Die Mühen der Ebene. Integration in einem Paragrafenwerk und in den Niederungen der Sprach- und Integrationskurse. Für die soll sich was verbessern, aber nicht alle werden sie bekommen können

Jetzt geht es aus dem Notmodus der Krisenbewältigung in die Mühen der Integrationsebene. Und da braucht es ein Gesetz in unserem Land, das die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Am 25. Mai 2016 wurde der Gesetzentwurf eines Integrationsgesetzes von der Bundesregierung – von den beiden Ministern für Inneres und für Arbeit/Soziales gemeinsam – der Öffentlichkeit vorgestellt. Parallel wurde die Meseberger Erklärung zur Integration veröffentlicht im Anschluss an das Familientreffen der Großen Koalition auf Schloss Meseberg. Die Meseberger Erklärung umreißt die Grundlinien der Integrationspolitik der Bundesregierung und das Integrationsgesetz wird diese konkretisieren und in ein Regelwerk gießen.

Und man muss nun kein wie auch immer ausgewiesener Experte sein, um der These zu folgen, dass die Sprache eine Schlüsselrolle für eine gelingende Integration spielt. Dazu kann man der Meseberger Erklärung den folgenden Passus entnehmen:

»Sprach- und Wertevermittlung sind zentrales Fundament für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft sowie in Bildung, Ausbildung, Studium und Arbeitsmarkt. Daher werden wir die Zugangsmöglichkeiten für die Teilnahme an Integrationskursen verbessern. Die Möglichkeit, Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte zur Teilnahme am Integrationskurs zu verpflichten, wird erweitert beziehungsweise für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive neu geschaffen. Der Spracherwerb soll so früh wie möglich erfolgen. Das Integrationsgesetz setzt hierfür Anreize, indem der Teilnahmeanspruch an einem Integrationskurs künftig nach einem statt nach bisher zwei Jahren erlischt. Zusätzlich werden in der Integrationskursverordnung die Voraussetzungen für höhere Kurskapazitäten, mehr Transparenz und eine effizientere Steuerung des Integrationskurssystems geschaffen. Beispielsweise werden Integrationskurse künftig schneller zustande kommen – statt bisher nach drei Monaten künftig spätestens nach sechs Wochen. Der Orientierungskurs wird von bisher 60 auf 100 Unterrichtseinheiten aufgestockt und inhaltlich stärker auf die Wertevermittlung ausgerichtet.«

Bereits im Vorfeld wurde seitens des Bundesinnenministeriums gestreut, dass sich endlich was an der allseits und völlig zu Recht als desaströs niedrig beklagten Vergütung der Lehrkräfte in den Sprach- und Integrationskursen ändern soll im Sinne einer Anhebung der Stundensätze für die meist als Selbständige agierenden Lehrkräfte. Dazu bereits der Blog-Beitrag Der Integrations-Flaschenhals Sprachkurse, die Lehrkräfte und deren schlechte Vergütung. Doch jetzt soll alles besser werden vom 16. Mai 2016.

Konkret: Die meisten Sprachlehrer müssen auf selbständiger Basis arbeiten und tragen die gesamte soziale Absicherung entsprechend auf ihren eigenen Schultern. Im vergangenen Jahr betrug ihr durchschnittliches Mindesthonorar gerade mal 20,35 Euro pro Unterricht. In der Zwischenzeit ist diese Vergütungsuntergrenze zwar auf 23 Euro angehoben worden. Damit kommt ein Sprachlehrer mit 30 Unterrichtseinheiten auf einen Verdienst von 2.800 Euro brutto im Monat.«
Wohlgemerkt – 2.800 Euro brutto für einen auf sich selbst gestellten Selbständigen, nicht für einen fest angestellten Arbeitnehmer. Das Bundesinnenministerium plädiert den Berichten zufolge für eine nennenswerte Anhebung der Vergütungsuntergrenze für Honorarlehrkräfte auf 35 Euro. Das wäre eine Anhebung um 52 Prozent.

