Das gehört an den Anfang einer jeden Auseinandersetzung mit dem „Wohnungsmarkt“: Wir sprechen hier nicht über die Frage, ob man sich mehr oder weniger von etwas leisten kann. Ob es heute oder vielleicht erst morgen oder übermorgen finanzierbar ist. Wir sprechen über eine existenzielle Angelegenheit. Ein Dach über dem Kopf. Einen warmen Ort. Ein Rückzugsgebiet. Zugleich ist selbst das in der Umlaufbahn der alles umschlingenden Marktkräfte mit ihren Eigenheiten von Angebot und Nachfrage, die man nicht wegdefinierten kann, was man besonders dann schmerzhaft zu spüren bekommt, wenn die Relationen zwischen Angebot und Nachfrage ins Ungleichgewicht rutschen und sich dort häuslich einrichten. Das ist natürlich ein echtes Problem für diejenigen, die sich aus welchen Gründen auch immer nur billigen Wohnraum leisten können oder deren tatsächliche oder unterstellte Merkmale zu einem Ausschluss bei den Vermietern führen, die also einfach nicht zum Zuge kommen können. Aber auch die, denen (noch) eine bezahlbare Wohnung vergönnt ist, stehen unter echtem Druck, denn jede Veränderung würde in vielen Städten zu einer erheblichen Kostensteigerung führen. Genau an dieser Stelle hat der Gesetzgeber ein Einsehen gehabt und zwischenzeitlich das Instrumentarium der „Mietpreisbremse“ eingeführt, um den Prozess der beobachtbaren Mietsteigerungen zwar nicht aufzuhalten , aber wenigstens abzubremsen.
Flüchtlinge
„Mit Quickies kommen wir nicht weiter“. Flüchtlinge, Jobcenter und der Arbeitsmarkt
Nach Ansicht der Ökonomen wird 2016 die lange Phase sinkender Erwerbslosigkeit enden. Das liegt vor allem an den hohen Flüchtlingszahlen, so Stefan Sauer in seinem Artikel mit der harten Überschrift Konkurrenz um Billigjobs nimmt wegen Flüchtlingen zu. Der erwartete Anstieg resultiert vor allem aus den vielen Flüchtlingen, die meist ohne Sprachkenntnisse und kaum kompatibler Berufsausbildung zunächst in der Arbeitslosigkeit landen. Höchstens zehn Prozent der anerkannten Asylbewerber im Erwerbsalter werden in kurzer Zeit eine Stelle finden, prognostizieren Arbeitsmarktexperten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), so Sauer. Daran anknüpfend hat sich eine – typische – Ökonomen-Debatte entwickelt, die vor allem von Befürwortern einer neuen Deregulierungswelle vorangetrieben wird: »Ihr Kernargument lautet: Nur wenn gesetzliche Hürden abgebaut werden, haben Flüchtlinge Aussichten auf baldige Einstellung.« Da verwundert es nicht, dass in diesem Kontext sogleich eine der letzten Regulierungsschritte auf dem deutschen Arbeitsmarkt – also die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 – teilweise bzw. auch ganz wieder zur Disposition gestellt wird.
Der Deutsche Landkreistag regte unlängst an, in den ersten drei Monaten nach der Anstellung sollten Firmen Flüchtlinge weniger als die gesetzlich vorgeschrieben 8,50 Euro pro Stunde zahlen dürfen (vgl. Landkreistag fordert zeitlich begrenzte Ausnahmen vom Mindestlohn für Flüchtlinge). Der Wirtschaftsrat der CDU sprach sich ebenfalls für befristete Ausnahmen beim Mindestlohn aus. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) plädiert dafür, den Mindestlohn in Einstiegs- und Qualifizierungsphasen auszusetzen (vgl. Haseloff fordert Ausnahmen vom Mindestlohn für Flüchtlinge).
