Jetzt aber: „Wir werden aufräumen mit diesen Verhältnissen“, sagt der Bundesarbeitsminister. Und meint die Zustände in der Fleischindustrie. Man darf gespannt sein

Es gibt Zufälle, die so konstruiert erscheinen, dass man den Kopf schütteln muss. Der 14. Mai ist ein Beispiel dafür. Es ist der Gedenktag der heiligen Corona. Ja, die gibt es wirklich. Und die ist nicht irgendeine Heilige, die man aus dem Frühchristentum in die Gegenwart zu retten versucht: Im katholischen Universum handelt es sich um die Patronin des Geldes, der Fleischer und Schatzgräber. Und eines muss man der katholischen Kirche ja lassen – sie sichert ihre Gläubigen gerne mehrfach ab und deshalb legt sie bei der heiligen Corona noch einen drauf: Die ist nämlich auch eine der zahlreichen Patrone gegen Pest und andere Seuchen. Wie passend. Manche andere hingegen würden in diesen Tagen von einem zynisch daherkommenden Humor sprechen.

Der Schutzheiligen des Geldes und der Fleischer werden in normalen Zeiten Wallfahrten dargebracht, vor allem in Österreich (möglicherweise auch in Ischgl). In diesem Jahr bewegt Corona, allerdings in viraler Form, den Globus und speziell am Gedenktag der Heiligen in Deutschland auch die Fleischindustrie und aufgrund der vielen Corona-Infektionsfälle in den Schlachthöfen der Republik auch Medien und Politik. Sogar bis in den Bundestag haben es die Vorgänge und damit (wieder einmal) der Blick auf die Zustände im Billigschlachthaus Deutschland geschafft. Und da geht es nicht nur um Fleischer, sondern eigentlich um viele Geld und um Unternehmen, die für sich einen Schaft gehoben haben – eine Schatzkiste voll mit billiger und gut ausbeutbarer Arbeit aus dem Osten.

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Keine Überraschung: Die Fleischfabriken werden zu Hotspots der Corona-Krise und die normalerweise unsichtbaren Menschen werden in Umrissen erkennbar

Große Aufregung in der Berichterstattung der letzten Tage: In der deutschen Fleischproduktion grassiert das Coronavirus unter den Beschäftigten. In Nordrhein-Westfalen sollen jetzt alle Arbeiter von Schlachthöfen getestet werden, so dieser Artikel: Mehr als 600 Corona-Fälle in Schlachtereien. »In den meisten Fällen hatten sich rumänische Werkvertragsarbeiter angesteckt, die oft in engen Gemeinschaftsunterkünften leben. Allein im Betrieb Müller Fleisch bei Pforzheim gab es in den vergangenen Wochen etwa 300 Infizierte … Bei Westfleisch haben sich nach Angaben der zuständigen Landkreise an den Standorten Oer-Erkenschwick und Coesfeld mehr als 200 Arbeiter infiziert … Das Unternehmen Vion hat seinen Schlachtbetrieb im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt nach einem Corona-Ausbruch ebenfalls geschlossen. Dort gibt es mehr als 100 Infizierte unter den Werkvertragsarbeitern, die meisten sind in Zweibettzimmern in einer ehemaligen Kaserne untergebracht und wurden gemeinsam per Bus zur Arbeit gefahren.«

»Die Branche steht wegen schlechter Arbeits- und Unterkunftsbedingungen seit vielen Jahren in der Kritik. Die prekären Verhältnisse sind ideal zur weiteren Verbreitung der Pandemie«, so der richtige Hinweis in diesem Artikel: Schlachthöfe entwickeln sich zu Corona-Brennpunkten. Seit vielen Jahren wird das kritisiert – das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man die aktuellen Reaktionen auf die sich häufenden Katastrophen-Meldungen aus den Untiefen der deutschen Fleischindustrie zur Kenntnis nehmen muss:

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Corona-Infektionen, weil die Rumänen „ein geselliges Volk“ sind? Über ein Geschäftsmodell mit osteuropäischen Billigarbeitern und ein Staatsversagen beim Arbeitsschutz (nicht nur) in viralen Zeiten

Über die Menschen, die als Erntehelfer für die Landwirtschaft nach Deutschland geholt wurden (und werden), sowie deren teilweise menschenunwürdige Behandlung auf den Feldern und Höfen des Landes (die übrigens auch in den Vorjahren immer wieder beklagt wurde), kann man in diesem Beitrag vom 1. Mai 2020 einiges erfahren: Was ist eigentlich aus den rumänischen Erntehelfern geworden, die zur Rettung des deutschen Spargels eingeflogen wurden? Von medialen Blitzlichtern und einer Ministerin, die für Landwirte alle Register zieht. Die Register, die hier von Seiten des Staates zugunsten der Spargel- und sonstigen Bauern gezogen werden unter Inkaufnahme nicht nur logischer, sondern auch Menschenleben gefährdender Widersprüche zu den ansonsten geltenden Restriktionen für den Gesundheitsschutz aller Menschen, zeigen eindrücklich, welche „systemrelevante“ Bedeutung die Arbeitskräfte aus Osteuropa hier in Deutschland haben. Das kann man mit vielen guten Argumenten kritisieren und mit Blick auf die Zukunft und das dann sicher abnehmende Potenzial an ausbeutbaren Menschen (zumindest aus Osteuropa) zu einem Auslaufmodell erklären, wie das beispielsweise Vladimir Bogoeski in seinem Beitrag Die Teufelsmühle macht: »Eine menschliche Lieferkette aus Osteuropa sorgt für Spargel auf den Tellern und Pflege für die Alten. Eine Zukunft hat das jedoch nicht.«

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