Eine schlaffe Selbstverpflichtung in der Fleischindustrie mit geschrumpften Mindestlöhnen und Flüchtlinge in der Putzwirtschaft, die weit weg sind vom Mindestlohn

Wir erinnern uns alle: Als der gesetzliche Mindestlohn am 1. Januar 2015 eingeführt wurde, da ging es neben der – zwischenzeitlich durch die Realität widerlegten – Angstproduktion vor einem Jobkiller Mindestlohn vor allem um das angebliche Bürokratiemonster, das man in die freie Wildbahn entlassen habe und andererseits um die Vermutungen, dass einige Arbeitgeber das machen werden, was wir auch aus anderen Regelungsbereichen kennen – also die Regelung zu unterlaufen oder zu umgehen versuchen. Zwischenzeitlich hat sich das Interesse der Öffentlichkeit in andere Bereiche verlagert – immer der richtige Moment, genauer hinzuschauen, wo andere wegschauen. Auch deshalb wegschauen, weil man durch markige Ankündigungen eine deutliche Verbesserung einer vorher heftig kritisierten Situation versprochen hat. Was sich nicht selten als Beruhigungspille herausstellt. 

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Briefkastenfirmen nicht nur in Panama, sondern auch auf deutschen Schlachthöfen. Und „ausgeflaggte“ Lastkraftwagen gibt es auch

Anfang April dieses Jahres rauschte der Terminus Briefkastenfirma durch die Medien. Auslöser war die Veröffentlichung der „Panama Papers“. 2,6 Terabyte Daten, ​11,5 Millionen Dokumente, 214.000 Briefkastenfirmen: Die Panama Papers sind das größte Daten-Leak, mit dem Journalisten bislang gearbeitet haben. Es konnte zahlreiche Personen entschlüsselt werden, die ihre Gelder in dubiosen Steueroasen parken. Was ist eigentlich eine Briefkastenfirma?

»Briefkastenfirmen sind im Grundsatz bloße Hüllen mit einem offiziellen Eintragungsdatum und Firmennamen, hinter denen keine oder nur eingeschränkte wirtschaftliche Aktivität steckt. Letztlich haben sie nur die Aufgabe, ein Vermögen zu verwalten. Sehr häufig sind sie in fernen Regionen in sogenannten Steueroasen wie auf den Bahamas oder den British Virgin Islands beheimatet, deswegen werden sie auch „Offshore-Firmen“ genannt. Dort sind nur sehr wenige Steuern fällig, Geschäfte können dort diskret und relativ unbeobachtet abgewickelt werden.«

Aber was bitte hat das mit sozialpolitischen Themen zu tun?

Briefkastenfirmen werden oft zur Steuervermeidung genutzt. Doch immer häufiger werden sie auch eingesetzt, um entsandte Beschäftigte auszubeuten und zu schlechteren Arbeits- und Einkommensbedingungen einzusetzen.

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Arbeitswelten: In der Fleischindustrie ist alles besser geworden! Wirklich? Und beim Daimler sprudeln die Gewinne – und die Fremdvergabe boomt

Viele werden sich erinnern an die Reportagen, Dokumentationen und Artikel, in denen die Verhältnisse im „Billigschlachthaus“ Deutschland angeprangert wurden, vor allem die Ausbeutung osteuropäischer Werkvertragsarbeiter, nicht nur hinsichtlich einer extrem niedrigen Bezahlung, sondern auch angesichts teilweise nur noch als kriminell zu bezeichnender Unterbringungsverhältnisse. Und keiner möge behaupten, dass mediale Berichterstattung nichts verändern kann – sie kann Druck aufbauen, Politiker zum Jagen tragen, Verbesserungen auslösen. Das war gerade in dieser Schmuddel-Branche der Fall (vgl. dazu auch den Beitrag Billig, billiger, Deutschland. Wie sich die Umsätze in der deutschen Fleischindustrie verdoppeln konnten und warum der Mindestlohn ein fragiler Fortschritt ist vom 15.11.2014). Zugleich lehrt die Erfahrung, dass man immer wieder die Dinge auf Wiedervorlage legen muss, um nachzuschauen, ob die Veränderungen nur angekündigt oder temporärer Natur waren und sich zwischenzeitlich eventuell die alten Verhältnisse wieder eingestellt haben. »Etwa ein Jahr ist es her, dass die Fleischbranche feierlich Besserung gelobte: Die Ausbeutung osteuropäischer Billiglöhner, von Subunternehmen in die Schlachthöfe geschickt, sollte ein Ende haben, ebenso die Unterbringung der Menschen in Schrottimmobilien zu Wuchermieten.« So beginnt ein Artikel von Karl Doeleke, mit der allerdings die Hoffnungen relativierenden Überschrift Zweifel an Reformen in der Fleischindustrie. Damals wurde ein Verhaltenskodex der Fleischwirtschaft ins Leben gerufen, der auch Mindestlohn und soziale Standards für Wohnungen regelt. Überwacht werden soll der von unabhängigen Wirtschaftsprüfern. Hört sich gut an. Nun aber hat die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ das gemacht, was bereits angedeutet wurde – den Sachverhalt nicht nur auf Wiedervorlage legen, sondern ihn auch mit Leben füllen, in dem einige scheinbar einfache Fragen gestellt werden: Werden die Regeln im Kodex alle umgesetzt? Welche Schlachtkonzerne verpflichten ihre Subunternehmer dazu? Wie wird die Einhaltung überwacht? Die Antworten darauf fielen sparsam aus.

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