Am konsequentesten argumentiert mal wieder Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut in München. Schon am 14. September ließ er uns wissen: Ohne Abstriche beim Mindestlohn finden viele Zuwanderer keine Arbeit. Er bleibt in der klassischen Denkweise, die schon im Vorfeld des Mindestlohngesetzes dazu geführt hat, dass er und sein Institut vehement gegen den gesetzlichen Mindestlohn argumentiert haben. Man bewegt sich im idealtypischen Modell von Angebot und Nachfrage, die durch den Preisbildungsmechanismus schon zum Ausgleich gebracht werden. Und wenn wir nach dieser Logik mit einem (Arbeits)Angebotsüberschuss an schlecht bis gar nicht qualifizierten Flüchtlingen konfrontiert sind, dann muss man eben deren Preis absenken, um die Nachfrage nach ihnen zu erhöhen. Im Original liest sich das dann so:
»Auch wenn die Produktivität vieler Asylsuchender wegen der Sprachprobleme und der eher schlechten Ausbildung vorläufig noch gering ist, ist sie doch keineswegs null … Um die neuen Arbeitskräfte in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren, wird man den gesetzlichen Mindestlohn senken müssen, denn mehr Beschäftigung für gering Qualifizierte gibt es unter sonst gleichen Bedingungen nur zu niedrigerem Lohn. Nur bei einem niedrigeren Lohn rutschen arbeitsintensive Geschäftsmodelle über die Rentabilitätsschwelle und finden sich Unternehmer, die bereit sind, dafür ihr Geld einzusetzen.«
Dass der Arbeitsmarkt eben nicht so einfach tickt, wie es sich die Anhänger dieses – nun ja – vulgärokonomischen Modells zu denken scheinen, soll hier gar nicht diskutiert werden. Aber an einem Punkt muss man Sinn durchaus zustimmen, wenn man sich auf seine Logik einlässt: Er argumentiert in neueren Veröffentlichungen, z.B. im Handelsblatt vom 20. Oktober 2015, dass es keinen Sinn macht, den Mindestlohn nur für Flüchtlinge abzusenken, denn dann würde eine neue Verzerrung zuungunsten der Nicht-Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt und bei den Einstellungsentscheidungen produziert werden.
»Die billigeren ausländischen Arbeitskräfte würden einheimische Arbeitnehmer, die weiterhin mit 8,50 Euro zu entlohnen wären, allzu häufig in die Arbeitslosigkeit verdrängen. Die Gesamtbeschäftigung im Segment der Niedrigqualifizierten bliebe weiterhin durch den zu hohen Mindestlohn fixiert«, schreiben Michele Battisti und Gabriel Felbermayr in ihrem die Position von Sinn stützenden Artikel Migranten im deutschen Arbeitsmarkt: Löhne, Arbeitslosigkeit, Erwerbsquoten (S. 46).
Also muss der Mindestlohn für alle weg. Wenn schon, denn schon.
Offensichtlich bewegen wir uns hier auf verminten Gelände. Die nächste Welle der Deregulierung steht bevor, so haben Christoph Deutschmann und Roland Springer ihren Artikel dazu überschrieben. Obgleich die beiden sehr skeptisch sind, was die Erwartungen der Arbeitsmarktintegrationsoptimisten angeht – sie gehen davon aus, dass »der gegenwärtige (und der politisch gewollte künftige) Bevölkerungszustrom eine Situation (schaffen wird), in der ein begrenztes Angebot an Arbeitsplätzen im niedrig qualifizierten Industrie- und Dienstleistungssektor auf eine stark zunehmende Nachfrage stößt. Selbst prekäre Jobs und Ausbildungsplätze werden wie nie zuvor gefragt sein, weil viele Migranten alles tun werden, um einen Fuß in die Tür des deutschen Arbeitsmarktes zu bekommen. Die Konkurrenz zwischen Einheimischen – inklusive der hier ansässigen Migranten, die viele Randarbeitsplätze ja schon besetzen – und Zuwanderern wird sich dann fühlbar verschärfen, nicht nur am Arbeits-, sondern auch am Wohnungsmarkt.«
Darüber hinaus:
»Für Arbeitgeber ergibt sich daraus eine Traumkonstellation: Nicht nur ist oft mit einer im Vergleich zu den Einheimischen höheren Leistungsbereitschaft vieler Migranten zu rechnen, wie auch die Erfahrungen in älteren Einwanderungsländern lehren. Auch die Löhne werden sinken und der Mindestlohn als Vorzeigeprojekt der SPD könnte bald zur Disposition stehen, wenn es um die Frage geht, ob 8,50 € Stundenlohn nicht die Beschäftigung von Flüchtlingen behindern.«
Bei einer solchen Konfiguration macht es natürlich gar keinen Sinn, wenn man die Abschaffung des Mindestlohns nur auf die Flüchtlinge begrenzen würde, denn zum einen würde dies deren „Wettbewerbsvorteil“ beispielsweise gegenüber einheimischen Langzeitarbeitslosen durch die Bereitschaft, (fast) alles zu tun, nochmals potenzieren und zum anderen würde das Sinn’sche Ziel, durch eine generelle Abschaffung der staatlich gesetzten Lohnuntergrenze die Arbeitsnachfrage im Niedrigstlohnbereich auszudehnen, nicht erreicht werden können.