Natürlich wird so ein Vorstoß zugunsten der Lehrkräfte nicht deshalb gemacht, weil im Bundesinnenministerium emphatische Beamte sitzen, die endlich mal was Gutes tun wollen für die Lehrkräften, sondern wie so oft im Leben ist das eine schnöde Angebots-Nachfrage-Problematik dergestalt, dass vorne und hinten die Lehrkräfte fehlen oder auf der Flucht sind in andere Arbeitsfelder angesichts der Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten sollen. Man muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es sich um akademisch qualifizierte Lehrkräfte handelt.
Bislang verblieben nur 10 Prozent der Lehrkräfte, die zusätzlich zu ihrem Hochschulstudium die Zusatzqualifikation Deutsch als Fremd- /Zweitsprache erworben haben, in diesem Beruf. Die anderen 90 Prozent suchten schnell das Weite von diesem Berufsfeld mit absolut prekären Arbeitsbedingungen.

Nun sollte man meinen, das wäre doch im wahrsten Sinne des Wortes ein ordentlicher Schluck aus der Pulle und die Betroffenen können sich glücklich schätzen – wohlgemerkt, wenn die bislang nur als Vorschlag zirkulierende Anhebung Realität werden würde.

Dann sollte man einen Blick werfen auf diesen Kommentar: 35 Euro Honorar für Lehrkräfte in Integrationskurse, genug? – Weit gefehlt! Er wurde verfasst von Monika Strauß-Rolle vom Bonner Offener Kreis (BOK), einem Zusammenschluss von von DaF/DaZ-Lehrkräften in Bonn. Und es lohnt sich, einen Blick zu werfen in die Kommentierung:
Für viele überraschend ist dann sicher so ein Satz: »Für viele der Lehrkräfte in Integrationskursen stellt dies zudem absurderweise eine Verschlechterung dar.«

Hallo? Mehr als 50 Prozent im Vergleich zu dem, was jetzt ist. Und dann so eine Aussage? Lesen wir also weiter, wie diese kritische Stellungnahme begründet wird:

Die Verfasserin weist darauf hin, dass das grundlegende Problem der Nicht-Beteiligung der Auftraggeber (oftmals öffentliche Arbeitgeber) an den Sozialversicherung nicht gelöst wird, mit der Folge:

»So müssen wir Lehrkräfte auch weiterhin sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberanteile an diesen Sozialversicherungen zu 100 Prozent selbst tragen.« Fast die Hälfte des Einkommens geht dann schon mal dafür weg.

Aber dennoch, so wird der eine oder andere einwenden, bekommen die doch mehr als vorher und das ist dann doch eine Verbesserung. Oder?

»Kein Wunder also, dass bei solcherart hohen Abzügen viele der Lehrkräfte, vornehmlich Frauen, bislang vermieden haben, so viel zu verdienen, dass ihr Einkommen über der Bemessungsgrenze der Familienversicherung oder der verpflichtenden Rentenversicherung liegt. So werden diese Lehrkräfte in Zukunft einfach weniger Stunden arbeiten, um auch weiterhin nicht die hohen Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen, denn sonst lohnt sich diese Tätigkeit in keinster Weise. Dies wird zur Folge haben, dass auch zukünftig nicht genügend Lehrkräfte für die benötigte Zahl an Deutschkursen zur Verfügung stehen werden.«

Das ist ein Problem. Und es geht weiter: Selbst »mit einem Honorar von 35 Euro pro Unterrichtseinheit bleibt dieser Beruf in Bezug auf die Arbeitsbedingungen völlig unattraktiv, da das Einkommen trotz Hochschulstudium etwa ein Drittel oder die Hälfte des Einkommens einer fest angestellten Lehrkraft oder sogar einer verbeamteten Lehrkraft, an einer staatlichen Schule beträgt.«
Und apropos soziale Absicherung: »Weiterhin sind die Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache auch nach jahre- und jahrzehntelanger Beschäftigung nicht arbeitslosenversichert, sondern müssen direkt Hartz IV beantragen, sobald sie keinen Kurs von ihrem Sprachkursträger zugewiesen bekommen.«

Was wird gefordert, um diese Situation aufzulösen? Dazu aus der Kommentierung von Monika Strauß-Rolle:

