Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles. Strategische „Umbuchungen“ und Doppelabrechnung von Pflegepersonalkosten im Krankenhaus?

Man muss einführend an die historische Entwicklung der Krankenhausfinanzierung erinnern: »Bis zum Jahr 2003 wurden allgemeine Krankenhausleistungen über krankenhausindividuelle Pflegesätze vergütet, die je Tag des Krankenhausaufenthaltes zu zahlen waren. Diese tagesbezogenen Pflegesätze wurden unabhängig davon berechnet, wie hoch der Behandlungsaufwand für einzelne Patientinnen und Patienten tatsächlich war. Die Krankenversicherung zahlte damit bei gleicher Behandlungsdauer für leicht erkrankte Patientinnen und Patienten genauso viel wie für schwer kranke Patientinnen und Patienten, die in der gleichen Fachabteilung eines Krankenhauses behandelt wurden. Die Vergütung erfolgte somit tagesbezogen und nicht leistungsorientiert. Die stationäre Verweildauer war im internationalen Vergleich sehr hoch«, erläutert das Bundesgesundheitsministerium unter der Überschrift Krankenhausfinanzierung. Und das wollte und hat man geändert: »Der Gesetzgeber hat deshalb beschlossen, diese Vergütungsform durch ein „durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem“ … zu ersetzen.« Dieses Fallpauschalensystem ist seit Jahren immer wieder Gegenstand umfangreicher Kritik, vor allem hinsichtlich der Folgen für die Versorgung wie auch für die Arbeitsbedingungen des Personals in den Kliniken. Hinsichtlich der Pflege und der Pflegekräfte wurde in den zurückliegenden Jahren vor allem darauf hingewiesen, dass die fallpauschalierende Systematik des Finanzierungssystems einen enormen Personalabbau-Druck ausgeübt hat, was dann immer als „Effizienzsteigerung“ verkauft wird, eine Begrifflichkeit, die irgendwie netter daherkommt als zu sagen, was ist: Mit weniger Personal mehr Fälle in immer schnellerer Zeit umzusetzen.

Aber es ist nicht so, dass man in der Politik nun gar nicht auf diese beklagenswerte Entwicklung des Missbrauchs des Pflegepersonals als Steinbruch für Kostensenkungsstrategien reagiert hat: Über die Jahre haben sich die negativen Effekte gerade in der Pflege kumuliert und irgendwann war der Punkt erreicht, dass man gegensteuern musste angesichts der verheerenden Auswirkungen in einem Bereich, der zunehmend von massiven Fachkräftemangel charakterisiert ist. Also hat der Gesetzgeber gleichsam die Notbremse gezogen und versucht, die Pflegekosten aus dem „durchgängig pauschalierenden Vergütungssystem“ wieder herauszunehmen.

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Wieder auf die lange Bank schieben? Zur Ankündigung von Modellprojekten zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegefachpersonen

Es gibt immer wieder diese Meldungen, die so unscheinbar daherkommen, dass die meisten sie überlesen oder nur am Rande zur Kenntnis nehmen. Wie wäre es mit dieser Nachricht aus der Online-Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts: Übertragung ärztlicher Tätigkeiten soll in Modellprojekten erprobt werden: »Die Regierungsfraktionen wollen die Krankenkassen dazu verpflichten, in jedem Bundesland je­weils ein Modellvorhaben zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte durchzuführen. Die Vorhaben sollen spätestens am 1. Januar 2023 beginnen. Das geht aus einem Änderungsantrag zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) hervor.« Endlich Bewegung in einem seit vielen Jahren diskutierten Thema, wird der eine oder andere denken.

Lesen wir weiter, was da auf den Weg gebracht werden soll: »In den Modellvorhaben sollen auch Standards für eine interprofessionelle Zusammenarbeit entwickelt werden. Einzelheiten zu den Modellvorhaben sollen die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene in einem Rahmenvertrag festlegen. Der Bundes­ärzte­kammer, der Bundespflegekammer und den Verbänden der Pflegeberufe auf Bundesebene soll Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben werden. Der Rahmenvertrag soll unter anderem einen Katalog der ärztlichen Tätigkeiten enthalten, die von Pflege­fachkräften in den Modellvorhaben selbstständig durchgeführt werden können sowie Anforderungen an die hierfür erforderliche Qualifikation der Pflegefachkräfte.« Interessant wird es bei der Beschreibung der Zeitschiene, die hier geplant wird:

»Die Vorhaben sollen spätestens am 1. Januar 2023 beginnen … Die Modellvorhaben sollen höchstens vier Jahre laufen.«

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Der zweite Corona-Tag der Arbeit. Anmerkungen zu schwierigen Zeiten (auch) für Gewerkschaften und ganz unterschiedlichen Perspektiven auf Erwerbsarbeit

Erneut konnten die Gewerkschaften ihre traditionellen – manche würden sagen tradierten – Veranstaltungen zum Tag der Arbeit am 1. Mai eines jeden Jahres aufgrund der Corona-Pandemie nicht so abhalten, wie man das eingeübt und über viele Jahre fortgeschrieben hat. Auch wenn das nur symbolisch gemeint ist – es kennzeichnet schwierige Zeiten, auch und gerade (?) für die Gewerkschaften. In der ersten Corona-Welle im vergangenen Jahr befanden sich zeitweilig sechs Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit, es gab neben dieser Auffanglösung auch zahlreiche Entlassungen in den besonders von den Beschränkungen betroffenen Branchen, die ganz überwiegend diejenigen getroffen haben, die am unteren Ende der Einkommenshierarchie angesiedelt sind und die dann auch noch in einer im wahrsten Sinne des Wortes Minijob-Falle gefangen waren, denn die Minijobber wurden zuerst entlassen, da man sie nicht über Kurzarbeit auffangen konnte – zugleich haben sie aber auch keine Ansprüche auf die lohnabhängigen Sozialleistungen wie dem Arbeitslosengeld I.

Man muss sich die Größenordnung verdeutlichen: Im vergangenen Jahr haben mehr als eine Million Menschen ihre Arbeit verloren. Mehr als die Hälfte davon waren Minijobber: 477.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte verloren ihren Job. Für die geringfügige Beschäftigung schlug Corona im vergangenen Jahr mit einem Minus von 526.000 Jobs zu Buche, so die Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage im Bundestag (vgl. dazu Mehr als eine Million Jobs verloren) Mit Blick auf die Jobverluste im ersten Corona-Jahr waren mit rund 398.000 Menschen bei Minijobs und regulären Jobs besonders Arbeitskräfte aus dem Gastgewerbe betroffen, also etwa aus den Bereichen Hotellerie und Gastronomie.

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