Nun kann man ja den ganzen Ansatz von Sinn & Co. durchaus kritisch sehen. So auch der Arbeitsmarktforscher Karl Brenke vom DIW, den Stefan Sauer in seinem Artikel so zu Wort kommen lässt:
„Kein Gastwirt wird die Geschirrspülmaschine abschaffen, um Flüchtlinge als Tellerwäscher einzustellen, nur weil er für sie den Mindestlohn nicht zahlen müsste.“ Zum zweiten seien die massenhaften Jobverluste, die etwa Ifo-Chef Sinn vor Einführung des Mindestlohns vorausgesagt hatte, ausgeblieben. „Daraus lässt sich ableiten, dass umgekehrt auch ein Aussetzen des Mindestlohns keine großen Effekte haben wird und also keine zusätzlichen Jobs entstehen.“
Und wie sieht es derzeit wirklich aus, soweit man das angesichts der in mehrfacher Hinsicht unklaren Gefechtslage überhaupt genau beschreiben kann? Das IAB der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht regelmäßig einen Zuwanderungsmonitor, der einen Zahleneindruck vermitteln kann. Die Oktober-Ausgabe ist zusammengefasst in dem Artikel Flüchtlinge haben schlechte Jobchancen. Daraus einige interessante Punkte:
Das IAB rechnet für dieses Jahr mit 324.000 Asylbewerbern im erwerbsfähigen Alter, im Jahr 2016 mit 610.000. Die Forscher unterstellen dabei für beide Jahre einen Zustrom von jeweils einer Million Flüchtlingen. Für 2016 geht das IAB von einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um 130.000 aus – man muss wohl anfügen: der registrierten Arbeitslosigkeit, der Hartz IV-Bezug wird deutlich größer ausfallen.
»IAB-Untersuchungen haben ergeben, dass im ersten Jahr im Schnitt lediglich acht Prozent der 15 bis 64 Jahre alten Flüchtlinge in Deutschland eine Arbeit gefunden haben. Und selbst nach fünf Jahren hatte nur jeder zweite Flüchtling einen Job, nach zehn Jahren waren es 60 Prozent und nach 15 Jahren knapp 70 Prozent. Immerhin, so betonen die Arbeitsmarktforscher, haben Flüchtlinge langfristig ähnlich gute Jobchancen in Deutschland wie Inländer – wenn sie nur ausreichend lang in Deutschland leben.«
Auch die Beschäftigungssegmente, in denen sich die Flüchtlinge konzentrieren, sind nicht überraschend:
»Branchenbezogenen unterscheiden sich die Beschäftigungschancen von Migranten aus Kriegs- und Krisenländern deutlich von denen der übrigen Beschäftigten. Jeder vierte Flüchtling aus einem Krisenland stammende Beschäftigte arbeitet in Hotels und der Gastronomie. Jeder fünfte ist als Lagerist, Fahrer oder im Handel beschäftigt. Auch einfachere Tätigkeiten etwa als Gebäudereiniger oder Wachmann werden im Vergleich zu deutschen Beschäftigten weitaus häufiger von Flüchtlingen ausgeübt.«
Die vergleichsweise geringe Qualifikation, aber auch die Sprachprobleme vieler Flüchtlinge wird dafür verantwortlich gemacht. Auch von dieser Seite muss man also skeptisch an die Frage herangehen, ob eine nennenswerte Arbeitsmarktintegration zu nicht massiv verzerrenden Bedingungen schnell möglich sein wird. Das wird dauern. Und nur anteilig gelingen, wenn das zentrale Nadelöhr – also die Sprachkenntnisse – so schnell und intensiv wie möglich angegangen wird und daran anschließend möglichst viele gerade der jungen Flüchtlinge in eine ordentliche Ausbildung gebracht werden. Das aber wird zusammengenommen gut und gerne mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Denn auch die von manchen Beschleunigern in die Diskussion geworfenen Kurzzeit-Ausbildungen müssen als Irrweg betrachtet werden (vgl. dazu den Artikel „Sie hätten auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance“ von Florian Diekmann über Kurzausbildungen für Flüchtlinge).