1.) »Festanstellung mit tariflich gebundener Eingruppierung und Arbeitsstrukturen, die denen von angestellten Lehrkräften an Schulen mit einem Stundenkontingent von 26 Wochenstunden und den an der Schule üblichen Ferienregelungen entsprechen.«
oder
2.) »Bei Freiberuflichkeit ein Honorar, das das Arbeitgeberbrutto der festangestellten Lehrkräfte um 25% übersteigt (Risikozuschlag), denn das Honorar muss das Urlaubsentgelt, eine Absicherung im Krankheitsfall, im Mutterschutz und bei Auftragsausfall enthalten.«

Auf alle Fälle und wenn es auch unendlich mühsam ist angesichts des isolierten selbständigen Status vieler Lehrkräfte in diesem Feld, beginnen die sich zu organisieren. So wurde das Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte gegründet, das deren Anliegen weiter vorantreiben will.

Während da also noch einiges offen und es mit Blick auf die erforderlichen Fachkräfte keineswegs gesichert ist, dass die Angebote in dem notwendigen Umfang ausgedehnt werden können, zeigt sich an einem anderen Beispiel, zu welchen fragwürdigen und diskussionsbedürftigen Ergebnissen formale Selektionsstrategien führen können. Bundesregierung bricht Integrationsversprechen, so haben Florian Diekmann und Anna Reimann ihren Artikel dazu überschrieben.

Ein Kernelement des neuen Integrationsgesetzes lautet: Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive – konkret jene aus Syrien, dem Irak, Iran und Eritrea – sollen besser gefördert werden, um in Arbeit und Ausbildung zu kommen.

Doch auch Flüchtlinge mit schlechterer Bleibeperspektive müssten bereits während ihres Asylverfahrens Orientierungskurse erhalten, wird die Bundeskanzlerin Angela Merkel in dem Artikel zitiert. In ihnen werden außer der deutschen Sprache auch grundlegende Kenntnisse über die deutsche Gesellschaft und ihre Werte vermittelt. Zwar sei einkalkuliert, dass ein Teil dieser Menschen Deutschland wieder verlassen werde, so die Kanzlerin. Aber die Bundesregierung wisse, „wenn wir Menschen erst einmal eineinhalb Jahre nichts anbieten, dass dann Schäden eintreten, die nie wieder gutzumachen sind“.

Wohlfeil gesprochen. Und die Realität?

Die „Orientierungskurse“ sollen in der zweiten Jahreshälfte 2016 erst einmal in einem Pilotprojekt erprobt werden. »Betrachtet man die Ausschreibung zu diesem Pilotprojekt, könnten bei voller Auslastung der Kurse in diesem Jahr maximal 2.400 Menschen an einem solchen Orientierungskurs teilnehmen, hat die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Brigitte Pothmer, berechnet.«

Und dann lernen wir was über die Ambivalenz scheinbar klarere Regelungen, beispielsweise der „guten Bleibeperspektive“, die den den Zugang zu den Sprach- und Integrationskursen ermöglichen soll.

»Besonders betroffen davon sind Flüchtlinge aus Afghanistan. Sie gehören nicht zu den Asylbewerbern mit „guter Bleibeperspektive“. Ob jemand diesen Status erhält, wird durch die sogenannte Gesamtschutzquote bestimmt. Diese gibt an, wie hoch der Anteil von Bewerbern aus einem Land ist, deren Anträge entweder anerkannt werden oder die bleiben dürfen, weil sie subsidiären Schutz erhalten oder die nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können, weil die Verhältnisse dort es nicht zulassen. Liegt diese Gesamtschutzquote bei 50 Prozent oder mehr, haben Menschen aus diesem Land eine „gute Bleibeperspektive“. Für Menschen aus Afghanistan liegt sie knapp darunter, bei 47,6 Prozent.«

Und auch wieder eigentlich nicht, wenn man genauer hinschaut.

