Erwerbsminderungsrentner: Mehr Geld trifft auf „IT-Probleme“ einer Massenverwaltung. Die Rentenversicherung als Teil der expandierenden Mangelwirtschaft?

Die Erwerbsminderungsrente ist kein Orchideen-Bereich der Alterssicherung. »Der Verlust der Erwerbsfähigkeit ist ein unterschätztes Einkommensrisiko. Erwerbsminderung ist für die überwiegende Mehrheit gleichbedeutend mit dem Wegfall ihrer wichtigsten Einkommensquelle, ihrem Lohn«, so Johannes Geyer in seinem Beitrag Erwerbsminderungsrente: Weiterer Reformbedarf, der im Mai 2023 veröffentlicht wurde. »Immerhin gehen rund 160.000 Menschen jährlich in eine Erwerbsminderungsrente. Im Rentenbestand sind es 1,8 Mio. Menschen, hinzu kommen etwa 2,7 Mio. Menschen, die inzwischen eine Altersrente beziehen. Bezogen auf alle Alters- und Erwerbsminderungsrenten liegt der Anteil der ursprünglich Erwerbsgeminderten bei immerhin 22 %.« Und er verweist auf die seit langem beklagte Problematik der Armutsbetroffenheit in dieser Gruppe: »Von den Erwerbsgeminderten, die die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben, gilt etwa ein Drittel als armutsgefährdet, die Grundsicherungsquote (bei unbefristeten Renten) liegt aktuell bei 15 %.« Seit Jahren wird eine Verbesserung der Situation der Erwerbsminderungsrentner gefordert. Und es ist nicht nur bei Forderungen geblieben.

Rückblickend muss man sagen: Für die Menschen, die auf eine Erwerbsminderungsrente angewiesen sind, wurde in den vergangenen Jahren einiges getan. Der Gesetzgeber hat in den zurückliegenden Jahren mehrfach an der wichtigen Stellschraube der „Zurechnungszeiten“ gedreht, um die finanzielle Situation der Erwerbsminderungsrentner zu verbessern.

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Sozialverbände scheitern (auch) vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Klage gegen eine Stichtagsregelung zuungunsten der vielen „alten“ Erwerbsminderungsrentner

Wir reden beim Thema Erwerbsminderungsrenten nicht von einer kleinen Gruppe oder gar Einzelfällen. Beispiel 2021: In diesem Jahr wurden 848.000 Altersrenten neu bewilligt, hinzu kamen 166.000 Erwerbsminderungsrenten, die neu bewilligt und ausgezahlt wurden. In den vergangenen Jahren lag der Anteil der neuen Erwerbsminderungsrenten an allen neuen Renten immer zwischen 16,2 bis 18,2 Prozent. Man muss zudem berücksichtigen, dass zahlreiche Anträge auf eine EM-Rente abgelehnt worden sind bzw. werden: Insgesamt wurden im Jahr 2021 knapp 352.000 Anträge auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt. Bewilligt wurden gut 175.000 (vgl. zu diesem Thema bereits den Beitrag Über den (Nicht-)Zugang zur Erwerbsminderungsrente vom 22. April 2019). Das durchschnittliches Zugangsalter in Erwerbsminderungsrenten betrug 2021 bei den Männern 54,1 Jahre und bei den Frauen 53,1 Jahre.

Und immer wieder wurde in den vergangenen Jahren angemahnt, die finanzielle Situation der Erwerbsminderungsrentner zu verbessern – was die Politik durchaus in mehreren Schritten auch gemacht hat, also zumindest für einen Teil dieser Rentner, im Regelfall für die nach der gesetzlichen Neuregelung dann neu hinzukommenden Erwerbsminderungsrenten. Bis vor kurzem sind die vielen, die sich bereits im Bezug einer solchen Rente befanden, von den Verbesserungen auf der Leistungsseite ausgeschlossen worden.

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Eine weitere Flexibilisierung des Renteneintritts oder „süßes Gift“? Die Begrenzung der Hinzuverdienste bei vorgezogenen Altersrenten fällt zum 1. Januar 2023

Am 27. August 2022 wurde hier in dem Beitrag Die Hinzuverdienstbegrenzung bei vorgezogener Altersrente soll gestrichen werden (dort auch eine genaue Darstellung der bisherigen Begrenzungen der Hinzuverdienste bei einem vorzeitigen Rentenbezug) noch über eine Absicht des Gesetzgebers berichtet, die zwischenzeitlich Wirklichkeit geworden ist: Wer vorzeitig in Rente gegangen ist und nebenher noch arbeitet, muss künftig nicht mehr aufpassen, dass er nicht zu viel verdient: Die Regierungskoalition will die bisher geltenden Hinzuverdienstgrenzen künftig für solche Fälle ersatzlos streichen. Das hat sie nun getan. Das 8. SGB IV-Änderungsgesetz (in geänderter Fassung) ist verabschiedet worden. »Damit ist der Weg frei für die vollständige Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze beim Bezug einer vorgezogenen Altersrente und die Anhebung der Verdienstgrenze beim Bezug einer Erwerbsminderungsrente«, berichtet der Bundestag unter der Überschrift Mehr Hinzuverdienst in der Frührente. Für die gesetzliche Änderung stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie die CDU/CSU-Fraktion. Die AfD-Fraktion und Die Linke enthielten sich.

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