Und wir sollten an dieser Stelle nicht vergessen, dass viele der Flüchtlinge im kommenden Jahr in großer Zahl im Hartz IV-System und damit in den Jobcentern, aufschlagen werden. Hierzu ein aufschlussreiches Interview mit Thomas Lenz, dem Vorstandsvorsitzenden des Jobcenters Wuppertal: „Sie sind alle hochmotiviert“. Das Gespräch verdeutlicht auch, was an zusätzlichen Belastungen auf die Jobcenter – die ja schon bislang enorm unter Druck waren und sind – zukommen wird. Auf die Frage, um wie viele Menschen es in Wuppertal geht, antwortet Lenz:
»Rund 900 so genannte geduldete Personen, deren Asylantrag bereits abgelehnt worden ist, die aber aus humanitären Gründen bleiben dürfen. Dazu kommen monatlich zwischen 200 und 400 anerkannte Asylbewerber, die meisten von ihnen sind Syrer. Im Oktober 2014 waren bei uns 460 Syrer registriert, jetzt sind es 1.448 alleine aus dieser Personengruppe und die Zahl wird weiter ansteigen. Denn wer anerkannt ist, darf seine Familie nachholen. Wir laufen uns gerade erst warm, denn wenn das Asylverfahren beschleunigt wird, kommen pro Jahr 2.000 bis 4.000 dazu.«
Damit einher geht eine enorme Verschiebung dessen, womit sich die Jobcenter auseinandersetzen müssen: Früher »kamen vielleicht eine Handvoll Menschen, die aber meist schon lange in Deutschland lebten, die Sprache beherrschten und in einem sozialen Umfeld eingebunden waren. Heute sind es traumatisierte Menschen, die zum Teil schreckliche Erfahrungen auf der Flucht gemacht haben, die Angst um ihre Familien haben, mit denen wir uns kaum verständigen können, trotz Dolmetscher, da viele nur bestimmte Dialekte beherrschen.«
Was das für die Arbeitsmarktpolitik bedeutet bzw. bedeuten müsste, kann man der folgenden Aussage entnehmen: Hinsichtlich der schulischen und beruflichen Qualifikation der neuen „Kunden“ der Jobcenter berichtet Lenz:
»… klar gibt es den syrischen Architekten oder die Ärztin, aber das ist die Ausnahme. Viele Flüchtlinge sind noch sehr jung. Diese Menschen haben die letzten Jahre unter Kriegsbedingungen gelebt, in Syrien gibt es kein funktionierendes Ausbildungs- oder Schulsystem mehr. Wer einen Abschluss oder einen Beruf erlernt hat, dem fehlen die Nachweise, die auf der Flucht verloren gegangen sind. Diese Klientel ist nicht nach einem Bewerbungstraining fit für den Arbeitsmarkt, dafür brauchen wir langfristige Maßnahmen und Sprachkurse.«
Das ist der Punkt und Lenz wird hier deutlich, als er nach geplanten Qualifizierungsmaßnahmen gefragt wird: „Mit Quickies kommen wir nicht weiter“. Und weiter: »Bei den Weiterbildungsmaßnahmen bauen wir Sprachmodule ein, wir wollen diese Menschen nicht parken, bis sie einen Platz in einem Sprachkurs finden.« Auf die naheliegende Frage, warum denn das Jobcenter nicht selbst das Nadelöhr Sprachkenntnisse mit Sprachkursen angeht, bekommt man eine Antwort, die wieder einmal verdeutlicht, was sich endlich ändern muss: »Wir dürfen es nicht. Bisher sieht man den klassischen Arbeitslosen als einen Menschen an, der vorübergehen seinen Job verloren hat. Mit einigen Qualifizierungsmaßnahmen sollen wir ihn wieder fit für den ersten Arbeitsmarkt machen. Das funktioniert jedoch in vielen Fällen nicht.«
So ist das. Bleibt noch anzumerken: Obwohl wir wissen, dass im kommenden Jahr mehrere hunderttausend Flüchtlinge im Hartz IV-System aufschlagen werden, wissen die Jobcenter, von denen bereits heute bei vielen Land unter ist, noch nicht einmal, wie viel Geld und Personal im kommenden Jahr zur Verfügung stehen wird. Es gibt eine Menge Baustellen, auf denen man schon längst was tun könnte und müsste. Irgendwie erinnert einen das an viele Baustellen auf unseren Autobahnen, so bitter das klingen mag.