Denn »in die Gesamtschutzquote fließen auch zahlreiche Fälle ein, die sich vor einer Entscheidung des Bamf erledigt haben – etwa weil bereits in einem anderen EU-Land ein Asylantrag gestellt wurde und nach dem Dublin-Abkommen dieses dafür zuständig ist.«
Und dann der entscheidende Satz:

»Berücksichtigt man nur die Verfahren, in denen tatsächlich auch entschieden wird, erhalten 73,9 Prozent der Afghanen Schutz in Deutschland.«

Also eigentlich müssten die dürfen können. Aber man schaue nur auf den Anteilwert der „unbereinigten“ Gesamyschutzquote, selbst die liegt nahe an den erforderlichen 50 Prozent, aber eben immer noch knapp darunter, so dass es keinen schnellen Zugang zu den  Kursen geben wird.
Menschen aus Afghanistan warten im Schnitt 15 Monate auf eine Entscheidung des BAMF. In dieser Zeit bekommen sie auch keinen Zugang zu den offiziell angebotenen Kursen. Das kann und wird sich später nochmal richtig heftig auswirken.

Der Integrations-Flaschenhals Sprachkurse, die Lehrkräfte und deren schlechte Vergütung. Doch jetzt soll alles besser werden

Es müsste ja eigentlich allen klar sein: Eine auf alle Fälle unverzichtbare, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für eine gelingende Integration der Menschen, die als Flüchtlinge oder aus ganz anderen Gründen zu uns gekommen sind, ist das Erlernen und die Anwendbarkeit der deutschen Sprache. Dafür gibt es die Integrationskurse, die aus einem Sprachkurs und einem Orientierungskurs bestehen. Die sind von wirklich existenzieller Bedeutung für die Integrationsaufgabe. Und eigentlich müsste man die immer knappen Ressourcen nach allem, was wir wissen, gerade im Bereich der Sprachkurse fokussieren und dort Bedingungen ermöglichen, die dem Anliegen förderlich sind. Was auch bedeutet, dass die Menschen, die in diesen Kursen als Lehrkräfte unterrichten, entsprechend der Bedeutung dieser Kurse gute Arbeitsbedingungen bekommen, damit sie ihrer wichtigen Aufgabe nachgehen können.

Dem ist allerdings in vielerlei Hinsicht nicht so. Darüber wurde hier auch schon öfter berichtet, vgl. beispielsweise den Beitrag 1.200 Euro im Monat = „Top-Verdienerin“? Lehrkräfte in Integrationskursen verständlicherweise auf der Flucht oder im resignativen Überlebenskampf vom 2. September 2015, Auf der Flucht im doppelten Sinne. Ein Update zu den Sprachlehrkräften sowie den Chancen und Risiken dahinter vom 14. September 2015, Sonntagsreden und die wirkliche Wirklichkeit oder Lehrer und andere Lehrer vom 17. Februar 2016 oder auch Die Annäherung an die Wahrheit liegt zwischen (rhetorischer) schwarzer Pädagogik und (naiver) „Wird schon werden“-Philosophie. Die Forderung nach einer Sprachlernpflicht für Flüchtlinge und die Wirklichkeit der „Schweizer Käse“-Angebote vom 28. März 2016. Kurzum: Ein bewegtes Thema und viele Probleme in den Niederungen der Praxis. Wobei wir die nicht nur in Deutschland haben (was man immer auch vor dem Hintergrund der großen Zahl an Flüchtlingen sehen muss, die zu uns gekommen sind), sondern auch aus anderen Ländern werden ähnliche Probleme gemeldet, beispielsweise aus Österreich (vgl. dazu den Beitrag Auch auf der anderen Seite der Grenze gibt es Deutschkurse am Fließband und skandalöse Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte in Sprach- und Integrationskursen, die doch von so großer Bedeutung sind vom 30. April 2016).

Aber nun soll alles besser werden für die Sprachlehrkräfte, die vor allem – in der Regel als „Selbständige“ beschäftigt – über eine teilweise skandalös niedrige Vergütung klagen.

