Von Jahr zu Jahr wird der Fehlbetrag größer: Hartz IV und die Stromkosten

Wenn über Hartz IV diskutiert wird, dann gibt es oftmals eine Verengung auf den Regelsatz, der im laufenden Jahr für einen Alleinstehenden bei 432 Euro im Monat liegt. Aber man muss schon genau sein, den neben dem Regelbedarf für den Lebensunterhalt nach § 20 SGB II kennt die Grundsicherung auch noch die „Bedarfe der Unterkunft und Heizung“ nach § 22 SGB II: »Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.« Das Schlüsselwort bei dieser Vorschrift ist der Terminus „angemessene Kosten“ – denn Kosten, die über der lokal festgelegten Angemessenheit liegen, müssen von den Hartz IV-Empfängern aus dem Regelsatz für den Lebensunterhalt finanziert, also abgezweigt werden. In den zurückliegenden Jahren waren das jährlich mehr als 600 Mio. Euro.
Im Durchschnitt werden 397 Euro für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu den 432 Euro gezahlt und außerdem als dritter Posten sei noch auf die Krankenversicherungsbeiträge hingewiesen, die ebenfalls zum Leistungspaket gehören.

Nun werden viele davon ausgehen, dass die Stromkosten eines Hartz IV-Haushaltes zu den „Kosten der Unterkunft und Heizung“ gehören – dem ist aber nicht so. Die sind im Regelbedarf enthalten: »Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens«, so heißt es im ersten Absatz (ohne Hervorhebung) des § 20 SGB II. Um welche Größenordnung es dabei geht, verdeutlicht der Blick auf die Zusammensetzung des Regelbedarfs:

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Kinderarmut als „unbearbeitete Großbaustelle“. Auch hier wieder bekommt die „Ein-Fünftel“-Gesellschaft viele Gesichter

Sowohl hinsichtlich der möglicherweise vor dem Aus stehenden Unternehmen wie auch hinsichtlich der coronabedingten materiellen Einschränkungen auf Seiten der Menschen wurde hier am 7. Juli 2020 in dem Beitrag Nachrichten aus der „Ein-Fünftel“-Gesellschaft davon berichtet, dass man immer wieder auf die Größenordnung von um die 20 Prozent kommt, wenn es um die Schattenseiten in unserer Gesellschaft geht.

Nun hat die Bertelsmann-Stiftung das Thema „Kinderarmut“ erneut aufgerufen und auch hier stoßen wir auf die angesprochene Relation:

»Seit Jahren ist Kinderarmut eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland. Unsere neue Analyse zeigt, dass es im bundesweiten Durchschnitt keine grundlegende Verbesserung gab. Die Corona-Krise droht das Problem der Kinderarmut zu verschärfen«, so die Stiftung unter der Überschrift Kinderarmut: Eine unbearbeitete Großbaustelle. »Nach wie vor überschattet Armut den Alltag von mehr als einem Fünftel aller Kinder in Deutschland. Das sind 21,3 Prozent bzw. 2,8 Mio. Kinder und Jugendliche unter 18, die oft viele Jahre ihrer Kindheit von Armut bedroht sind. Das ist das Ergebnis eines kombinierten Messansatzes, der sowohl die Armutsgefährdungsquote als auch Kinder im Grundsicherungsbezug berücksichtigt. Die Kinder- und Jugendarmut bleibt trotz der vor der Corona-Krise jahrelang guten wirtschaftlicher Entwicklung ein ungelöstes strukturelles Problem in Deutschland. Damit verbunden sind erhebliche Folgen für das Aufwachsen, das Wohlbefinden, die Bildung und die Zukunftschancen der Kinder.«

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Der „vereinfachte Zugang“ zur Grundsicherung nach SGB II wird verlängert – (vorerst) bis zum 30. September 2020

»Der Zugang zu den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Hilfe zum Lebensunterhalt und zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie zur existenzsichernden Leistung nach dem Bundesversorgungsgesetz wurde bereits mit dem Sozialschutz-Paket I erleichtert. Ursprünglich waren diese Regelungen bis 30. Juni 2020 begrenzt. Doch die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sind weiterhin erheblich. Deshalb hat das Bundeskabinett heute die entsprechenden Regelungen bis zum 30. September 2020 verlängert«, so das zuständige Bundesarbeitsministerium in einer Pressemitteilung vom 17. Juni 2020 unter der Überschrift Kabinett verlängert vereinfachten Zugang zur Grundsicherung.

»Die Erleichterungen in der Vereinfachter-Zugang-Verlängerungsverordnung (VZVV) betreffen insbesondere die befristete Vereinfachung der Vermögensprüfung, die befristete Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie Vereinfachungen bei der Bewilligung einer vorläufigen Entscheidung«, so das BMAS.