„Ich stöhne jeden Tag.“ Und: „Unser früherer Kundenkreis ist ja nicht weg“. Bittere Verteilungsfragen ganz unten, wo Flüchtlinge auf Obdachlose treffen
Rund 2.000 bis 3.000 Menschen leben in Berlin, die im Freien schlafen müssen, in Parks, unter Brücken, in leeren Gebäuden. Genaue Zahlen gibt es nicht. Aber es gibt Zahlen, die drastisch zeigen, wie stark das Problem gewachsen ist. Jürgen Mark, Leiter der Notunterkunft der Berliner Stadtmission, sagt: „An bestimmten Tagen müssen wir bis zu 350 Menschen abweisen. Das kannten wir früher nicht.“ Wenn 73 Betten belegt sind, wird zugemacht. Das hat mit Brandschutz zu tun, mit Fluchtwegen.
Und Martin Zwick, Geschäftsführer der Stadtmission, wird mit diesen Worten zitiert: „Die Konkurrenz zur Flüchtlingsarbeit ist da, man muss es so sagen.“ Es ist eine Konkurrenz am Rande der Gesellschaft, unter Menschen, die fast nichts mehr haben. Eine Konkurrenz auch um eines der 73 Betten.
Unter den Abgewiesenen sind viele Flüchtlinge.
»Sie kommen, weil sie in anderen Heimen nicht unterkommen oder weil das Sozialamt keinen Platz für sie hat und sie zur Franklinstraße schickt. Dann stehen sie vor der Tür mit anderen Obdachlosen, die seit Jahren kommen. „Unser früherer Kundenkreis ist ja nicht weg“ … .«
Die Flüchtlinge zu versorgen, ist ein zusätzliches Problem. „Es gibt welche, die eine Anerkennung haben, aber keine Wohnung finden. Auf diese Menschen sind wir gar nicht vorbereitet. Und die soziale Wohnhilfe in den Bezirken auch nicht“, so Karen Holzinger, die bei der Stadtmission für die Kältehilfe zuständig ist.
Wie dramatisch die Situation ist, verdeutlichen diese Zahlen, die eigentlich eine Verbesserung der Lage in Berlin signalisieren sollen:
»In diesem Winter soll die Zahl der Notschlafplätze der Kältehilfe auf 700 aufgestockt werden. Das heißt aber auch, dass mindestens doppelt so viele Obdachlose draußen schlafen müssen. Und selbst das ist nicht gesichert. Denn es muss ja erst mal Gebäude geben. Aber die Kältehilfe findet kaum welche.«
Die Helfer vor Ort und ganz unten müssen dann selektieren. Und zunehmend zwischen „alten“ Obdachlosen und „neuen“ Flüchtlingen. Was für eine bittere Arbeit.