Offensichtlich hat man auch ganz oben die Problematik erkannt und ist zu Veränderungen bereit. Denn nun erreichen uns solche Botschaften: Regierung plant mehr Lohn für Deutschlehrer, hat Martin Greive seinen Artikel überschrieben. Die Ausgangslage stellt sich so dar:

»Die Klassen in den Volkshochschulen sind derzeit so voll wie selten zuvor. Bis zu 550.000 Flüchtlinge könnten in diesem Jahr laut Bundesinnenministerium einen Integrationskurs belegen. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Deutschlehrern. Tausende durchlaufen derzeit Fortbildungen und erhalten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Zulassung, Deutsch zu unterrichten. Doch am Ende stehen davon nur wenige tatsächlich in der Klasse. Der Grund dafür: die miese Bezahlung.«

Natürlich geht es wieder einmal vor allem um das liebe Geld. Das Bundesinnenministerium, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterstellt ist, schlägt vor, Deutschlehrer künftig deutlich besser zu bezahlen – und verlangt dafür mehr Mittel von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Offensichtlich haben wir es mit einem veritablen Angebots-Nachfrage-Problem zu tun, dass sich die Beamten im Bundesinnenministerium genötigt sind, eine finanzielle Aufstockung anzumahnen – die noch nicht beschlossen ist, wir befinden uns derzeit immer noch in der Phase der Vorschläge bzw. der Forderungen mit Haushaltswirksamkeit:

»Insgesamt hat das BAMF im vergangenen Jahr 5600 Lehrern eine Zulassung erteilt, Flüchtlingen Deutsch beizubringen. Allerdings seien nach Schätzungen „nur circa zehn Prozent der im Jahr 2015 zugelassenen Lehrkräfte bislang als unterrichtende Lehrkraft dem Bundesamt gemeldet worden“, heißt es in dem Bericht. Es sei durchaus möglich, dass Lehrkräfte die Fortbildung nutzten, um dann „in besser bezahlte Bildungsbereiche abzuwandern“.«

Wo genau das Problem liegt? In dem, was gemeinhin als „Rahmenbedingungen“ der Arbeit bezeichnet wird. Und die sind wirklich desaströs, wie man der folgenden allgemeinen Beschreibung entnehmen kann: Die meisten Sprachlehrer müssen auf selbständiger Basis arbeiten und tragen die gesamte soziale Absicherung entsprechend auf ihren eigenen Schultern.

»Gerade im Vergleich zu Lehrern an Schulen werden sie auch noch schlecht bezahlt. Im vergangenen Jahr betrug ihr durchschnittliches Mindesthonorar gerade mal 20,35 Euro pro Unterricht. In der Zwischenzeit ist diese Vergütungsuntergrenze zwar auf 23 Euro angehoben worden. Damit kommt ein Sprachlehrer mit 30 Unterrichtseinheiten auf einen Verdienst von 2800 Euro brutto im Monat.«

Wohlgemerkt – 2.800 Euro brutto für einen Selbständigen, nicht für einen fest angestellten Arbeitnehmer. Und wie will man diese Situation nun ändern?

„Um auf dem Arbeitsmarkt weiterhin ein attraktives und konkurrenzfähiges Angebot zu machen, könnte eine nennenswerte Anhebung der Vergütungsuntergrenze für Honorarlehrkräfte auf 35 Euro vorgenommen sowie eine Verpflichtung zur Einhaltung der gewählten Honoraruntergrenze für zugelassene Integrationsträger begründet werden“, schreibt das Bundesinnenministerium, so Martin Greive in seinem Artikel.

Das wäre »eine Anhebung um 52 Prozent. Bei 30 Unterrichtseinheiten würde das Gehalt der Lehrer so spürbar steigen, auf 4200 Euro brutto im Monat.«

Bezahlt werden die Sprachlehrkräfte von den Trägern der Integrationskurse, beispielsweise den Volkshochschulen (von denen etwa 40 Prozent der Integrationskurse abgedeckt werden), die da eine wichtige Rolle spielen. Nur die müssen natürlich eventuell höhere Gehälter gegenfinanzierten können. Auch daran hat das Bundesinnenministerium gedacht und schlägt deshalb vor: »Der Kostenerstattungssatz solle von aktuell 3,10 auf vier Euro je Kursteilnehmer steigen.«
Nichts ist umsonst im Leben und so auch hier: Eine entsprechende Anhebung würde zu diesen Mehrausgaben führen:

»Für 100.000 Integrationsteilnehmer würden sich zusätzliche Ausgaben in Höhe von 52 Millionen Euro ergeben. Rechnet man diesen Betrag auf die bis zu 550.000 Flüchtlinge hoch, die in diesem Jahr laut Ministerium an Sprachkursen teilnehmen könnten, käme man im Extremfall auf einen zusätzlichen Bedarf in Höhe von 286 Millionen Euro allein in diesem Jahr.«

Das hört sich nach einem ordentlichen Sprung an, wenn denn die – wohlgemerkt zum jetzigen Zeitpunkt nur als Forderungen einzustufenden – Zahlen realisiert werden würden.