Diese Erleichterungen galten bislang für alle Anträge, die im Zeitraum zwischen dem 1. März und 30. Juni 2020 gestellt wurden oder noch werden. Und diese Frist wird nun nach hinten verlängert.

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Kein Durchblick vom Amt. Die Kosten einer Brille bei Hartz IV und Sozialhilfe sowie „verfassungskonforme“ 2,70 Euro pro Monat, die im Sparschwein landen sollen

Das Instrument der „Kleinen Anfrage“ wird vor allem von den Parteien auf den Oppositionsbänken gerne genutzt, um der Regierung mehr oder weniger unangenehme Fragen zu stellen. Und man kann aus den Antworten immer auch viele nützliche Informationen herausziehen. Beispielsweise eine solche:

»Die Leistungen zur Deckung der Regelbedarfe werden als pauschalierter Gesamtbetrag erbracht, dessen Ermittlung auf statistischen Methoden – basierend auf der jeweils aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes (EVS) – beruht. Die Aufwendungen für Gesundheit – worunter auch Sehhilfen fallen – sind in vollem Umfang und verfassungskonform berücksichtigt worden … Soweit die Krankenkassen Kosten für Sehhilfen nicht übernehmen, ist ein entsprechender Bedarf aus den pauschalierten Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs zu bestreiten. Sollten die Eigenleistungen für Sehhilfen im Einzelfall hieraus nicht erbracht werden können und handelt es sich nach den Umständen um einen unabweisbaren Bedarf, kann der zuständige Träger der Grundsicherung gegebenenfalls ein zinsloses Darlehen erbringen.«

So antwortet die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag:
➔ Kosten für Brillen bei Hartz IV und Sozialhilfe, Bundestags-Drucksache 19/19519 vom 27.05.2020.

Wenn man sich die einführenden Worte der fragestellenden Fraktion anschaut, dann wird man sehr schnell ahnen, dass das als eine mehr als unbefriedigende Auskunft gewertet wird:

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Mit Wumms aus der Krise? Licht und Schatten des umfangreichen Konjunkturprogramms für Menschen mit niedrigen Einkommen

Das war eine länger als geplante Partie, die da in Berlin gespielt wurde, bis endlich am vergangenen Mittwoch Abend das Ergebnis zweitägiger Verhandlungen über ein großes Konjunkturprogramm verkündet werden konnte. Das aber hatte es dann durchaus in sich. Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD hat versucht, einen semantischen Fußabdruck zu setzen, als er sagte, man wolle nun „mit Wumms aus der Krise kommen“. Folgt man der Häufigkeit, mit der sein „Wumms“ in den Medien aufgegriffen wurde, dann ist ihm das auch gelungen. Und man muss sich vor Augen halten, dass wir hier über gigantische Größenordnungen sprechen: Allein das nunmehr geschnürte Konjunkturpaket der Bundesregierung wird ein Volumen von (mindestens) 130 zu den bisherigen Rettungsprogrammen zusätzlichen Milliarden Euro haben, während gleichzeitig die Europäische Zentralbank (EZB) ihr zu Beginn der Krise aufgelegtes neues Anleihekaufprogramm von 750 auf 1.350 Milliarden Euro aufgestockt hat.

Im Mittelpunkt der allgemeinen Berichterstattung über das neue Konjunkturprogramm stehen Aspekte wie die erwartete, von vielen kritisierte und dann schlussendlich gestoppte Kaufprämie für alle Neuwagen, also auch Benziner und Diesel-Fahrzeuge. Oder der auch für viele Ökonomen eher überraschende Schritt, (vorerst) für ein halbes Jahr die Mehrwertsteuer abzusenken und zu hoffen, dass das auch an die Verbraucher weitergegeben wird. Insgesamt wird man wohl bilanzieren dürfen, dass es von vielen Seiten eine grundsätzliche Zustimmung zu dem 57 Maßnahmen umfassenden Paket (Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken. Ergebnis Koalitionsausschuss 3. Juni 2020) gibt, wenngleich jetzt, nachdem der erste Nebel verzogen ist, Detailaspekte auch kritisch diskutiert werden (beispielsweise, dass es offensichtlich nicht so ist, dass eine kurzfristige Mehrwertsteuersenkung einfach per Knopfdruck umgesetzt werden kann, vgl. dazu z.B. Handel fürchtet Millionenkosten durch Mehrwehrtsteuersenkung.)

Aber hier soll es um einen ganz besonderen Aspekt gehen: Was bringt das umfangreiche Maßnahmenpaket Menschen mit niedrigen Einkommen (nicht)?

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