontroverse Debatte über „den“ Fachkräftemangel. Die einen belegen einen solchen massiv und dass das immer schlimmer werde, die anderen melden Skepsis und Zweifel an, ob es einen solchen wirklich gibt oder wir nicht eher Zeuge des nachvollziehbaren,  aber eben auch sehr einseitigen Wehgeklages der Arbeitgeber sind, die veränderte Angebots-Nachfrage-Bedingungen auf den Arbeitsmärkten zu spüren bekommen.

Aber es gibt einen real existierenden Fachkräftemangel in bestimmten Bereich a) definitiv schon heute und b) mit fatalen Folgewirkungen auf andere, in diesem Fall schutzbedürftige Menschen: In vielen Jugendämtern. Und wenn wir von Jugendämtern sprechen, dann geht es nicht um irgendwelche Aktenproduktionsanlagen und Stempelverwaltungsenklaven, sondern um Institutionen der Daseinsvorsorge, die es mit vielen Dilemmata zu tun haben in ihrer täglichen Arbeit – man denke nur an den Teilbereich der Gefahr für das Kindeswohl, wo bei den konkreten Fällen die einen oftmals den Jugendämtern vorwerfen, sie haben zu spät oder gar nicht interveniert, die anderen aber Jugendämter als „Kinderklaubehörden“ anklagen, weil sie angeblich zu Unrecht Kinder aus Familien geholt haben.

Ein Hotspot des seit Jahren immer wieder beklagten Fachkräftemangels und der schieren Personalnot sind die Jugendämter in Berlin. In diesen Tagen werden wir Zeuge dieser unendlich daherkommenden Fortsetzungsgeschichte. 

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