Und was sagen die Betroffenen dazu? Zumindest die, die sich als Interessenvertreter der Betroffenen verstehen und zu Wort melden?

In dem Kontext dieser Frage sicher sehr interessant ist die Tatsache, dass am 12. April 2016 ein Offener Brief der in Integrationskursen tätigen DaF-/DaZ-zertifizierten Lehrkräfte sowie von Angehörigen des Bonner Offenen Kreises (BOK), eines Zusammenschlusses von Deutschlehrkräften, der schon seit Jahren gegen die inakzeptablen Arbeitsbedingungen von Kursleitenden in Integrationskursen und deren skandalöse Mangelfinanzierung durch den Bund ankämpfen, veröffentlicht wurde.

Die Briefeschreiber stellen fest: »Ohne eine umfassende sprachliche Vorbildung, die im Übrigen unserer Ansicht nach eine Ausweitung der Sprachkurs-Förderung über das für den Arbeitsmarkt unzureichende B1-Niveau hinaus auf mindestens B2 beinhalten sollte, wird eine Integration in Arbeit und Gesellschaft nicht gelingen.«

Und was fordern die nun?

Sie »fordern eine Festanstellung auf LehrerInnen-Niveau oder bei Freiberuflichkeit die Anerkennung der Arbeitnehmerähnlichkeit – dementsprechend 60 Euro pro Unterrichtseinheit plus
Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung.«

Das ist nun eine ordentliche Hausnummer weit weg von den aktuell seitens des Bundesinnenministeriums geforderten 35 Euro pro Stunde.

Wr dürfen gespannt sein, wie das ausgeht.

Auch auf der anderen Seite der Grenze gibt es Deutschkurse am Fließband und skandalöse Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte in Sprach- und Integrationskursen, die doch von so großer Bedeutung sind

Über die teilweise katastrophalen Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte in den Sprach- und Integrationskursen für Flüchtlinge und andere Anspruchsberechtigte in Deutschland wurde hier bereits mehrfach berichtet, beispielsweise in dem Blog-Beitrag 1.200 Euro im Monat = „Top-Verdienerin“? Lehrkräfte in Integrationskursen verständlicherweise auf der Flucht oder im resignativen Überlebenskampf vom 2. September 2015 oder der Artikel  Sinnvolle und mehr als fragwürdige Vorschläge im Windschatten der Flüchtlingsdebatte. Und dann die Sprach- und Integrationskurse mal wieder vom 13. Dezember 2015.  Bereits aus dem Februar 2015 stammt dieser Beitrag: Integration wollen alle. Und Integrationskurse für Migrantinnen werden gekürzt. Das passt nicht. Das gilt auch für die Existenz der pädagogischen Tagelöhner. Vor kurzem wurde angesichts des zunehmend um sich greifenden Bestrebens, eine Nicht-Teilnahme an den Kursen mit Sanktionen zu belegen, darauf hingewiesen, dass das angesichts der vielen fehlenden Angebote doch ein – nun ja – fragwürdiger Schwerpunkt sei: Die Annäherung an die Wahrheit liegt zwischen (rhetorischer) schwarzer Pädagogik und (naiver) „Wird schon werden“-Philosophie. Die Forderung nach einer Sprachlernpflicht für Flüchtlinge und die Wirklichkeit der „Schweizer Käse“-Angebote vom 28. März 2016. Immer wieder wird man konfrontiert mit einer ganz erheblichen Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis, zwischen dem Beschwören der besonderen Bedeutung des Erlernens der deutschen Sprache in Sonntagsreden und den praktischen Niederungen, in denen sich die an der (nicht nur) pädagogischen Front bewegen müssen.