Und auch das gibt es:
»Bei Heimleiter Mark meldete sich mal ein sturzbetrunkener Partygänger, der weder Kraft noch Lust hatte, nach Hause zu torkeln. Er wollte hier seinen Rausch ausschlafen. Er war blau, aber diese Botschaft verstand er trotzdem: abgewiesen.«
Quelle: Frank Bachner: Flüchtlinge und Obdachlose stehen in Konkurrenz (29.10.2015)
Wohnst Du noch oder schon? Und wie? Von der „Marktekstase“ bis hin zur Suche nach praktischen Lösungen für ein Dach über dem Kopf
Die Wohnungsfrage, die für Menschen mit niedrigen bis hin zu mittleren Einkommen – bereits seit langem vor dem Ankommen der vielen Flüchtlinge – vor allem in vielen (groß)städtischen Regionen eine höchst brisante war und ist, wurde im Beitrag (Nicht-)Wohnen: Die alte neue soziale Frage. Von einem Sprengsatz in unserer Gesellschaft mit erheblicher Splitterwirkung bereits als eine der zentralen sozialpolitischen Herausforderungen aufgerufen. Und die Bundesregierung liefert selbst einen Beitrag für die in diesem Kontext zu führenden Diskussionen, wurde doch nun der neue, alle vier Jahre vorzulegende Wohngeld- und Mietenbericht 2014, der den Zeitraum 2011 bis 2014 abdeckt, veröffentlicht (vgl. dazu beispielsweise Es wird eng in den Städten: »In Deutschlands Groß- und Universitätsstädten wird es immer schwieriger, bezahlbare Wohnungen zu finden. Das betrifft zunehmend auch Mieter mit mittlerem Einkommen.« Das zuständige Bundesbauministerin führt zum Wohngeld- und Mieterbericht 2014 aus: »Die seit 2009 zu verzeichnende Dynamik auf den Wohnungsmärkten der wirtschaftsstarken Zuzugsräume und vieler Groß- und Universitätsstädte hält weiter an. Hier sind weiterhin deutliche Mietsteigerungen und vielerorts spürbare Wohnungsmarktengpässe zu verzeichnen. Die aktuell hohen Flüchtlingszahlen verstärken die vorhandenen Knappheiten auf den Wohnungsmärkten zusätzlich. Vor allem einkommensschwächere Haushalte, aber auch zunehmend Haushalte mit mittleren Einkommen, haben Schwierigkeiten eine bezahlbare Wohnung zu finden.«
(Nicht-)Wohnen: Die alte neue soziale Frage. Von einem Sprengsatz in unserer Gesellschaft mit erheblicher Splitterwirkung
Es soll und kann an dieser Stelle gar nicht ausgeführt werden, dass die Wohnungsfrage schon immer eine hoch brisante Problematik war (und ist), vor allem für die vielen Menschen mit keinem oder nur geringen Einkommen, in den attraktiven Großstädten bis hinein in die ganz „normale“ Mittelschicht. Auch in diesem Blog wurde bereits mehrfach die Wohnungspolitik als ein hoch relevantes sozialpolitisches Handlungsfeld aufgerufen, so beispielsweise mit dem Beitrag Eine expandierende Großbaustelle mit offensichtlichen Baumängeln: Die Wohnungsfrage als eines der zentralen sozialen Probleme der vor uns liegenden Jahre vom 16. September 2015 oder am 12. Juni 2015 der Beitrag Wohnungspolitik: Wenn die Bremse kaum bremst und wenn, dann für die anderen, die Makler nicht mehr so einfach auf Kosten Dritter makeln können und letztendlich einfach Wohnungen fehlen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Und dieser Beitrag knüpft von der Wortwahl bewusst an einen Beitrag aus dem September 2014 an, der so überschrieben wurde: Wohnst Du schon oder suchst Du noch? Die Wohnungsfrage als neue alte soziale und „Markt“-Frage, zunehmend auch für die „Mitte“.
Die enorme Zuwanderung der letzten Monate ist derzeit das alles beherrschende Thema in den Medien. Dabei dominiert zwangsläufig die Berichterstattung über den Notfall-Modus, in dem sich die Systeme gegenwärtig befinden. In den vor uns liegenden, kälter werdenden Wochen wird es vor allem um die Frage gehen, wie man die vielen Menschen irgendwie irgendwo winterfest unterbringen kann. Aber man muss zugleich daran denken, wie das dann weitergehen kann und soll. Die Zuwanderer brauchen Wohnungen und sie werden vor allem günstigen Wohnraum brauchen.
Den aber brauchen andere, die schon immer hier waren, auch ganz dringend. Es ist ja derzeit kein Mangel an irgendwelchen attraktiven und damit teuren Wohnungen, sondern für die vielen unter dem Durchschnitt reicht das Wohnraumangebot schon heute vorne und hinten nicht. Und es ist nun mal so: Die Zuwanderung der vielen Flüchtlinge wird den Verteilungskampf in den unteren Etagen erheblich befeuern.