Die Hinzuverdienstbegrenzung bei vorgezogener Altersrente soll gestrichen werden

Während die einen immer wieder die alten Forderungen aus der rentenpolitischen Mottenkiste hervorkramen und eine (weitere) Anhebung des Renteneintrittsalters auf 69 bzw. 70 Jahre fordern, was in der Form der starren „Fallbeil“-Lösung für alle ohne Berücksichtigung der individuellen Erwerbsbiografien und der erworbenen und erwerbbaren Ansprüche auf Leistungen aus der Rentenversicherung für viele Menschen aufgrund der damit verbundenen Rentenkürzungen, wenn man früher in Rente geht oder gehen muss, eine erneute Vergößerung der Sicherungslöcher in der Alterssicherung bedeuten würde, versucht man an anderer Stelle die „Verflüssigung“ der traditionell sehr starren Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand und des oftmals damit verbundenen Entweder-Oder-Modells voranzutreiben.

Dazu gehört dann sicherlich auch diese Meldung der FAZ: »Die Ampel-Koalition schafft Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogener Altersrente ab«, so der Artikel unter der Überschrift Rentner dürfen künftig mehr verdienen. Wie immer bei sozialpolitischen Themen muss man etwas genauer hinschauen. Was genau soll sich ändern?

Schauen wir uns in einem ersten Schritt die bestehende Anrechungslandschaft im Rentenrecht an:

Nach Erreichen der Regelaltersgrenze bestehen für Versichertenrenten grundsätzlich keine Einschränkungen. Man kann also im Prinzip unbegrenzt hinzuverdienen.

➔ Bei Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder der Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze beträgt die allgemeine Hinzuverdienstgrenze für Vollrenten eigentlich jährlich 6.300 Euro brutto. Bei Überschreiten dieser Hinzuverdienstgrenze werden 40 Prozent des, die Hinzuverdienstgrenze überschreitenden, Betrags auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung oder die Altersrente angerechnet und diese nur noch als Teilrente gezahlt. Durch das Flexirentengesetz wurde zum 1. Juli 2017 der Hinzuverdienst bei Erwerbsminderungsrenten angepasst. Anstatt der bis dahin gültigen monatlichen Hinzuverdienstgrenze gilt seitdem eine Jahresgrenze. Wenn man diese Grenze überschreitet, wird 40 Prozent des Einkommens, das über der Hinzuverdienstgrenze liegt, auf die Rente angerechnet. Bei Hinterbliebenenrenten werden 40 Prozent des den Freibetrag überschreitenden Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommens angerechnet.

➔ Warum „eigentlich“ 6.300 Euro pro Jahr? Im Jahr 2020 ist die ursprüngliche Hinzuverdienstgrenze für vorgezogenen Altersrenten von 6.300 Euro bereits auf 44.590 Euro und für 2021 auf 46.060 Euro jährlich erhöht worden – dieser Betrag gilt auch im laufenden Jahr 2022. Der Gesetzgeber reagierte damit auf den durch die Covid-19-Pandemie gestiegenen Bedarf an medizinischem Personal und die durch Erkrankungen oder Quarantäneanordnungen ausgelösten Personalengpässe in anderen Wirtschaftsbereichen. Mit der Regelung soll die Weiterarbeit oder Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach dem Renteneintritt erleichtert werden. Aber Achtung: Die Erhöhung der Verdienstgrenzen gilt nicht für Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrenten.

Und was soll sich nun genau ändern? »Wer vorzeitig in Rente gegangen ist und nebenher noch arbeitet, muss künftig nicht mehr aufpassen, dass er nicht zu viel verdient: Die Regierungskoalition will die bisher geltenden Hinzuverdienstgrenzen künftig für solche Fälle ersatzlos streichen«, berichtet die FAZ, die sich auf einen ihr vorliegenden Entwurf des Bundesarbeitsministeriums. Das Vorhaben soll in Kürze in einem Paket mit anderen sozialrechtlichen Änderungen vom Bundeskabinett beschlossen werden.

Wie hier schon beschrieben: »Bisher können Ruheständler erst nach Erreichen der regulären Altergrenze unbeschränkt nebenher arbeiten. Wer dagegen neben einer vorgezogenen Rente Arbeitslohn erzielt, muss bis dahin eine Minderung oder gar den Wegfall des Rentenanspruchs fürchten. Dies betrifft zum Beispiel auch Bezieher der sogenannten Rente ab 63 für Menschen, die 45 Jahre Beitragszeit beisammen hatten.« Zur Erinnerung: Die jährliche Hinzuverdienstgrenze liegt eigentlich bei 6.200 Euro und wurde im Kontext der Corona-Pandemie deutlich angehoben auf derzeit (noch) 46.060 Euro pro Jahr. Noch ist das Stichwort: »Nach geltender Gesetzeslage wäre von 2023 an nur noch ein Nebenverdienst von 6300 Euro im Jahr anrechnungsfrei.« Und genau diesen Rückfall in alte Zeiten und Beträge will man verhindern – und statt einer weiteren Verlängerung der bisherigen erheblichen Anhebung der Hinzuverdienstgrenze soll diese (wenn auch nicht für alle) fallen, wobei wir wieder unterscheiden müssen zwischen vorgezogenen Altersrenten und den Erwerbsminderungsrenten:

»In der Vorlage heißt es … nun: „Die Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogenen Altersrenten entfällt ersatzlos“, es werde in diesen Fällen keine Beschränkung des Hinzuverdiensts mehr geben. Außerdem ist vorgesehen, die entsprechenden Grenzen für Bezieher von Erwerbsminderungsrenten zu erhöhen, und zwar auf gut 17.000 Euro im Jahr.«

Uneingeschränkt begrüßt wird das von Seiten der FDP: »Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, wertet das Vorhaben als wichtigen Durchbruch hin zu einer einfachen, unbürokratischen Lösung – und als gute Nachricht nicht nur für die Betroffenen selbst: „Wir können es uns nicht leisten auf diese Menschen und ihr großes Erfahrungswissen zu verzichten“ … Wer nach dem Renteneintritt doch noch wieder mehr arbeiten wolle als zuvor gedacht, könne dies nun unbesorgt tun.«

Und der FDP-Politiker hat mittel- und langfristig noch weitere Perspektiven vor Augen: »Die Rente sei auch keine Sozialleistung, sondern durch Beitragszahlungen verdient, betonte Vogel. Schon deshalb passe dazu keine Anrechnung anderer Einkünfte. Er sieht darin rentenpolitisch außerdem einen Schritt weg von einer starren Altersgrenze, die nicht mehr zur Lebenswirklichkeit von Millionen Menschen passe. Ziel müssten nun weitere Fortschritte hin zu flexiblen Übergängen in den Ruhestand nach schwedischem Vorbild sein.«