Diese Probleme werden auch bei unseren Nachbarn in Österreich thematisiert und problematisiert – und wenn man aufmerksam liest oder zuhört, kann man viele Parallelen entdecken, aus welchen strukturellen Ursachen die Malaise entspringt.

»Zu wenig Personal, schlechte Bezahlung, mangelnde Unterrichtsqualität: Deutschtrainer für Flüchtlinge beklagen Missstände und prekäre Arbeitsbedingungen in privaten Bildungsinstituten.« So beginnt Werner Reisinger seinen Artikel Man spricht Deutsch.
Er beginnt seinen Bericht mit den Erfahrungen einer studierten Germanistin, die einige Monate Deutschkurse für Flüchtlinge und Migranten bei einem privaten Bildungsanbieter gegeben hat:

»Drei Kurse zu je drei Stunden, macht in Summe neun Stunden Unterricht – „danach bist du fix und fertig.“ In den Pausen sei sie mit administrativen Tätigkeiten beschäftigt gewesen. Sie musste dutzende Formulare ausfüllen, eine Datenbank für das AMS betreuen oder Lehrmaterial organisieren. Oft blieb nicht einmal Zeit, die Toilette aufzusuchen. In manchen Klassenräumen fehlte die für den Unterricht notwendige Infrastruktur.«

Schaut man auf die Strukturen, die hier wirken, kommt einem vieles sehr bekannt vor. Teilweise müsste man nur Begriffe austauschen oder berücksichtigen, dass das Kürzel AMS für „Arbeitsmarktservice“ steht, dem österreichischen Pendant zur Bundesagentur für Arbeit (BA) in Deutschland:

»Seit 15 Jahren vergibt das AMS per Ausschreibung Deutschkurse für Migranten und anerkannte Flüchtlinge an private Bildungsinstitute wie Ibis Akam, Mentor, ZIB Training, BIT oder an das Berufsförderungsinstitut (BFI). Zum Zug kommt, wer das inhaltlich beste und vor allem günstigste Konzept einreicht. Vor allem in Wien konkurrieren die Institute deshalb um die Aufträge des AMS. Den so entstehenden finanziellen Druck geben die Firmen an ihre Angestellten, also die Deutschtrainer, weiter – mit negativen Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität. In Zeiten vermehrter Krankenstände oder zur Urlaubszeit wird die Personalknappheit in manchen Instituten offensichtlich.
Diese wird offenbar durch fragwürdige Maßnahmen kompensiert. Fällt ein Trainer kurzfristig aus, kann ein weiterer dessen Kurs mitbetreuen. „Das bedeutet, ich muss den einen Kurs unterbrechen, um in den nächsten zu rennen – mit der Folge, dass ich mich auf keinen der beiden mehr konzentrieren kann“, so ein Trainer … Vergütet werden diese „Mitbetreuungen“ mit Essensgutscheinen – im Wert von 10 Euro pro mutbetreutem Kurs. Wenn möglich werden auch Kurse zusammengelegt, auch wenn es sich dabei um unterschiedliche Kursniveaus handelt. Die Folge: die Trainer haben nicht genügend Zeit, sich den jeweiligen Bedürfnissen der Unterrichtsteilnehmer entsprechend zu widmen. Für einen dreistündigen Deutschkurs steht den Lehrern in manchen Instituten lediglich eine Stunde für Vor- und Nachbereitung zur Verfügung – pro Woche.«

Und auch das kennen wir – eine der typischen Kollateralschäden der Ökonomisierung von pädagogischen Prozessen: Schneller, weniger (und dadurch billiger) – „natürlich“ bei gleichbleibender Qualität:

»2009 dauerte ein Deutschkurs noch vier Monate und hatte einen Umfang von 320 Unterrichtseinheiten. Seit 2015 gibt es zwei unterschiedliche Modelle mit entweder drei oder vier Monaten Laufzeit – jedoch mit nur 180 Unterrichtseinheiten.«

Werner Reisinger hat noch einen weiteren Beitrag zu dem Thema verfasst: Deutschkurse am Fließband, so ist der überschrieben. Darin enthalten eine Botschaft, auf die man auch bei uns immer wieder trifft, wenn sich Leute gegen Missstände engagieren:

»Deutschtrainer für Flüchtlinge klagen nach wie vor über Missstände. Ein Betriebsrat eines privaten Instituts, das für das AMS Deutschkurse anbietet, wurde jetzt vom Dienst freigestellt – weil er die Probleme offen anspricht.«

Sprachlehrkräfte klagen über schlechte Bezahlung, unsichere Dienstverhältnisse, mangelnde Unterrichtsqualität und enormen zeitlichen und psychischen Belastungsdruck. Und leider berichten auch die Österreicher über üble Arbeitsbedingungen, die in Deutschland im Mittelpunkt der Kritik stehen:

»Erfahrung und Ausbildung spiele bei der Einstellung der Trainer keine Rolle, zwischen Akademikern und solchen Lehrern, die nur eine Unterrichtsberechtigung erworben haben, werde nicht unterschieden. Die Verträge der Lehrenden seien an die Auftragszeiträume gebunden. Arbeitslos gewordene Trainer müssten sich erneut bei jenen Instituten bewerben, die gerade bei der Ausschreibung zum Zug gekommen sind. Vordienstzeiten aber würden nicht entsprechend angerechnet. „Wanderhuren“ nennen sich die Deutschlehrer daher scherzhaft untereinander. Im Bereich einer für die Gesellschaft so zentralen Herausforderung herrschen also offensichtlich höchst prekäre Arbeitsbedingungen.«

Um über solche Bedingungen zu berichten, braucht man natürlich O-Töne von den Betroffenen selbst, denn nur die können berichten, was in dem Bereich abgeht. Und offensichtlich will man diese Quelle verschließen, in dem man an einem ein Exempel statuiert:

»Sebastian Reinfeldt ist einer der Betroffenen. Seit Jahren arbeitet er als Deutschlehrer mit wechselnden Anstellungen für die großen Institute. Weil er in der Tageszeitung „Die Presse“ offen über die Belastungen der Trainer und die damit einhergehende schlechte Qualität gesprochen hatte, wurde Reinfeldt, der in einem großen privaten Institut auch als Betriebsrat tätig ist, vom Dienst freigestellt. Die Begründung: „betriebsschädigendes Verhalten“. Brisant dabei: Reinfeldt hatte sich im angesprochenen „Presse“ Artikel nicht konkret auf sein eigenes Institut bezogen, sondern allgemeine Kritik geäußert, wie die bereits zahlreiche Trainer getan haben.«

Die Botschaft lautet wohl: Halt den Mund, sonst bist du deinen Job los“, wird die Präsidentin des Österreichischen Verband für Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache (ÖDAF), Sabine Dengscherz, zitiert. Von diesem Verband gibt es auch eine Stellungnahme zu den Lehr- und Lernbedingungen in AMS-Deutschkursen vom 19.04.2016.

Während die Ausschreibung läuft, will man offensichtlich die laufende Diskussion über die Missstände unterbinden, so die Vermutung der ÖDAF-Präsidentin.

Wie knochenhart und in der Konsequenz als existenzbedrohend wahrgenommen der Druck in dieser Branche sein muss, wird erkennbar, wenn über eine interne E-Mail belegt werden kann, dass selbst Betriebsräte von Bildungsunternehmen – die ja eigentlich gegen schlechte Arbeitsbedingungen vorgehen sollten – gleichsam einen Maulkorb verhängen wollen:

»Einige Betriebsräte wenden sich darin an die Lehrer und ersuchen diese, nicht mit Medien über die Situation in den Deutschkursen zu sprechen. „Der Bericht in der ,Presse‘ vom 21.04.2016 über die Problematik der Deutschkurse schädigt das Vertrauen unseres Hauptauftraggebers, des AMS, und kann zu einem massiven Auftragsverlust führen“, ist darin zu lesen.«

Das sind alles ganz schlechte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit, die an erster Stelle stehen müsste – die Vermittlung der Sprache des Aufnahmelandes. Stehen müsste.